Meine
liebe, gute Annie!
26.12.43
Ist das nicht wie verhext, daß keine Post mehr eintrifft? Da dieser Stand aber allgemein vorherrscht, will ich keine größeres Klagelied anstimmen, denn ich habe doch meine Weihnachtssachen alle pünktlich erhalten. Ein großer Schwung Päckchen trifft jetzt immer noch ein, die auch für Weihnachten bestimmt waren. Aus diesem Grund will ich ganz ungern schweigen. Wenn ich diese Sachen von Dir nicht erhalten hätte; auch die Briefe nicht, so wäre es ja ganz trostlos gewesen.
Nun gehen die Feiertage auch wieder ihrem Ende entgegen. Wie ich schon schrieb, hat man bei der Bevölkerung nicht viel von den Feiertagen bemerkt. Verschiedentlich sah ich Leute, die hatten einen Tannenbaum. Sie sind ja hier sehr selten. Andere hatten einen kleinen Lebensbaum. Doch auch anderes Grün von Sträuchern oder sogar Palmzweige wurde auch verkauft. Einige Geschäfte und bei den Händlern auf dem Markt hatten billiges Spielzeug, das bei uns in Deutschland in Friedenszeiten wohl kaum einen Abnehmer finden würde,. Die Läden hatten auch die Feiertage über offen, und es standen auch ziemlich viele Leute vor den Läden, um sich die Sachen zu besehen. Andere wieder kauften auch. Das ist hier anders, wie bei uns daheim. Es wird anscheinend auch in keinem Land das Weihnachtsfest so ausgeprägt als Familienfest begangen wie bei uns daheim. Ich habe zwar keinen Einblick, wie es in den Familien hier ist, doch kann man wohl annehmen, daß man nicht sehr viel macht. Was wird doch für Geld bei uns in ruhigen Zeiten zu diesem Fest ausgegeben. Hier sieht man von alldem fast nichts. Der Betrieb auf den Straßen und besonders vor den Kinos ist gleich rege wie an anderen Sonntagen, auch in den Tavernen und Cafes ist der Betrieb unverändert wie an Sonntagen. Das Wetter macht auch keinen weihnachtlichen Eindruck, es kommt daher auch nicht so das Gefühl auf, mit dem man bei uns in Deutschland das Fest der Familie begeht. Man ißt einmal etwas mehr, weil man gerade wieder etwas Besonders da hat. Mit dem Wein ist man einmal weniger sparsam, weil man sich sagt, daß dieses Fest nur einmal im Jahre begangen wird, aber das übrige Esse ist trotz wochenlanger Einsparung bei der Einheit gleich gut oder schlecht. Fein ist ja, daß man sich den Magen nicht verrenkt und man braucht auch nach den Feiertagen nicht umstellen. Es ist nicht so, daß wir etwa Hunger leiden müßten, nein, aber das, was geboten wir, das sind bestimmt keine Raritäten. Das Maulen über das Essen gehört nun einmal zum guten Ton. Aber es ist so, daß es manchmal schon angebracht ist. Wenn es am Tag zweimal Eintopf gibt, dann würde man sich schon einmal auf ein ordentliches Abendessen freuen. Ich habe mir ja immer noch helfen können, indem ich im Offiziersheim gegessen habe, was mir schon recht viel geholfen hat. Wenn man allein auf die Verpflegung angewiesen wäre dann ginge es schon manches Mal hart her.
Ich habe schon verschiedene Einheiten kennen gelernt, aber diese hier gehört mit zu den Seltenheiten in jeder Beziehung. Bei meiner letzten Stelle stand ich fast mit allen Kameraden recht gut. Hier sind die meisten Kameraden von der Luftwaffe, und mir ist diese Rivalität noch nie so zu Bewusstsein gekommen wie hier. Die Kameraden von der Luftwaffe haben wirklich die Meinung von sich selbst, daß sie mehr wie andere Soldaten gelten würden. Das sind so kleine Plänkeleien, die mich rein äußerlich nicht interessieren, weil ich in einem ziemlichen Abstand gerade von diesen Unteroffizieren lebe, um keinen Anlass zu irgendwelchen Reibereien zu geben. Das ganze Leben ist hier überhaupt so unpersönlich. Ich gehe früh von meinem Hotel weg zum Dienst. Dort hat man recht wenig Gelegenheit, sich einmal über persönliche Dinge mit Jemandem zu unterhalten, weil sich keiner dieser Herren dafür interessiert. Das liegt aber nach meiner Ansicht daran, daß der ganze Apparat, wie ich schon einmal schrieb, kolossal überaltert ist. Die meisten Beamten haben das 35. Lebensjahr schon einige Zeit überschritten. Zum großen Teil sind es eben auch richtige Beamte, die kein großes Interesse für andere Dinge haben, als gerade die, die ihnen täglich im Dienst begegnen. Alles was außerhalb dieses Gesichtsfeldes liegt, dafür besteht kein Interesse, oder sie unterhalten sich eben nicht „mit jedem“. Abends geht man dann, wie auch über Mittag, auseinander. Das einzige, was bindet, das ist, daß man miteinander arbeitet. Das ist aber auch alles. Aber auch damit habe ich mich abgefunden. Ich gehe ab und zu einmal mit einem der Kollegen ins Kino, aber dieses Erlebnis ist hohl, weil kein großer Gesprächsstoff mit diesen Männern aufkommen kann. Wie dem auch sei. Ich habe mich damit abgefunden und mich auch schon an diese Lebensgewohnheit gewöhnt.
Meinen Klagegesang von heute will ich trotz allem mit recht herzlichen und lieben Grüßen beschließen, die Dir mein liebes Mädel und den Kindern gelten. Bleibt gesund und nehmt einen herzlichen Kuss entgegen von Deinem Ernst.
Bester liebster Schatz! 27.12.43
Wenn das so weitergeht, dann ist das nicht gerade sehr erfreulich. Heute hat es widerum keine Post gegeben. Ich kann mir nicht mehr erklären, an was das liegt. Gestern kam eine Zeitung von Deinem Vater. Heute kam erst eine Karte von ihm die am 4.12. nach dem Angriff geschrieben war. vo Dir erhielt ich auch eine Zeitung, aber ich warte ja auf einen Brief. Doch ich kann machen wie es will, auch auf diese Weise werde ich die Post nicht herzwingen.
Vorweg will ich gleich wieder berichten, daß ich zwei Päckchen heute an Dich abgesandt habe. eins enthält Zwiebeln und das andere nochmals Rosinen. Die Nummern sind 27./28. Ist das nicht eine Leistungssteigerung in diesem Jahre? Im vergangenen Jahr konnte ich Dir 100 Päckchen schicken. In diesem Jahr habe ich es bis jetzt auf 128 gebracht. Das ist doch eine ganz stattliche Anzahl. Für die meisten Sachen hast Du sicherlich gute Verwendung gehabt. Ich bin nur immer darauf bedacht, daß ich etwas zu Futtern bekomme, denn das ist nach meiner Meinung recht wichtig. Wenn Du dich etwas rühren kannst und nicht ganz so eingeengt bist, dann ist es Dir ja auch leichter und wohler. Ich mache das auch recht gern, weil ich Dir gern helfen möchte. Zwei weitere Päckchen habe ich heute fertiggemacht, die morgen abgesandt werden. Es sind die Nummern 29 und 30. Das eine enthält Zitronen und in dem anderen ist wieder Maismehl und Zigaretten habe ich auch noch mit beigepackt. Ich wünsche nur, daß alles richtig in Deine Hände kommt. Es wäre ja ärgerlich, wenn es geklaut würde, wenngleich man sich deshalb auch nicht die Haare ausraufen braucht. Es ist nur so, die Sachen kauft man für teures Geld und daheim kann man das Gekaufte gut verwenden. Die Kartons mit dem Maismehl habe ich geöffnet, um zu sehen, was drin ist. Man muß hier sehr vorsichtig sein, weil man hier mit diesen Dingen gern mit unehrlichen Mitteln arbeitet. Wie es mir aber schien, ist das Mehl richtig.
Jetzt scheinen wir doch noch in die Regenzeit hineinzukommen. Gestern regnete es und heute regnet es mit kleinen Unterbrechungen fast den ganzen Tag. Alles läuft mit Regenschirmen herum, große Pfützen stehen auf den Straßen. Ein Bild, was man die ganze Zeit vorher nicht weiter beobachten konnte. Es kann ja sein, daß es sich bald wieder aufklärt, doch da wollen wir erst einmal den kommenden Tag abwarten.
Ich habe mir hier, wie ich Dir schon einmal mitteilte, einige deutsche Marken gekauft. Sie waren sehr günstig zu kaufen, weil wir durch die Kursänderung doch nur die Sachen zum Teil bezahlen. Da ergibt sich jetzt folgendes interessante Bild. Wir bekommen unsere Wehrsold zum Kurs 1,-RM = 7200 Drachmen. Die Händler rechnen aber zur Zeit immer noch die Mark zu 2000 Drachmen. Andere nehmen den französischen Franc als Grundlage, dabei fährt man dann nicht so günstig. Aber immerhin ist anzunehmen, daß die Händler in wenigen Tagen die Umrechnung ändern, aber bis dahin muß man das abgegrast haben, was einem notwenig dünkt. Mit anderen Waren ist es ja das gleiche. Man muß springen, das Geld an den Mann zu bringen, weil man damit rechnen muß, daß man in einigen Tagen dann nur noch ein Teil von dem erhält, was man jetzt noch bekommt. Hebe die Marken in meinem Album bitte mit auf. Ich werde sie dann einmal einordnen, wenn ich wieder einmal in Urlaub komme. In den nächsten Tagen schicke ich noch andere.
Heute weiß ich aber tatsächlich nichts mehr zui schreiben,. Ich bitte Dich daher, schließen zu dürfen. Bleibt alle gesund, munter und frisch. Lasst Euch recht herzlich grüßen. Viele Küsse füge ich hinzu. Dein Ernst.
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