Mein liebster Schatz! 4.12.43
Auch diese Woche ist nun wieder abgerollt. In 3 Wochen ist schon Weihnachten und bald fangen dann die Tage an länger zu werden. Wie ich Dir schon einmal mitteilte, merkt man hier in diesem Land nicht, daß es stramm auf Weihnachten zugeht. Wenn nicht, wie am vergangenen Sonntag, im Offiziersheim etwas Adventsstimmung geschaffen würde, dann gingen diese Tage vorüber wie jeder andere Tag auch. In einer Beziehung ist es ja ganz gut, wenn man nicht allzu viel von der Vorweihnachtszeit merkt, denn in diesen zwei Feiertagen kommt es einem dann doch wieder stark genug zum Bewusstsein, daß man allein ist. Es ist eben immer etwas eigenes und normalerweise gehört man mit seiner Familie zusammen. Doch alles Hadern mit dem Schicksal hilft dabei nichts, es muß durchgestanden werden. _ Ich wollte Dich schon immer einmal danach fragen, ich vergaß es nur immer wieder. Kannst Du eigentlich den Gürtel verwenden und passt er überhaupt, den ich Dir in München kaufte? Du hast nie etwas darüber verlauten lassen.
Post habe ich heute von Dir auch nicht erhalten. Außer einigen Zeitungen, die von Deinem Vater angekommen sind, traf nichts weiter ein. Nun hoffe ich wieder auf morgen. Das wäre zum Sonntag recht schön, wenn ich von Dir Post bekommen würde.
Gerade höre ich, daß in der vergangenen Nacht Leipzig angegriffen worden sei. Ich bin nun etwas in Unruhe, weil man nicht weiß, wie stark sich das ausgewirkt hat. Heute nacht will einer der Kameraden , der von Leipzig ist, anrufen, vielleicht werde ich dann morgen schon Näheres erfahren. Ich denken mir, daß Siegfried und selbstverständlich auch Du, Ihr werdet Euch Gedanken machen, was sich nun ereignet hat.
Ich hatte wieder einmal eine günstige Gelegenheit gehabt, für Euch Korinthen zu erstehen. Ich werde sie mit verpacken und Dir dann zugehen lassen. Wenn Du ab und zu Einkehrgäste hast, dann mußt Du ja Deine Vorräte auch einmal auffrischen. Wenn ich mich recht erinnere, sind Korinthen im allgemeinen besser zum Backen. Doch das weißt Du ja wohl besser. Sie sind wohl nicht ganz so sauber wie Rosinen, aber Du siehst sie Dir doch gleich durch, wenn Du sie auspackst. Vielleicht verwendest Du sie auch eher als die anderen Sachen. Ich weiß ja nicht, ob die Ankündigungen, die in der Zeitung immer stehen, auch stimmen. Ich füge sie Dir am besten mit bei, dann kannst Du es selbst lesen. Das sind nach meiner Ansicht mehr oder weniger billige Reklametricks, denn sonst müssten ja Deine Vorräte auch schon längst verdorben sein.
Ich hatte immer vergessen, Dir den einen Zeitungsausschnitt, den ich Dir schon einmal angekündigt hatte, beizufügen. Diesmal will ich es aber nachholen.
Jetzt bin ich tatsächlich wieder einmal am Ende meiner Erkenntnisse. Ich bitte Dich darum, für heute mein Schreiben beschließen zu können. Mit recht vielen lieben Grüßen an Dich und die Kinder bin ich wie immer Dein Ernst.
Mein liebster Schatz! 6.12.43
Gestern zum Sonntag habe ich einmal nicht geschrieben. Post war keine angekommen. Es gab für mich also nicht zu beantworten. Wichtiges hatte ich nicht zu berichten und sonst fiel mir auch nichts Schlaues ein. Doch heute muß ich wohl schon schreiben, weil es dann passiert, daß Du tagelang ohne Post bist. Aber ich kann Dir ja etwas vom Ablauf meines Sonntags erzählen. Das ist ja auch etwas. Ich habe ja bis jetzt noch keine Briefe erhalten, so daß ich auf nichts eingehen kann.
Für unsere Helga war der große Tag, Ich habe oft an Euch gedacht, daß Ihr bei der Vorstellung gewesen sei. Ich werde ja von Euch hören, wie sie sich dabei gehalten hat. Ich kann mir denken, daß sie froh ist, daß das nun wieder überstanden ist. Sie hat ja einen gewissen Stolz, daß sie auf die Bühne darf und den Leuten etwas vorspielen kann. Das sind so kleine Eitelkeiten, die Ihr eigen sind. Ich denke dabei daran, wie sie es gern sah, wenn im Bad die anderen Leute auf sie sahen, wenn sie ins Wasser sprang. Ein klein wenig Ehrgeiz kann bestimmt nichts schaden. Unser Herr Sohn könnte davon auch etwas vertragen, denn bis jetzt ist er durch solche Sachen nicht zu fesseln,. Wenn man nur wüsste, wo man ihn in dieser Beziehung packen kann, dann wären wir in mancher Hinsicht ein Stück weiter mit ihm vorwärts. Ich meine, daß er ja gut lernt und soviel ich sehe, gerade in der Schule keine Schwierigkeiten weiter hat. Aber wenn er etwas mehr Ehrgeiz hätte, dann wäre er manchmal leichter zu lenken. Froh wollen wir sein, daß sie beide gesund sind. Na, darüber brauchen wir uns bei ihm ja auch nicht beklagen, daß er etwa nicht jungenhaft wäre. Das äußert sich ja ohne viel Umstände für ihn manchmal recht rüpelhaft.
Jetzt nun weiter vom gestrigen Tag,. Am Nachmittag war ich im Stadion und auf einem daneben liegenden Berg. Die Sonne schien so herrlich, daß ich mich dort eine ganze Weile hingesetzt habe. Das war ganz angenehm, denn die Witterung ist im allgemeinen etwas kühl geworden. Es ist zwar immer noch zum Aushalten, aber unangenehm ist dabei, daß nirgends geheizt ist. Wenn man dann den ganzen Tag im Zimmer sitzt, dann ist das doch spürbar. Anschließend bin ich dann durch die Anlagen gelaufen, die ich mir einmal gründlich angesehen habe. Da es ja jetzt bald dunkel wird, so habe ich mich nur bis gegen ½ 5 Uhr dort aufhalten können, weil dann geschlossen wird. Aber die reifen Apfelsinen, die an den Bäumen hängen, hatten mich die ganze Zeit gereizt. Ich habe bei uns schon Äpfel oder sonstiges Obst stibitzt, aber Orangen noch nicht. Diese Gelegenheit , die ja erst Diebe machen soll, habe ich benutzt und habe mir eine gepflückt. Ich habe nun die Absicht, sie auch mit meinem nächsten Päckchen zuzusenden. Gesetzt den Fall, daß Ihr Euch getraut, eine Apfelsine aus einem königlichen Park zu essen. Ich mache mir deshalb keine Gewissensbisse, denn da hängen noch soviel, daß es da auf einige wenige nicht ankommt. Dann hatte ich mich später mit meinem Arbeitskameraden ins Offiziersheim verabredet. Wir haben dort unseren Kuchen eingenommen, den es dort ab und zu gibt. Er war diesmal nicht so überzeugend im Geschmack, aber schließlich, wenn man Hunger hat, dann macht man ja auch keine Umstände. Später sind wir ins Kino gegangen und nach dem Kino hatten wir uns noch eine Flasche Bier reservieren lassen. Das wäre so mein Tagesprogramm von gestern gewesen. Als gute Hausfrau interessieren Dich ja immer noch Rezepte. Kohlrouladen wurden bei uns doch nie verschmäht. Man braucht dazu ja Fleisch, was in Friedenszeiten kein Problem weiter ist. Ich habe nun gestern feststellen können, daß man dem auf einfache Weise bequem Abhelfen kann. Weißt Du wie? Ja, da mußt Du schon einmal raten. Statt Fleisch nimmst Du einfach Graupen und füllst sie zwischen die Kohlblätter. Der Erfolg ist verblüffend. Ich bin gewillt, in Zukunft auf alle Kohlrouladen zu verzichten, wenn ich noch mehr von dieser Sorte essen muß. Ich komme gestern in das Hotel. Dort steh angeschlagen, Krautrouladen als zusätzliche Verpflegung. Dem Preis nach hätte es immerhin etwas sein können. Du kannst Dir unser Überraschung vorstellen, als wir diese Dinger vorgesetzt bekamen. So kann man auf den Leim gehen.
Jetzt bekam ich gerade Deinen Brief vom 26./27.11., über den ich mich herzlich gefreut habe. Vielen Dank dafür. Gleichzeitig trag auf meine Anfrage in Neusalza eine Antwort ein. Ich bin erstaunt, was für Daten Dein Vater zusammengetragen hat. Ich glaube, das hat er einfach so hingeschrieben, ohne überhaupt etwas davon in der Hand zu haben. Ich will jetzt versuchen, diese Sachen einmal ins reine zu bringen, soweit die Unterlagen erreichbar sind, dürfte das keine Schwierigkeiten bereiten. Du wirst dich wundern, was alles dabei herauskommt. Hast Du unser liebes altes Amselhain noch in Erinnerung? Von dort soll der Johann David Jubisch stammen. Findest Du das nicht eigenartig? Ich will das aber noch genau feststellen. Doch nun zu Deinem lieben Brief, der mir wieder wehr gefallen hat. Mit den Schilderungen von den Kindern, die Du ja nicht jeden Tag auftischen mußt, kommt doch etwas mehr Frische in unseren ganzen Briefwechsel. Es sind doch zwei liebe Schlawiner, unsere beiden Lauser. Ich habe immer wieder das Empfinden, daß es ja gerade das ist, was uns an ihnen immer richtig scheint, daß sie lebhaft und keine Duckmäuser sind. Aber über die mitgesandte Vergrößerung von uns Beiden habe ich mich mächtig gefreut. Ist das nicht ein Wunder, wie wir so einträchtig den Beschauer ansehen? Wir sind doch sonst nicht so. Wenn wir uns in den Briefen schon so fuchsen, wie dann erst , wenn wir beieinander sind. Das muß aber auch so sein, denn das braucht doch nicht jeder zu wissen. Bist Du etwa anderer Meinung?
Daß das Päckchen Nr. 42 noch nicht angekommen ist, ist ja sehr schade, aber man muß sich damit abfinden, denn trotz der hohen und schweren Strafe, die darauf steht, wird noch nund noch geklaut. Ich sage ja immer, daß ich immer erst richtig froh bin, wenn ich die Ankunft meiner Sendungen von Dir bestätigt erhalte. Ich habe heute wieder vier Päckchen an Dich abgesandt. Die Nummern lauten 16/19. In einem ist Brot und in den anderen drei Päckchen befinden sich Korinthen und Zigaretten. Ich habe die Sendungen deshalb nummeriert, weil ich befürchten muß, daß man es auf Zigaretten abgesehen hat, denn die wiegen ja ziemlich leicht, obwohl das Volumen im Verhältnis recht groß ist. Die Korinthen muß Du gleich auseinander tun, denn die sind nicht ganz so sauber wie es mir schien. Ich habe ja keine Übersicht, wie viel Du jetzt von diesen Sachen daheim hast. Wenn Du meinst, daß es sich verantworten läßt, dann kannst du ja Erna von den blauen Kartons einen zuschicken. Ebenfalls an Deinen Vater kannst Du einen absenden, wenn du selbst genügend Vorrat hast. Aber wie gesagt, das überlasse ich ganz Deinem Ermessen. Du weißt ja, wie schwer diese Sachen immer zu bekommen sind, und daß ich froh bin, wenn ich für Euch wieder etwas ergattert habe.
Vorhin habe ich noch nach Bautzen, Böhmisch Kamnitz, Amelshain und nach Neusalza geschrieben, um die Familienforschung weiter zu treiben. Ich werde ja sehen, was ich für Auskunft noch erhalte. Wie Du siehst, ergibt sich immer wieder etwas Neues. So bleibt doch wenigstens alles im Fluss.
Ich schließe mein heutiges Schreiben wie immer mit besten und herzlichen Grüßen an Euch Drei. Viele liebe Küsse füge ich dazu und bin Dein Ernst.
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