Meine liebe Annie! O.U., den 5.September 1940
Gestern habe ich schon im Laufe des Nachmittags
meinen Brief fertig gehabt und gleich abgesandt. Mit der Abendpost erhielt ich
dann Deinen lieben Brief vom 30., in dem Du Gewissensbisse darüber bekommen
hast, daß Du mir zu unserem Hochzeitstag nicht rechtzeitig geschrieben hast.
Ja, was meinst Du, was ich für ein böses Gesicht gemacht habe und die ganzen
Tage war ich nicht zu genießen, ich glaube, ich dürfte nicht einmal in Urlaub
kommen, sonst könntest Du die Folgen dieses Ärgers noch zu spüren bekommen.
Also, alles in allem, ich bin sehr ungehalten und nicht einmal ein Lächeln ist
über mein Gesicht gegangen, wo ich Deine Beichte zu Ende gelesen habe, denn es
war schon mehr ein Lachen.
Weißt Du, solche Dinge nehme ich überhaupt
nicht so tragisch, weil sie doch nicht von grundsätzlicher Bedeutung sind.
Zudem weiß ich, daß Du sehr oft und viel an mich denkst. Wenn Dir nun einmal
die Übersicht dafür nicht gleich klar gewesen ist, so ist das ja auch weiter
nicht tragisch. Du brauchst Dir also keine grauen Haare deswegen wachsen zu
lassen, denn ich mache es ja auch nicht. Du kannst also ganz beruhigt sein.
Heute ist nun der Geburtstag unserer
Helga. Sie wird zwar heute in die Schule müssen, doch sie wird schon
Gelegenheit haben, ihn zu feiern. Meine Gedanken sind bei Euch und meine besten
Wünsche begleiten sie heute und auch für die Zukunft. Über die verschiedenen
Sachen wird sie sich sicher freuen .
Seit einigen Tagen und besonders seit
heute, brummt es bei uns den ganzen Tag über. Man merkt, daß der Einsatz gegen
England verschärfte Formen angenommen hat. Mit welcher Gewissenhaftigkeit aber
bei uns gearbeitet worden ist, geht allein daraus hervor. Wie ich gestern
gehört habe, durften unsere Flieger bisher nur militärische Ziele angreifen und
bombardieren. Wer etwas anderes getan hat, wurde vor das Kriegsgericht
gestellt. Ja, so ernst nimmt man bei uns das Wort des Führers.
Die Gegenseite wird ja immer versucht
haben, uns etwas anderes zu behaupten. Dies geht ja schon allein daraus hervor,
daß die von der Insel geglaubt haben, sie könnten sich ungestraft an unsere
Zivilbevölkerung heranmachen, nach der gestrigen Rede des Führers will er
diesem Treiben auch nicht mehr länger zusehen. In der nächsten Zeit werden wir
ja doch bald mehr sehen.
Heute Abend wird Hans Fritsche hier
sprechen. Ich werde dazu hingehen, um einen persönlichen Eindruck von diesem
Mann zu bekommen, der durch seine politischen Reden so bekannt geworden ist.
Vier Päckchen habe ich heute fertig
gemacht und abgeschickt. Ich habe bis jetzt noch keine Post für heute
empfangen, möchte aber den Brief gleich noch mitgeben, damit er bald in Deine
Hände kommt.
Die Witterung ist, wie ich Dir schon vor
einigen Tagen schrieb, sehr beständig und heute ist es so warm, daß man direkt
das Bedürfnis hat, wieder einmal ein Freibad zu nehmen. Auf diese Wohltat muß
man eben auch verzichten können. Einmal wird
dies auch wieder möglich sein, bis dahin trösten wir uns wieder.
Viele herzliche Grüße und Küsse sende ich
wieder Euch allen, Du sollst wieder besonders Deine Grüße und Küsse erhalten
von Deinem Ernst.
Nachtragen möchte ich noch, daß wir seit
einigen Tagen sämtliche deutschen illustrierten Zeitungen erhalten und auch
verschiedene Tageszeitungen. Wir leiden also in dieser Beziehung keine Not. Ich
teile Dir dies mit, damit Du Dir die Arbeit mit der Zeitungssenderei ersparen
kannst. Beiliegend noch einige Bilder für Dich. Ich habe hinten drauf
geschrieben, wo es ist.
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