Mittwoch, 23. September 2015

Brief 65 vom 23./24./25.9.1940


Meine liebe Frau!                                                          O.U. den 23.September 1940

Deine beiden lieben Briefe vom 18. und 19. habe ich heute erhalten. Besten Dank dafür.
Ich merke aus diesen Briefen, daß Du Dir Gedanken wegen des Urlaubs machst. Du weißt ja, bei mir war das immer so eine Geschichte, auch schon in der Heimat, man hat direkt drum kämpfen müssen. Hier scheint es auch so zu sein. Ich werde aber nicht locker lassen. Wenn ich heimkomme, werde ich schon die Sträucher soweit in Ordnung bringen, als es wieder notwendig ist. Ich kann ohne weiteres verstehen, daß Du Dich freuen würdest, wenn Du mir den Garten selbst einmal zeigen könntest, damit ich die Früchte Deines Fleißes sehen könnte. Es geht mir eben so, das kann ich Dir versichern.
Daß Du Dich der Briefmarken angenommen hast, freut mich umso mehr, als es Dich auch noch interessiert hat. Man kann ja nicht verlangen, daß du nun alles davon kennst, doch ich bin davon überzeugt, daß Du Dir große Mühe gegeben hast. Wenn welche nicht einwandfrei sind, so macht das nichts aus, die lege nur ruhig beiseite. Die gesandte Marke war wirklich nicht wichtig. Siehst Du, wie Du das schon klar erkannt hast.
Am Samstag haben wir wieder einmal eine Sonderzuteilung von Wein und Zigaretten bekommen. Der Wein wird zwar nicht sehr kräftig sein, doch man trinkt ihn eben mit. Wegen der Zigaretten werde ich mir zwar das Rauchen nicht angewöhnen, doch ich muß erst einmal sehen, wie ich die am besten verwerte.
Heute habe ich nun erreicht, daß ich noch eine zweite Hose bekommen habe. Nun kann ich meine wieder herrichten lassen und kann dann wechseln. Ich muß nun zusehen, daß ich noch eine weitere Feldbluse bekomme, dann bin ich einigermaßen angezogen.
Wie geht es Dir, mein liebes Mädel? Danach  habe ich mich eigentlich noch nie so recht erkundigt. Da kannst Du wieder einmal sehen, wie selbstsüchtig ich bin, ich erzähle immer nur von mir. Sei Du vielmals recht herzlich für heute wieder gegrüßt und nimm viele herzliche küsse entgegen von Deinem Ernst.


Meine liebe Frau!                                                                   O.U., den 24.Sept.1940

Soeben erhielt ich Deine beiden Briefe vom 20. und 21., für die ich Dir wieder meinen besten Dank sage. Ich sehe daraus, daß Du sehr große Urlaubsgedanken hast. Mir geht es zwar auch so, wenn ich es ehrlich gestehen soll, doch ich muß sie mir immer noch etwas verkneifen. Wir sind nun einmal Soldaten und müssen den gegebenen Befehlen folgen, wenn es manchmal auch noch so schwer fallen sollte. Ich selbst gebe die Hoffnung nicht auf, wenigstens am Anfang des kommenden Monats für einige Tage loszukommen. Wenn Du auch nicht gerade weißt, von welchen Zufälligkeiten dies abhängt, so glaube mir, daß ich Dir rechtzeitig davon Kenntnis geben werde, sobald mir dies möglich ist.
Wenn Du der Ansicht bist, die Äpfel sind reif und müssen runter, so kannst du ja versuchen was Du erreichst. Ich hätte Dir gerne diese Arbeit abgenommen doch sehe ich ein, daß man dies vielleicht nicht mehr länger hinausschieben kann. Nachdem es nun mit Gewalt auf den Herbst zugeht, beginnen jetzt so die Aufräumungsarbeiten, was ich auch aus Deinen Briefen herauslese. Ich hoffe, daß Du mir noch einige Arbeiten übrig läßt, damit mir auch noch etwas verbleibt.
Heute war ich wieder im Kino, es war ein ganz netter Film "Das Glück wohnt nebenan". Wenn ich aber in der Wochenschau Kinder sehe, so ist mir das das Schwerste. Ich muß dann das Gefühl, was ich bisher nicht kannte, nämlich das Heimweh, mit Gewalt unterdrücken. Den Artikel von Lämmel habe ich gelesen. Es war mir interessant festzustellen, daß er auch hier durchgefahren ist. Wenn man manchmal wüßte, wer hier so von Bekannten durchgefahren ist, so hätte man diesen oder jenen sicher schon einmal hier treffen können. Es geht schließlich auch so. Bedauern würde ich es zwar, wenn Siegfried einmal hierher käme und ich wäre im Urlaub, obwohl mir letzteres wieder sehr angenehm wäre.
Ich habe hier von einem Kameraden einen Militär-Regenumhang , der ihm aus Beutebeständen geschenkt wurde, bekommen. Es ist so richtiger fester imprägnierter Zeltbahnstoff. Meinst Du, daß Du dafür Verwendung hättest? Ich werde ihn jetzt zwar nicht mit heimbekommen, aber später vielleicht wird es eher einmal gehen. Ich weiß ja, Du kannst ihn sicher irgendwie verwenden und etwas daraus machen.
Meine liebe Annie, sei wieder herzlich gegrüßt und nimm viele Küsse entgegen von Deinem Ernst, der oft an Euch denkt.

Meine liebe Frau!                                                               O.U., den 25.Sept, 1940

Deinen Brief vom 22., in dem Du Deiner Enttäuschung über das abermalige Abblasen meines Urlaubs Ausdruck gibst, habe ich erhalten. Wie ich Dir ja gestern schon mitgeteilt habe, kann ich Dich ohne weiteres verstehen, doch wie Du am Ende Deines Briefes richtig ausdrückst, solange wir noch gesund sind, wollen wir nicht unzufrieden sein.
Wie ich lese, hat die Apfelernte ja nun angefangen und es scheint ziemlich auszugeben. Ich bin der Ansicht, daß Du für Euch erst einmal einen großen Teil aufhebst und was überzählig ist, kannst Du ja verkaufen. Du brauchst dabei aber nicht wesentlich unter Tagespreis zu gehen, denn denke einmal, was haben wir für Mühe und Geld an den Baum gehängt.
Ein richtiger Preis scheint ja auch gerechtfertigt, nachdem Du mir schreibst, daß die Äpfel wohlschmeckend und kaum madig sind. Ich weiß ja, daß Du schon selbst richtig und immer in meinem Sinn handelst. Gib aber Obacht, daß dem Helfer nichts passiert, damit wir nicht noch für die Kosten aufkommen müssen.
Für den Kuchen hatte ich immer übersehen, mich zu bedanken. Du, der ist ausgezeichnet und daß er gut gemacht ist, merkt man am besten daran, daß er heute, wo ich das letzte Stückchen verdrücken werde, immer noch frisch ist. Also nochmals meinen besten Dank dafür.
Wenn dich der Artikel über Gent interessiert hat, so freut es mich, es ist doch immerhin eine Ergänzung zu dem, was ich Dir schon geschrieben habe. Ja, der Eindruck ist schon gewaltig und gleichzeitig auch schön. Die Folterwerkzeuge machen zwar einen düsteren Eindruck und werfen einen starken Schatten auf die vergangene Zeit.
Für Deine Sondermitteilung bin ich Dir dankbar und werde ich versuchen, mich hiernach einzurichten. Ich nehme Dir dies durchaus nicht übel und kann es verstehen, wenn Du fragst, wie lange ich voraussichtlich heimkommen könnte. Nach dem, was hier bisher gewährt wurde, werden es 10 Urlaubstage und 4 Reisetage sein. Ich werde aber versuchen, 6 Reisetage zu erhalten.
Heute war ich zur Abwechslung einmal in einem Vortrag, der über England von einer Professor gehalten wurde. Es war mir zwar nicht viel Neues dabei, doch mancher Gedanke war mir doch interessant. Man kann ja immer nur wieder dazu lernen. Dir wünsche ich viel Glück und gutes Gelingen zu Deiner Apfelernte. Sei Du nun recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.
Unseren beiden Kindern gib jedem einen herzhaften Kuß und an Vater richte freundliche Grüße aus.
Von der Standarte erhielt ich heute einen Brief mit einem Reklamheft und Zigaretten. Es ist ganz aufmerksam, immerhin noch aufmerksamer wie die Stadt und die damit zusammenhängenden Kameraden.

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