Meine liebe Frau! O.U., den 6.September 1940
Wie jeden Tag, so will ich auch heute
durch ein Schreiben wieder zu Dir sprechen und heute besonders, am Vorabend zu
Deinem Geburtstag. Den eigentlichen Geburtstagsbrief hast du ja, wie Du mir
schriebst, schon erhalten, doch nachdem ja morgen dieser Tag ist, möchte ich zu
Dir noch einmal sprechen.
Es ist nun diesmal anders wie die Jahre
vorher. Wir waren doch nun die letzten Jahre immer an diesem Tage zusammen und
konnten ihn gemeinsam verleben. Mit den Geburtstagen war es bei uns in diesem
Jahre eigenartig. Ich fuhr an meinem Geburtstage hierher, die Kinder konnte ich
an ihrem Geburtstage auch nicht sehen und nun beschließt Du den Reigen und ich
muß auch wieder ferne stehen.
Ja weiß Du noch, wie wir vor neun Jahren
in Freiburg waren. Heute jährt sich dieser Tag nun auch. Wir waren in diesen Tagen
erst ganz neu in unserer Wohnung und ich weiß noch genau, wie wir über alles
glücklich waren, was wir uns um diese Zeit anschaffen konnten.
Du gingst noch arbeiten, ich war seinerzeit
zwar ohne Arbeit, doch ich habe ja auch immer getan was ich konnte. Wir haben
uns all die Jahre durchgeschlagen. Dies im besten Sinne des Wortes. Es ist uns
eigentlich nicht gerade schlecht gegangen, oder besser gesagt, wir waren
genügsam und haben es deshalb nicht so empfunden.
Was wir so sind und was wir haben, sind
wir durch unsere Arbeit geworden, wir wollen deshalb hoffen, daß uns in den
kommenden Jahren der gleiche Segen, unter vielleicht günstigeren Verhältnissen,
auf unserer Arbeit ruht. Soweit wir beide gesund sind, wird uns dies keine
Schwierigkeiten bedeuten und es wird sich auch dann einer auf den anderen
verlassen können.
Heute habe ich nun Deine beiden lieben
Briefe vom 2. und 3.9. erhalten, für die ich Dir wieder bestens danke. In
Deinem Brief vom 2. geht so ziemlich alles klar, so daß ich da weiter nichts
hinzufügen brauche.
Interessiert hat mich dabei Deine
Mitteilung über den Fliegeralarm, der ja in der Zwischenzeit schon wiederholt
eingetreten sein wird. Ich bitte auch Dich, sei in dieser Beziehung vorsichtig.
In Deinem Brief vom 3. bestätigst Du mir
den Eingang des Wollpäckchens. Wird die Wolle auch ausreichen? Wenn Du
vielleicht noch etwas besonders wünschst, so mußt Du mir dies mitteilen. Es hat
mich gefreut, daß Dir die Farbe zusagte.
Ja, den Anzug habe ich nun. Ein weiterer
Stoff liegt nun noch hier. Sage einmal, würdest Du mir raten, daß ich mir
diesen hier auch fertig machen lasse, oder soll ich den Stoff aufheben und
mitbringen.
Was den Komposthaufen anbelangt, so kann
ich dann wenigstens wohlvorbereitet in Urlaub gehen. Ich bin auch wieder sehr
verärgert, das kannst Du Dir wohl denken. Ich habe Dir ja neulich schon darüber
geschrieben.
Daß sich Helga wieder ganz gut in die
Schule reingefunden hat, freut mich sehr. Sie soll nur den Kopf oben behalten
und wieder fest mitmachen. Ich weiß schon, daß es einem am Anfang wieder schwer
fällt, doch ich weiß auch, daß es wieder geht, wenn man sich richtig anstrengt.
Ich wollte Dich auch noch fragen, soll ich vielleicht für die Kinder noch so
halblange Strümpfe besorgen? Ich habe heute welche im Fenster gesehen. Wenn ja,
so teile mir bitte die Länge in cm mit. Ich werde dann zusehen, was ich noch
bekomme.
Weiterhin wollte ich noch wissen, ob ich
für die Kinder einen Regenmantel oder einen Umhang besorgen soll. Die Größe
oder irgendein Maß wäre mir in dieser Beziehung erwünscht, denn ich kann dann
leichter kaufen.
Beigeschlossen sende ich Dir einen
Durchschlag von einem Brief, den ich heute an die Eltern geschickt habe. Ich
weiß nicht, ob Du ihn für richtig findest. Ich habe bzg. des Kaffees einen
Winkelzug gemacht, damit sie nicht gleich verkratzt sind. Du weiß ja selbst, wie empfindlich sie sind.
Es kann schon sein, daß sie mir den Brief übelnehmen. Mir soll es dann auch
gleich sein. Ich kann auf die Dauer nicht immer so vorsichtig und zurückhaltend
vorgehen, vor allem, wenn es dann Euch indirekt oder auch direkt betrifft.
Von Kurt erhielt ich heute auch einen
Brief. Er ist ja jetzt in Karlsruhe und will Euch auch demnächst wieder
schreiben.
Heute habe ich nochmals Wolle gekauft. Ein
Muster schicke ich Dir wieder mit. Ich weiß allerdings nicht, ob Dir das Blau
zusagen wird. Ich glaube aber, daß Du schon Verwendung dafür finden wirst.
Am Sonntag werden wir sicherlich doch nach
Paris fahren. Wir werden dort sicher nicht viel Zeit haben. Doch eines gewinnt
man schließlich dabei doch, man kennt die Gegend und einiges kann man sich
schon ansehen. In großen Zügen kann man dann auch mitreden. Mir ist ja schließlich
nicht darum zu tun, in die Revuen zu gehen, denn für mich ist dies nicht die
Stadt. Für mich gelten die Bauwerke. Wenn ich auch weiß, daß sie ziemlich
auseinander liegen, manches werde ich davon doch zu sehen bekommen.
Ist das nicht eigenartig, jetzt sehe ich
erst die Kapitale von Frankreich und habe noch nicht einmal die Hauptstadt von
Deutschland gesehen. Ich denke, daß ich auch dazu noch einmal Gelegenheit
bekomme. Aber dann mit Dir.
Ich schicke Dir wieder einige Zeitungen
zu. In der einen Zeitung ist ein Bild von Arras, wo ich letzthin war. In der
neuen Zeitung ist ein Artikel über die Schweiz, der Dich sicher interessieren
wird.
Heute habe ich wieder für Dich
geschrieben. Jetzt muß ich aber aufhören, denn ich sehe auf der Maschine nur
noch die Tasten, aber die Schrift nicht mehr. Es wird deshalb Zeit, daß ich
Schluß mache. Sei Du mein liebes Mädel recht herzlich gegrüßt. Morgen werde ich
wieder besonders an Dich denken. Nimm noch viele Küsse entgegen von Deinem
Ernst.
Als ich heute Abend heimkam, habe ich eine
schöne Sendung aus Stuttgart gehört über den Elsässer Wein. Es war so eine
lustige Sendung, daß man direkt aufgefrischt ist. Ich habe mir noch von unserem
sauren Wein vorgeholt, den wir aus unserer alten Wohnung mitgenommen haben. So
habe ich mir den Abend vor Deinem Geburtstag noch etwas angenehm gestaltet. Ich
muß aber noch für ein besseres Getränk sorgen, denn der ist saurer wie unser
billigster Seewein. Man nimmt aber was man gerade hat. Es kann ja nicht immer
Sekt oder Bordeaux sein.
Meine liebe Annie! O.U., den 7.September 1940
An Deinem Geburtstage möchte ich wieder
Deiner gedenken. Es ist zwar so, daß ich immer an Euch denke, doch der Brief
ist ja der Ausdruck dessen, was man so zu sagen hat.
Post habe ich heute keine erhalten und es
ist fraglich, ob ich bis Montag welche bekomme, doch das macht nichts, denn ich
weiß ja, daß Du an mich gedacht hast.
Was werdet Ihr wohl heute getan haben, so
denke ich und man kann sich so recht
keine Vorstellung von dem machen, was daheim immer so geschieht. Eines ist ja
bestimmt und zwar das, daß Ihr an mich gedacht habt, wie ich an Euch denke.
Eine kleine Geburtstagsüberraschung habe
ich Dir heute auch noch. Ich habe heute ein Gesuch um Urlaub eingereicht und
zwar so auf den 20., 25. September herum. Ob es mir genehmigt wird, ist ja noch
nicht sicher. Ausgeschlossen ist auch nicht, daß inzwischen wieder eine
Urlaubssperre eintritt. Ich will damit nur sagen, daß alles unverbindlich ist.
Wenn ich genaueres weiß, werde ich Dir wieder Mitteilung machen.
Dieser Tage war ich hier wieder im
Theater. Ich hatte hier gewissermaßen ein Wiedersehen. Es war das Berliner Lessingtheater,
das ich in Ung. Hradisch auch gesehen hatte. Wie man sich doch immer wieder
trifft. Es wurde ein ganz nettes Stück gespielt, so daß ich mich an diesem Abend schön unterhalten
hatte.
Heute ist nun wieder eine große Veranstaltung.
Es kommen hierher Harry Gondy, O. Tschechowa, Herbert Ernst Groh und noch viele
andere bekannte Künstler. Wie immer, muß ich bei derartigen Angelegenheiten
dabei sein, vor allem, wenn es kostenlos ist. Ich werde dir auch davon wieder
berichten. Ob morgen die Fahrt nach Paris tatsächlich stattfindet, weiß ich
noch nicht genau. Jedenfalls ist es so, daß man nur in geschlossenen Gruppen
gehen darf und daß der Aufenthalt in der Stadt von 13 - 19 Uhr dauert. Man wird
zwar nur einen flüchtigen Eindruck bekommen, doch man ist wenigstens einmal da
gewesen. Wenn es morgen nicht reicht, so kann ich vielleicht am folgenden
Sonntag mitfahren, denn da findet nochmals eine Wiederholung statt.
Post ist von Dir nicht eingegangen, nur
von Siegfried kam eine Postkarte, in der er mir schreibt, daß er in der
Umgebung von Erfurt liegt. Sonst schreibt er nichts Wichtiges. Für heute möchte
ich nun wieder Schluß machen. Ich grüße Dich wieder bestens und hoffe Euch alle
gesund. Den Kindern gib wieder Jedem einen herzlichen Kuß. Du erhältst Deine
Küsse (zwar nur brieflich) wieder besonders von Deinem Ernst.
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