Mein
liebster Spatz!
18.12.43
Recht herzlichen Dank für Deine beiden Briefe vom 11./12. und 13./14.. Beide erhielt ich heute. Es gibt nun wieder einige Sachen zu beantworten, was ich gleich erledigen möchte. Daß mir dieser Aretz nach so langer Zeit wieder einmal schreibt, nimmt mich wunder. Aus der Feldpostnummer zu schließen, ist er ja bei der Heeresgruppe Süd im Osten. Er kam seinerzeit zu uns auf die Feldkommandantur nach Mirgorod und von Kaschan aus habe ich den letzten Bescheid con im erhalten. Das ist schon über ein Jahr her. Ich werde abwarten, was er will. Wenn der Brief eintrifft, gebe ich Dir sofort wieder Bescheid, damit Du beruhigt bist.
Mein Brief an die Bausparkasse hast Du ja weitergeleitet, wie ich lese. Inzwischen ist ja von dort eine Erinnerung gekommen. Du bist ein Dummerle. Ich habe niemals die Absicht, Vater aus diesen Vertrag herauszudrängen. Ich weiß auch, daß Du das von mir nicht angenommen hast, aber es dreht sich ja hier in erster Linie um die Versicherung, die unter Umständen weiterlaufen soll. Nach meinem Dafürhalten ist es zwecklos, wenn wir die Versicherung weiterführen und dieser Schutz tritt dann nur teilweise in Kraft, obwohl wir die volle Prämie entrichten. Mir liegt in erster Linie daran, daß wir durch die Kasse auf diese Weise nicht ausgenutzt werden. Wenn Vater noch dafür in Frage käme, könnte er von mir aus den ganzen Vertrag haben. Aber ich sehe nicht ein, daß diese Versicherungsgesellschaft nur dadurch einen Gewinn einstecken soll, weil wir uns vielleicht nicht einig würden. Wir werden jetzt abwarten, was für einen Bescheid wir von dort bekommen und dann werden wir weiter sehen.
Die Sache mit den Zigaretten geht dann also klar. Ich hoffe, daß die Leute etwas von sich hören lassen. Je nachdem was sie schicken, kannst Du ja auch etwas hinsenden. Wenn du nicht von dort bekommst, dann ist ja alles hinfällig. Der Kamerad ist inzwischen in Urlaub gefahren. Wenn er wieder zurückkommt, Mitte Januar, dann werde ich ja auch von ihm hören. Wegen des Kinderwagens mußt Du Dir noch keine Gedanken machen. Auch da will ich erst abwarten, was der Kamerad meint, wenn er wieder hier ist. Wie ich sehe, hast Du keine große Lust, ihn herzugeben. Ich muß aber auch feststellen, daß Du, wie es scheint, allerhand vorhast. Wenn das Dein fester Wunsch ist, dann hätten wir uns aber schon dranhalten können. Bis jetzt haben wir aber doch immer davon abgesehen, weil ich nicht haben wollte, daß Du allein bist und weil es vielleicht besser wäre, wenn wir eine größere Wohnung hätten. Für mich wäre es ja zweifellos bequemer, wenn ich die erste Zeit nicht daheim bin, denn dann hätte ich ja meine Ruhe, wenn ich einmal wieder daheim bin und es wäre schon größer. Das sind schon so Altherrenmanieren, die nach Bequemlichkeit aussehen,. Du weißt ja, daß ich noch nicht so wacklig bin und daß ich mir da nicht viel daraus mache. Aber das hat wohl keinen Zweck, daß wir diese ganze Angelegenheit nur auf schriftlichem Wege erledigen. Ich denke, daß ich auch noch dazugehöre.
Daß Du wieder einige Päckchen erhalten hast, freut mich wieder sehr. Es ist schon gut, daß Du die Rosinen alle einmal durchgesehen hast. Wenn sie sich halten, dann ist ja alles in Ordnung. Es wäre ja schade, wenn sie irgendwie schlecht würden. Das Päckchen Nummer 9 ist wohl noch nicht eingetroffen? Es ist ja nur Brot drin und derjenige, der es geklaut haben könnte, würde wohl keine große Freude daran haben. Die Schwämme sind anscheinend ausreichend. Ich habe mir auch erst gedacht, daß sie vielleicht zu klein sein könnten. Vielleicht kaufe ich bei Gelegenheit noch einmal einen größeren, den ich dann verwenden könnte, wenn Ihr zum Bad geht. Wenn sie aber ihren Zweck erfüllen, dann bin ich schon zufrieden.
Was nun das Gewehr von Kurt angelangt, so muß ich schon dazu lachen. Hat doch Paula Sorgen. Sie soll sich nur keine Gedanken um den Waffenschein machen. Wenn Kurt einen Waffenschein erhalten hatte, dann werde ich wohl auch einen bekommen. Ich glaube nicht einmal, daß dazu einer gehört. Ganz abgesehen davon wäre ich unter Umständen bereit gewesen, diese Gewehr herzugeben, wenn sie einmal in anständiger Form gefragt hätte, ob wir das Gewehr ihr als Andenken an unsere Kurt überlassen würden. Ich ärgere mich nur über diese Art, wie sie diese Sache anbringen. Sie hätte sich bestimmt nichts vergeben, wenn sie einmal darum gefragt hätte. Sie kann aber doch nicht erwarten, daß ich von mir aus sage, willst du dieses Gewehr haben. Diese Art und Weise, wie sie es bisher getrieben hat, sagt mir nicht zu und so gebe ich es auch nicht her. Ich habe mich immer korrekt aufgeführt. Ich verlange das aber auch von ihr; zumal weil sie ja schließlich etwas haben will. Ich denken, daß wir in dieser Beziehung alle gleicher Meinung sind. Frage Vater, ob er meine Haltung verständlich findet.
Meine liebste, gute Annie! 19.12.43
Bemerken will ich gleich, daß ich heute keine Post erhalten habe, nachdem ich gestern die beiden Doppelbriefe von Dir erhielt. Die sind ja auch noch nicht ganz beantwortet, so daß ich schon noch Stoff habe. Du lobst mich schon wieder, daß ich das Öl für Euch besorgt habe. Ich kann Dir sagen, daß es nicht viel ist. Es handelt sich höchstens um einen Liter, aber doch freut es mich, daß ich es habe. Es wäre mir zwar noch lieber, wenn es schon bei Dir wäre. Aber das werde ich auch noch schaffen.
Ja, Du wunderst Dich, dass hier solche Dinge möglich sind und daß sich die Kommunisten so in den Heimen festsetzen konnten. Das ist hier keine Sache, die verwunderlich erscheint. Hier werden aus den Ortschaften am hellen Tag Männer und Frauen von den Kommunisten herausgeholt und werden mit in die Berge verschleppt. Sie müssen dort Dienst leisten und werden nicht erst lange gefragt, ob sie wollen oder nicht. Wer auf der Liste steht, der hat sich zu verantworten, ohne daß wir es hindern können. Da wir uns hier nicht groß in die inneren Verhältnisse einmischen, so haben die hiesigen Organe sich selbst damit zu befassen. Solange wir nicht selbst in Mitleidenschaft gezogen werden, kann es uns nicht weiter stören. _ Heute haben wir nun den letzten Adventssonntag und nächsten Sonntag ist schon Weihnachten. Was werdet Ihr wohl heute am Sonntag treiben? Vielleicht sitzt Ihr zusammen und spielt oder erzählt Euch was. Hier ist es nun wirklich kalt geworden. Seit einigen Tagen haben wir etwas überheizt. Viel ist es nicht, aber man muß nicht direkt frieren. Die Tage vorher war es schon empfindlich kalt, wenn man den ganzen Tag ohne Heizung im Büro sitzen muß. Um eines bin ich immer noch recht froh und das ist der Schlafsack. Wenn man so sagen soll, dann ist das meine Erholung aber auch mein Wärmespeicher. Denn vom Hotel habe ich eine Decke erhalten und meine beiden Decken habe ich schließlich auch noch. Aber die Betten sind so kalt, daß ich mir unter anderen Umständen daher, wenn ich keinen Schlafsack hätte, mir einen Strohsack wünschen würde, denn der gibt von unten her ordentlich warm. Aber wie gesagt, frieren brauche ich nicht, denn ich kann mich richtig einmummeln. Auf den nahen Bergen lag auf den Höhen Schnee, der aber im Laufe des Tages wieder verschwand. Das kommt einem sonderbar vor, wenn man an den heißen Sommer oder an die heißen Tage bis noch vor kurzer Zeit denkt. Der Unterschied ist doch auch recht merklich.
Von Deinem Vater bekam ich heute eine Brief, in dem er mir den Eingang meiner Rauchwarensendung bestätigt. Nach seinem Schreiben zu schließen, muß ich ihm ja einen mächtigen Gefallen damit getan haben. Vor Dankbarkeit kann er sich nicht genug fassen. Nun kam diese Sendung gerade nach diesem furchtbaren Erlebnis, dann wog dies doppelt auf. Mit hat es Spaß gemacht, daß ich ihm diesen Gefallen erweisen konnte. Den Brief lege ich Dir mit bei, denn es war sein Wunsch, daß ich ihn Dir gleich zusende. Dieser Angriff muß ihm anscheinend allerhand Nerven gekostet haben, denn aus allen seinen Briefen liest man noch den Schrecken heraus, den sie durchgestanden haben. Ich weiß genau, es ist keine Kleinigkeit und wie er ja selbst schreibt, nutzt uns alles Weichwerden nicht, denn es muß durchgestanden werden. Froh ist man um jeden Tag, an dem man noch gute Nachrichten von daheim erhält, denn die tägliche Sorge ist groß, wenn auch Konstanz gewissermaßen abseits der großen Straße liegt. Aber die vielen Durchflüge sind keine Kleinigkeit und wie es der Fall Liggeringen gezeigt hat, achten diese Lumpen ja nicht weiter darauf, wo sie die Sachen hinwerfen. Aber wir wollen immer das beste hoffen.
Die Weihnachtssonderzuteilung ist doch ganz ordentlich. Wenn Du für 3 Personen das erhältst, dann kannst Du doch schon eine Kleinigkeit damit anfangen. Weite Sprünge kann man damit nicht machen, aber man freut sich ja darüber. Wie bist Du eigentlich darauf gekommen, Bonbons zu „gießen“, wie Du schreibst? Ist das noch ein Rezept von Deinem Großvater, oder wo hast Du die Anregung dazu her? Ja, die Zuckerbäcker. Die Kinder werden sicherlich das Ergebnis Deiner Künste nicht verschmäht haben. Wenn wieder einmal Frieden ist, werde ich ja in dieser Hinsicht noch allerhand probieren müssen. Wenn es zu verdauen ist, dann will ich nicht weiter sagen, aber wenn ich mit Vorsicht herangehe, dann musst Du das mir nicht übel anrechnen, das hängt mit meiner Schüchternheit zusammen, und ich bin ja auch sonst vorsichtig. Ich gehe doch mit Dir auch immer sehr vorsichtig und rücksichtsvoll um Ich fuchse Dich doch kaum, und ich versuche es auf alle nur mögliche Art zu vermeiden. Leider läßt es sich nicht immer ganz umgehen, aber dann bin ich immer vorsichtig genug, denn ich müßte ja sonst damit rechnen, daß ich einmal eine fange.
Aber jetzt will ich es genug sein lassen. Bleibt alle schön gesund, meine lieben Drei, laßt Euch auch recht herzlich küssen von Deinem Ernst.
Ich finde dann noch eine Besprechung über den Film, von dem ich Dir neulich schrieb. Vielleicht interessiert sie dich. Die Briefe sind ja alle wieder zum Aufheben.
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