Meine liebe Annie! O.U., den 17.September 1940
Heute ist es wieder ziemlich warm und doch
bewölkt. Der Wind fegt ordentlich um die Ecken, man würde bei uns daheim sagen,
es sei föhnig. Ja, die Tage werden kürzer und es geht nun wirklich auf den
Herbst zu. Wenn die Sonne noch einmal kräftig gescheint hatte, so hat man
gedacht, es bleibt noch eine Weile so, doch wenn die Jahreszeit so weit
vorgeschritten ist, so kann man sich darüber nicht mehr hinwegtäuschen, wenn
man es auch gerne möchte.
Ich denke, daß ich heute noch verschiedene
Bilder bekomme, die werde ich Dir dann noch mitschicken. Ich mache
entsprechende Bemerkungen drauf, damit Du weißt, was es vorstellen soll. Ein
Photo von unserem Haus kann ich schwerlich machen, weil die ganze Straße mit
hohen Platanen bepflanzt ist, so daß die ganze Hausfront verdeckt wird. Am
Samstag habe ich übrigens noch ein Päckchen mit Wolle an Dich abgesandt. Das
Muster hatte ich Dir letzthin schon zugehen lassen. Das ist also jetzt das
dritte Wollpäckchen. Ich denke, daß Du sie schon brauchen kannst.
Ich weiß nicht genau, ob Dir der Farbton
zusagt. Du kannst ja schließlich selbst darüber urteilen. Froh bin ich um jedes
Stück, was in Deine Hände gekommen ist, denn darüber brauche ich mir dann keine
Gedanken mehr machen. Es freut mich immer wieder, daß ich auf diese Weise für
Deine Bekleidung etwas tun kann, nachdem Du doch wegen den anderen die Jahre
hindurch immer selbst hintenan gestanden bist.
Wenn es mir möglich sein sollte, doch noch
in diesem Monat in Urlaub zu kommen, dann möchte ich Dich bitten, nur wieder
einmal Pflaumenkompott zu machen und evtl. einen Pflaumenkuchen zu backen. Für
etwas Zucker würde ich schon sorgen, wenn du welchen dazu brauchst. Man bekommt
manchmal auf etwas Appetit und kann sich es doch nicht so wünschen, weil man
immer von fremden Menschen abhängig ist. Wenn ich auch jetzt durchaus mit dem
Essen zufrieden bin, es ist daheim doch alles anders.
Ich habe heute an Siegfried sowie an Kurt
geschrieben. Durchschläge von den Briefen habe ich beigefügt. Wie in meinen
letzten Briefen habe ich einige Einlagen, die Du wieder entsprechend versorgen
wirst.
Außer dem Zeitungspäckchen, für das ich
Dir bestens danke, habe ich keine Post weiter erhalten. Nachdem ich nun die
Bilder heute noch bekommen habe, sende ich Dir diese mit. Außerdem erhältst Du
noch einen Durchschlag meines Gesuches um Urlaub. Du kannst alles andere daraus
ersehen. Wie es nun gelingt, hängt von
meinem persönlichen Glück ab.
Sei wieder recht herzlich gegrüßt und
geküßt, gib unseren Schlawansen je einen herzlichen Kuß in meinem Auftrag, nimm
Du aber wieder besondere Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst.
Meine liebe Annie! O.U., den 18.9.1940
Ich bekam heute Deine beiden Briefe vom
14. und 15. Im letzten Brief bestätigst Du mir den Eingang der restlichen zwei
Päckchen und gibst Deiner Freude über die gesandten Sachen Ausdruck. Es ist mir
immer erst dann eine richtige Befriedigung, wenn ich aus Deinen Briefen ersehen
kann, daß alles soweit in Ordnung ist und Dir auch gefällt. Ich bin immer froh,
wenn ich Dir durch solche kleine Geschenke eine Freude machen kann, denn sie
sollen nur ein sichtbares Zeichen dafür sein, wie ich Euch alle gerne habe.
Deine Feststellung über die Franzosen und
Paris ist ziemlich genau getroffen und ich wundere mich direkt, mit welch
offenem Blick Du die Angelegenheit betrachtest. Ich würde Dir nur wünschen, daß
Du Gelegenheit hättest, dies aus eigener Anschauung kennen lernen könntest. Ich
kann Dir aber später vieles davon erzählen.
Du meinst also, ich hätte nach dem letzten
Bild zu urteilen zugenommen. Das kann ich so ohne weiteres nicht beurteilen und
möchte ich Dir nur überlassen bei einer späteren Gelegenheit. Du schreibst mir
noch in Deinem Brief, daß Du Dich über unsere Betreuung in der Freizeit freust.
Ja heute war wieder ein ganz fabelhafter Abend. Die Berliner Philharmoniker
sind hier zwei Tage zu Gast. In der heutigen Veranstaltung war ich und für die
morgige habe ich mir schon meine Karte besorgt. Es war einfach ganz großartig.
Das Programm schließe ich meinem folgenden Brief an.
Den Durchschlag meines Urlaubsgesuches
hatte ich gestern vergessen beizufügen. Es war in einer Beziehung gut so, denn
unser Chef hat schon wieder zu dieser Frage eine andere Stellung eingenommen. Ich
bin aber der nächste, der mit dem Urlaub dran kommt. Nach den Äußerungen
unseres Chefs könnten wir mit Anfang kommenden Monats damit rechnen. Wir werden
also abwarten und ich werde Dir so rechtzeitig wie möglich Bescheid geben.
Sei wieder recht herzlich gegrüßt und
geküßt, unseren beiden Trabanten gib wieder je einen herzlichen Kuß. Nimm
nochmals besondere Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst.
Meine liebe Annie! O.U. den 19.Sept. 1940
Deinen lieben Brief vom 16. habe ich
bestens dankend erhalten. Wenn er auch etwas kürzer war als die anderen, so bin
ich auch einmal mit dem kleineren Brief zufrieden. Ich weiß ja, daß Du Dein
Päckchen Arbeit hast und wahrscheinlich an manchem Tage nicht so zum Schreiben
kommst. Wegen der Päckchensendungen hatte ich allerdings Angst, daß dies evtl.
ein Dauerzustand werden könnte, nachdem ich aber nun weiß, daß wir im Jahr nur
vier Geburtstage haben, was mir allerdings bis jetzt nicht bekannt war, bin ich
wieder etwas beruhigt. Du hast mir zwar angesagt, daß ein Päckchen mit Kuchen
an mich unterwegs sei, nun möchte ich nur wissen, wer jetzt Geburtstag hat.
Du teilst mir noch mit, daß Ihr wieder
einmal Luftschutzübung hattet. Sorgen da in der Nacht nicht andere dafür, dies
praktischer zu üben. Ich kann mir gar nicht denken, daß Übungen noch notwendig
sind. Ich sehe diese Dinge von hier zwar etwas anders, drum will ich mich auch
nicht weiter reinmischen.
Das Obst wirst Du vorerst nicht abnehmen
brauchen und brauchst Du auch nicht abnehmen lassen. Wenn es länger dauern
sollte mit der Urlaubsgenehmigung, so lasse ich Dir rechtzeitig wieder Bescheid
zukommen.
Hier ist die Badezeit ja auch um wie bei
Euch auch, wir knüpfen aber an den vergangenen Sommer die Hoffnung und den
Wunsch, daß wir im nächsten Jahr wieder beisammen sein können und wieder
gemeinsam baden gehen können.
Ich habe Dir ja schon in früheren Briefen
bestätigt, daß ich überzeugt davon bin, daß Du im Garten und auch bei den
sonstigen Arbeiten daheim das getan hast, was in Deinen Kräften stand und vielleicht
noch etwas mehr.
Wie geht es unseren beiden Stromern, haben
sie sich wieder erholt und ist alles wieder in Ordnung. Ich weiß ja, wie es
jedes Jahr im Herbst mit ihnen war, die Freiheit des sommerlichen Spiels fehlt
ihnen dann, so daß sie sich in der Übergangszeit schwer beschäftigen können. So
gewiß dies auch immer war, so gewiß ist auch, daß sie sich an die veränderten
Wetterverhältnisse gewöhnen.
Heute war ich nochmals im Konzert. An dem
beigefügten Programm kannst Du ja sehen, was uns hier geboten wurde. Das eine
oder andere Stück wird Dir ja schon bekannt sein, so daß ich hierüber keine
großen Ausführungen machen brauche. Es war einfach wunderbar, mit welcher
Exaktheit und Feinheit gespielt worden ist. Man merkt, daß da jeder der
Mitwirkenden ein Solist sein kann.
Nun mein liebes Mädel willich Dich wieder
herzlich grüßen und viele herzliche küsse
senden. Denke auch weiter an Deinen Ernst.
Unseren Kindern jedem einen herzlichen Kuß
und an Vater einen Gruß.
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