Sonntag, 20. September 2015

Brief 63 vom 17./18./19.9.1940


Meine liebe Annie!                                                     O.U., den 17.September 1940

Heute ist es wieder ziemlich warm und doch bewölkt. Der Wind fegt ordentlich um die Ecken, man würde bei uns daheim sagen, es sei föhnig. Ja, die Tage werden kürzer und es geht nun wirklich auf den Herbst zu. Wenn die Sonne noch einmal kräftig gescheint hatte, so hat man gedacht, es bleibt noch eine Weile so, doch wenn die Jahreszeit so weit vorgeschritten ist, so kann man sich darüber nicht mehr hinwegtäuschen, wenn man es auch gerne möchte.
Ich denke, daß ich heute noch verschiedene Bilder bekomme, die werde ich Dir dann noch mitschicken. Ich mache entsprechende Bemerkungen drauf, damit Du weißt, was es vorstellen soll. Ein Photo von unserem Haus kann ich schwerlich machen, weil die ganze Straße mit hohen Platanen bepflanzt ist, so daß die ganze Hausfront verdeckt wird. Am Samstag habe ich übrigens noch ein Päckchen mit Wolle an Dich abgesandt. Das Muster hatte ich Dir letzthin schon zugehen lassen. Das ist also jetzt das dritte Wollpäckchen. Ich denke, daß Du sie schon brauchen kannst.
Ich weiß nicht genau, ob Dir der Farbton zusagt. Du kannst ja schließlich selbst darüber urteilen. Froh bin ich um jedes Stück, was in Deine Hände gekommen ist, denn darüber brauche ich mir dann keine Gedanken mehr machen. Es freut mich immer wieder, daß ich auf diese Weise für Deine Bekleidung etwas tun kann, nachdem Du doch wegen den anderen die Jahre hindurch immer selbst hintenan gestanden bist.
Wenn es mir möglich sein sollte, doch noch in diesem Monat in Urlaub zu kommen, dann möchte ich Dich bitten, nur wieder einmal Pflaumenkompott zu machen und evtl. einen Pflaumenkuchen zu backen. Für etwas Zucker würde ich schon sorgen, wenn du welchen dazu brauchst. Man bekommt manchmal auf etwas Appetit und kann sich es doch nicht so wünschen, weil man immer von fremden Menschen abhängig ist. Wenn ich auch jetzt durchaus mit dem Essen zufrieden bin, es ist daheim doch alles anders.
Ich habe heute an Siegfried sowie an Kurt geschrieben. Durchschläge von den Briefen habe ich beigefügt. Wie in meinen letzten Briefen habe ich einige Einlagen, die Du wieder entsprechend versorgen wirst.
Außer dem Zeitungspäckchen, für das ich Dir bestens danke, habe ich keine Post weiter erhalten. Nachdem ich nun die Bilder heute noch bekommen habe, sende ich Dir diese mit. Außerdem erhältst Du noch einen Durchschlag meines Gesuches um Urlaub. Du kannst alles andere daraus ersehen.  Wie es nun gelingt, hängt von meinem persönlichen Glück ab.
Sei wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt, gib unseren Schlawansen je einen herzlichen Kuß in meinem Auftrag, nimm Du aber wieder besondere Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst.


Meine liebe Annie!                                                                  O.U., den 18.9.1940

Ich bekam heute Deine beiden Briefe vom 14. und 15. Im letzten Brief bestätigst Du mir den Eingang der restlichen zwei Päckchen und gibst Deiner Freude über die gesandten Sachen Ausdruck. Es ist mir immer erst dann eine richtige Befriedigung, wenn ich aus Deinen Briefen ersehen kann, daß alles soweit in Ordnung ist und Dir auch gefällt. Ich bin immer froh, wenn ich Dir durch solche kleine Geschenke eine Freude machen kann, denn sie sollen nur ein sichtbares Zeichen dafür sein, wie ich Euch alle gerne habe.
Deine Feststellung über die Franzosen und Paris ist ziemlich genau getroffen und ich wundere mich direkt, mit welch offenem Blick Du die Angelegenheit betrachtest. Ich würde Dir nur wünschen, daß Du Gelegenheit hättest, dies aus eigener Anschauung kennen lernen könntest. Ich kann Dir aber später vieles davon erzählen.
Du meinst also, ich hätte nach dem letzten Bild zu urteilen zugenommen. Das kann ich so ohne weiteres nicht beurteilen und möchte ich Dir nur überlassen bei einer späteren Gelegenheit. Du schreibst mir noch in Deinem Brief, daß Du Dich über unsere Betreuung in der Freizeit freust. Ja heute war wieder ein ganz fabelhafter Abend. Die Berliner Philharmoniker sind hier zwei Tage zu Gast. In der heutigen Veranstaltung war ich und für die morgige habe ich mir schon meine Karte besorgt. Es war einfach ganz großartig. Das Programm schließe ich meinem folgenden Brief an.
Den Durchschlag meines Urlaubsgesuches hatte ich gestern vergessen beizufügen. Es war in einer Beziehung gut so, denn unser Chef hat schon wieder zu dieser Frage eine andere Stellung eingenommen. Ich bin aber der nächste, der mit dem Urlaub dran kommt. Nach den Äußerungen unseres Chefs könnten wir mit Anfang kommenden Monats damit rechnen. Wir werden also abwarten und ich werde Dir so rechtzeitig wie möglich Bescheid geben.
Sei wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt, unseren beiden Trabanten gib wieder je einen herzlichen Kuß. Nimm nochmals besondere Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst.


Meine liebe Annie!                                                                     O.U. den 19.Sept. 1940

Deinen lieben Brief vom 16. habe ich bestens dankend erhalten. Wenn er auch etwas kürzer war als die anderen, so bin ich auch einmal mit dem kleineren Brief zufrieden. Ich weiß ja, daß Du Dein Päckchen Arbeit hast und wahrscheinlich an manchem Tage nicht so zum Schreiben kommst. Wegen der Päckchensendungen hatte ich allerdings Angst, daß dies evtl. ein Dauerzustand werden könnte, nachdem ich aber nun weiß, daß wir im Jahr nur vier Geburtstage haben, was mir allerdings bis jetzt nicht bekannt war, bin ich wieder etwas beruhigt. Du hast mir zwar angesagt, daß ein Päckchen mit Kuchen an mich unterwegs sei, nun möchte ich nur wissen, wer jetzt Geburtstag hat.
Du teilst mir noch mit, daß Ihr wieder einmal Luftschutzübung hattet. Sorgen da in der Nacht nicht andere dafür, dies praktischer zu üben. Ich kann mir gar nicht denken, daß Übungen noch notwendig sind. Ich sehe diese Dinge von hier zwar etwas anders, drum will ich mich auch nicht weiter reinmischen.
Das Obst wirst Du vorerst nicht abnehmen brauchen und brauchst Du auch nicht abnehmen lassen. Wenn es länger dauern sollte mit der Urlaubsgenehmigung, so lasse ich Dir rechtzeitig wieder Bescheid zukommen.
Hier ist die Badezeit ja auch um wie bei Euch auch, wir knüpfen aber an den vergangenen Sommer die Hoffnung und den Wunsch, daß wir im nächsten Jahr wieder beisammen sein können und wieder gemeinsam baden gehen können.
Ich habe Dir ja schon in früheren Briefen bestätigt, daß ich überzeugt davon bin, daß Du im Garten und auch bei den sonstigen Arbeiten daheim das getan hast, was in Deinen Kräften stand und vielleicht noch etwas mehr.
Wie geht es unseren beiden Stromern, haben sie sich wieder erholt und ist alles wieder in Ordnung. Ich weiß ja, wie es jedes Jahr im Herbst mit ihnen war, die Freiheit des sommerlichen Spiels fehlt ihnen dann, so daß sie sich in der Übergangszeit schwer beschäftigen können. So gewiß dies auch immer war, so gewiß ist auch, daß sie sich an die veränderten Wetterverhältnisse gewöhnen.
Heute war ich nochmals im Konzert. An dem beigefügten Programm kannst Du ja sehen, was uns hier geboten wurde. Das eine oder andere Stück wird Dir ja schon bekannt sein, so daß ich hierüber keine großen Ausführungen machen brauche. Es war einfach wunderbar, mit welcher Exaktheit und Feinheit gespielt worden ist. Man merkt, daß da jeder der Mitwirkenden ein Solist sein kann.
Nun mein liebes Mädel willich Dich wieder herzlich grüßen und viele herzliche küsse  senden. Denke auch weiter an Deinen Ernst.
Unseren Kindern jedem einen herzlichen Kuß und an Vater einen Gruß.

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