Dienstag, 18. Dezember 2018

Brief 500 vom 20./21.12.1943


Mein liebstes Mädel!                                                                      20.12.43   
        
Über die Mittagszeit habe ich für Euch wieder ein Päckchen fertiggemacht mit einigen Apfelsinen und Mandarinen. Es hat die Nummer 23. Die Apfelsinen erhielt ich mit der Verpflegung und die Mandarinen habe ich gekauft, damit sich das Päckchen auch lohnt. Ich hoffe, daß es gut ankommt und daß Euch die Früchte schmecken. Die nächsten Apfelsinen  esse ich wieder selbst, damit Du nicht schimpfst. Du mußt mir einmal mitteilen, wie diese Sachen angekommen sind, damit ich sehe, ob es sich verlohnt. Die Abschrift des Geburtsscheins habe ich erhalten. Es ist also gut möglich, daß die Louise Mirsch an einem anderen Tag geboren ist, als es Dein Vater aufgeschrieben hatte. In dieser Beziehung ist er etwas oberflächlich, denn er ist da der Ansicht, da kommt es doch nicht mehr darauf an. Ich werde ja sehen, was ich wieder für Antwort erhalte. Das Pfarramt von Dittersbach hat bis jetzt noch nichts hören lassen. Wenn noch einige Zeit hingegangen ist, dann mahne ich an. Die können mir ja immerhin Bescheid geben, ob sie es machen oder nicht. Ich kann ja noch warten.
Gestern bin ich noch mit einem Soldaten zusammengekommen, mit dem ich jetzt öfter Briefmarken tauschen will. Ich habe schon wieder einige bekommen, so daß diese Spezialsammlung schon ganz schön anläuft. Die Marken von der Ukraine haben kein großes Interesse bei den Händlern hier gefunden, dagegen war der Soldat wieder froh darum. Was meinst Du, ob ich einmal Kuster schreibe, ob ich ihm hier Marken besorgen oder gegen deutsche doppelte von ihm tauschen soll? Ganz umsonst sollte ich es auch nicht machen, denn dafür müssten wieder einige für mich abfallen. Du kannst mir ja schreiben, was Du davon hältst. An diesen Mann hier kann ich noch allerhand deutsche Marken loswerden, die ich reichlich doppelt habe. Ich denke doch, daß Du mir einmal mehrere zuschickst, damit ich hier weiter operieren kann. Siehst Du, nun fange ich schon an zu drängen und bin nicht einmal dankbar für Deine treue Mithilfe. Ich schreibe Dir auch einmal eine Widmung in mein Album, weil Du mich so schön jetzt unterstützt hast. Ist das nicht fein? Da freust Du Dich doch sicherlich darauf. Na, höre einmal, das ist doch auch etwas.
Der Weihnachtsbrief der Kinder gin auch schon ein.  Ich hebe ihn ebenfalls auf. Ich werde mich dann schön still in meine Bude setzen und alle Sachen von daheim mit zu Gemüte ziehen. Dazu werde ich mir Eure Bilder hinstellen, damit Ihr mit mir hier auch zusammen seid.
Mit Arbeit bin ich ja reichlich eingedeckt. Was ich vorher wenig zu tun hatte, das liegt jetzt zuviel da. Ich kann ja nur eins nach dem anderen machen. Ich denke auch nicht daran, nur allein für andere hier den Dackel zu machen, weil sie zu faul sind, selbst etwas mitzuarbeiten. Unser Oberinspektor ist doch jetzt im Urlaub, nun habe ich meine Arbeit und seine auch noch mit zu erledigen. Wie ich Dir schon einmal kurz andeutete, hat diese Mann große Pläne im Kopf und denkt, die anderen sollen sie nur ausführen. Diese Brüder sind ja ängstlich und auch zu unselbständig, um etwas selbst zu machen. Aus diesem Grund wälzen sie dann die ihnen unangenehmen Sachen auf uns ab, weil wir ja wissen müssen, wie es gemacht wird. Ich frage mich manchmal, wie kommen solche Menschen in solche hohe Regierungsstellen. Wenn es vertrocknete Beamte gibt, dann sind es aber diese Herren. Nach meiner Ansicht müsste da nach dem Krieg ein frischer Zug durch diese Amtsstuben wehen, damit sich diese faulen Gesellen verziehen. Von Kameradschaft oder persönlicher Anteilnahme ist aber auch keine Spur vorhanden. Mag der Oberst Claßen in Charkow gewesen sein wie er will, aber in dieser Richtung hat er sich auch einmal um andere Dinge angenommen, die er hätte nicht machen müssen. Das ist aber alles nicht so tragisch, es kommt ja doch mit der Zeit alles einmal anders.
Jetzt hat man erkannt, daß die Teuerung im Lande soweit gestiegen ist, daß man unseren Index wieder einmal erhöhen muß. Bisher waren es 3600, mit der morgigen Auszahlung erhalten wir den Wert einer Mark mit 7200 Drachmen rückwirkend ab 1.12. Das wird aber alles nicht viel nützen, denn sobald die hiesigen Kreise merken, daß wir den Index erhöht haben, werden die Preise erneut steigen. Wir sind eben gezwungen, diese Stufenleiter mitzuklettern, wir haben ja die feste Zuversicht, daß alles zu einem guten Ende führt und das ist die Hauptsache.
Lasse Dich, mein liebstes Mädel, vielmals herzlich grüßen.  Grüße die Kinder ud Vater ebenfalls herzlich von mir. Dir gebe ich wieder einen Kuss und bin wie immer Dein Ernst.

Meine liebe, gute Annie!                                                                                 21.12.43  
 
Ich schrieb Dir doch gestern, daß wir wieder eine Erhöhung unsere Index erfahren haben. Heute bin ich nun gleich über die Mittagszeitlosgeschoben und habe mein Geld an den Mann gebracht, damit ich nicht allzu große Verlust erleide. Sobald die Griechen merken, daß wir wieder etwas mehr Spielraum haben, dann fangen die Preise wieder an rapid zu steigen. Ich habe wieder einmal Rosinen gekauft und ausnahmsweise ein Paket Feigen. Die schicke ich Dir wieder mit zu. Außerdem habe ich noch einmal Maismehl gekauft, das ich jetzt bei diesem Index mir wieder leisten konnte. Aber nun ist das meiste Geld schon wieder flott. Einige kleine Briefmarken habe ich mir auch erstanden, die mir zur Ergänzung meiner deutschen Briefmarken dienen.  Schreibe mir doch bitte einmal. was ich von den deutschen Kolonien an Marken habe. Da teilst Du mir den Wert und das Land mit. Bei einigen , da unterscheidet man zwischen Cents und Pfennigen. Ja siehst Du, Mädel, jeden Tag habe ich in dieser Beziehung neue Wünsche. Ich hoffe aber, daß sie Dich nicht allzu sehr in Anspruch nehmen.
Für diesen Satz werde ich ja wieder eins auf den Deckel kriegen. Aber gesprochen ist gesprochen und geschrieben ist geschrieben, da läßt sich nichts mehr daran ändern. Ich werde aber diesen Schlag mit Würde hinnehmen und ihn zu tragen wissen.
Post ist auch heute wieder noch nicht eingetroffen. Vielleicht kommt am Nachmittag welche, aber man wagt ja schon nicht mehr zu hoffen, weil man sich doch nur noch überraschen lassen kann. Es wird aber schon wieder werden. Mit dem Wetter war das heute komisch.  Als ich früh aufstand, da hatte ich das Empfinden, daß es noch erheblich kälter geworden sein mußte. Als ich dann auf meinen Balkon heraustrat, da schien es mir wärmer.  Ich dachte erst, ich hätte mich getäuscht. Es war aber dann doch wärmer geworden. Das merkte ich dann, als ich auf die Straße kam. Über Mittag war es geradezu angenehm warm, daß man hätte fast den Pullover ausziehen können. Am Abend vorher hatte ich mir erst vorgenommen, nun den Mantel hervorzuholen. Da kannst Du sehen, wie schnell das Wetter wechselt. Man würde das alles besser verdauen, wenn man überall geheizte Räume vorfinden würde. Ich bin aber schon froh, daß die Büroräume, in denen ich mich ja die längste Zeit aufhalte, daß die durchheizt sind. _ Gestern war ich in dem Film „Anuschka“, der mir ganz gut gefallen hat. Vielleicht hast Du auch schon davon gelesen. Man kann ihn wirklich empfehlen. Auch der film „Großstadtmelodie“, den ich mir vor einigen Tagen ansah, war sehr ordentlich. In beiden Filmen spielt die Hilde Krahl die Hauptrolle. Wie es mir vorkommt, fange ich an, mir auch einige Schauspieler zu merken. Das ist ja sonst nicht meine Stärke bisher gewesen.
Bis gestern stand noch nicht fest, wo ich Weihnachten feiern werde. Hier wird es nicht geschlossen von der ganzen Einheit, sondern getrennt begangen. Da feiern die Soldat en und die Offiziere getrennt. Dann noch eine andere große Abteilung, die feiert ebenfalls für sich. Nachdem ich aber zu allen drei Gruppen nicht gehöre, wirft sich für mich die Frage auf, wo bekomme ich meine Sachen her, die mir schließlich, wie jedem anderen Soldaten, zustehen. Das ist immer so eine heikle Frage für die maßgebenden Herren. Mir ist es ja an sich gleichgültig, denn ich habe nicht die Absicht, mit in irgendeinen Kreis hineinzudrängen. Nachdem ich im vergangenen Jahr in Charkow so schlechte Erfahrungen gemacht hatte, habe ich mich hier nun gleich erkundigt, damit man mir dann nicht sagen kann, es sei keinem etwas bekannt gewesen. Also der langen Rede kurzer Sinn. Ich feiere nun mit unseren Männern von der Stabskompanie. Die Feier selbst findet, soviel  bis jetzt bekannt ist, am Heiligabend selbst statt. Ich denke aber, daß ich vorher noch Gelegenheit habe, mir eure Päckchen aufzumachen und Eure Briefe zu lesen. Viel werde ich mit meinen Gedanken nicht bei dieser Feier sein, den ich werde wohl immer wieder an Euch denken, wie Ihr wohl daheim beieinander sitzen werdet.
Ich schicke Dir heute einige Briefmarken mit, die Du mir mit in mein Album legen kannst. Ob ich die eine blaue mit dem Kopf schon habe, weiß ich nicht. Sieh doch bitte einmal nach, wenn ja, dann hebst Du mit die bessere auf und die weniger gute schicke wieder mit hierher. Die anderen habe ich ja noch nicht, soviel mir in Erinnerung ist.
Ich grüße Dich, mein liebster Schatz, recht herzlich.  Komm, lasse Dich wieder im Geiste küssen und gemeinsam verbrachter schöner Stunden gedenken. Nimm  mit den Kindern recht viele schöne Grüße entgegen von Deinem Ernst.

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