Freitag, 5. August 2016

Brief 163 vom 11./12.8.1941


Liebstes Mädel !                                                     O.U., 11.8. 41                      



Morgen wirst Du nun wieder abfahren, da nun Dein Urlaub abgelaufen ist. Es freut mich, daß es möglich war, daß Ihr diese Reise erleben konntet. Es ist doch anders, wie vor Jahren, wo es noch an vielem fehlte. Jetzt läßt sich so was doch viel eher durchführen, ohne daß es gleich daheim wirtschaftliche Rückschläge gibt.  (Anm. Helga Hellmich, geb. Rosche: Er meint damit die erste Reise, die damals zur Silbernen  Hochzeit meiner Großeltern gemacht wurde.)  
Deinen Brief vom 6.8 und die beiden Karten vom 7.8 habe ich gestern erhalten. Daß Du nun von diesem Aufenthalt ganz gesund wieder heimkommst, wäre ja zuviel verlangt, wesentlich ist schon dabei, daß es Dir besser geht und daß Du wieder soviel Kraft gesammelt hast, um den kommenden Anforderungen wieder gewachsen zu sein. Denn die Arbeit daheim stellt doch ziemliche Aufgaben, die täglich zu bewältigen sind. Ich lese aus Deinen Zeilen jedenfalls heraus, daß Du über den Erfolg Deiner Reise sehr zufrieden bist und das bedeutet mir schon sehr viel. Wenn Du das Gefühl hast, Dich schriftlich  mit Alice mehr zu beschäftigen, so kannst Du das ja tun. Ich glaube dir gern, daß Ihr Euch gut verstanden habt. Ich selbst habe ja nie etwas gegen sie gehabt. Bei mir ist es nur so, daß ich keine Bindung zu ihr habe und sie noch weniger kenne wie Du. Ihre Ansicht, daß ich sie wegen ihrer Geburt nicht achten würde, ist ja vollkommen irrig, denn dann müßte ich ja ein ganz verbohrter Mensch sein. (gemeint ist die uneheliche Geburt)
Im Übrigen habe ich ja viel zu viel mit Menschen jeder Art und dann auch besonders dieser Art zu tun gehabt, als daß ich da ein Vorurteil haben könnte. Der zweite Besuch im Zoologischen Garten hat unseren beiden Stromern sicher wieder gefallen. Wie ich aus der Karte von Helga lese, war sie sehr interessiert für die Tiere. Deinen Eltern werde ich dieser Tage auch wieder schreiben. Ich habe das bis jetzt nicht für notwendig gehalten, weil Du ja immer von mir Post erhalten hast und sie von Dir über alles Wesentliche unterrichtet worden sind. Das werde ich ihnen auch mitteilen.  gestern bekam ich auch von Gerhard die beiliegende Karte. Du kannst Dir ja dabei denken, was Du willst.
 (Gerhard Legler war ein Freund aus Wandertagen. Er hat sich nach dem Krieg von seiner Frau scheiden lassen, bzw. sie von ihm und kam irgendwann nach Westdeutschland, soviel ich weiß noch vor dem Mauerbau. Er hat eine Zeitlang bei meinen Eltern gewohnt, hat sich aber dann so merkwürdig benommen, vor allem meiner Mutter gegenüber, der er unsittliche Anträge gemacht hat, während mein Vater im Geschäft war, daß ihm nahegelegt wurde, sich eine Wohnung zu besorgen. Er wohnte dann mit einer seiner Töchter hinter dem Bismarckturm in einem einfachen Haus; mein Vater hat sich dann endgültig von ihm abgewandt, als er seinen Namen („das ist mein Freund“) zu zwielichtigen Geschäften mißbrauchte und Vater in seinem Amt in schiefem Licht dastand.  Diese Elsa, von der die Rede war, daß sie mit nach Konstanz fahren wollte, und gegen deren Besuch in den vorigen Briefen Vater immer war, war seine Frau )
Man überlegt sich im allgemeinen, wenn man eine Reise machen will, was sich alles für Möglichkeiten ergeben können. Lassen wir sie und sind zufrieden, daß Du verschont bist von dem Umtrieb, der sonst eingetreten wäre bei 3 Personen.  Von der Stadt erhielt ich wieder das Heft „Das schöne Konstanz“ zugesandt. Alle bekommen sie auf irgendeine Art meine Adresse wieder. Es ist zwar nicht schön von mir, daß ich diese Änderung nicht mitgeteilt habe und diesen allen unnütze Arbeit verursacht habe. Ich habe mich sehr über das Heft gefreut und war in Gedanken dabei in Konstanz.  Schöne Bilder vom Baden und vom See haben die Gedanken plastisch werden lassen. Es ist doch etwas Schönes an unserer Gegend. Ich hoffe, daß uns einige schöne Tage beschieden sind und daß es etwas Sonne gibt. Ich habe sonst keine großen Wünsche, doch ein wenig möchte man schon einmal aus dem Bau. Die Jahreszeit ist dann ja noch nicht so fortgeschritten, daß das nicht möglich sein könnte.  Heute sende ich Dir und unseren Kindern herzliche Grüße und viele Küsse. Ich hoffe, daß Ihr morgen gesund wieder heimkommt. Dein Ernst.

Liebste Annie !                                                           12.8.41 

Für den Brief vom 8.8. danke ich Dir herzlich. Daß der weitere Besuch im Zoo den Kindern auch viel Freude bereitet hat, habe ich mir denken können und habe es auch in meinem gestrigen Brief zum Ausdruck gebracht. Sie haben nun diese Tiere lebendig und in Freiheit gesehen, das ist doch ganz anders wie in Bildern, denn da fehlt ja die Plastik und das Lebendige vermittelt doch mehr. An dem Papagei werden sie wohl auch ihren Spaß gehabt haben. Aber wie Helga schreibt, haben ihr auch die Affen gefallen. Das ist schon ulkig, wenn die Viecher so in der Gegend herumspringen. Von diesem vielen Herumlaufen werden sie wohl auch ziemlich müde gewesen sein.  Du hast Dich bei Deiner Mutter also noch nützlich gemacht, indem Du ihr verschiedene Sachen abgeändert hast. Da wird Deine Mutter froh gewesen sein, wenn sie wieder verschiedenes in Ordnung bekommen hat.  Wegen den Schuhen für Vater habe ich mich nochmals umgesehen. Ich habe nun noch welche bekommen und zwar mit Ledersohle. Es ist Größe 43. Sie sehen sehr ordentlich aus.  Mir passen sie. Wenn sie ihm etwas zu groß sein sollten, müßte er vielleicht noch eine Sohle reinlegen. Im Winter halte ich das sowieso für besser. Vor allem wenn er eine warme Sohle reinlegt.  Er soll mir mitteilen, ob er sie haben will, andernfalls muß ich sie weiterverkaufen. 
Gestern bin ich wieder im Kino gewesen.  Nachdem ich doch immer versucht habe, in Karlsruhe den Film „Wunschkonzert“ zu sehen, habe ich nun hier mehr Gelegenheit gehabt, ihn kennen zu lernen. Meine beiden Hausgenossen, die sich zum sogenannten gebildeten Kreis rechnen wollen, also die Intellektuellen, sagten, das sei nichts und sie wunderten sich, daß man so was überhaupt dem Publikum vorsetzen würde. Ich bin jedenfalls nicht unzufrieden aus dem Kino rausgegangen. Ich habe auch das Empfinden gehabt, wie wenn es den meisten Soldaten gefallen hat. 
Heute seid Ihr nun auf der Heimreise. Ich denke schon die ganze Zeit an Euch. Ich hoffe, daß Ihr gesund wieder heimkommt.  Angeschlossen sende ich wieder einen Teil der Briefe mit zurück, damit sich hier nicht allzu viel anhäuft. Am Abend gehe ich wieder ins Kino. Dann sind die Hauptereignisse der Woche schon wieder vorbei. Die Tage gehen ja so schnell vorbei, daß man sich direkt wundert, daß schon wieder Samstag ist.  Das Wetter selbst läßt sehr zu wünschen übrig. Nachdem das Frühjahr solange hat auf sich warten lassen und der Sommer etwa nur 14 Tage gedauert hat, hat es nun den Anschein, als wenn es nicht mehr warm werden würde.  Dafür bekommen wir wenigstens einen zeitigen Herbst. Am ganzen Wetter können wir ja nichts machen und wir müssen eben diesen Karren laufen lassen wie er geht.  Dir und den Kindern sende ich recht herzliche Grüße und viele Küsse. Ich hoffe euch alle gesund. Dir übermittle ich wieder meine besten Grüße und Küsse Dein Ernst.


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