Mittwoch, 31. August 2016

Brief 170 vom 29./30.8.1941


Meine liebe Annie !                                                                                                                29.8.41         

Heute muß ich einmal mit Tinte schreiben, denn ich habe kein anderes Papier dabei, weil ich daheim in der Wohnung bin. Ich bin das noch nicht so gewohnt, aber ich denke, wenn ich 200 Briefe so geschrieben habe, daß ich es dann auch kann. Heute im Laufe des Tages bin ich nicht dazu gekommen und heute Abend sitze ich nun daheim und höre mir die Lössendung an. Du wirst wahrscheinlich das gleich tun. Nebenher schreibe ich nun gleich an Dich, Damit die Zeit richtig ausgenutzt ist. Als ich um 7 Uhr aus dem Dienst ging, war noch keine Post da. Deinen lieben Brief von gestern habe ich zwar nicht bei mir, aber danken tue ich Dir trotzdem dafür.  Die Arbeit war wieder für diesen Tag ausreichend, doch wenn ich so den ganzen Tag überblicke, habe ich eigentlich keine positive Arbeit geleistet, sondern den Tag über weiter nichts gemacht wie Auskünfte geben, verhandelt, Anweisungen erteilt. Es ist ja interessant, wenn man so im Mittelpunkt steht und alles sich um einen selbst dreht. Wenn dann aber der Abend herankommt, man übersieht einmal den Tag, soweit man dann Zeit und Muße dazu hat, so ist man nicht zufrieden mit dem, was man geleistet hat.  Aber alle diese Anweisungen und Regelungen sind alle notwendig für den richtigen Lauf des Betriebs, vor allem auch deshalb, wenn dann Leute Mitbeschäftigte sind, die kein Gefühl für die Dinge haben. Ein Mitarbeiter ist ja gut, den ich habe, auf den kann ich mich restlos verlassen, denn er sieht auch alles lieber dreimal an, ehe er es aus der Hand gibt, die anderen 2 Hilfen sind dagegen nicht so gewissenhaft. Schließlich müssen wir sie aber mitschleppen und sie auf ihre Art verwenden. Ich würde manchmal lieber mich in anderer Weise einsetzten, doch es muß auch einer da sein, der alles entgegennimmt und den Schwung im Getriebe beibehält.  Ich muß zwar auch manches hinnehmen, doch bei passender Gelegenheit schlage ich eben wieder zurück. Heute hatte ich in einem Fall lachen müssen. Da hat einer auf einer deutschen Dienststelle eine Anforderung wegen Ankaufs einiger Zentner Kartoffeln geschrieben, die ein Bauer hier liefern sollte. Der Ankauf im freien Handel ist nun untersagt und zieht Bestrafung nach sich.  Wir hätten nun diesen Fall gleich unserer Oberfeldkommandantur mitteilen können. Nun haben wir diesen Leuten erst geschrieben, daß sie zu ihrem unstatthaften Verhalten Stellung nehmen könnten.  Wir könnten die Angelegenheit für diesmal niederschlagen und diesen Leuten den Bescheid geben, daß sie sich nicht wieder mit unseren Bescheinigungen bei uns in der Gegend sehen lassen dürften. Nun rief mich der Kriegsverwaltungsrat, wie so oft, zu sich und fragte, sehen sie eine Möglichkeit, daß wir diesmal von einer Meldung absehen können. Ich sagte ihm daraufhin, denn das erwartet er von mir, daß da eigentlich zwingende Bestimmungen dem entgegen stünden und daß das unverzüglich gemeldet werden müßte.
Großmütig hat dann mein Chef gesagt, er will es für heute noch einmal auf sich nehmen und sie sollten schriftlich zu unserem Schreiben Stellung nehmen, dann würden wir versuchen, bei der Oberkommandantur die Angelegenheit grade zubiegen. Die waren uns natürlich sehr dankbar, weiterhin werden die den illegalen Kauf von Lebensmitteln bleiben lassen, im übrigen wird das diesen Leuten eine Lehre sein und sie haben gemerkt, daß wir als Deutsche auch dann gegen unsere Leute vorgehen müssen, wenn sie sich nicht an das halten, was für die Ernährungslage dieses Landes unbedingt erforderlich ist, geordnete Zustände. Gefreut hat es mich aber, daß diese Herren, die erst ziemlich großspurig hermachen, mit abgesägten Hosen abziehen. Ich habe Dir heute im Wesentlichen vom Dienst geschrieben. Ich bin zwar 2mal unterbrochen worden. Zuerst war unser Doktor bei mir, der heute aus dem Urlaub wieder zurückgekommen ist, der hat sich über eine Stunde bei mir aufgehalten und auch mit mir etwas erzählt. Als ich dann wieder eine Weile geschrieben hatte, kam der Kriegsverwaltungsrat und hatte verschiedene Wünsche. Inzwischen ist es nun Mitternacht geworden. Ich denke, daß ich mich nun zu Bett begebe. Recht gute Nachtgrüße sende ich Dir. Vorhin hat zwar wieder einmal die Sirene geheult, doch wir können hier ja nichts weiter unternehmen als uns im Haus unterhalten, weil sonst keine anderen Maßnahmen getroffen sind. Bisher hatten wir Ruhe vor dem Alarm, aber seit einiger Zeit geht das Ding bei Tag und auch bei Nacht los. Bei Tag stört es wenigstens nicht so, aber in der Nacht kann man ja dann nicht mehr weiter schlafen.
                                                                                                   30.8.41
Bevor ich diesen Brief zum Abschluß bringe, will ich wenigstens noch einen Gruß darunter setzen.  Wegen Deiner Durchleuchtung, das fällt mir bei Deinem Schreiben noch ein, muß Du aber doch noch einmal etwas tun, Damit festgestellt wird, ob sich Dein Zustand wieder gebessert hat oder nicht. Wenn Du auch einen anderen Arzt aufsuchen musst, und wenn es auch Zeit kostet, aber ich halte das für unbedingt notwendig. Gib mir darüber Auskunft, was Du in dieser Sache gemacht hast.  Die anliegenden Zeitungsausschnitte zeigen Dir, wie jetzt gegen die Saboteure vorgegangen wird. Vor allem siehst Du daraus, daß wir jetzt nicht mehr zusehen und uns von den Brüdern auf der Nase herumtanzen lassen.  Heute bekommst du wieder einen langen Brief von mir. Doch nun will ich schließen und Dir recht herzliche Grüße und viele Küsse übermitteln Dein Ernst

Brief 169 vom 28.8.1941


Mein liebes Mädel !                                                                                                           28.8.41             

Gestern bin ich nicht weiter auf Deine Briefe eingegangen, weil ich Dir aus besonderem Anlaß den Extrabrief geschrieben habe. Ich hoffe, daß Du ihn noch zur rechten Zeit bekommst. Das Päckchen habe ich gestern noch mit fertiggemacht und schicke es heute mit an Dich weg.  Nun zu Deinen Briefen, die vorgestern und gestern eingegangen sind. Es sind dies Deine Schreiben vom 21. und 23. 8, sowie die Schreiben vom 22. und 24.8. Für alle danke ich Dir vielmals und teile Dir gleichzeitig mit, daß ich mich darüber wieder sehr gefreut habe. Ich kann mir denken, daß unsere Kinder mit der Margret Fahrteneindrücke aus der Großstadt ausgetauscht haben, denn dazu haben sie ja reichlich Gelegenheit gehabt, welche zu sammeln. Das ist auch schön für unsere beiden, wenn sie etwas gesehen haben und mitreden können, denn das erweitert ohne weiteres das Weltbild. Die Kinder von Büsings entwickeln sich natürlich auf ihre Art und nach den gegebenen Erbanlagen.  Das ist gut, wenn Ihr Euch an das Obst und an das Gemüse haltet, das ist gerade für die kommenden Wintermonate von großer Bedeutung, wenn man genügend Stoff für den Aufbau und die Erhaltung des Körpers aufgenommen hat.  
                -Wegen der in der Heimat gedichteten Massenmorde und den in den Kanälen schwimmenden Leichen ist es mal halb so schlimm. Es sind vereinzelte Fälle vorgekommen, aber ich sende Dir in diesem Zusammenhang einen Artikel mit, der Dir über verschiedenes Aufschluß gibt und Dir auch zeigt, welche Gegenmaßnahmen von uns hier getroffen wurden. Es gibt nun einmal Leute, die gern die anderen ein bißchen gruseln machen wollen.  Aber wie gesagt, es ist mal halb so schlimm. Was zwar die Flugblätter der Kommunisten anbelangt, so sind das noch ziemlich harmlose, die Du da gelesen hast, aber immerhin zeigen sie, was hier so gemacht wurde. 
Mit der Aufstellung des Ahnenpasses hast Du ja wirklich wieder  einmal eigenmächtig gehandelt. Ich will es Dir diesmal nicht übel nehmen, aber das nächste Mal mußt Du erst eine schriftliche Genehmigung einholen, wo soll denn das sonst hinführen, wenn Du alles allein machst, dann bin ich ja direkt überflüssig.
Also ich kann Dir sagen, daß es mir eine Freude war, Deine saubere Arbeit zu sehen. Du hast Dir wirklich große Mühe gegeben und ich glaube, daß es Dir viel Arbeit gemacht hat, vor allem, weil man sehr dabei aufpassen muß. Das war in Ordnung und ich erteile hiermit nachträglich und großmütig meine Erlaubnis.  Bist Du nun zufrieden, wo Du jetzt Deinen Anranzer weg hast? 
Wie Du das mit dem Einmachen usw. machst, da kann ich Dir nun wirklich nicht reinreden, darum glaube ich, daß es so richtig ist, wie Du es vorgeschlagen hast. Es freut mich, daß Du inzwischen das Paket erhalten hast. Die Schuhe sagen Dir zu und passen tun sie auch. Jetzt hast Du doch wenigstens für die nächste Zeit etwas anzuziehen für die Füße. Denn das ist ja wichtig, vor allen, wenn man immer wieder raus muß. Wenn man die Schuhe wechseln kann, halten sie auch viel länger. Die Sandalen passen den Kindern auch und nach Deiner Schilderung sind sie stolz, wenn sie sie anziehen können. Sie können damit ja auch ihre Schuhe schonen und für die Schule sind sie auch praktisch. Die Schuhe für Vater hebe ich auf, oder ich werde sie ihm zuschicken. Sie kosten 12,-RM. Den Rest muß Du ihm bei Gelegenheit mit auszahlen. Hoffentlich passen sie ihm dann auch. Wie geht es übrigens mit seinem Laufen. Wenn Vater jetzt genügend zu rauchen hat, werde ich einmal für Deinen Vater etwas zurücklegen und versuchen, ihm etwas zu beschaffen, soweit dies noch möglich ist. Denn dafür wird er sicher nicht abgeneigt sein.  Daß ich gewußt habe, wo die Eidesformel steht, ist ja nicht so schlimm und deshalb brauchst Du mir kein Loblied zu singen. Schließlich habe ich ja auch 2 Monate dafür gelernt. Alles kann doch nicht umsonst gewesen sein.
Einige Pfunde hast Du in Leipzig doch zugenommen. Deswegen bist Du sicher nicht böse. Wenn Du jetzt wieder besser schläfst, macht das ja auch viel aus.  Nachdem unser Junge heute ich die Schule kommt, wird mein Päckchen, das noch für diesen Tag bestimmt war, nicht mehr rechtzeitig eintreffen. Hoffentlich nimmt er es auch noch später an. Wenn Du ihm noch eine Zuckertüte machst, so ist das ihm sicher auch recht und das soll er auch haben, nachdem Helga seinerzeit auch eine bekommen hatte. Daß er sich ohne Widerspruch die Haare hat schneiden lassen, hat ihm sicher innere Überwindung gekostet. Immerhin sieht man aber, daß er einsieht, daß es nicht so geht und daß er so viel Stolz hat, sich nicht vor den andren zu blamieren.  In meinem Päckchen ist noch ein Zeitungsartikel dabei über das Berliner Sinfonische Orchester. Der war mir so interessant; vor allem deshalb, weil ich letztes Jahr dieses Orchester in Lille selbst gehört hatte. In diesem Artikel werden auch meine Gedanken und meine Empfindungen wiedergegeben, die ich bei meinem Besuch hatte. Hebe ihn bitte einmal mit auf.  Heute habe ich Dir aber wieder allerhand geschrieben. Du hast mir zwar letzthin geschrieben, daß ich das unterlassen soll, es sei Dir zuviel, aber es ließ sich heute leider nicht ändern. Du hast ja nun doch bis zu Ende gelesen, so daß es keinen Zweck mehr hat zu sagen, höre damit auf.  Ich sende Euch allen recht viele herzliche Grüße und Küsse. Ich hoffe, daß Ihr gesund seid und daß es Euch soweit gut geht. Dir sende ich wieder besonders herzliche Grüße und viele Küsse Dein Ernst.

Mittwoch, 24. August 2016

Brief 168 Ernst 23./26.8.1941


Meine liebe Annie !                                                                                                23.8.41                                

Ich Danke Dir vielmals für Deinen Brief vom vergangenen Sonntag.  Du hast nun schon die Schulsachen für die Kinder wieder hergerichtet. Ja, jetzt muß nun auch unser Junger daran glauben und sich auf den Schulweg machen. Ich hoffe, daß er sich schon hineinfinden wird. Man muß ihn aber wahrscheinlich ab und zu etwas aufmuntern. Hoffentlich kommt er zu einem Lehrer, der es versteht, ihn richtig anzupacken, denn dann glaube ich, daß er auch richtig lernt. Ich habe hier noch einige kleine Tafeln Schokolade, die kannst Du ihm ja mit zum Schulanfang geben. Ich sende sie heute mit ab. Ich weiß zwar nicht, ob sie noch rechtzeitig ankommen. Gerade habe ich die Schokolade nochmals angesehen, es ist aber bittere, die wollen unsere Kinder ja nicht essen. Ich glaube, ich lasse es dann für heute sein mit dem wegschicken. Es sind nur kleine Tafeln. Ich will zusehen, daß ich vielleicht für Dich noch einmal andere bekomme. 
Ja, das mit dem Wetter bei uns ist hier auch so eine Sache. Seit einiger Zeit ist es fast herbstlich und man kann sich schon fast warm anziehen.  Denn das kann man bei dieser Witterung schon vertragen. Wegen des Zuckers mache ich mir auch schon immer Gedanken, aber ich muß hier noch einige Schwierigkeiten, die da bestehen, beiseite räumen. Fest steht jedenfalls, daß ich welchen bekomme, und daß ich Dir diesen zukommen lasse. Heute habe ich mir noch einen weiteren Schlafanzug gekauft und für die nächste Zeit noch einen zurücklegen lassen. Ich denke daß ich dann damit auskommen werde. Arbeitsmäßig geht alles im gleichen Tempo weiter. Schreiben kann man darüber nicht viel, das kann man sich besser erzählen.  In den letzten Tagen bin ich ziemlich müde. Die Anspannung war auch entsprechend. Das gibt sich aber bald wieder, wenn man ein paar ruhige Tage einschiebt, soweit sich das vertreten läßt.  Morgen ist jedenfalls Sonntag und ich hoffe, daß ich da ein wenig ausspannen kann.  Du entschuldigst mich, wenn ich schon aufhöre mit Schreiben, aber ich bin jetzt so stark in Anspruch genommen, daß es mir zu einem größeren Schreiben nicht mehr reicht.  Dir und den Kindern sendet viele herzliche Grüße und Küsse Dein Ernst.

Meine liebe Annie !                                                                                                                 26.8.41

Ein Kamerad ist nun seit 14 Tagen in Urlaub und wir haben hier einen Betrieb, der teilweise sehr stark über das normale Maß hinausgeht. Morgen kommt ja dieser Kamerad wieder zurück und ich hoffe, daß eine Erleichterung dann wieder eintritt. Gestern hatten wir Nachricht erhalten, daß wieder ein neuer Streik für heute in Aussicht genommen sei. Wir hatten nun gestern schon unsere Vorbereitungen getroffen, um ja auf alles gerüstet zu sein. Der Streik ist nun nicht eingetroffen, was wir in keiner Weise bedauern, doch haben wir gestern deswegen auch wieder bis 11 Uhr gearbeitet. Am Vormittag hat man dann den üblichen Verkehr und die Lauferei, die manchmal nicht so stark sein sollte, damit man seine Sachen hier alle erledigen könnte. Umbringen lasse ich mich deshalb aber nicht und aus der Ruhe bringt mich auch nicht mein Chef.  Post erhielt ich gestern nicht von Dir. Das trifft aber manchmal so zusammen, daß dann 2 Briefe miteinander ankommen, es sei denn, daß Du einmal nicht zum Schreiben gekommen bist, was ja auch der Fall sein kann.
Gestern habe ich zum ersten Mal Melonen gegessen. Das ist alles nicht so einfach, wenn man das Zeug noch nicht kennt. Wenn man aber richtig Zucker dran macht, schmeckt es gar nicht so übel. Ich habe mir in den letzten Tagen überhaupt einmal mehr Obst gekauft. Es ist nur so teuer.  Das Pfund Pflaumen 40 Pfennig, ein Pfund Pfirsich 50 bis 60 Pfennig. Birnen ebenfalls 50 Pfennig. Man bekommt kaum etwas unter diesem Preis. Wenn es billiger ist, kann man es nicht essen.
Dann ist es also schade um das Geld.  Heute habe ich erstens einmal nicht mehr auf Lager und zweitens keine Zeit zum weiteren Schreiben. Ich grüße und küsse Dich herzlich.  Richte unseren Kindern viele Grüße und Küsse von mir aus Dein Ernst


Freitag, 5. August 2016

Brief 167 vom 20./21.8.1941


Meine liebe Annie !                                                                         20.8.41        

Gestern erhielt ich Deinen Brief vom 15. und heute Dein Schreiben vom 16.8. Ich habe mich über beide sehr gefreut und ich danke Dir vielmals dafür. Du hast Dich nun schon wieder fest hinter die Gartenarbeit gemacht und wie ich aus Deinem Schreiben sehe, mit dem Unkraut aufgeräumt. Das freut mich, daß die Kinder auch mit angepackt haben und Dir die Sachen gleich versorgt haben. Wegen der Geschichte im Haus muß ich Dir aber schon einen kleinen Vorwurf machen, daß Du mir nicht schon vorher geschrieben hast, welches Ausmaß die Streitigkeiten im Haus angenommen haben, dann hätte ich doch Dir geschrieben, daß Du Dich an die Hausverwaltung wenden sollst. und wenn das nichts geholfen hätte, hätte ich erst einmal geschrieben und gleichzeitig einen Durchschlag an die Partei geschickt. Ärgere Dich bitte nicht über das Pack. Wenn überhaupt hier jemand geärgert werden muß, dann sind das doch immer die anderen aber nicht wir. Das mußt Du Dir immer vor Augen halten. Wenn es da keine Abhilfe gibt, dann schaffen wir sie auf radikale Art, das wäre ja gelacht. Ich kann es jedenfalls nicht verantworten, wenn Du Dich wegen diesem Lumpenpack kaputtmachst.  Gib mir bitte von dem Erfolg Deines Schreibens bei der Hausverwaltung Bescheid. Es geht ja nicht so lange bis ich heimkomme, dann werde ich einmal persönlich dort vorsprechen. Ob ich schon zu Helgas Geburtstag dort bin, kann ich noch nicht genau sagen, weil ich hier sehen muß, wie wir hier das mit unserem Apparat machen, daß er ordnungsgemäß weiterläuft. Es muß eben einmal die Tage auch ohne mich gehen und es wird auch gehen.  Das verlangte Schreiben für die Krankenkasse werde ich mitbringen.  Deine Schwärmerei für das Reisen kann ich ohne weiteres verstehen. Du weißt ja, daß ich der letzte bin, der das Reisen ablehnt. Ich bin ja auch gern einmal auf der Achse, um wieder einmal etwas Neues zu sehen. Wenn alles klappt, steht mir ja demnächst wieder eine etwa 30stündige Reise bevor. Ich verstehe auch gut, wenn Du Dich gerne einmal wieder über alles aussprechen möchtest, denn in der Zeit der Trennung speichert sich so vieles auf, was man jemanden mitteilen will, der Verständnis dafür hat.  Wenn Vater jetzt in seiner Langeweile wieder mit seinen alten Meriten anfängt und über seinen Garten jammern will, dann sage ihm nur kurz und bündig, daß Du das für richtig befunden hast und daß er sich damit zufrieden geben muß. Im Übrigen ist das ja ein Unsinn, wenn er sich nach der Überwucherung seines Gartens mit Erdbeeren jetzt den ganze Garten voller Brombeeren wachsen läßt. Er soll doch keinen Quatsch machen. Laß Dich nur nicht durch so was ärgern. Heute bekam ich von dem Kameraden, der das Paket für mich mitgenommen hatte, die Mitteilung, daß er es hat umpacken müssen, weil es ihm auf der Fahrt beschädigt worden sei und daß er es an Dich zur Absendung gebracht hat. Inzwischen wirst Du es wohl erhalten haben.  Ich wollte heute Abend noch verschiedene Berichte durchlesen, doch ich habe mich erst einmal an die Beantwortung Deiner Briefe gemacht. Um meine sonstige Mittagsruhe bin ich heute auch gekommen, weil wir gegenwärtig zuviel zu tun haben. Ich bin nun jetzt etwas müde, doch ich will noch die Papiere mit fertigmachen, damit Du diese wieder weiterleiten kannst. In dem einen Fragebogen mußt Du bei meinem Großvater noch mit Maschine reinsetzen „Tischler“. In dem anderen Vordruck heißt es: „Eintritt im Dienste der Stadt“. Das kann die Stadtverwaltung anhand der dortigen Unterlagen besser eintragen wie ich. Für den Abschnitt der oben darübersteht, lasse ich Dir handschriftlich einen Entwurf mit zugehen, den Du mit Deiner Maschine eintragen kannst. Wenn ich noch dazu komme, werde ich Dir den Lebenslauf mit zugehen lassen, andernfalls folgt er mit dem nächsten Brief. Ich glaube, daß ich dann alles getan habe, was ich dabei machen muß.  Wenn also noch etwas fehlt, werde ich es nachtragen.  Wegen es Reparaturleders für Schuhe brauchst Du Dir weiter keine Gedanken zu machen, denn da habe ich ein ganz schönes Stück erhalten, das wieder eine Weile reichen wird. Wenn ich heimkomme, werde ich es mitbringen.  Für heute wüßte ich nichts weiter zu berichten. Ich grüße Dich und die Kinder recht herzlich und sende Euch viele Küsse Dein Ernst.

Mein liebes Mädel !                                                       21.8.41

Es ist allerhand, was man hier alles für Arbeit machen muß. Jetzt habe ich auch noch den Umtausch von Kleiderkarten vorzunehmen.  Sachen, um die man daheim einen Bogen gemacht hat und von denen man nichts wissen wollte, hier muß man sich darum kümmern. Das macht ja schließlich nichts, wenn man nicht noch anderweitig so stark in Anspruch genommen ist wie gerade in den letzten Wochen. 
Wir haben in den letzten Tagen verschiedene Sabotagefälle hier gehabt, die von den Kommunisten ausgeführt worden sind.  Daraufhin haben wir verschiedene Verhaftungen vorgenommen. Bei einer der heutigen Verhaftungen haben sie uns einen Dolmetscher totgeschossen und einen Feldwebel der Feldgendarmerie schwer verletzt. Jetzt geht also der Tanz mit der Kommune weiter. Wir müssen unbedingt unter die Arbeiter Ruhe bringen, denn das können wir uns nicht leisten, daß der Arbeitsfrieden immer wieder gestört wird. Wir werden aber nicht locker lassen, die entsprechenden Gegenmaßnahmen werden wir schon ergreifen. Es ist hier eben zuviel Arbeit zu leisten und die Hilfskräfte sind nicht voll geeignet, um selbständig von der Arbeit zu übernehmen, um uns 2 Mann, auf denen doch der Hauptteil lastet, zu entlasten. Unser Kriegsverwaltungsrat bleibt manchen Tag in der Wohnung und arbeitet in der Wohnung und sagt: “Machen sie man schon den Kram da drüben, ich habe keine Zeit dafür.“ Mit macht das ja auch nichts weiter aus, doch es wäre schon ein wenig angenehmer, wenn man sich auf die anderen mehr verlassen könnte. Man tut das was man kann und das andere muß dann liegenbleiben, wenn es nicht anders geht.  Für Deinen Brief vom 18. danke ich Dir vielmals. Ja die Zeit vergeht schnell. Es war nun schon wieder eine Woche her, als Ihr in Leipzig Euch zum Aufbruch gerüstet hattet. Ja, mit dem Hund bei uns ist das so eine Sache, er gehört ja nicht mir.  Dieser Tage komme ich heim und unsere Hausfrau sagt mir mit besorgter Miene, daß der Hund mit dem Elektriker in meinem Zimmer gewesen sei, und der Mann hat nicht darauf geachtet, daß der Hund wieder mit aus dem Zimmer geht. Als die Frau nachsieht, hat er sich an meine Hausschuhe gemacht und hat angefangen, sie zu nagen. Als ich dann heimkam, habe ich ihn beim Fell gepackt, mit auf mein Zimmer genommen und mit dem Pantoffel vermöbelt, daß ihm das vielleicht für ein anderes Mal vergehen wird. Ich bin gespannt, wie lange die Ruhe mit dem Pack im Hause anhalten wird.
Für alle Fälle merke Dir, daß Du Dich in Zukunft deshalb nicht aufregst. Nun hätte hatte ich in dieser Woche schreiben wollen, aber das ist ja ziemlich zwecklos, denn das Schreiben liegt ja dann doch erst einige Tage im Briefkasten.  Von Kurt bekam ich heute auch einen Brief. Er schreibt ja nicht viel, aber es ist wenigstens ein Lebenszeichen. Meinen Lebenslauf habe ich heute beigefügt. Ich denke, daß er in dieser Form genügen wird. Weiteres habe ich heute nicht zu berichten. Ich grüße und küsse Euch alle recht herzlich Dein Ernst

Brief 166 vom 18./19.8.1941


Mein liebes Mädel!                                                                                   18.8.41     

Ich erhielt gestern Deine beiden Schreiben vom 13. und 14.8 sowie die Bestätigung der Stadt Konstanz, daß die Beamtengeschichte nun langsam doch ins Rollen kommt. Ich hatte schon fast geglaubt, daß alles wieder eingeschlafen sei, aber inzwischen ist ja die schriftliche Bestätigung eingegangen. Ich werde zwar noch so lange warten müssen, bis ich hier die Urkunde ausgehändigt bekomme, aber nachdem die Ernennung mit Rückwirkung auf den 25.4.  erfolgt ist, bekomme ich ja meinen Anspruch, den ich dann an die Dienststelle habe, auch nachgezahlt. Hier wird es auch noch eine Weile dauern, bis das durch den ganzen Apparat durchgelaufen ist. Es geht mir ja hierbei nichts verloren. Der Stern, der dann noch dazu kommt, ist ja mehr oder weniger eine äußere Erscheinung.  Ich werde die Sachen sofort erledigen, sobald die Unterlagen, die Du mir zusenden willst, umgehend zurücksenden.
Bevor ich auf Deinen Brief eingehe, will ich Dir noch von einer Geschichte hier berichten. Manche Leute denken, daß das hier so einfach wäre zu arbeiten und zu leben. Da ist heute ein Fall vorgekommen, wo von kommunistischer Seite fünfzig Kilo Sprengstoff gestohlen worden sind, die zu Sabotageaktionen verwendet werden. Jetzt müssen wir uns mit dem Kommunistenpack hier wieder herumschlagen. Daß das Zeug verwendet wird, beweist, daß immer wieder Anschläge passieren. Wir machen uns zwar nichts daraus, doch darf man das nicht ganz auf die leichte Schulter nehmen und sich von dieser Bande einschüchtern lassen. Wir werden wahrscheinlich einen Teil festnehmen und für eine Weile festsetzen. Die Bande wird erst wieder frech, seit wir mit den Russen im Krieg stehen, denn vorher haben sie sich ziemlich ruhig verhalten. Doch darüber kann ich Dir ja dann besser mündlich berichten. 
Deine Eindrücke von der Reise und die Eindrücke bei Deiner Ankunft in der Wohnung habe ich gelesen. Mit Vater ist es also noch nicht so wie es sein muß. Das kann ich mir denken, vor allem wenn man sich vorstellt, daß er es hat so lange anstehen lassen. Wegen der Büsinggesellschaft ärgere Dich doch nicht so herum. Mache kurzen Prozeß und wende Dich an die Hausverwaltung und sage, daß das auf keinen Fall geht, daß Leute, die bisher immer für Ordnung im Haus gesorgt haben, gewissermaßen hinausgeekelt werden von solchem Pack. Wenn das nicht genügt, werde ich selbst schreiben. Das geht jedenfalls auf keinen Fall so weiter. Daß im Garten manches nicht so mitgekommen ist, läßt sich ja nicht vermeiden und das muß man in Kauf nehmen.  Der Mann von der Stadtverwaltung heißt Mettenberger. Den habe ich auch nicht vergessen, als er seinerzeit auf dem Standesamt war.  Über die Formalitäten bin ich mir ja nun im Klaren. Wesentlich ist nur noch, daß mein Vorgesetzter weiß, wie der Wortlaut der Formel heißt. Sieh doch bitte einmal in den großen Heften nach, die ich von Karlsruhe mitgebracht habe. Das eine Heft Beamtenrecht. Da steht dann unter der Spalte Begründung der Beamteneigenschaft unter anderem auch der Wortlaut der Formel. Die schreibe doch bitte mit ab und lasse sie mir zugehen, damit ich hier nicht in Verlegenheit komme. Es kann zwar sein, daß die das in Lille vornehmen. Das wird sich ja dann zeigen. Mit dem Gehalt geht es ja dann schon. Die angekündigte Summe reicht vollkommen aus für mich und ich habe sonst keine Wünsche weiter mehr.  Für diesmal sende ich Dir viele herzliche Grüße und Küsse, ebenso den Kindern. An Vater habe ich ja ein Handschreiben geschickt.  Ob es zu seinem Geburtstag noch ankommt, weiß ich nicht. Grüße ihn bitte auch noch von mir. Dir nochmals recht herzliche Grüße und Küsse  Dein Ernst.

Liebste Annie !                                                               19.8.41

Gestern erhielt ich Deinen lieben Brief mit den Unterlagen.  Soweit Du für die entsprechenden Daten keine bestätigten Unterlagen besitzt, kannst Du ja sagen, daß diese nachgebracht werden.  Ich muß schon sagen, daß Du mit dieser Geschichte viel Arbeit hast. Es ist aber leider nicht möglich, daß man das anders machen kann. Das Leumundszeugnis von der Polizei mußt Du ja noch bezahlen. Du hast also Ausgaben damit. Wegen der Daten für meine Großmutter mußt Du einmal den Ehepass heraussuchen, den Kurt von Paula bei uns hat liegen lassen. Ich glaube, daß darin eine Beglaubigung des Standesamtes dabeisteht.  Ich glaube gern, daß nun viel Arbeit auf Dich wartet. Aber es macht ja nichts aus, wenn Du verschiedenes  liegen läßt und nach und nach erledigst.  Ich habe Dir schon in meinen anderen Briefen geschrieben, daß Du Dir nicht gleich wieder zuviel vornehmen sollst. Ich hoffe, daß Du inzwischen mein großes Paket mit den Schuhen erhalten hast.  Unten drin liegen noch Abschriften von Flugblättern, die Du vielleicht mit aufheben kannst. Von Kurt hast Du also auch wieder Nachricht bekommen. Dann ist anzunehmen, daß er mir auch in nächster Zeit wieder antworten wird. Mit der Amaryllis hast Du aber jetzt schon Freude gehabt, man kann es direkt aus Deinem Schreiben herauslesen. Wegen des Zuckers wollte ich Dir noch schreiben. Hat denn Vater jetzt keinen da, daß er Dir solange welchen borgen kann. Du kannst Dich darauf verlasen, daß ich hier welchen besorge. Dann kannst Du ihn ja wieder zurückgeben. Wenn Du sonst irgendwie Obst sterilisieren willst, dann läßt sich manches auch ohne Zucker machen. Dann kann man ja später beim Verbrauch den Zucker dran tun. Du wirst es ja selbst wissen und ich werde Dir da nicht viele gute Ratschläge geben brauchen. Wenn ich diesmal auf Urlaub komme, werde ich zwar nicht viel mitbringen können, weil es auch nicht mehr viel zu kaufen gibt.  Vielleicht finde ich aber noch einige Kleinigkeiten. 
Gestern wurde hier im Kino „Der liebe Augustin“ gespielt. Es ist nur schade, daß diese Filme hier so abgespielt sind und dann ganze Stücke aus dem Film fehlen. Da reißt der Streifen und dann werden die Streifen wieder zusammengeklebt ohne das fehlende Stück zu ersetzen. Wenn man so ein Stück nicht schon einmal gesehen hat, dann ist es schwer, sich darin zu Recht zu finden. 
Gestern schrieb ich Dir von einem Sabotagefall, der hier passiert ist.  Es ist nicht der erste. Heute sind schon wieder zwei weitere gemeldet worden. Sie sind zwar anderer Art, aber lassen doch die Urheber und den Zweck erkennen. Wir haben einen Teil festgenommen. Jetzt müssen wir abwarten, wie sich die Geschichte anläßt. Bis jetzt war es bei uns ja ruhig, dagegen in der Gegend von Dr. Thomas geht das schon eine ganze Zeit so. Man gewöhnt sich an alles und wird auch auf irgendeine Art damit fertig.  Viele herzliche Grüße und Küsse sende ich heute Dir und den Kindern. Ich hoffe, daß Ihr gesund seid. Wegen des Urlaubs will ich zusehen, daß ich gegen den 5. September dort eintreffen kann.  Wahrscheinlich wird es nicht viel eher sein. Nochmals sendet Dir herzliche Grüße und viele Küsse Dein Ernst.

Brief 165 vom 15./16.8.1941


Meine liebe Annie !                                                                 15.8.41             

Heute haben die Franzosen Feiertag. Wenn man sie fragt, was das für ein Fest sei, sagen sie, daß das ein kirchlicher Feiertag sei. Warum dieser Tag gefeiert wird, ist zwar hier niemand bekannt. Manche sind der Ansicht, daß es etwas wie Maria Himmelfahrt sei. Lassen wir ihnen das Vergnügen und lassen sie ruhig feiern.  Deine beiden Briefe die ich gestern erhielt, habe ich Dir in meinem letzten Schreiben bestätigt. Vater hat Dir also nach Leipzig Bescheid gegeben wie es ihm geht. Scheinbar geht es im noch nicht so rosig. Du schreibst mir ja sicher in einem Deiner nächsten Briefe, wie es ihm geht, denn es interessiert mich, was er macht. Mit meiner Post habe ich es richtig getroffen, denn mein letzter Brief, den ich nach Leipzig gerichtet habe, ist auch am letzten Tag dort eingetroffen. Ich freue mich immer wieder, aus Deinen Schreiben herauslesen zu können, daß es zu keinen Meinungsverschiedenheiten in Leipzig gekommen ist. Da hast Du ja allerhand in Leipzig eingeheimst, wenn Du 3 Pakete vorher wegschicken mußtest. Dein Regenmantel ist Dir dann bei diesen regenreichen Tagen sicher sehr zustatten gekommen. Ich glaube, daß Du Dich mit dem schon hast sehen lassen können. Paul und Alice sowie auch Erna haben sich Dir und den Kindern sehr entgegenkommend gezeigt. Jörg hat aber für die nächste Zeit genug Spielzeug, wenn er jetzt noch diesen Bauernhof dazu bekommen hat. Vorher von Siegfried diesen Metallbaukasten. Ob er mich auch einmal damit spielen läßt. 
Deine Briefe hatte ich im Wesentlichen beantwortet. Von was soll ich Dir heute noch schreiben, vom Dienst, vom Essen, vom Wetter und von was sonst. Das wären ja die Hauptmerkmale, die unser Leben hier beeinflussen. Das Wetter will scheinbar schöner werden, doch wenn sich ein Stückchen blauer Himmel zeigt, treibt der starke Wind wieder neue Wolken heran, so daß es bald wieder Essig ist mit dem Sonnenschein. Das Essen stellt an den Gaumen und an den Magen manchmal ziemliche Anforderungen. Fleisch ist zwar so gut wie jeden Tag dabei. Doch die Abwechslung läßt zu wünschen übrig. Montags gibt es grundsätzlich Nudeln.  Meist zwei Sorten zusammen. Die eine ist ganz zerkocht und die andere kann noch eine Weile kochen vertragen. Mit der Zeit gewöhnt man sich daran. Gestern war nun einmal eine Ausnahme. Hier sind einige Schweine fettgefüttert worden, die dieser Tage geschlachtet wurden. Nun gab es gestern Kartoffelsalat und Bratwurst. Das war wirklich ein schönes Essen. Sonst gibt es die übrigen Tage aber meist auch in einer bestimmten Reihenfolge Bratlinge. Die werden mit Kartoffeln vorgesetzt. Sie werden aus dem Mehl der Sojabohnen gemacht.
Unsere Küche hat dabei noch etwas Geschick, denn die machen sie so, daß man sie immerhin noch essen kann. Erbseneintopf und Reiseintopf kommt jede Woche auch einmal vor. An den Tagen, die dann noch übrig bleiben, gibt es Kartoffeln und Fleisch und Soße.  Gemüse manchmal. Nach diesem Essen hat man ja bald wieder Hunger, und da ist es nur gut, daß man sich noch etwas nebenbei beschaffen kann, sonst wäre es ja schlecht mit uns bestellt. Das Frühstück  und das Abendessen nehmen wir ja daheim in der Wohnung ein.  Wenn ich mir nicht immer noch Butter dazu kaufen würde, hätte ich zum Frühstück meist nur Kunsthonig oder Marmelade und zum Abendbrot sehr oft Schweineschmalz. Das sind keinesfalls Klagen, die ich da laut werden lassen will, denn mir geht es im Verhältnis noch nicht schlecht, aber wenn ich schon einmal beim Speisezettel bin, muß ich auch diese Seite schildern. Am schlimmsten ist eben nur, daß so wenig Abwechslung herrscht. Ich weiß auch, daß wir von Lille her und vom letzten Jahr noch sehr verwöhnt sind, aber schließlich muß man sich umstellen Jetzt habe ich wieder eine Quelle ausfindig gemacht, wo ich noch Käse her bekomme. Das ist schon ein weiterer Schritt zur Abwechslung. Wenn ich richtigen habe, werde ich Euch auch einmal welchen schicken, denn ich weiß, daß Ihr ihn gern eßt. Jetzt will ich aber Schluß machen mit meiner Gastronomie.  Über den Dienst kann ich für heute nur sagen, daß man den Feiertag gemerkt hat, denn es ist eine Ruhe wie an einem Sonntag. Franzosen haben sich hier nicht sehen lasen.  Das ist wirklich einmal angenehm.  Diesmal ist der Brief durch meine viele Esserei wieder einmal länger geworden. Dir wird es hoffentlich nichts ausmachen. Recht viele herzliche Grüße und Küsse sendet Dir und den Kindern Dein Ernst.

Mein liebes Mädel!                                                              16.8.41

Ein Samstag um den andren rückt an und geht. Wupp, schon wieder ist eine Woche vorbei. Die Sonntage sind ja meist wenig eindrucksvoll, denn man weiß ja hier nicht, was man viel anstellen soll, vor allem, wenn es noch regnet, wie es jetzt meist der Fall ist. Man steht etwas später auf als gewöhnlich, macht sich’s gemütlich und sachte fertig, um dann gegen 10 Uhr Kaffee zu trinken. Dann hört man noch etwas Radio. Inzwischen hat dann die „femme de menage“, also die Frau, die bei uns alles in Ordnung halten soll, das Zimmer gemacht und die Schuhe geputzt.  Meist kann ich dann noch die Zeitung lesen. Dann ist nicht mehr weit vom Mittagessen. So nach dem Mittagessen, gegen ½ 2 Uhr kommt meist die Post, wenn welche dabei ist. Die nehme ich dann mit nach hause und lese sie in aller Ruhe. Entweder geht man dann in das französische Kino oder man setzt sich in eine Gastwirtschaft.
Du siehst also, daß die Sonntage nicht gerade gewinnbringend sind. Wenn das Wetter ein bißchen besser ist, kann man am Kanal ein bißchen Spazierengehen. Das ist zwar keine große Sache, aber man muß sich damit zufriedengeben. Man kann dort dem Schiffsverkehr ein wenig zusehen. Man sieht, in welch primitiven Verhältnissen diese Leute meist leben müssen. Die Wohnräume sich ja nicht groß, wenn dann noch Kinder da sind, bleibt nicht viel Platz zum  rumdrehen. Meist wird ja hier Kohle geladen, die dann nach vielen Teilen Frankreichs verfrachtet werden.
Das ist wohl ein billiges Transportmittel, aber ich finde eine sehr langweilige Angelegenheit. Der Verkehr auf den Kanälen ist  ziemlich rege und wenn man bedenkt, daß in so ein Schiff 20 Eisenbahnwaggons geladen werden können, dann ist das eine erhebliche Ersparnis an Eisenbahnmaterial. 
Heute war ich bei einem mir bekannten Lederhändler und habe Leder gekauft. Ich habe es zwar noch nicht mitgenommen, aber auch noch nicht bezahlt. Immerhin ist es reserviert. Es ist sehr starkes Leder, aber, soweit ich beurteilen kann, sehr gut. Jetzt hätte ich gern noch etwas Dünneres für Deine Schuhe. Ich muß einmal sehen, wie ich noch drankomme.  Für heute sende ich Dir viele herzliche Grüße und Küsse. Grüße unsere zwei Stromer herzlich von mir und sei Du selbst nochmals gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst

Brief 164 vom 13./14.8.1941


Meine liebe kleine Annie !                                                  13.8.41        

Recht herzlich danke ich Dir für Dein Schreiben vom 9.8., das ich gestern erhielt. Daß Du als Anrede aber gerade „mein leiber“ statt „mein lieber“ schreibst, will ich auf einen Tippfehler zurückführen und nicht als eine Anspielung betrachten, daß ich etwa hier so zugenommen habe. Ich sorge wohl Dafür, daß wir immer noch ab und zu etwas zu essen haben, doch zu üppig ist es gerade auch nicht. Vor allem liegt eine gewisse Eintönigkeit darin. Man muß eben versuchen, dies nach Möglichkeit etwas abwechselnder zu gestalten. Daß wir uns wieder über verschiedene Dinge einmal persönlich aussprechen können, ist mir auch wieder einmal ein Bedürfnis, denn es ist ja so, daß man nicht alles schreiben kann, was man gern möchte. 
Mit Geschenken bist Du ja reichlich bedacht worden; gleichfalls auch die Kinder. Die Schlepperei ist nur so groß. Jörg hat sich als Gentleman gezeigt und ihr auch etwas gekauft. Das ist ja wirklich schön, daß er da nicht geizig ist. Dora (das ist die Frau von dem Bruder meines Großvaters, Curt Michel, der mit dem Lazarettzug im Vorderwagen ums Leben gekommen ist) hat Dir wenigstens auf Deine Karte Bescheid gegeben, daß sie nicht kommt. Im Übrigen hast Du Deiner Pflicht genügt und man kann Dir keinen Vorwurf machen.
Übrigens auf meinen Brief vom 19.6. habe ich von ihr noch keine Antwort erhalten. Ich nehme zwar an, daß sie ihn erhalten hat.  Wenn alles geklappt hat, seid Ihr heute wieder daheim. Ich hoffe, daß Du es so machst, wie ich Dir schon geschrieben habe, daß Du Dich die ersten Tage ein wenig ausruhst, denn das kann Dir gewiß nichts schaden. Es wäre ja auch gegangen, wenn Du noch eine Woche länger weggeblieben wärst. 
Der gestrige Kinobesuch war wirklich nicht bedeutend. Es war ein richtiger Schmarrn, aber wenn so viele Filme gedreht werden, kann auch einmal etwas dabei sein, was nichts wert ist. Es ist nur schade, daß man dafür soviel Filme verdreht. Das Machwerk hieß „Zwischen Hamburg und Haiti“. Lassen wir das und wundern uns nur.  
Ich habe mir gestern wieder einige Hemden erstehen müssen, weil ich die Befürchtung habe, daß meine, die ich so täglich gebrauche, langsam zum Teufel gehen. Es sind zwei von den gelbgrünen, wie ich schon habe und ein blaues, was scheinbar besser ist. Die 3 Sachen kosten auch wieder bald 13 RM. Ich wollte noch einen weiteren Schlafanzug kaufen, doch das fällt schon ziemlich schwer. Vielleicht kann ich mir Stoff kaufen und mir dann noch etwas machen lassen. Dagegen habe ich mir nochmals Stoff angesehen für einen kombinierten Anzug. Helle Hose und dunkle Jacke. Das kann ich mir noch machen lassen. Kostenpunkt etwa 65 RM. Wegen Schuhleder will ich mich dieser Tage noch einmal umsehen, denn das kannst Du doch sehr nötig gebrauchen.
Ich hoffe, daß ich etwas Passendes bekomme. Man muß eben zusehen, was man unter den gegenwärtigen Verhältnissen, es liegt doch auch alles unter Bewirtschaftung, noch bekommen kann. Geduld muß man zwar haben, weil sich nicht immer gleich Gelegenheit dazu bietet. So ist es ja jetzt mit der Schokolade. Es ist einfach nicht möglich die Tafelschokolade zu bekommen. Vielleicht in den nächsten Wochen wieder.  Ich sende Dir und unseren Kindern recht viele Grüße und Küsse Dein Ernst 

Meine liebe Annie !                                                          14.8.41

Bis Du diesen Brief bekommst, hast Du Dich schon bald wieder eingewohnt, denn dann ist fast schon eine Woche vergangen, seit Du daheim bist. Die Tage vergehen ja kolossal schnell und ich hoffe ja, daß ich auch in den nächsten Wochen kommen kann. Am Anfang dieser Woche ist der Sonderführer, der mit bei uns im Haus wohnt, in Urlaub gefahren. Sein Hund sucht nun, da sich sonst niemand wesentlich um ihn kümmert, bei mir Anschluß. Gestern hat er sich gleich mit mir auf mein Zimmer begeben und sich niedergelassen. Er ist aber noch nicht ganz sauber, so daß ich ihn vorsichtshalber noch rausgeschmissen habe. Heute früh war der Gang wieder versaut, so daß meine Befürchtungen nicht unberechtigt waren. Als ich heute Mittag heimkam, hatte er eine Roßhaarlehne, die auf einer Bank angebracht war, vollkommen zerfleddert. Ich habe ihn mir dann vorgenommen und anständig ein paar übergezogen.
Als ich aber am Nachmittag wieder in den Dienst ging, konnte ich die Früchte meiner Erziehungsarbeit sehen. Er lag still zwischen den Pfützen und sah mich nur von unten an. Von Zerknirschung keine Spur. Wenn wir nicht schon einen Hund im Haus hätten, würde ich mir vielleicht einen zulegen, denn das Futter fällt hier ja aus der Küche immer ab. Ein zweiter ist aber zuviel. Ich lasse deshalb lieber die Finger davon.  Post habe ich gestern keine von Dir erhalten. Auch sonst hat mir niemand geschrieben. Ich hatte erst die Absicht, an Deine Eltern zu schreiben, bin aber nicht mehr dazu gekommen. Nächste Woche sind sie ja nicht in Leipzig, so daß es eigentlich keinen Zweck hat, wenn ich diese Woche noch schreibe. Am Anfang der kommenden Woche muß ich es aber wahr machen.
Das Wetter ist immer noch gleichermaßen schlecht. Man kann jetzt für die Nacht außer der Wolldecke, die ich bis jetzt für mein Bett habe, bald noch eine weitere Decke haben müssen. Es wird eben schon ziemlich herbstlich. Es wäre wünschenswert, wenn es in der nächsten Zeit noch etwas besser werden würde. 
Heute Nachmittag ist unser Kriegsverwaltungsrat nach Bethune gefahren. Er teilte mir dann telefonisch mit, daß er mit seinem Wagen eine Panne gehabt hat und daß er später zum Essen heimkommen würde. Als ich dann meine Mahlzeit hinter mir hatte, bin ich mit dem Hund noch ein Stück rausgegangen. Als ich gegen 10 Uhr wieder nach hause kam stand unser alter Wagen aus Lille vor dem Haus. Ich wußte sofort, daß der Tommi mit herüber gekommen war. Mein Chef ist mit seinem Wagen nicht mehr weiter gekommen und hat Thomas darum bitten lassen, daß er ihn zurück bringt. Thomas schlug nun gleich vor, daß ich mit zu ihm kommen soll, damit wir wieder einmal über  Verschiedenes aussprechen können. Da er mich aber am anderen Morgen nicht wieder mit dem Wagen heim befördern kann, habe ich davon Abstand  genommen, allerdings mit dem Versprechen, daß mein Chef und ich im Laufe der nächsten Woche mit dem Wagen hinüberfahren. Für die 2 Briefe vom 10. und 11. danke ich Dir. Ich werde dir sie morgen mit beantworten. Für heute viele herzliche Grüße und Küsse sendet Dir Dein Ernst .

Brief 163 vom 11./12.8.1941


Liebstes Mädel !                                                     O.U., 11.8. 41                      



Morgen wirst Du nun wieder abfahren, da nun Dein Urlaub abgelaufen ist. Es freut mich, daß es möglich war, daß Ihr diese Reise erleben konntet. Es ist doch anders, wie vor Jahren, wo es noch an vielem fehlte. Jetzt läßt sich so was doch viel eher durchführen, ohne daß es gleich daheim wirtschaftliche Rückschläge gibt.  (Anm. Helga Hellmich, geb. Rosche: Er meint damit die erste Reise, die damals zur Silbernen  Hochzeit meiner Großeltern gemacht wurde.)  
Deinen Brief vom 6.8 und die beiden Karten vom 7.8 habe ich gestern erhalten. Daß Du nun von diesem Aufenthalt ganz gesund wieder heimkommst, wäre ja zuviel verlangt, wesentlich ist schon dabei, daß es Dir besser geht und daß Du wieder soviel Kraft gesammelt hast, um den kommenden Anforderungen wieder gewachsen zu sein. Denn die Arbeit daheim stellt doch ziemliche Aufgaben, die täglich zu bewältigen sind. Ich lese aus Deinen Zeilen jedenfalls heraus, daß Du über den Erfolg Deiner Reise sehr zufrieden bist und das bedeutet mir schon sehr viel. Wenn Du das Gefühl hast, Dich schriftlich  mit Alice mehr zu beschäftigen, so kannst Du das ja tun. Ich glaube dir gern, daß Ihr Euch gut verstanden habt. Ich selbst habe ja nie etwas gegen sie gehabt. Bei mir ist es nur so, daß ich keine Bindung zu ihr habe und sie noch weniger kenne wie Du. Ihre Ansicht, daß ich sie wegen ihrer Geburt nicht achten würde, ist ja vollkommen irrig, denn dann müßte ich ja ein ganz verbohrter Mensch sein. (gemeint ist die uneheliche Geburt)
Im Übrigen habe ich ja viel zu viel mit Menschen jeder Art und dann auch besonders dieser Art zu tun gehabt, als daß ich da ein Vorurteil haben könnte. Der zweite Besuch im Zoologischen Garten hat unseren beiden Stromern sicher wieder gefallen. Wie ich aus der Karte von Helga lese, war sie sehr interessiert für die Tiere. Deinen Eltern werde ich dieser Tage auch wieder schreiben. Ich habe das bis jetzt nicht für notwendig gehalten, weil Du ja immer von mir Post erhalten hast und sie von Dir über alles Wesentliche unterrichtet worden sind. Das werde ich ihnen auch mitteilen.  gestern bekam ich auch von Gerhard die beiliegende Karte. Du kannst Dir ja dabei denken, was Du willst.
 (Gerhard Legler war ein Freund aus Wandertagen. Er hat sich nach dem Krieg von seiner Frau scheiden lassen, bzw. sie von ihm und kam irgendwann nach Westdeutschland, soviel ich weiß noch vor dem Mauerbau. Er hat eine Zeitlang bei meinen Eltern gewohnt, hat sich aber dann so merkwürdig benommen, vor allem meiner Mutter gegenüber, der er unsittliche Anträge gemacht hat, während mein Vater im Geschäft war, daß ihm nahegelegt wurde, sich eine Wohnung zu besorgen. Er wohnte dann mit einer seiner Töchter hinter dem Bismarckturm in einem einfachen Haus; mein Vater hat sich dann endgültig von ihm abgewandt, als er seinen Namen („das ist mein Freund“) zu zwielichtigen Geschäften mißbrauchte und Vater in seinem Amt in schiefem Licht dastand.  Diese Elsa, von der die Rede war, daß sie mit nach Konstanz fahren wollte, und gegen deren Besuch in den vorigen Briefen Vater immer war, war seine Frau )
Man überlegt sich im allgemeinen, wenn man eine Reise machen will, was sich alles für Möglichkeiten ergeben können. Lassen wir sie und sind zufrieden, daß Du verschont bist von dem Umtrieb, der sonst eingetreten wäre bei 3 Personen.  Von der Stadt erhielt ich wieder das Heft „Das schöne Konstanz“ zugesandt. Alle bekommen sie auf irgendeine Art meine Adresse wieder. Es ist zwar nicht schön von mir, daß ich diese Änderung nicht mitgeteilt habe und diesen allen unnütze Arbeit verursacht habe. Ich habe mich sehr über das Heft gefreut und war in Gedanken dabei in Konstanz.  Schöne Bilder vom Baden und vom See haben die Gedanken plastisch werden lassen. Es ist doch etwas Schönes an unserer Gegend. Ich hoffe, daß uns einige schöne Tage beschieden sind und daß es etwas Sonne gibt. Ich habe sonst keine großen Wünsche, doch ein wenig möchte man schon einmal aus dem Bau. Die Jahreszeit ist dann ja noch nicht so fortgeschritten, daß das nicht möglich sein könnte.  Heute sende ich Dir und unseren Kindern herzliche Grüße und viele Küsse. Ich hoffe, daß Ihr morgen gesund wieder heimkommt. Dein Ernst.

Liebste Annie !                                                           12.8.41 

Für den Brief vom 8.8. danke ich Dir herzlich. Daß der weitere Besuch im Zoo den Kindern auch viel Freude bereitet hat, habe ich mir denken können und habe es auch in meinem gestrigen Brief zum Ausdruck gebracht. Sie haben nun diese Tiere lebendig und in Freiheit gesehen, das ist doch ganz anders wie in Bildern, denn da fehlt ja die Plastik und das Lebendige vermittelt doch mehr. An dem Papagei werden sie wohl auch ihren Spaß gehabt haben. Aber wie Helga schreibt, haben ihr auch die Affen gefallen. Das ist schon ulkig, wenn die Viecher so in der Gegend herumspringen. Von diesem vielen Herumlaufen werden sie wohl auch ziemlich müde gewesen sein.  Du hast Dich bei Deiner Mutter also noch nützlich gemacht, indem Du ihr verschiedene Sachen abgeändert hast. Da wird Deine Mutter froh gewesen sein, wenn sie wieder verschiedenes in Ordnung bekommen hat.  Wegen den Schuhen für Vater habe ich mich nochmals umgesehen. Ich habe nun noch welche bekommen und zwar mit Ledersohle. Es ist Größe 43. Sie sehen sehr ordentlich aus.  Mir passen sie. Wenn sie ihm etwas zu groß sein sollten, müßte er vielleicht noch eine Sohle reinlegen. Im Winter halte ich das sowieso für besser. Vor allem wenn er eine warme Sohle reinlegt.  Er soll mir mitteilen, ob er sie haben will, andernfalls muß ich sie weiterverkaufen. 
Gestern bin ich wieder im Kino gewesen.  Nachdem ich doch immer versucht habe, in Karlsruhe den Film „Wunschkonzert“ zu sehen, habe ich nun hier mehr Gelegenheit gehabt, ihn kennen zu lernen. Meine beiden Hausgenossen, die sich zum sogenannten gebildeten Kreis rechnen wollen, also die Intellektuellen, sagten, das sei nichts und sie wunderten sich, daß man so was überhaupt dem Publikum vorsetzen würde. Ich bin jedenfalls nicht unzufrieden aus dem Kino rausgegangen. Ich habe auch das Empfinden gehabt, wie wenn es den meisten Soldaten gefallen hat. 
Heute seid Ihr nun auf der Heimreise. Ich denke schon die ganze Zeit an Euch. Ich hoffe, daß Ihr gesund wieder heimkommt.  Angeschlossen sende ich wieder einen Teil der Briefe mit zurück, damit sich hier nicht allzu viel anhäuft. Am Abend gehe ich wieder ins Kino. Dann sind die Hauptereignisse der Woche schon wieder vorbei. Die Tage gehen ja so schnell vorbei, daß man sich direkt wundert, daß schon wieder Samstag ist.  Das Wetter selbst läßt sehr zu wünschen übrig. Nachdem das Frühjahr solange hat auf sich warten lassen und der Sommer etwa nur 14 Tage gedauert hat, hat es nun den Anschein, als wenn es nicht mehr warm werden würde.  Dafür bekommen wir wenigstens einen zeitigen Herbst. Am ganzen Wetter können wir ja nichts machen und wir müssen eben diesen Karren laufen lassen wie er geht.  Dir und den Kindern sende ich recht herzliche Grüße und viele Küsse. Ich hoffe euch alle gesund. Dir übermittle ich wieder meine besten Grüße und Küsse Dein Ernst.


Brief 162 vom 9.8.1941


Meine liebe Annie !                                                             9.8.41        


Jetzt ist wieder Samstag und Du wirst an Deine Abreise denken müssen. Deine Urlaubstage sind dann auch schnell verstrichen, doch Deine Mutter wird es wohl wieder schwerer empfinden, wenn Du nun wieder abgereist bist. Die Kinder werden zwar ziemlichen Betrieb gemacht haben, aber es ist nun einmal nicht anders. Das glaube ich, daß Dein Vater nun bald die Geduld verloren hat, wenn es so den ganzen Tag geht. Ich hoffe also, daß Ihr gesund wieder heimkommt. Dir selbst wird es auch eine Abwechslung aus dem täglichen Einerlei sein. Denn Du bist ja solange schon nicht mehr aus Deinem häuslichen Getriebe herausgekommen. Eine Ablenkung ist dann wirklich nicht von Schaden. Die Heimreise wird den Kindern sicher auch wieder gefallen. Helgas Ferien sind ja noch nicht zu Ende, sie kann sich in den kommenden Tagen noch ein wenig austollen, soweit es das Wetter erlaubt. Das gleich trifft ja nun auch bei unserem Stromer zu, der in den nächsten Wochen auch dran glauben muß. Es wird ihm wahrscheinlich die erste Zeit hart ankommen. Gespannt bin ich ja, wie er sich Damit dann abfinden wird. Er wird zwar nicht gefragt, aber je nach dem wie er sich in den Betrieb hineinfindet, werden dann auch seine Leistungen sein.
Ich hoffe ja mit ziemlicher Bestimmung, daß ich inzwischen wieder einmal zu Euch kommen kann.  Heute am Wochenende war Betrieb wie die ganze Woche über. Wenn man nicht immer noch mit beim Publikumsverkehr helfen müßte, könnte man der Sache eher Herr werden.  Aber ich werde meine Arbeit eben nach und nach erledigen und mich nicht wegen den Franzosen oder wegen dieser Dienststelle hier kaputtmachen. Mein Chef weiß aber, was er an mir hat und gibt mir in fast jeder Hinsicht uneingeschränkte Voll machten. Daß ich diese nicht für meine Zwecke personell ausnütze, halte ich für selbstverständlich. Obwohl ich dies schon oft hätte tun können.  Heue legte ich ihm einen Bericht vor. Als er ihn gelesen hatte, fragte er, wer ihn gemacht hat; ob ich das sei. Als ich ihm das bejahte, sagte er, daß ein früherer Oberinspektor, der gewiß auf Draht gewesen sei, nichts in dieser Weise hingelegt hatte. Ich will mich nicht auf diesen Lorbeeren ausruhen, sondern weiterarbeiten. Gestern erklärte er mir auch, daß ich sein Inspektor sei. Anders wäre es, wenn ich das auch in wirtschaftlicher Hinsicht wäre, denn nur arbeitsmäßig allein bringt nicht die volle Befriedigung.  Heute sende ich Dir ein Foto von unserem Hausgenossen mit. Er ist in der Zwischenzeit wohl noch etwas mehr gewachsen, aber Du kannst schon sehen, was für ein Kerl das ist.
Post habe ich nicht von Dir bekommen. Vielleicht heute Abend oder zum Sonntag.  Dir sende ich viele herzliche Grüße und Küsse. Unseren beiden Stromern ebenfalls. Wie es Vater in der Zwischenzeit gegangen ist, wird mich auch interessieren. Dein Ernst

Mein liebes Mädel !                                                                      9.8.41

Eben komme ich von Lille zurück und habe mir das Päckchen wieder besorgt, das mir Graser nicht mitnehmen konnte. Ich habe es heute einem anderen Kameraden mitgegeben, der es morgen mitnimmt. Bis das in Konstanz ankommt, bist Du ja auch wieder dort. Ich wollte mich nochmals bei der Fabrik wegen meiner Stiefel umsehen, die haben heute Nachmittag aber geschlossen. Jetzt muß ich zusehen, daß ich am Anfang der kommenden Woche nochmals hinüber fahren kann. Zufällig habe ich auch den Tommi wieder getroffen, der sich sehr gefreut hat. In Lille selbst ist tüchtiger Betrieb, viele viele Menschen und in den Hauptstraßen Gedränge. Schön war die Fahrt wieder dorthin. Auf den Feldern war schon fast sämtliches Getreide gemäht und in Hocken aufgebaut. Die Sonne lag über den Äckern. Es war wahrhaftig ein schöner Anblick. Wenn man nicht selbst die Soldatenkluft anhätte und nicht die Soldaten oder die verschiedenen Flugplätze sehen würde, man könnte fast nicht glauben, daß Krieg ist.  Ich erhielt Deinen lieben Brief vom 5. Es freut mich, daß ich von Dir hören konnte, daß es Dir gut gefallen hat und daß Du Dir wieder einmal andere Eindrücke verschafft hast. Du hast nun wenigstens die dringend notwendige Ablenkung gehabt und kannst dann wieder in den kommenden Wochen Deine Arbeit einmal mit anderen Sinnen versehen. Was die Schokolade anbelangt, so ist es gegenwärtig so, daß jetzt keine zu bekommen ist. Pralinen sind eher zu erhalten. Wenn es wieder Schokolade gibt, werde ich sehen, was sich tun läßt. Daß Dir der Film auch gefallen hat, konnte ich mir ja denken, es freut mich aber, daß Du Gelegenheit gehabt hast, ihn zu sehen. In die Wollkämmerei kamst Du nun auch noch. Das kann schon möglich sein, daß Dich die jetzigen Verhältnisse interessieren. Siegfried hat wieder sein Leibgericht bekommen, bevor er fortfuhr. Da kennt er ja keine Grenzen.
Mit dem russischen Krieg bist Du nun auch auf eine Art in Berührung gekommen. Du hast also auch eine Gasmaskentasche erbeutet. Das Gepäck wird Dir ausreichen. Es ist aber recht, daß Du einen Teil so verschickst, damit Du nicht soviel Schlepperei hast.  Ich lege heute wieder einige Bilder bei, die ich mir als Erinnerung an das Stadtkommissariat habe schicken lassen. Bis auf den Tommi sind es ja alle Personen, die bei uns waren. Wenn ich einmal in Urlaub komme, kann ich Dir ja die einzelnen Persönlichkeiten vorstellen, sofern sie Dich interessieren.  Deine Frage wegen des Konstanzers hätte ich fast vergessen zu beantworten. Wir leben hier doch sozusagen im Kohlenpott. Unsere Stadt ist die Zentrale für die gesamte Kohlenverteilung des Nordens. Auch unsere Industrie wird mit hiesigen Kohlen versorgt. Dieser Mann ist nun der Beauftragte für die Eisen und Stahlindustrie für Lothringen und das Moselgebiet. Wie das genau zusammenhängt, kann ich Dir hier nicht so erklären. Daß er hier nicht schlecht verdient, kannst Du dir denken.  Recht herzlich grüße und küsse ich Euch alle meine Lieben. Dich, mein liebes Mädel, aber besonders Dein Ernst.

Brief 161 vom 7./8.8.1941


Meine liebe Annie !                                                                 7.8.41                

Bis Du meinen Brief erhältst, ist es bald wieder soweit, daß Du an die Abreise denken mußt. Ich glaube, daß ich heute den letzten Brief nach Leipzig schreibe, und ab morgen wieder an die alte Adresse. Du hast es sicher auch ganz gern, wenn Du in Konstanz gleich wieder Post vorfindest. Ich hoffe, daß Du Dich etwas erholt hast und ich glaube jedenfalls, daß Du wieder einmal neue Eindrücke gesammelt hast und alte Erinnerungen aufgefrischt hast. Wenn die Tage so ungetrübt vorbeigegangen sind, ist das für Dich jedenfalls sehr wesentlich. Deine Mutter hat sich auch gefreut, und wie ich aus Deinen Briefen gelesen habe, ja auch Dein Vater, daß Ihr Drei zusammen dort gewesen seid. Ich selbst wäre gern ein paar Tage dabei gewesen, aber es geht hier einfach nicht so, weil man sich an den Urlaubsplan halten muß. Wenn aber nichts dazwischen kommt, hoffe ich bestimmt, daß ich, wie ich Dir schon mitteilte, Ende dieses Monats oder am Anfang des kommenden zu Euch kommen kann. Wie das allerdings mit der Unterbringung von Elsa wird, kann ich mir dabei schlecht vorstellen. Du kannst mir ja einmal Deine Ansicht mitteilen, damit ich mich entsprechend einrichten kann. 
Hier nimmt das Wetter schon ziemlich herbstlichen Charakter an. Früh ist es beträchtlich kühl und der viele Regen der letzten Wochen hat sich schon ziemlich ausgewirkt. Nachdem die warme Jahreszeit so spät einsetzte, ist dieser Sommer im Verhältnis sehr kurz gewesen. Ändern kann man es ja nicht. Ich wünsche mir jedenfalls noch einige sonnige Tage, die ich am Meer verbringen könnte. Dieser Tage habe ich einige interessante Einzelheiten über den französischen Staatshaushalt gelesen. Der zeigt im ordentlichen Haushalt 96,95 Milliarden und im außerordentlichen Haushalt 37 Milliarden, also zusammen 133,95 Milliarden Franken.  Davon werden durch Einnahmen gedeckt 68,20 Milliarden, so daß 66 Milliarden Defizit bestehen. Dabei sind noch nicht einmal die Besetzungskosten eingerechnet. Das sind schon ziemliche Zahlen, auch wenn man dabei den Kursunterschied zwischen unserem Geld und dem französischen in Betracht zieht. Ich denke, daß Dich auch einmal so etwas interessiert. Das sind ja auch keine Geheimnisse.
Es handelt sich dann nur darum, daß dies nicht immer gerade veröffentlicht wird. Eine weitere Zeiterscheinung macht sich jetzt auch hier geltend. Das ist das Anstellen nach Rauchwaren und nach alkoholischen Getränken. Da stehen die Menschen zur vorgeschriebenen Zeit vor den Geschäften in langen Schlangen und warten, bis sie dran sind. Eines konnte ich aber dabei beobachten, daß die Disziplin sehr ordentlich ist. Es ist ja immerhin noch so, daß wir bis jetzt an Trinkbarem noch manches kaufen können, was den übrigen Bevölkerungskreisen nicht mehr so ohne weiteres möglich ist. Es ist zwar schon bedeutend schwieriger wie im alten Jahr so was zu bekommen. In den letzten Nächten war der Engländer wieder eingeflogen und über unser Gebiet gekreist. Das macht zwar nichts, denn die suchen andere Objekte.
Wichtiges habe ich heute nicht mehr zu berichten. Die Arbeit steht immer noch in gleicher Weise an, so daß es mir wirklich nicht langweilig wird.  Dir und unseren beiden Stromern sende ich viele herzliche Grüße und Küsse. An Deine Eltern richte bitte ebenfalls recht viele Grüße aus wie auch an Erna, Alice und Paul. Auch wünsche ich eine gute und gesunde Heimkehr. Dir nochmals viele herzliche Grüße und Küsse sendet Dein  
Ernst

Mein liebes Mädel !                                                                       8.8.41

Ich sende Dir heute nun wieder den ersten Brief nach Konstanz in der Hoffnung, daß Ihr zusammen wieder gut angekommen seid. Ich hoffe weiter, daß Ihr alles in Ordnung angetroffen habt. Ruht Euch nur ein bißchen aus und stürze Du Dich nicht gleich wieder mit allen Dir zur Verfügung stehenden Kräften in die Arbeit. Es läuft Dir ja nichts weg.
Für Dein Schreiben vom 4. danke ich Dir vielmals. Da hast Du Dich aber wieder einmal sehr angestrengt.  Der Besuch bei Alice war also sehr nahrhaft. Ihr habt ja da nicht schlecht gegessen. Das Grammophon hat den Kindern sicher Spaß gemacht.  Der Geburtstag unseres Jungen ist ja ganz im schönen Rahmen verlaufen. Er ist jedenfalls nicht schlecht weggekommen.  Alle die Gegenstände und das Geld ist da doch allerhand. Vor allem kann ich mir denken, daß ihm der Metallbaukasten eine große Freude gemacht haben wird. Er muß nur schön Obacht geben, daß möglichst alles beisammen bleibt, sonst ist es ja schade, wenn er nicht mehr richtig spielen könnte. Für Helga war ja auch noch etwas abgefallen, was mich für sie freut, denn ich glaube, sie würde sich zurückgesetzt fühlen. Das kommt ja bei ihm auch nur daher, daß er gerade in Leipzig war, sonst hätte er auch nicht soviel bekommen.  Die Angelegenheit mit Elsa Legler hat ja nun auch ihre Erledigung gefunden. Wir haben nicht abgesagt, die haben immerhin unseren guten Willen gesehen. Ob es uns im nächsten Jahr möglich ist, wird sich dann ja zeigen. Es ist aber so, die haben womöglich gedacht, daß wir noch einen Teil der Verpflegungskosten übernommen hätten. Ich weiß jedenfalls, daß jeder denkt, daß er zu kurz gekommen ist. Meist ist es so, daß der, der auf Besuch kommt, gewisse Anforderungen stellt und wenn er bezahlen soll, ist es ihm zuviel. Ich bin wirklich froh, daß diese Angelegenheit sich so erledigt hat.  Mit der Geduld Deines Vaters war es also nicht besser wie es früher auch schon gewesen ist. Ich kann mir das gut vorstellen. Gewundert hatte ich mich schon ein wenig, daß alles so ganz ohne Trübung vorbeigehen sollte. Ich weiß ja, daß man die Eigenheiten eines Menschen nicht ändern kann.
Daß Du an Dora geschrieben hast, finde ich in Ordnung. Sie ist zwar schreibfaul, aber so hast Du für 6 Pfennig Deine Pflicht erfüllt. Denn mehr kostet ja die Postkarte nicht. 
Graser hat mein Päckchen zwar nicht mitnehmen können. Ich gebe es nun einem Kameraden mit, der mit mir auf dem Büro ist, er schickt es dann ab, wenn er daheim ist. Ich lasse es Dir nun direkt zugehen. Er fährt am Sonntag in Urlaub, so daß Du das im Laufe der nächsten Woche bekommen wirst.  Alice hat sich auch Dir gegenüber sehr angestrengt, wenn sie Dir noch die Glassachen geschenkt hat. Ohne den Wert des Geschenks dabei herabzumindern, ist es ja so, daß die beiden Personen für ihren Lebensbedarf genug haben, wo jetzt alle beide verdienen und sonst für niemanden zu sorgen haben. 
Von hier habe ich heute nichts zu berichten. Es geht bei gleichem Wetter im alten Tempo weiter. Die Woche ist auch schon bald wieder herum. Heute Abend habe ich vom hiesigen Bürgermeister eine Einladung zum Sekttrinken erhalten, die ich nicht abschlagen konnte, vor allem weil unser Kriegsverwaltungsrat auch dabei ist.  Dir sende ich herzliche Grüße und viele Küsse. Unseren beiden Stromern  ebenfalls dasselbe. Grüße bitte Vater von mir. Dein Ernst.

Brief 160 vom 4./5.8.1941


Meine liebe Annie !                                                                                    4.8.41            

Vorgestern und gestern erhielt ich Deine Briefe vom 29., 30. und 31.7. Ich kann aus allen Deinen Schreiben herauslesen, daß Du gut aufgehoben bist und daß es Dir nicht schlecht geht.  Heute hat unser Junge Geburtstag. Ich hoffe, daß mein Brief an ihn rechtzeitig angekommen ist. Er kann ihn zwar noch nicht lesen, bald wird er aber auch soweit sein. Er hat ja durch diese Reise auch mit schöne Tage gehabt, denn ich denke, daß er an diesen täglichen Abwechslungen auch seine Freude hat. Denn alles dieses, was so eine Großstadt bietet, ist unseren Beiden ja ziemlich neu.
Die Sache mit dem Zucker habe ich so ziemlich geregelt. Es ist wahrscheinlich, daß ich etwa so einen halben Zentner kaufen kann.  Wie ich den dann versende, weiß ich noch nicht. Eines ist aber sicher, daß Du welchen bekommst. Wenn ich ihn in Päckchen verpacke, mußt Du dann das Porto bezahlen. Ich habe heute das Päckchen an Graser mitgegeben, das an Vater für Dich abgeht. Hoffentlich kann er es mitnehmen, sonst muß ich es anders wegschicken. Mit den Gardinen werde ich noch warten, ich glaube, daß ich hier aber doch welche kaufen werde. Wegen Vaters Schuhen habe ich ja auch an ihn selbst geschrieben, er kann Dir dann ja Bescheid geben.
Der Besuch Elsas ist also auch soweit klar. Ich will Dir aber nochmals sagen, daß Du Dir nicht extra Arbeit machst, denn sie muß ihr Teil mitarbeiten. Denn ich glaube, daß es mir vielleicht doch langt, daß ich Ende dieses oder Anfang des nächsten Monats Urlaub bekomme. Da wird Helga aber stolz sein, wenn sie eine neue Kette hat.  Wenn Siegfried noch mal vorbeikommen kann, kannst Du ja mit ihm auch nochmals sprechen. Ich weiß zwar nicht, ob Du besonderen Wert darauf legst. Man kennt sich ja fast nicht mehr aus, wenn man solange weg ist. Man weiß nicht mehr richtig, was alles los ist.  Ich schreibe heute Abend, weil ich am Tage nicht dazu gekommen bin und im Dienst wieder ziemlich in Anspruch genommen bin.  Post habe ich heute keine bekommen, doch ich kann mich ja in den letzten Tagen nicht beklagen.  Herzliche Grüße und viele Küsse Dir und den anderen sendet Dir Dein Ernst 

Liebste Annie!                                                                                                    5.8.41

Auch heute komme ich erst am Abend dazu, Dir zu schreiben. Ich erhielt Deine beiden Briefe vom 1. und 2.8., die mich sehr gefreut haben, vor allem auch deshalb, weil ich aus diesen wieder lesen konnte, daß Du gut aufgehoben bist und daß es Dir sehr gut in Leipzig gefällt. Das glaube ich, daß unseren Beiden das viel Spaß macht, so daß ihnen das nicht zuviel ist, wenn nochmals so richtig rumgetollt wird. Daß Dein Vater Freude daran hat, ist ja ganz in Ordnung. Mit Kindern Unsinn machen oder ihnen etwas erzählen war ja immer seine Stärke. Unsere beiden Strolche sind sicher bei dem Eisessen große Gegner, denn das mögen sie ja nicht haben. Man muß es ihnen ja immer aufdrängen. Frag sie einmal. Das viele Fortgehen strengt wohl an, dann auch immer das große Stadtpflaster treten, denn alles kann man doch nicht mit der Straßenbahn fahren, macht ziemlich müde. Kommst Du mit Deinem Geld eigentlich aus. Hoffentlich mußt Du nicht sparen. Es war mir eine Beruhigung, daß Du die Gräber mit besucht hast. Es kommt ja doch selten jemand raus. Daß Du jetzt in Leipzig gut schlafen kannst und die ganze Nacht durchschläfst, ist ja sehr schön.  Hoffentlich bleibt es dann auch so wie es in Leipzig war. Na, ich muß schon sagen, daß die Kinder allerhand gesehen haben, denn das Völkerschlachtdenkmal ist doch ein monumentaler Bau, der seine Wirkung auf keinen Menschen verfehlt. Ich glaube auch, daß das bei den Kindern der Fall gewesen ist.
Dieser Märklinbaukasten ist ja nach dem Geschmack von unsrem Jungen, denn da kann er schrauben und basteln wie es ihm in den Kram paßt. Das ist ja interessant, daß Helga bald so groß ist wie Deine Mutter. Ja, die Krott ist ja auch mächtig gewachsen. Mit dem Gepäck mache es nur so, daß Du einen Teil aufgibst.
Siegfried kommt ja auch ziemlich in der Gegend herum. Nun ist er also schon wieder in Wiesbaden. Vielleicht ist es ihm noch möglich, mit in Leipzig vorbeizukommen. Habt Ihr ein paar Fotos gemacht? Übrigens, Fotos von mir kannst Du, soweit Du sie doppelt hast und Deine Eltern sich dafür interessieren, dort lassen. Schreibe doch vielleicht noch eine Karte an Frau Dietz, damit sie sieht, daß Jörg nicht daheim war an seinem Geburtstag, oder hältst Du das nicht für notwendig.
Die „Reklamationen“ in meinem Brief waren auch nicht ernst gemeint und ich bitte Dich, diese auch so aufzufassen.
Wenn ich in aller meiner Arbeit auch hier ungehindert walten kann, wie ich es für richtig finde, so bleibt einem mancher Ärger erspart. Aber welche Tätigkeit gibt es, wo man keinen Ärger damit hat. Es ist wirklich schön, wenn man vieles weiß, oder wenn man alles weiß; wenn man wegen allem gefragt wird und wenn man in allem Auskunft geben kann, sei es nun vom Chef oder vom Stift. Nur manchmal möchte man auch etwas anderes arbeiten. An solchen Tagen, wenn ich dann richtig in Fahrt bin, machen alle einen Bogen um mich, weil ich jeden anfauche. Aber wenn man es nicht so macht, kommt man zu nichts. 
Heute Abend gehe ich ins Kino, es soll der Film „Operette“ gespielt werden. Übrigens am Samstag, als ich in Lille war, habe ich am Nachmittag das Soldatenkino besucht. Die Wochenschau ist ja wieder grandios. Das ist doch allerhand Leistung, solche Szenen zu drehen. 
Ich sende Dir und den Kindern recht viele Grüße und Küsse und hoffe, daß Du noch einige schöne Tage dort verleben kannst und Dich etwas erholst. Herzliche Grüße sende ich auch an die Eltern und ich Danke ihnen, daß sie Euch so gut aufgenommen haben.  Nochmals herzliche Grüße und Küsse sendet Dir Dein Ernst
6.8. Ich hatte die Absicht, Dir noch einige Zeilen zu schreiben, ich komme aber einfach nicht mehr dazu, weil jeden Tag viel Hochbetrieb ist. Bleibe mir gesund und nimm herzliche Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst

Mittwoch, 3. August 2016

Brief 159 vom 1./2.8.1941


Mein liebstes Mädel !                                                                                   1.8.41              
 

Deine beiden Briefe vom 27. und 28.7. erhielt ich gestern. Außerdem bekam ich einen Brief von unserem Assessor und von einem Beamten, der für einige Zeit hier bei uns war und jetzt in Rußland eingesetzt ist. Ich hatte also gestern ziemlich zu lesen. Es war mir aber nicht zuviel, vor allem war es wieder einmal ein Blick in die Welt. Ein Brief aus Belgien, zwei aus Deutschland und einer aus Rußland. Was sind das doch jetzt für Entfernungen geworden, was ist das für eine Größe und Macht, die wir bis jetzt schon erreicht haben. Zu welchen Leistungen sind wir fähig und was für Kräfte stecken in unserem Volk. Der Kriegsverwaltungsamtmann, der bei uns auf dem Kommissariat war, sitzt jetzt auf der Insel Kreta, unser Kurt sitzt in Italien. Wenn man das betrachtet und dabei bedenkt, daß wir vor 8 Jahren erst mit dem Aufbau des Reiches begonnen haben, so ist das alles fast unvorstellbar. Nach Deinem Schreiben zu urteilen, scheint es Dir ganz gut in Leipzig zu gefallen und etwas Entspannung und Erholung scheinst Du auch zu haben. Es freut mich sehr, daß Du überall gut aufgenommen bist. Das mit der Stellenveränderung Deines Vaters interessiert mich sehr, denn ich nehme ja in dieser Hinsicht auch Anteil.  Was die Schokolade für Deine Eltern anbelangt, so will ich zusehen, was sich tun läßt, wesentlich ist für mich, daß Du einen gewissen Vorrat hast. Das mag sehr selbstsüchtig klingen, ist aber nicht so gemeint. Ich hoffe, daß ich auch noch welche für Deine Eltern bekomme. Es ist nur immer so, man kann noch viel einkaufen, doch muß man immer Geld auf der Hand haben, wenn  irgendein günstiger Fall eintritt. Das ist nicht immer so, daß man nur hingehen braucht, sondern das sind alles mehr oder weniger Gelegenheiten, die man dann ausnutzen muß, wenn sie sich bieten. Wenn ich Geld im Voraus verlange, habe ich es wohl auf der Hand, weiß aber nicht, ob ich das bekomme, was gewünscht wird. Lege ich es solange aus, fehlt es mir hier für eine andere Sache. Du mußt mich richtig verstehen, daß das nicht am guten Willen liegt, sondern daß das durch die Verhältnisse bedingt ist.  Gib mir rechtzeitig Bescheid, wie lange Du Dich in Leipzig aufhältst, damit ich meine Post entsprechend leiten kann, denn ich möchte nicht, daß die Briefe erst nach Leipzig gehen und dann Dich nicht erreichen.  Der Assessor schreibt, daß er jetzt in Belgien in einem viel kleineren Kreis tätig sei, der nur 84ooo Einwohner hat. Wir haben hier noch 1 ½ Mal soviel. Dagegen steht dort mehr Personal zur Verfügung. Es ist eben ungleich im Verhältnis zu uns, wenn man dabei bedenkt, daß dort noch entsprechend mehr Personal zur Verfügung steht. Aber man soll in diesem Fall auch nur wieder sagen „nicht ärgern, nur wundern.“ Für heute herzliche Grüße und Küsse Euch allen von Deinem Ernst.

Meine liebe Frau !                                                                 2.8.41

Nachdem ich gestern keine Post erhalten habe, denke ich, daß ich vielleicht heute wieder etwas von Dir bekomme. Am gestrigen Abend war ich mit dem Konstanzer zusammen. Es war ganz interessant und auch sehr nett. Er hatte sich sehr gefreut, mit einem aus seiner Heimatstadt zusammen zu sein und er hat mich gleich gebeten, daß wir bald wieder einmal zusammen kommen. Wenn ich jetzt einmal in die Gegend oder nach Lille oder sonst wo hinfahren will, wird er mir seinen Wagen zur Verfügung stellen. Wenn es mit meinem Urlaub klappen sollte und es gibt sich die Gelegenheit, dann kann ich wahrscheinlich mit dem Wagen bis nach Brüssel gefahren werden. Es ist doch immer wieder gut, wenn man für gewisse Fälle jemand an der Hand hat, denn man weiß ja nicht, wie man so einen Mann brauchen kann. Für sämtliche Kosten ist er gestern aufgekommen, er wies darauf hin, daß er es besser auf Geschäftsunkosten verrechnen kann wie ich. Dem konnte ich auch nicht widersprechen, denn ich habe keine Möglichkeit, Spesenrechnungen aufzustellen.  Heute Nachmittag werde ich nochmals wegen meinen Stiefeln nach Lille fahren müssen, weil ich die Befürchtung habe, daß man mir hier nicht richtig Maß genommen hat. Ich habe heute hier im Dienstzimmer Hochbetrieb, und ich bitte Dich, mit meinem kürzeren Schreiben vorlieb zu nehmen. Ich grüße und küsse Dich und die Kinder, bitte dich Deinen Eltern, Elsa und Erna und wie sie alle heißen, Grüße von mit zu übermitteln. Dir nochmals viele Küsse von Deinem Ernst


Brief 158 vom 30./31.7.1941


Mein liebes Mädel !                                                                                      30.7.41         

Für Deine Karte vom 25. und für Deinen Brief vom 26. danke ich Dir herzlich. Bevor ich näher auf alles eingehe, habe ich noch einige Reklamationen anzubringen. Warum habt Ihr die Karte frankiert. Warst Du so im Reisefieber, daß Du das übersehen hast?  Warum schreibst Du in Deinem Brief „heute will ich Dir von hier den ersten Brief schreiben“ und machst als Überschrift „Konstanz“? Weiterhin, hast Du keine Post von mir erhalten oder hast Du das nur vergessen zu erwähnen. Ich kann mir nach diesen Feststellungen vorstellen, daß Du Dich bis jetzt ganz gut abgelenkt hast, was mich besonders freut. Es freut mich auch, Dir meine „Reklamationen“ mitteilen zu können. Nach Deinem Schreiben zu schließen ist also die Fahrt ganz gut vonstatten gegangen trotz des Zwischenfalles bei „Mutter und Kind“. Etwas muß es ja immer geben. Wenn es sich dann noch so gegeben hat. Den Kindern hat es wahrscheinlich auch gefallen, so eine weite Fahrt mitzumachen.  Ihr seid ja dann gleich am Bahnhof abgeholt worden. Für die Kinder hat er also in seiner alten Art und Weise gesorgt. Daß Ihr gleich im Luftschutzkeller vorgestellt worden seid, hat Dir alles andere erspart. Es ist nur unangenehm, wenn man erst so eine lange Bahnfahrt hinter sich hat.  Interessant war mir zu erfahren von dem Verhältnis des Herrn und der Annahme einer neuen Stellung Deines Vaters. Dann ist er ja wieder in seinem alten Wirkungskreis. Hoffentlich gefällt es ihm und ich nehme an, daß er sich dort auch wieder etwas besser stellt.  Daß Dein Onkel Richard gestorben ist, war vielleicht für ihn eine Erlösung, denn ich nehme an, daß er ziemliche Beschwerden gehabt haben muß. Von mir habe ich heute eigentlich nichts Wesentliches zu berichten. Der Dienst wird immer strenger. Die Hauptlast der Arbeit liegt fest bei mir. Der Kriegsverwaltungsrat tut nur in großen Dingen und alles übrige bleibt an mir hängen. Daß das nicht wenig ist, kannst Du Dir sicher vorstellen. Eines freut mich auch hier wieder, daß er meine Mitarbeit zu schätzen weiß und daß ich sein volles Vertrauen genieße. Sämtliche wichtige Sachen berät er mit mir und über alles weiß ich auch Bescheid. Ich hoffe, daß das so bleibt und ich werde mir Mühe geben, dieses Verhältnis in dieser Form aufrechtzuerhalten. In dieser Beziehung kann ich sagen, daß ich es immer soweit gut getroffen habe. Ich möchte mich zwar nicht gern selbst beweihräuchern, aber ich denke jedenfalls, daß das nicht von ungefähr kommt, und daß es auch mit an mir liegen muß. Dir sende ich recht viele und herzliche Grüße und Küsse.
Übermittle den Kindern auch einige. Die werden jetzt zwar ziemlich in Anspruch genommen sein und ihre Ablenkung haben. Grüße auch wieder die Eltern. Ich glaube kaum, daß ich jetzt besonders an sie schreiben muß. Ich werde es aber trotzdem tun und hoffe, in den nächsten Tagen dazu zukommen. Ich sende Dir nochmals viele Grüße Dein Ernst

Meine liebe Annie!                                                         31.7.41

Gestern habe ich an Kurt und an Vater geschrieben. Die entsprechenden Durchschläge meiner Schreiben habe ich beigefügt.  Es war in beiden Fällen an der Zeit, daß ich wieder geschrieben habe, aber Du weißt ja selbst, daß ich ziemlich in Anspruch genommen bin und daß man andererseits etwas Ruhe braucht, um hier immer wieder auf Draht zu sein. Der Dienst stellt ziemlich viele Anforderungen und diesen will ich gern in jeder Beziehung gewachsen sein.  Wegen meines Urlaubs habe ich hier nun auch einmal vorgefühlt. Ich habe den Wunsch ausgesprochen, daß es mir sehr recht wäre, wenn ich so Anfang September gehen könnte. Unser Kriegsverwaltungsrat sagte, daß er von sich aus nichts dagegen hätte und daß er damit einverstanden sei. Man braucht ja noch nicht damit fest zu rechnen, denn Du weißt ja selbst, was schon alles dazwischen gekommen ist. Ich will von mir aus jedenfalls versuchen, daß ich diesen Zeitpunkt im Auge behalten kann. Ich weiß zwar nicht, ob es Dir recht ist, wenn ich in Urlaub komme, doch Du kannst mir ja abschreiben, wenn es Dir nicht passen sollte. Also auch hier; abwarten.  Post habe ich von Dir gestern keine erhalten. Von unserer Dienststelle kann ich noch berichten, daß wir seit letztem Freitag eine Schreibmaschinenkraft haben.  Obwohl diese sich auch schon Monate hier mit in Frankreich herumtreibt, muß man ihr doch noch vieles zeigen und sagen. Das viele Reden in Fällen, die selbstverständlich sind, ist mir immer so unangenehm.  Vorgestern habe ich ein schönes Abendessen gehabt.
Unser Doktor, der ja viel auf Jagd geht, hatte am Sonntag eine junge Wildente geschossen. Die habe ich dann erhalten und mir dann zum Abendessen machen lassen. Das war sehr schmackhaft und wieder sehr billig. Ich kaufe mir ja so für die Woche noch ein Pfund Butter dazu und außerdem noch etliche Eier, damit man nicht hungern muß. Das Mittagessen ist manchmal nicht so wie man es gern hat. Jedenfalls ist es nicht so kräftig, wie im vorigen Jahr und damit auch nicht so anhaltend. Ich meine wir brauchen ja nicht so leben wie die Franzosen. Beispielsweise bekommt hier ein Normalverbraucher, zum Unterschied zum Schwerarbeiter, wöchentlich 100 Gramm Fleisch. Manchmal ist es auch weniger. Ein Schwerarbeiter erhält Dagegen 525 Gramm. Eier erhalten die Leute auf ihre Karte aller 2 Monate eins. Du kannst schon daraus erkennen, daß die Verpflegung bei uns daheim bei weitem wesentlich besser ist. Milch lassen wir uns zum Kaffee kommen. Soviel ich weiß, erhalten wir drei Mann täglich einen Liter Milch, der dann immer auch alle wird.  Herzliche Grüße und Küsse sendet Dir, den Kindern und auch den Eltern Dein Ernst