Meine liebe Annie! O.U., den 1.Oktober 1940
Post ist zwar heute auch noch nicht
gekommen, doch hoffe ich etwas mit der Abendpost zu erhalten. Außer vom
schönen, aber kühlen Wetter könnte ich vorerst nichts berichten. Wenn ich vom
Urlaub wieder schreiben würde, könntest Du nur falsche Hoffnungen bekommen, so
lasse ich auch dieses Thema vorläufig bei Seite liegen, bis ich Genaueres
erfahre. Es wäre also alles berichtet, was zu berichten wäre.
Ich muß also wieder einmal auf Eindrücke
zurückgreifen, die bei uns daheim unbekannt sind. Da ist mir hier ein Typ von
Straßenhändler aufgefallen, der, wie ich gehört habe, zum Straßenleben in
Frankreich gehört. Er hat über der Schulter so 20 - 30 Tischdecken gehängt, die
er nun an den Mann zu bringen versucht. Tatsächlich halten sie sich meistens an
Männer und jetzt vorwiegend an Soldaten. Es sind dies Decken, die ziemlich bunt
sind und aus starken Garnen hergestellt wurden. Es werden sehr hohe Preise
verlangt und auffallend ist dabei, daß bei einem Herunterhandeln der Preise um
50 % die Händler doch noch verdienen. Der Handel spielt sich ja meistens auf
der Straße und in den Wirtschaften ab. Wahrscheinlich verdienen diese Leute
aber immer noch entsprechend.
In den Gastwirtschaften wird hier
entsprechend den Essensgewohnheiten der Franzosen auch getrunken. Vor dem Essen
trinkt man hier einen Aperitif. Er soll den Appetit anregen und dann die
Verdauung fördern. Es ist dies eine Art Likör, den es je nach Geschmacksart und
-richtung, sowie auch nach der Preislage verbraucht wird. Doch damit hat man
noch nicht genug für die Verdauung getan, denn nach dem Essen trinkt der
Franzose einen „Digestif“. Auch das ist wieder ein Alkohol. Von ersterem habe
ich schon wiederholt getrunken und zwar meistens dann, wenn wir zwischen
Dienstschluß und dem Mittagessen noch genügend Zeit haben.
Den Franzosen ist es aber von Gesetzes
wegen gestattet, nur an bestimmten Tagen in der Woche diese Getränke zu sich zu
nehmen, weil sie, wie es heißt, nicht der Gesundheit dienlich, sonder schädlich
sind. Nach dem, was ich aber beobachten konnte, hat sich weder der Gast noch
der Wirt danach gerichtet. Es ist hier so, wenn nicht hinter jedem Menschen ein
Schutzmann steht, wird kaum etwas gemacht und auch dann möchte ich noch an der
prompten Ausführung der staatsbürgerlichen Pflichten zweifeln.
Deinen lieben Brief vom 28.9., in dem von
den vielen Äpfeln die Rede ist, habe ich soeben erhalten. Ich danke Dir bestens
dafür, Du hast ja damit allerhand Arbeit gehabt und daß Du davon redlich müde bist,
kann ich mir denken. Ich lese aber auch daraus, daß Du auf Deine ganze Ernte
stolz bist. Ich denke doch, daß Ihr mit dem ganzen Segen im Laufe der Zeit
fertig werdet, oder bedarf es besonderer Anstrengungen?
Eins wundert mich zwar, daß Ihr fast dauernd
so schlechtes Wetter habt. Wir können in der letzten Zeit hierüber nicht
klagen. Es soll für die hiesige Gegend zwar auch ein außergewöhnliches Wetter
sein. Der Junge aus dem Haus hat sich dann aber angestrengt. Was hast du ihm
denn dafür gegeben?
Sei wieder vielmals und herzlich gegrüßt,
außerdem sende ich Dir viele Küsse. Gib unseren beiden Stromern jedem einen
herzlichen Kuß von ihrem Vater. Denke Du auch weiterhin an Deinen Ernst.
Meine liebe Annie! O.U., den 2.Oktober 1940
Gestern Abend war ich wieder im Theater
und habe mir das Stück angesehen, von dem ich wieder den Theaterzettel beifüge.
Es war sehr nett und auch insoweit interessant, als es hier in unserer Gegend
spielt. Das beste war aber dabei, was sich gestern das gesamte Publikum geleistet
hat und zwar solche Leute, die behaupten, vom Theater etwas zu verstehen und
auch die anderen. Nach dem vorletzten Akt hatte es den Anschein, als ob das
Stück zu Ende wäre, alles erhebt sich von seinem Platz und wendet sich dem
Ausgang zu. Die meisten Menschen waren schon draußen, als es auf einmal heißt,
es kommt ja noch ein Akt. Das Gelächter kannst du Dir vorstellen, als sich
alles wieder auf seinen Platz einfand. Da kannst du erst einmal sehen, was für
ein kunstsachverständiges Publikum beieinander war. Doch jeder wollte nachher
gewußt haben, daß noch nicht Schluß war.
Mit meinem Urlaub habe ich in den letzten
Tagen wieder den größten Ärger gehabt. Ich hatte beabsichtigt, etwa am 8. hier
abzureisen, so daß ich etwa im Laufe des Mittwochs bei Euch eintreffen würde. Nun war sich unser Chef noch nicht ganz
klar darüber, wann er mich gehen lassen will, nachdem er jetzt so lange
gezögert hat. Heute Nachmittag heißt es nun, ich soll gleich am Freitag fahren.
Mir kommt dieser plötzliche Umschwung höchst ungelegen, weil ich darauf nicht
vorbereitet bin. Ich muß nun zusehen, wie ich dies alles wieder passend bringe.
Vielleicht bin ich sogar eher bei Euch, als der Brief ankommt. Ich werde
abwarten, wie es der Zufall mit etwas Nachhilfe will. Wie es gegenwärtig
aussieht, ist also damit zu rechnen, daß ich für kurze Zeit hier einmal
abtrudeln kann.
Post habe ich heute keine erhalten, so daß
ich auch nichts zu beantworten habe. Ich möchte es heute kurz machen, damit der
Brief noch mit weg geht.
Ich grüße und küsse Euch alle recht
herzlich und Dich besonders Dein Ernst.
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Die nächsten Briefe wurden erst wieder ab 17.10.1940 geschrieben, weil Ernst Rosche 14 Tage auf Heimaturlaub war.
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Die nächsten Briefe wurden erst wieder ab 17.10.1940 geschrieben, weil Ernst Rosche 14 Tage auf Heimaturlaub war.
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