Mein liebstes Mädel! 16.12.43
Deinen Brief vom 7./8.12. hat mich heute erreicht. Vielen herzlichen Dank dafür. Außerdem bekam ich von Deinem Vater heute 3 Briefe, in denen er über den Luftterror unserer Feinde berichtet. Ich habe den Krieg auch gesehen und ich kann mir ungefähr vorstellen, wie das in Leipzig aussieht. Es ist ja grauenhaft, wie dort in der kurzen Zeit gewüstet und gemordet worden ist. Auffallend ist ja, daß fast ausschließlich Wohnstätten und öffentliche Einrichtungen getroffen wurden. Ich kann die Einstellung der Bevölkerung voll und ganz verstehen. Wenn Dein Vater schreibt, daß er jeden umbringen könnte, dessen er habhaft würde, wenn er sich aus einem abgeschossenen Flugzeug retten wollte, das kann ich ohne weiteres mitfühlen. Das muß ja zwangsläufig ein ungeheures Hassgefühl auslösen. Leider ist es aber so, daß man die Brüder, die dafür verantwortlich zeichnen, nicht erwischt. Wenn man so list, was alles kaputtgeschlagen ist, so ist das ein Jammer. Da kann man nur einen Gedanken haben und zwar den der Vergeltung. Das kann doch nicht ungesühnt bleiben, daß muß doch diesen Schurken heimgezahlt werden. Man fragt sich nur, wie lange das das deutsche Volk noch hinnehmen muß. Es muß ein Schlag gegen diese Halunken werden, wie ihn die Welt noch nicht erlebt hat und zur Besinnung müssen sie nicht mehr kommen können. Was ist bei uns an Menschenleben in dieser Hinsicht schon gefordert worden und was für Werte wurden von diesen Verbrechern vernichtet. Auf die Vergeltung, da bin ich ja gespannt, die kann ja nur unsere heißen Rachegefühle kühlen, ersetzen kann man von dem zerstörten Leben und Gut nichts wieder. Wie ich aus den beigefügten Durchschlägen Deines Briefes ersehe, hast Du auch Deine Weihnachtspost schon erledigt. Das Bild habe ich von mir nun auch erhalten. Vielen Dank dafür.
Ja, die Vorbereitungen auf Weihnachten, die bringen schon Stimmung in die Wohnung. Die Kinder sind ja sicher wieder eifrig bei der Sache. Das Backen ist ja auch sehr wichtig. Schon das Auslecken allein ist doch ein Fest für sich. Das kann ich mir denken, daß dann unsere Beiden keinen großen Hunger mehr hatte, als Du Deinen Backtag hinter Dir hattest. Man muß schon tüchtig haushalten, wenn man auch über die Feiertage etwas haben will.
An Deinen Vater schickst Du nun doch noch ein Päckchen und auch an Erna. Wenn Du es ermöglichen kannst, dann will ich nichts dagegen haben. Ich denke nur immer wieder, daß es Euch ja selbst kaum reicht. Daß Du keine großen Sendungen machen kannst, das ist ja wohl jedermann jetzt verständlich. Aber immerhin, sie sehen, daß Du den guten Willen hast und das gilt doch auch etwas.
Du schreibst, daß Du für unseren Lauser eine neue Gürtelschnalle für seien Mantel hast kaufen müssen. An meinem alten Trenchcoat war doch auch eine dran. Ich weiß zwar nicht, was damit geschehen ist, aber die läßt sich doch besser verwenden wie die aus Pappe, die Du jetzt hast kaufen müssen. Das ist eben ein Lausekerl, der überall herumkrauchen muß. Aber solange er selbst noch gesund ist, dann ist das immer noch zu verschmerzen. _ Heute habe ich mir einige Marken gekauft, die ich schon lange erstehen wollte. Sie gehören zu meiner Sammlung deutscher Marken. Der Händler, der gebrochen deutsch spricht, fragte mich, ob ich Frau und Kinder hätte. Das ist meinst eine der ersten Fragen, der man so oft im Ausland begegnet. Mit Hilfe von einigen deutschen Brocken und einigen französischen denn das spricht er auch nur sehr gebrochen habe ich ihm seine Frage bejahen können. Als ich dann etwas gekauft hatte, langte er ein kleines Heft heraus mit einigen Marken, wie sie hier als Andenken verkauft werden und sagt: “Für Frau in Deutsch“. Ich würde sie Dir ja gerne schicken, aber mir fehlen einige davon in meiner Sammlung, so daß ich Dir das Heft erst zugehen lassen kann, wenn ich mir die Marken herausgelöst habe, wofür ich mir Dein Einverständnis hierzu vorausnehme. Oder hast Du doch etwas dagegen einzuwenden? _ Ich bitte Dich, schicke mir auch alle übrigen Schweizer Marken mit her. Vielleicht packst Du einmal in 2 oder 3 Briefumschläge nur Briefmarken, denn mit dieser Ware kann ich nur etwas anfangen, wenn ich eine genügende Menge davon habe.
Bleibt mir, meine Lieben, alle recht gesund und seid recht herzlich gegrüßt und viel, vielmals geküsst von Deinem Ernst.
Mein liebstes Mädel! 17.12.43
Heute hatte ich wieder einmal einen strengen Tag. Aber das ist immer schön, denn die Zeit vergeht dann doch schneller. Der Oberinspektor, mit dem ich zusammenarbeite, geht morgen in Urlaub, so daß ich jetzt hier auf unserer Abteilung allein bin. Gegenwärtig rollen allerhand neune Beamte an. Was dann von mir zu erledigen ist: Die Versetzungen und alles, was damit zusammenhängt, müssen dann von mir verarbeitet werden. Mir macht das ja nichts aus. Der Oberrat, der unserer Abteilung vorsteht, hatte erst Bedenken, weil er sich nicht sicher ist. Ja, in der Militärverwaltung ist nicht mehr der Schwung drin, wie ich ihn von früher her gewohnt war. Es macht sich schon sehr bemerkbar, daß jetzt zum größten Teil nur noch ältere Beamte in der Verwaltung sich befinden, die auch veraltete Ansichten haben und denen der Kalk durch die Adern rieselt. Für mich ist da ja kein Anlass mehr, mich darüber aufzuregen, denn von mir aus sollen die Brüder anregen und anordnen, was sie wollen. Unser Oberrat Klaasen in Charkow, der war schon von Fall zu Fall ängstlich, aber gegen diese Kerle kann er fast als leichtsinnig bezeichnet werden. Doch wie gesagt, mir persönlich kann es gleichgültig sein.
Vorhin traf auch schon Dein Weihnachtsbrief ein. Ich werde ihn ebenfalls, wie die Päckchen, aufheben und dann am Heiligen Abend lesen. Vielen Dank dafür. Weitere Post ist sonst nicht eingetroffen. Von Deinem Vater kam noch eine Zeitungssendung an. Das war alles. Aber ich will schon so zufrieden sein. Vielleicht kommt morgen wieder etwas. Man muß sich immer wieder trösten, dann kommt man am besten darüber hinweg.
Über die Mittagszeit habe ich mich einmal meiner Marken angenommen. Ich habe schon gestern Abend mit ein provisorisches Album aus einem Schnellhefter gemacht. Dann habe ich die Marken, die ich schon hatte, alle fein der Reihe nach angeklebt. Das hat dann bis gegen ein Uhr gedauert. Dann bin ich schlafen gegangen. Heute habe ich dann mit den doppelten, die Du mir gesandt hast, einen Händler aufgesucht, der sie mir gegen hiesige Marken zum gleichen Katalogpreis umgetauscht hat. Die Marken, die Du mir gesandt hattest, haben einen Wert von 40,-RM gehabt. Mit diesen Marken habe ich nun schon die verschiedenen Lücken ganz schön auffüllen können. Wenn ich dann wieder etwas habe, dann kann ich mir dort noch mehr besorgen. Vielleicht kann ich auf diese Weise dieses Land ziemlich komplettieren. In einer Schachtel muß ich auch noch doppelte Marken vom Saargebiet haben. Auch für diese habe ich Verwendung. Auf diese Weise kann ich einmal meinen Bestand an doppelten Marken ausmisten, denn die liegen mir doch nur herum. So gibt es doch wieder einmal etwas Platz. Ich bin nicht mehr genau im Bilde, was in dieser einen Blechschachtel noch alles herumliegt. Wahrscheinlich aber noch einige Marken von Europa, die Du mir ebenfalls mit zugehen lassen kannst. In erster Linie schicke mir aber die deutschen, die in den Briefumschlägen sind. Da sind ja noch ziemliche Mengen da. Du wirst denken, daß ich wieder einmal den Briefmarkenfimmel bekommen habe. Es ist aber auch fast so. Wenn ich gerade jetzt die Gelegenheit habe, so günstig meine Marken tauschen zu könne, dann will ich diese Gelegenheit auch ausnützen. Ich wollte Dich erst noch bitten, mir meine griechischen Marken aus dem Album herauszunehmen und mit herzu schicken, damit ich weiß, was mir fehlt. Das lasse ich wohl am besten sein. Sieh doch einmal nach, wie viele ich von Griechenland habe. Du brauchst mir nur die Anzahl zu nennen. Für Deine liebe Mithilfe danke ich Dir wieder bestens.
Auf einer der letzten Zeitungen hattest Du geschrieben, daß Jörg das eine Bild haben wollte. Ich habe es ihm ausgeschnitten. Ich finde aber, daß es schon etwas ramponiert war, darum habe ich es nochmals in meiner Zeitung gesucht und ihm ausgeschnitten. Ich hoffe, daß er mit seinem Vater zufrieden ist. Dabei fielen mir noch einige andere Bilder in die Hände, von denen ich dachte, daß er daran Spaß hätte. Ich lege sie auch noch mit bei.
Mit einem knallenden Schmatz für Dich und die Kinder schließe ich wieder und bin mit vielen herzlichen Grüßen Dein Ernst.
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