Meine liebe Annie ! 9.8.41
Jetzt ist wieder Samstag und Du wirst an Deine Abreise
denken müssen. Deine Urlaubstage sind dann auch schnell verstrichen, doch Deine
Mutter wird es wohl wieder schwerer empfinden, wenn Du nun wieder abgereist
bist. Die Kinder werden zwar ziemlichen Betrieb gemacht haben, aber es ist nun
einmal nicht anders. Das glaube ich, daß Dein Vater nun bald die Geduld
verloren hat, wenn es so den ganzen Tag geht. Ich hoffe also, daß Ihr gesund
wieder heimkommt. Dir selbst wird es auch eine Abwechslung aus dem täglichen
Einerlei sein. Denn Du bist ja solange schon nicht mehr aus Deinem häuslichen
Getriebe herausgekommen. Eine Ablenkung ist dann wirklich nicht von Schaden.
Die Heimreise wird den Kindern sicher auch wieder gefallen. Helgas Ferien sind
ja noch nicht zu Ende, sie kann sich in den kommenden Tagen noch ein wenig
austollen, soweit es das Wetter erlaubt. Das gleich trifft ja nun auch bei
unserem Stromer zu, der in den nächsten Wochen auch dran glauben muß. Es wird
ihm wahrscheinlich die erste Zeit hart ankommen. Gespannt bin ich ja, wie er
sich Damit dann abfinden wird. Er wird zwar nicht gefragt, aber je nach dem wie
er sich in den Betrieb hineinfindet, werden dann auch seine Leistungen sein.
Ich hoffe ja mit ziemlicher Bestimmung, daß ich inzwischen wieder einmal zu Euch kommen kann. Heute am Wochenende war Betrieb wie die ganze Woche über. Wenn man nicht immer noch mit beim Publikumsverkehr helfen müßte, könnte man der Sache eher Herr werden. Aber ich werde meine Arbeit eben nach und nach erledigen und mich nicht wegen den Franzosen oder wegen dieser Dienststelle hier kaputtmachen. Mein Chef weiß aber, was er an mir hat und gibt mir in fast jeder Hinsicht uneingeschränkte Voll machten. Daß ich diese nicht für meine Zwecke personell ausnütze, halte ich für selbstverständlich. Obwohl ich dies schon oft hätte tun können. Heue legte ich ihm einen Bericht vor. Als er ihn gelesen hatte, fragte er, wer ihn gemacht hat; ob ich das sei. Als ich ihm das bejahte, sagte er, daß ein früherer Oberinspektor, der gewiß auf Draht gewesen sei, nichts in dieser Weise hingelegt hatte. Ich will mich nicht auf diesen Lorbeeren ausruhen, sondern weiterarbeiten. Gestern erklärte er mir auch, daß ich sein Inspektor sei. Anders wäre es, wenn ich das auch in wirtschaftlicher Hinsicht wäre, denn nur arbeitsmäßig allein bringt nicht die volle Befriedigung. Heute sende ich Dir ein Foto von unserem Hausgenossen mit. Er ist in der Zwischenzeit wohl noch etwas mehr gewachsen, aber Du kannst schon sehen, was für ein Kerl das ist.
Post habe ich nicht von Dir bekommen. Vielleicht heute Abend oder zum Sonntag. Dir sende ich viele herzliche Grüße und Küsse. Unseren beiden Stromern ebenfalls. Wie es Vater in der Zwischenzeit gegangen ist, wird mich auch interessieren. Dein Ernst
Mein liebes Mädel ! 9.8.41
Eben komme ich von Lille zurück und habe mir das Päckchen wieder besorgt, das mir Graser nicht mitnehmen konnte. Ich habe es heute einem anderen Kameraden mitgegeben, der es morgen mitnimmt. Bis das in Konstanz ankommt, bist Du ja auch wieder dort. Ich wollte mich nochmals bei der Fabrik wegen meiner Stiefel umsehen, die haben heute Nachmittag aber geschlossen. Jetzt muß ich zusehen, daß ich am Anfang der kommenden Woche nochmals hinüber fahren kann. Zufällig habe ich auch den Tommi wieder getroffen, der sich sehr gefreut hat. In Lille selbst ist tüchtiger Betrieb, viele viele Menschen und in den Hauptstraßen Gedränge. Schön war die Fahrt wieder dorthin. Auf den Feldern war schon fast sämtliches Getreide gemäht und in Hocken aufgebaut. Die Sonne lag über den Äckern. Es war wahrhaftig ein schöner Anblick. Wenn man nicht selbst die Soldatenkluft anhätte und nicht die Soldaten oder die verschiedenen Flugplätze sehen würde, man könnte fast nicht glauben, daß Krieg ist. Ich erhielt Deinen lieben Brief vom 5. Es freut mich, daß ich von Dir hören konnte, daß es Dir gut gefallen hat und daß Du Dir wieder einmal andere Eindrücke verschafft hast. Du hast nun wenigstens die dringend notwendige Ablenkung gehabt und kannst dann wieder in den kommenden Wochen Deine Arbeit einmal mit anderen Sinnen versehen. Was die Schokolade anbelangt, so ist es gegenwärtig so, daß jetzt keine zu bekommen ist. Pralinen sind eher zu erhalten. Wenn es wieder Schokolade gibt, werde ich sehen, was sich tun läßt. Daß Dir der Film auch gefallen hat, konnte ich mir ja denken, es freut mich aber, daß Du Gelegenheit gehabt hast, ihn zu sehen. In die Wollkämmerei kamst Du nun auch noch. Das kann schon möglich sein, daß Dich die jetzigen Verhältnisse interessieren. Siegfried hat wieder sein Leibgericht bekommen, bevor er fortfuhr. Da kennt er ja keine Grenzen.
Mit dem russischen Krieg bist Du nun auch auf eine Art in Berührung gekommen. Du hast also auch eine Gasmaskentasche erbeutet. Das Gepäck wird Dir ausreichen. Es ist aber recht, daß Du einen Teil so verschickst, damit Du nicht soviel Schlepperei hast. Ich lege heute wieder einige Bilder bei, die ich mir als Erinnerung an das Stadtkommissariat habe schicken lassen. Bis auf den Tommi sind es ja alle Personen, die bei uns waren. Wenn ich einmal in Urlaub komme, kann ich Dir ja die einzelnen Persönlichkeiten vorstellen, sofern sie Dich interessieren. Deine Frage wegen des Konstanzers hätte ich fast vergessen zu beantworten. Wir leben hier doch sozusagen im Kohlenpott. Unsere Stadt ist die Zentrale für die gesamte Kohlenverteilung des Nordens. Auch unsere Industrie wird mit hiesigen Kohlen versorgt. Dieser Mann ist nun der Beauftragte für die Eisen und Stahlindustrie für Lothringen und das Moselgebiet. Wie das genau zusammenhängt, kann ich Dir hier nicht so erklären. Daß er hier nicht schlecht verdient, kannst Du dir denken. Recht herzlich grüße und küsse ich Euch alle meine Lieben. Dich, mein liebes Mädel, aber besonders Dein Ernst.
Ich hoffe ja mit ziemlicher Bestimmung, daß ich inzwischen wieder einmal zu Euch kommen kann. Heute am Wochenende war Betrieb wie die ganze Woche über. Wenn man nicht immer noch mit beim Publikumsverkehr helfen müßte, könnte man der Sache eher Herr werden. Aber ich werde meine Arbeit eben nach und nach erledigen und mich nicht wegen den Franzosen oder wegen dieser Dienststelle hier kaputtmachen. Mein Chef weiß aber, was er an mir hat und gibt mir in fast jeder Hinsicht uneingeschränkte Voll machten. Daß ich diese nicht für meine Zwecke personell ausnütze, halte ich für selbstverständlich. Obwohl ich dies schon oft hätte tun können. Heue legte ich ihm einen Bericht vor. Als er ihn gelesen hatte, fragte er, wer ihn gemacht hat; ob ich das sei. Als ich ihm das bejahte, sagte er, daß ein früherer Oberinspektor, der gewiß auf Draht gewesen sei, nichts in dieser Weise hingelegt hatte. Ich will mich nicht auf diesen Lorbeeren ausruhen, sondern weiterarbeiten. Gestern erklärte er mir auch, daß ich sein Inspektor sei. Anders wäre es, wenn ich das auch in wirtschaftlicher Hinsicht wäre, denn nur arbeitsmäßig allein bringt nicht die volle Befriedigung. Heute sende ich Dir ein Foto von unserem Hausgenossen mit. Er ist in der Zwischenzeit wohl noch etwas mehr gewachsen, aber Du kannst schon sehen, was für ein Kerl das ist.
Post habe ich nicht von Dir bekommen. Vielleicht heute Abend oder zum Sonntag. Dir sende ich viele herzliche Grüße und Küsse. Unseren beiden Stromern ebenfalls. Wie es Vater in der Zwischenzeit gegangen ist, wird mich auch interessieren. Dein Ernst
Mein liebes Mädel ! 9.8.41
Eben komme ich von Lille zurück und habe mir das Päckchen wieder besorgt, das mir Graser nicht mitnehmen konnte. Ich habe es heute einem anderen Kameraden mitgegeben, der es morgen mitnimmt. Bis das in Konstanz ankommt, bist Du ja auch wieder dort. Ich wollte mich nochmals bei der Fabrik wegen meiner Stiefel umsehen, die haben heute Nachmittag aber geschlossen. Jetzt muß ich zusehen, daß ich am Anfang der kommenden Woche nochmals hinüber fahren kann. Zufällig habe ich auch den Tommi wieder getroffen, der sich sehr gefreut hat. In Lille selbst ist tüchtiger Betrieb, viele viele Menschen und in den Hauptstraßen Gedränge. Schön war die Fahrt wieder dorthin. Auf den Feldern war schon fast sämtliches Getreide gemäht und in Hocken aufgebaut. Die Sonne lag über den Äckern. Es war wahrhaftig ein schöner Anblick. Wenn man nicht selbst die Soldatenkluft anhätte und nicht die Soldaten oder die verschiedenen Flugplätze sehen würde, man könnte fast nicht glauben, daß Krieg ist. Ich erhielt Deinen lieben Brief vom 5. Es freut mich, daß ich von Dir hören konnte, daß es Dir gut gefallen hat und daß Du Dir wieder einmal andere Eindrücke verschafft hast. Du hast nun wenigstens die dringend notwendige Ablenkung gehabt und kannst dann wieder in den kommenden Wochen Deine Arbeit einmal mit anderen Sinnen versehen. Was die Schokolade anbelangt, so ist es gegenwärtig so, daß jetzt keine zu bekommen ist. Pralinen sind eher zu erhalten. Wenn es wieder Schokolade gibt, werde ich sehen, was sich tun läßt. Daß Dir der Film auch gefallen hat, konnte ich mir ja denken, es freut mich aber, daß Du Gelegenheit gehabt hast, ihn zu sehen. In die Wollkämmerei kamst Du nun auch noch. Das kann schon möglich sein, daß Dich die jetzigen Verhältnisse interessieren. Siegfried hat wieder sein Leibgericht bekommen, bevor er fortfuhr. Da kennt er ja keine Grenzen.
Mit dem russischen Krieg bist Du nun auch auf eine Art in Berührung gekommen. Du hast also auch eine Gasmaskentasche erbeutet. Das Gepäck wird Dir ausreichen. Es ist aber recht, daß Du einen Teil so verschickst, damit Du nicht soviel Schlepperei hast. Ich lege heute wieder einige Bilder bei, die ich mir als Erinnerung an das Stadtkommissariat habe schicken lassen. Bis auf den Tommi sind es ja alle Personen, die bei uns waren. Wenn ich einmal in Urlaub komme, kann ich Dir ja die einzelnen Persönlichkeiten vorstellen, sofern sie Dich interessieren. Deine Frage wegen des Konstanzers hätte ich fast vergessen zu beantworten. Wir leben hier doch sozusagen im Kohlenpott. Unsere Stadt ist die Zentrale für die gesamte Kohlenverteilung des Nordens. Auch unsere Industrie wird mit hiesigen Kohlen versorgt. Dieser Mann ist nun der Beauftragte für die Eisen und Stahlindustrie für Lothringen und das Moselgebiet. Wie das genau zusammenhängt, kann ich Dir hier nicht so erklären. Daß er hier nicht schlecht verdient, kannst Du dir denken. Recht herzlich grüße und küsse ich Euch alle meine Lieben. Dich, mein liebes Mädel, aber besonders Dein Ernst.
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