Meine liebe Annie! O.U., den 26.September 1940
Mein Brief von gestern ist vorhin
abgesandt worden und ich stelle fest, daß ich noch etwas vergessen habe. Damit
mir das nicht nochmals passiert, will ich es gleich vorweg nehmen. Ich will Dir
nur mitteilen, daß ich Kriegsverletzter bin. Brauchst aber nicht gleich erschrecken,
es sind nur die Zähne. Mir ist wieder einmal eine Prozellankrone kaputt
gegangen, diesmal die andere. Ich habe versucht, mich bei einem hiesigen
Dentisten behandeln zu lassen, es war aber nicht möglich, dies hier behandeln
zu lassen, dies hier anfertigen zu lassen, weil solche Sachen immer zum Brennen
früher nach Paris gegeben worden sind. Erkundige Dich doch bitte, ob unser
Dentist da ist und frage ihn womöglich, ob er mir dies während meines Urlaubs
machen könnte. Du brauchst ihm aber
nicht von dem hiesigen Mißerfolg zu erzählen. Du kannst ihn ja auch noch
fragen, ob er bei einem Überweisungsschein der hiesigen deutschen Zahnstation
der Wehrmacht die Kosten für die Behandlung der WM in Rechnung stellen kann. Du
wirst das schon diplomatisch anstellen.
Mit der Mittagspost habe ich vorhin einen
Brief von den Eltern erhalten. Ich kann Dir zu Deiner Beruhigung sagen, daß
mein letzter Brief das bewirkt hat, was ich erreichen wollte. Mein Schreiben
haben sie nun nicht krumm genommen und sie haben auch volles Verständnis für
meine Rechtfertigungen aufgebracht. Sogar die Erna hat sich zu einem Gruß
aufgeschwungen.
Daß Siegfried inzwischen Unteroffizier
geworden ist, war mir neu. Dazu werde ich ihm noch meinen Glückwunsch
übermitteln. Heut ist nochmals ein Konzert der HJ verbunden mit einer
Aufführung der Grazer Spielschar. Das
ist wieder etwas für mich und ich werde auch wieder dabei sein.
Deinen lieben Brief vom 23. habe ich soeben
erhalten, für den ich Dir bestens danke. Das muß ja direkt beängstigend bei
Euch aussehen, wenn Ihr soviel Äpfel dahabt. Ja, es ist schon gut, wenn man
etwas daheim hat im Winter. Es war sicherlich nicht gut, als ich Dir dies
Jäckchen gekauft habe, denn bei so viel Bewunderung werde ich ja am Ende noch
ausgestochen. Es freut mich aber, daß es das richtige ist und Dich auch gut
kleidet. Es schadet ja nichts, wenn Du auch einmal etwas hast, was Dir gut
steht, denn du bist ja in den Jahren immer etwas stiefmütterlich weggekommen. Wenn Du noch auf weitere
Erfolge spekulierst, so brauchst Du mir dies nur zu schreiben, dann werde ich
zusehen was sich machen läßt.
Wie Du mir mitteilst, hast Du nun auch
noch das letzte Wollpäckchen erhalten und auch mit dieser bist Du wieder
zufrieden. Dabei lobst Du wieder meinen Geschmack. Ich weiß schon, was mir
gefällt und was auch Dir passen würde, wenn ich nur immer über das notwendige
Geld verfügen könnte.
Mir ist es ja interessant, daß Du Dich
jetzt hinter meine Briefmarken machst. Ich weiß schon daß Du mir dabei nichts
verdirbst und daß Du Dir dabei große Mühe gibst. Ich danke Dir jedenfalls für
Deine Aufmerksamkeit. Für die nächsten Tage hast Du ja dann zu tun, nach dem,
was ich Dir gesandt habe.
Sei wieder vielmals und recht herzlich
gegrüßt und ebenso herzlich geküßt von Deinem Ernst.
Meine liebe Annie! O.U., den 27.September 1940
Meinen gestrigen Brief habe ich noch am
Abend abgesandt, desto eher kommst Du in dessen Besitz. Mit der Mittagspost
habe ich noch nichts erhalten, doch in den letzten Tagen ist die Post ziemlich
laufend eingegangen, so daß ich hoffen kann, nachher noch Post zu bekommen.
Das war heute Mittag ein Schlag aus
heiterem Himmel für unsere Gegner. Nach diesem Abkommen dürfte es sich wohl
Amerika überlegen, in diese Auseinandersetzungen einzutreten. Die weitere
Entwicklung muß man erst noch abwarten.
Heute bin ich zum 3. Mal im Auto gesessen
und ich war ganz erstaunt, wie es schon gegangen ist. Es sind glücklicherweise
nicht gerade übermäßig viel Hebel, doch sie müssen alle richtig bedient sein
und bis man das im Gefühl hat, wird es keine großen Schwierigkeiten bereiten.
Es hängt ja mehr oder weniger von der Übung ab. Mein Kamerad ist mindestens
doppelt so lang am Steuer gesessen und hat noch nicht viel mehr erreicht, zumal
er noch ausgezeichnet französisch spricht und sich besser mit diesem Mann
verständigen kann. Der Lehrer gibt sich aber wirklich Mühe, nur muß man immer
auf seine Zeit gewisse Rücksichten nehmen. Es würde mich nun interessieren, wie
ich dann noch zu einem Führerschein komme. Ich denke aber, daß man das auch
noch irgendwie schaukeln kann.
Lustig stelle ich mir das schon vor, wie
jetzt bei Euch alles voller Äpfel liegt. Inzwischen wirst Du ja noch mehr haben
und auch auf neue Unterbringungsmöglichkeiten gesonnen haben. Man weiß ja noch
nicht, wie alles wieder kommt und dann ist man froh, wenn man auf etwas
zurückgreifen kann. Ich weiß jedenfalls, wie es in den Jahren vorher war, wie
man sich immer über einen kleinen Vorrat freute.
Die gestrige Veranstaltung war wieder ganz
fabelhaft. Am Anfang wurden Märsche gespielt. Anschließend wurden Volksmusik
und Volkstänze geboten. Weiterhin wurde mit ganz einfachen Mitteln ein
Laienspiel geboten, das ganz belustigend und unterhaltend war. Die Kapelle
spielte dann nochmals und zum Abschluß wurde, wie beim ersten Auftreten der
Kapelle hier, das Englandlied gesungen. Ich habe doch früher das Lied auch
schon öfter mitgesungen, doch mir ist der Text nie so durch den Kopf gegangen
wie gerade gestern. Vor allem deshalb, weil man doch sich hier auch direkt am
Kampf gegen diese Sippschaft beteiligt
fühlt und sozusagen auf dem Sprung mit steht.
Ich habe die Hoffnung noch nicht
aufgegeben, vielleicht am Anfang mit dabei sein zu dürfen. Mache Dir deswegen
aber keine Sorgen, es wird schon alles glatt gehen.
Morgen werde ich versuchen, noch ein
Päckchen an Dich loszulassen mit Schokolade und Kaffee. Der neue Monat fängt ja
dann auch wieder an, so daß weitere Päckchen bald wieder fällig werden.
Vielleicht werde ich dann erst einmal von meinem Kaffeevorrat absenden, damit
ich erst den einmal wieder loswerde.
Sei wieder recht herzlich gegrüßt , meine
liebe Frau, und sei Du ebenso herzlich geküßt von Deinem Ernst.
Unseren Kindern gib jedem einen herzhaften
Kuß und grüße sie bestens von ihrem Vater.
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