Dienstag, 18. Dezember 2018

Brief 504 vom 28./29.12.1943


Mein liebster Schatz!                                                                          28.12.43  
      
Nachdem ich so lange auf Post gewartet habe, bin ich heute wirklich reich entschädigt worden. Von Dir bekam ich den fehlenden Brief vom 9./10.12. und den langen Brief vom 16.12.. Dann trafen Briefe ein von Nannie, von meinem Kameraden Finessen und der Brief von Aretz, den Du mir nachgesandt hast kam ebenfalls an. Vom Evangelisch – Lutherischen Pfarramt zu St. Petri in Bautzen erhielt ich eine Mitteilung, daß die Kosten für die von mir angeforderten Urkunden 9,30 RM betragen und daß ich diese auf das Postscheckkonto Dresden Nummer 22469 einzahlen soll. Mache das doch bitte von dort aus, ich werde entsprechende Nachricht nach Bautzen geben. Wenn die Sachen dann bei mir eingegangen und verarbeitet sind, dann lasse ich sie Dir wieder zugehen. Über alle Post habe ich mich sehr gefreut, auch darüber, daß Du mir Mitteilung gabst, daß ein Bild vom Grab unseres lieben Kurt kam. Mit dem anderen Brief erhielt ich nun schon den Abzug, was mir insofern eine stille Freude war, weil man nun weiß, wie sein Grab aussieht und daß es einigermaßen in Ordnung gehalten war. Daß ein Schreibfehler auf der Tafel vorliegt, hast Du ja schon an den Gräberoffizier mitgeteilt.  Falls er uns eine Berichtigungsfoto einmal zusenden kann, dann wäre das noch besser. aber das wollen wir nur als ein Schönheitsfehler betrachten. Wichtig ist, daß man weiß, wie es sonst aussieht.  Doch nun zu Deinen Briefen selbst. Gefreut hat mich dann Deine Mitteilung, daß Du das getrocknete Brot zu einem vollständigen Essen verwenden kannst.  Das ist selbstverständlich besser wie wenn Du nur Suppe davon bereiten könntest. Ich kann mir vorstellen, daß das ganz ordentlich schmeckt. Ich habe in nächster Zeit wieder einen Karton voll zusammen. Wenn es soweit ist, geht das Brot wieder an Dich ab. Wie Du schreibst, hast Du ja immerhin noch einen kleinen Vorrat. Das eine Päckchen Nummer 9, das Du fälschlich als 8 bezeichnest, enthielt ja auch Brot. Anscheinend ist es geklaut oder verloren gegangen. Wenn es einer geklaut hat, dann wird er wohl keine besondere Freude daran gehabt haben. Es ist kein großer Wert verloren gegangen, aber Euch hätte es doch wieder einmal ein Essen gegeben. Da kann man eben nichts machen.
Über die Urkunden aus Kamnitz hast Du Dich also gefreut. Es ist doch schön, wenn man einmal ziemlich die Sachen zusammenbekommt. Bedenken hast Dun nun also, daß der Branntweinbrenner Samuel geheißen hat. Ein Junge hieß auch David. Ich bin der Meinung, daß es früher recht oft üblich war, biblische Namen zu geben ohne dass das in rassischer Hinsicht etwas zu sagen hat. Der Name allen macht es ja auch nicht. Wir werden ja sehen, was wir für weitere Nachricht bekommen. Immerhin sind wir schon wieder ein Stück weitergekommen, wie ich ja eingangs dieses Briefes schon erwähnte.
Wenn ich nach Deiner Ansicht sooooooooo frech geworden bin und aus den engen mir gesteckten Grenzen gegangen bin, dann bitte ich Dich gütigst zu verzeihen.  Ich bin bestrebt, es nicht so bald wieder zu tun. Wenn Dur mir aber einmal schreibst, ich sei ein elendiger Lausebengel, so stehe ich ganz unerschüttert da, denn über solche profane Ausdrücke bin ich erhaben. Riechst Du nicht die Vornehmheit, mit der ich das wieder gesagt habe. Ich ziehe ein bisschen dabei die Nase hoch und stehe mit verschränkten Armen vor Dir. Jetzt kannst Du Dir das doch ungefähr ausmalen. Nein, meine Liebe. Mir geht es wie unserem Herren Sohn, das macht mir nichts aus, im Gegenteil, das ehrt mich in gewisser Beziehung, denn ich merke doch, daß mein Schreiben richtig verstanden worden ist. Das ist mir die Hauptsache.
Ich kann mir denken, daß Du allerhand Zeit so am Tage verläufst und auch mit den Anstehen und Warten zubringst, wenn man dann noch ab und zu Erfolg hat, wie beispielsweise mit dem Kännchen, dann geht es noch an, aber wenn man dann immer und immer wieder vergebens wegen einer Butterdose anfragt, dann vergeht einem die Lust. Aber ich kann Dir sagen, wenn man etwas bringt oder wenn man sonst Beziehungen hat, dann erhält man sicherlich das, was man haben will auch ohne lange dafür anstehen zu müssen. Denn man hat es ja wieder gesehen, wie es Dir bei Jegglin und Kaltenbach gegangen ist. Denkst Du etwa, die haben nicht gewusst, daß keine Kannen mehr da sind. Nein, man hält die Waren nur künstlich zurück und man verursacht den Kunden nur noch mehr Lauferei. Das ist sehr bedauerlich, aber es ist nun einmal so geworden.  Falsche Bescheidenheit ist heute bestimmt nicht mehr am Platz. Hier muß man zusehen, wie man zu etwas kommt, denn sonst sieht man immer in die Röhre.
Wenn ich auch weiß, daß sie nicht mehr an den Nikolaus glauben, so will ich den Brauch bei uns doch nicht brechen, daß er in jedem Jahr so oder so an sie gedacht hat.
Für heute herzliche Grüße und viele Küsse. Morgen schreibe ich ja gleich weiter. Dein Ernst.

Meine liebe gute Annie!                                                                          29.12.43 

Wie Du mir in Deinem Brief noch mitteilst, hast Du für Euch einige Zwiebeln bekommen. Ich sehe aber weiter, daß Du anscheinend selbst nicht genügend hast. Ich sandte doch vor einigen Tagen welche an Deine Adresse ab, die Du an Vater weitergeben sollst. Wenn Du selbst nicht soviel hast, wie Du brauchst, dann mußt Du ja nicht alle Vater geben, sonder behalte doch Du auch welche. Ich werde schon wieder einmal welche hinschicken, wenn ich genügend beieinander habe.
Dann lese ich, daß Helga mit den vielen Aufgaben Schwierigkeiten hat. Ha, Du mußt sie schon selbst einmal fragen, ob es ihr zuviel ist auf die Dauer. Vor den Weihnachttagen hat es sich ja sehr angehäuft. Aber wir wollen doch erst einmal abwarten, was mit den Zeugnissen wird. Wenn Du aber aus irgendwelchen Gründen Bedenken hast, dann teile mir das nur ungehindert mit, denn es hat andererseits keinen Wert, wenn wir das Kind über die Kräfte beanspruchen und sie liegt uns dann zeitlebens kränklich da. Doch man darf auch nicht zu ängstlich sein. Aber du wirst das schon richtig machen, das weiß ich ja. Wenn Du es für ratsam hältst, dann muß sie eben einmal mit dem turnen aussetzen. Sie ist nun für ihr Alter schon ein langer Ständer. Ich weiß ja selbst, wie ich verwundert war, als ich sie nach meinem Urlaub wiedersah. Aber solange sie noch dabei gesund ist, wird es schon gehen. Mit dem Turnen wollen wir dann auch erst einmal zuwarten, bis es dann Deiner Meinung nach nicht mehr geht.
Ich muß sagen, daß Du es doch fein hast.  Du träumst immer wieder einmal von dem, was Dir angenehm ist. Ich kann mich fast nie darauf besinnen, daß ich träume. Das ist so selten, daß das schon nicht zählt.  Wenn ich dann schon einmal träume, dann ist es meist ein Quatsch, daß ich da nicht erst lange darüber nachdenken brauche. Aber alles kann man eben auch nicht haben, _ Vor 14 Tagen hat es bei Euch nun schon geschneit. In der Zwischenzeit wird das wohl noch einige Male der Fall gewesen sein. Hier ist es so, daß auf den Bergen, die um die Stadt herum sind, ziemlich weit herunter Schnee liegt. Es ist heute auch kühler, so daß ich mir den Mantel hervorgeholt habe, denn es ist ja nicht notwendig, daß ich es kalt habe.
Nun muß ich auch wieder einmal aufgrund Deiner Mitteilung auf die Bausparkasse zurückkommen. Ich will Dir sagen, mir selbst liegt an dem Vertrag nicht soviel, daß ich nun unbedingt Wert darauf lege, ihn auf meinen Namen überschrieben zu erhalten. Mir geht es auch nur in erster Linie darum, daß wir dieser Kasse nicht unnütz das Geld verdienen lassen, sondern wir wollen ja schließlich unseren Nutzen haben. Das bezieht sich in diesem Falle auf Vater und auf uns. Ich würde von mir aus sagen, er soll von sich aus über den ganzen Vertrag verfügen und handeln, wie es ihm recht ist. Aber ich fühle mich immerhin verpflichtet, ihn darauf aufmerksam zu machen, daß ich aus diesen oder jenen Gründen Bedenken habe. Wir wollen nun erst einmal die Antwort der Kasse abwarten. Immerhin bin ich auch mir im Klaren, daß wir dabei nichts herausbekommen, wenn ich in meinem Brief darauf abgehoben habe, daß für Kurt nun der Fall eingetreten sei, daß die Versicherung in Kraft treten müßte. Aber man muß sich manchmal ein bisschen dümmer stellen wie man ist, damit man das herausbekommt, was man gern hören will. Aber ich bin auch der Ansicht, daß wir uns wegen einer solchen Sache mit Vater nicht überwerfen wollen und auch nicht brauchen. _ Ich komme heute nochmals auf die Päckchen zu sprechen. Du schriebst mir, daß 9 und 14 eingetroffen sind, dagegen würde Nummer 8 fehlen. Nach meinen Aufzeichnungen habe ich es am 2.11. abgesandt. Es enthielt doch die Zitronen, Schokolade, Rosinen und Brot, das hast Du mir aber doch bestätigt. Erinnere Dich doch bitte noch einmal. Es handelt sich nur darum, daß ich in meiner Buchführung Ordnung habe und daß man nicht umsonst einen Groll auf ein mehr verloren gegangenes Päckchen hat. Wenn meine Aufzeichnungen richtig sind, dann würde bis jetzt aus der neuen Reihe noch kein Päckchen fehlen. Die anderen beiden Nummern25 und 42 können wir in den Kamin schreiben. Ich dachte, wegen den Korinthen, daß Du an Deinen Vater, an Erna und an Nannie je ein kleines Päckchen schickst. Ich habe ja jetzt hier wieder welche, die ich dann in den nächsten Tagen mit fertig machen werde und an Dich auf den Weg bringe.
Heute ist nun noch keine Post eingetroffen.  Aber ich bin ja schon so zufrieden mit dem, was ich gestern erhielt. Ich sende Dir heute gleich noch die Karte wegen des Betrags für Bautzen mit, dann hast Du alles beieinander. Vergiss nicht, diesen Betrag in dieser Aufstellung mit einzutragen.
Lasse mich bitte wieder mit recht herzliche Grüßen und recht vielen Küssen für Dich und die Kinder schließen. Ich bin immer Dein Ernst.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen