Meine liebe Anni! O.U., den 29.September 1940
Gestern erhielt ich Deine beiden lieben
Briefe, den vom 24. und vom 25. Sept. Über beide habe ich mich sehr gefreut.
Auch für das mitgesandte Geld danke ich Dir, ich werde versuchen, noch die Einkäufe
zu machen, die ich dafür vorgesehen hatte.
Ich bin aber wirklich erstaunt, wie Du im
Garten gearbeitet hast. Sogar ein großer Teil ist ja schon wieder umgegraben.
Du warst aber wirklich sehr fleißig. Auch das bisherige Ergebnis Deiner
Apfelernte ist überraschend. Ich hätte gar nicht gedacht, daß der Baum das noch
schaffen kann. Es war doch nun gut, daß wir ihn im vergangenen Herbst nicht
umgeschlagen haben, er hat es uns sehr gedankt. Acht Pfirsiche waren doch noch
auf dem Bäumchen geblieben. Es ist zwar nicht viel, doch man freut sich auch
darüber, denn er nimmt eigentlich nicht viel Platz weg. Ich hatte auch nicht
erwartet, daß Ihr mir welche aufhebt. Eßt nur diese wenigen Sachen selbst, denn
ich komme hier nicht zu kurz. Doch davon will ich Dir nachher noch schreiben.
Was Du mir über unsere beiden Stromer wieder geschrieben hast, ist ja wieder
interessant. Ich weiß ja schon wie sich beide früher immer schon so wichtig
gehabt haben. Die weiche Veranlagung, die Helga hat, wird man wohl kaum heraus
kriegen. Trotzdem hat sie schon vieles davon abgelegt, seit sie mit den anderen
Kindern umgeht und sich dort durchsetzen muß.
Daß Du Dich so hinter die Briefmarken her
machst, macht auch mir Freude, dann können wir doch später miteinander
fachsimpeln. Wenn Du irgendwas nicht findest, so brauchst Du ja nur im
Inhaltsverzeichnis nachsehen. Jugoslawien findest Du aber unter Südslavien. Es
ist ja gut, wenn Du Dich damit auch unterhalten kannst und schön finde ich es,
wenn Du Dich dafür interessierst.
Außer den 5,-RM, die noch eintreffen
sollen, werde ich wahrscheinlich kein Geld mehr brauchen bevor ich von hier weg
zum Urlaub fahre. Du siehst also, daß ich die Hoffnung immer noch nicht
aufgegeben habe. Das wäre also das wesentliche, was ich aus Deinen beiden Briefen
zu beantworten habe.
Gestern hatte ich nun wieder Fahrlehre und
ich bin ganz erfreut, daß es schon ganz gut geht. Mein Kamerad hat gestern zwar
durch größeren Verkehr fahren dürfen, doch das werde ich demnächst auch machen
müssen. Man muß auch da alles mitmachen, damit man die nötige Sicherheit
gewinnt. Ich muß sagen, daß der Fahrlehrer nicht leichtsinnig ist. Ich habe
gestern den Wagen auf einer Straße wenden müssen. Erst im ersten Gang anfahren,
dann die Kupplung und die Bremse treten und auf den Rückwärtsgang umschalten
und das Steuerrad gleich wieder entsprechend einschlagen. Ja da staunst Du was.
Wenn du aber jetzt mit Briefmarkensammeln
anfängst, muß ich doch irgendwie wieder einen kleinen Vorsprung vor Dir haben.
Dann möchte ich nur noch dazu bemerkten, daß man mit einem guten Wagen schon
etwas machen kann, denn der verträgt auch etwas. Es ist ein amerikanischer
Wagen Marke Dodge. Den hört man kaum laufen. Damit will ich aber in keiner
Weise unsere deutschen Marken schlecht machen, doch die kosten eben auch viel
Geld, wenn man etwas rechts haben will.
Nun möchte ich auf das Essen zurückkommen,
was ich auf der Vorderseite schon angedeutet hatte. Wir waren zu Dritt gestern
bei einem französischen Kriegsbeschädigten aus dem Weltkriege eingeladen. Der
hat ein Hotel mit Gastwirtschaft. Das war wieder einmal ein Pfundsessen. Ich
kann Dir ja der Reihe nach erzählen, was es alles gegeben hat. Ich möchte dich
damit aber nicht ärgern, vor allem deshalb nicht, wenn ich an Eure Karten
denke. Denn gegen das daheim war das die reinste Völlerei und die bin ich ja
eigentlich nicht gewöhnt.
Erstens gab es eine gute
Kartoffel-Gemüsesuppe. Als Hauptgang wurde uns dann Poularde (gemästeter Hahn)
gegeben. Das war für jeden aber soviel,
daß wir dachten, wir müßten alles aufessen, damit wir nicht hungrig vom Tisch
gingen. Dazu gab es Fritten (gebackene Kartoffelschnitze). Für diesen Gang
wurde uns ein elsässischer Traminer Weißwein vorgesetzt. Als wir fertig waren,
wurde als nächster Gang eine Poulardenpastete vorgesetzt, gefüllt mit Trüffeln.
Da habe ich mich auch nochmals rangehalten. Hierzu ein alter Rotwein vom Jahre
1921 gegeben. Ich kann Dir verraten, der hat es in sich gehabt. Zur Pastete gab´s
noch Salat, den möchte ich nicht vergessen aufzuzählen. Die Teller wurden auch
nach diesem Gang wieder weggeräumt, damit der nächste Gang, Käse, gebracht
werden konnte. Wie wir den gegessen hatten, wurden wir noch gefragt, ob wir
Gebäck haben wollten. Obwohl wir dankend ablehnten, wurde es dann doch noch
gebracht. Hiervon habe ich mir dann noch zwei Stückchen zu Gemüte geführt. Doch
dann war das Mahl immer noch nicht beendet, denn das viele Essen muß doch auch
gut verdaut werden können. Also kam als nächstes ein Kaffee, der noch dazu die
Nerven wieder etwas anregt. Damit aber die Rundung noch vollendet wird, gab es
zum Schluß noch ein Zwetschgenwasser. Der Wirt setze sich dann zur Unterhaltung
noch zu uns, so daß wir etwa gegen 11 Uhr uns auf den Heimweg machen konnten.
Bis es aber soweit war, mußten wir noch einen Likör versuchen. Was meinst Du
nun dazu. Ist das nicht verfressen. Wir werden hierher kommandiert und treiben
statt dessen so eine Völlerei. Na Du kannst Dir ja jetzt Dein Urteil selbst
bilden.
Aus diesem Anlaß bin ich gestern Abend
nicht zum Briefeschreiben gekommen. Ich setze mich deshalb, obwohl schönes
Wetter draußen ist, her, um pflichtgemäß meinen Brief zu schreiben, damit Du
nicht zu kurz kommst. Heute früh habe ich mit meinem Kameraden im Hallenbad
wieder gebadet. Für 10 Pfg. haben wir uns etwa zwei Stunden drin aufgehalten.
Da kann man ja nicht viel sagen, für das Geld. Am schönsten gefällt mir da
neben dem Schwimmen der Dampfraum. Da kann man sich so richtig durchkochen
lassen (ausgekocht bin ich zwar schon, meinst Du nicht auch?) und anschließend
dann unter die ganz kalte Dusche und zwar die unter großen Druck nur einen
Wasserleitungsstrahl gibt. Das ist erfrischend.
Jetzt möchte ich noch ein Päckchen
vorbereiten, damit dies noch vor dem Monatsschluß herauskommt. Mein liebes
Mädel, sei Du recht herzlich gegrüßt und geküßt, küsse unsere beiden Kinder
herzlich von mir und denke auch weiterhin an Deinen Ernst.
Mein lieber Schatz! O.U. , den 30.September 1940
Der Monat ist nun auch schon wieder
abgelaufen. Noch einige Tage trennen mich, dann bin ich schon wieder 1/4 Jahr
hier und vor einem Vierteljahr war ich in Köln und wartete auf meine
Weiterfahrt. Wenn man sich die einzelnen Etappen wieder vergegenwärtigt, merkt
man erst wieder, wie lange man von zu hause weg ist und was man alles inzwischen
erlebt hat. So gehen die Wochen und Monate vorbei und man sieht noch kein Ende
der Dinge. Es ist zwar kein Grund vorhanden, deswegen Trübsal zu blasen, denn
das ist nicht unser beider Art. Wenn aber wieder so ein gewisser Zeitraum
verstrichen ist, - so finde ich es für angebracht, wenn man wieder einmal
zurückblickt.
Post habe ich heute von Dir zwar nicht
erhalten, doch ich verliere die Hoffnung nicht, morgen welche zu bekommen. Ich
habe heute früh ein Päckchen mit Kaffee an Dich abgesandt. Im kommenden Monat
werde ich erst meinen hier lagernden Kaffee zur Absendung bringen, damit er
sich nicht ganz verriecht. Wie ich hörte, soll wieder einmal eine Neuregelung
wegen den Päckchen kommen. In welcher Weise die sich auswirkt, muß man erst
einmal abwarten.
Gestern haben wir einen ganz ruhigen
Sonntag gehabt. Nachdem ich meinen Brief geschrieben hatte, bin ich wieder
heimgegangen. Ein Kamerad hatte Kaffee gekocht. Wir sind dann eine Weile
beisammen gesessen. Anschließend haben wir uns auf die Straßenbahn gesetzt und
sind zum Feldpostamt gefahren, um unsere Briefe fortzutragen, die wir am
Nachmittag geschrieben hatten. Nach einem kleinen Bummel durch die Stadt haben wir uns wieder auf die Straßenbahn
gesetzt und sind bis zur Stadtgrenze
gefahren. Wir sind dann der Stadtgrenze entlang auf den alten
Befestigungsanlagen gelaufen.
Vorher hatten wir noch den Heldenfriedhof
besucht, auf dem 3000 deutsche Soldaten ruhen. Wir setzten dann unseren
Spaziergang bis zur nächsten Straßenbahnlinie fort, um dann wieder heimwärts zu
fahren. Nach einem kleinen Abendbrot daheim, sind wir dann nach dem
Nachrichtendienst schlafen gegangen. So ist auch dieser Sonntag wieder vorüber
gegangen.
Daß es stramm auf den Herbst zugeht, merkt
man schon früh an der Kühle. Es wird bald Zeit, daß man die Räume heizt. Wie es
scheint, haben die Leute hier ihre Grundsätze. Vor dem 15. Oktober sollen die
Büroräume nicht geheizt werden. Wir müssen abwarten, ob es wirklich so weit
kommt.
An Veranstaltungen wird hier wieder
geboten. Morgen O. Tschechowa in einer Komödie "Aimee“. Im anderen Theater
ein Stück "Heimliche Brautfahrt" und zum Ende der Woche spielt das
Wiener Raimond-Theater "Zarewitsch". Da können wir uns doch nicht
beklagen. Am Mittwochabend sind wir von unserem Fahrbereitschaftsleiter eingeladen.
So geht die Woche herum im Nu und ehe man sich´s versieht, ist ein weiterer
Zahltag da.
Sei meine lieber Frau recht herzlich
gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.
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