Mittwoch, 3. August 2016

Brief 159 vom 1./2.8.1941


Mein liebstes Mädel !                                                                                   1.8.41              
 

Deine beiden Briefe vom 27. und 28.7. erhielt ich gestern. Außerdem bekam ich einen Brief von unserem Assessor und von einem Beamten, der für einige Zeit hier bei uns war und jetzt in Rußland eingesetzt ist. Ich hatte also gestern ziemlich zu lesen. Es war mir aber nicht zuviel, vor allem war es wieder einmal ein Blick in die Welt. Ein Brief aus Belgien, zwei aus Deutschland und einer aus Rußland. Was sind das doch jetzt für Entfernungen geworden, was ist das für eine Größe und Macht, die wir bis jetzt schon erreicht haben. Zu welchen Leistungen sind wir fähig und was für Kräfte stecken in unserem Volk. Der Kriegsverwaltungsamtmann, der bei uns auf dem Kommissariat war, sitzt jetzt auf der Insel Kreta, unser Kurt sitzt in Italien. Wenn man das betrachtet und dabei bedenkt, daß wir vor 8 Jahren erst mit dem Aufbau des Reiches begonnen haben, so ist das alles fast unvorstellbar. Nach Deinem Schreiben zu urteilen, scheint es Dir ganz gut in Leipzig zu gefallen und etwas Entspannung und Erholung scheinst Du auch zu haben. Es freut mich sehr, daß Du überall gut aufgenommen bist. Das mit der Stellenveränderung Deines Vaters interessiert mich sehr, denn ich nehme ja in dieser Hinsicht auch Anteil.  Was die Schokolade für Deine Eltern anbelangt, so will ich zusehen, was sich tun läßt, wesentlich ist für mich, daß Du einen gewissen Vorrat hast. Das mag sehr selbstsüchtig klingen, ist aber nicht so gemeint. Ich hoffe, daß ich auch noch welche für Deine Eltern bekomme. Es ist nur immer so, man kann noch viel einkaufen, doch muß man immer Geld auf der Hand haben, wenn  irgendein günstiger Fall eintritt. Das ist nicht immer so, daß man nur hingehen braucht, sondern das sind alles mehr oder weniger Gelegenheiten, die man dann ausnutzen muß, wenn sie sich bieten. Wenn ich Geld im Voraus verlange, habe ich es wohl auf der Hand, weiß aber nicht, ob ich das bekomme, was gewünscht wird. Lege ich es solange aus, fehlt es mir hier für eine andere Sache. Du mußt mich richtig verstehen, daß das nicht am guten Willen liegt, sondern daß das durch die Verhältnisse bedingt ist.  Gib mir rechtzeitig Bescheid, wie lange Du Dich in Leipzig aufhältst, damit ich meine Post entsprechend leiten kann, denn ich möchte nicht, daß die Briefe erst nach Leipzig gehen und dann Dich nicht erreichen.  Der Assessor schreibt, daß er jetzt in Belgien in einem viel kleineren Kreis tätig sei, der nur 84ooo Einwohner hat. Wir haben hier noch 1 ½ Mal soviel. Dagegen steht dort mehr Personal zur Verfügung. Es ist eben ungleich im Verhältnis zu uns, wenn man dabei bedenkt, daß dort noch entsprechend mehr Personal zur Verfügung steht. Aber man soll in diesem Fall auch nur wieder sagen „nicht ärgern, nur wundern.“ Für heute herzliche Grüße und Küsse Euch allen von Deinem Ernst.

Meine liebe Frau !                                                                 2.8.41

Nachdem ich gestern keine Post erhalten habe, denke ich, daß ich vielleicht heute wieder etwas von Dir bekomme. Am gestrigen Abend war ich mit dem Konstanzer zusammen. Es war ganz interessant und auch sehr nett. Er hatte sich sehr gefreut, mit einem aus seiner Heimatstadt zusammen zu sein und er hat mich gleich gebeten, daß wir bald wieder einmal zusammen kommen. Wenn ich jetzt einmal in die Gegend oder nach Lille oder sonst wo hinfahren will, wird er mir seinen Wagen zur Verfügung stellen. Wenn es mit meinem Urlaub klappen sollte und es gibt sich die Gelegenheit, dann kann ich wahrscheinlich mit dem Wagen bis nach Brüssel gefahren werden. Es ist doch immer wieder gut, wenn man für gewisse Fälle jemand an der Hand hat, denn man weiß ja nicht, wie man so einen Mann brauchen kann. Für sämtliche Kosten ist er gestern aufgekommen, er wies darauf hin, daß er es besser auf Geschäftsunkosten verrechnen kann wie ich. Dem konnte ich auch nicht widersprechen, denn ich habe keine Möglichkeit, Spesenrechnungen aufzustellen.  Heute Nachmittag werde ich nochmals wegen meinen Stiefeln nach Lille fahren müssen, weil ich die Befürchtung habe, daß man mir hier nicht richtig Maß genommen hat. Ich habe heute hier im Dienstzimmer Hochbetrieb, und ich bitte Dich, mit meinem kürzeren Schreiben vorlieb zu nehmen. Ich grüße und küsse Dich und die Kinder, bitte dich Deinen Eltern, Elsa und Erna und wie sie alle heißen, Grüße von mit zu übermitteln. Dir nochmals viele Küsse von Deinem Ernst


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen