Samstag, 23. September 2017

Brief 324 vom 22./23.9.1942


Mein liebes Mädel !                                                                  22.9.42    
      
Den Brief vom 31.8. hat sich nach längerer Reise nun auch eingefunden. In diesem hast Du mir den Empfang des Butterpäckchens 33 bestätigt. Es hatte also in dem Heu, das ich aus meiner Schlafunterlage genommen hatte, nicht gelitten. Man müßte sich direkt einmal erkundigen, was man wegen der anderen Päckchen unternehmen kann. Vielleicht fragst Du beim dortigen Postamt nach, was zu tun ist. Soviel ich unterrichtet bin, müssen Nachforschungszettel ausgefüllt werden, die kannst Du mir vielleicht besorgen. Ich will dann zusehen, wie weit ich sie ausfüllen kann. Man muß sich jetzt wieder einmal darum kümmern, nachdem man sieht, daß auch diese Päckchenräuber in der Heimat sitzen. DAß Dein kleiner Vorrat etwas erweitert worden ist, freut mich sehr. Du mußt aber in meinen Briefen nachsehen, was ich in den verlorengegangenen Päckchen drin hatte. Ich notiere mir erst neuerdings, was ich abgeschickt habe, vorher ist ja nichts verloren gegangen. Deine Mitteilung über die Äußerung des Arztes wegen des Fortschrittes mit Helga hat mir auch wieder eine gewisse Beruhigung gebracht.  Hoffentlich nützt diese zusätzliche Kalknahrung für ihren Körperaufbau. Gut ist ja, daß Jörg auch seine Schulaufgaben macht, wenn Du ihn einmal daheim allein läßt. Es ist schon etwas wert, wenn man sich auf sie verlassen kann. Daß er sich einmal einen Streich leistet, das hängt mit der Entwicklung zusammen und das kann man ihm nicht so stark anrechnen. Ich habe aber heute noch außerdem Deinen Brief vom 13. , die 3 Päckchen Zeitungen und die 2 Päckchen mit den Ketten erhalten. Für diese Dinge danke ich Dir wieder vielmals. Ich will einmal sehen, was unsere Männer für die Ketten für Preise erzielen. Die Ketten sehen aber für die Preise ganz annehmbar aus. Die Kinder nutzen die Bade Gelegenheit aber fest aus. Sie haben vollkommen recht. Der Baldisch, der ja Baldischweiler heißt, und dessen Sohn Du bei uns im Marinesturm kennen gelernt hattest, ist bei der Konstanzer Jugend schon eine sagenhafte Figur. Er gehört zum Bad in Konstanz wie das Münster auf den Münsterplatz gehört.  Gestern bekam ich von Siegfried einen Brief. Ihn zu beantworten, hat jetzt keinen Zweck, denn ich muß ja die neue Nummer von ihm abwarten. An Helga habe ich gestern noch einen Brief geschrieben. Den Durchschlag habe ich Dir schon mit zugehen lassen. Weil ihr das beim letzten Mal gefallen hat, als ich von den Störchen berichtete, habe ich mich wieder erinnert, und habe das, was ich bei meiner Durchfahrt gesehen habe, als Ergänzung nachgetragen. Ich hoffe, daß es ihr Freude macht.  Du klagst in Deinem Brief über die vielen Fliegen. Ich kann hier nicht mitreden. Wir haben hier nicht viel Schnaken und die Flieg3en sind auch nicht in allzu großer Zahl vorhanden. Wir haben ja auch fast nichts Eßbares herumliegen, das macht schon viel aus. Auch mit dem anderen Ungeziefer geht es jetzt. Ich habe von Wanzen bis jetzt nicht weiter gemerkt.  Aus einem anderen Brief hast Du bereits gelesen, daß bei unserer Einheit Radio ist.  Wir haben diese unseren Schreibern zur Verfügung gestellt, weil wir tagsüber doch keine Gelegenheit zum Hören haben. Erstens geht da der Strom nicht und abends sind wir doch meist im Kasino. Wenn wir also hören wollen, dann müssen wir zu unseren Mannschaften gehen. Den anderen Apparat hat unser Chef; den kann man wieder schlecht fragen, wenn er uns nicht von selbst einlädt. Was wichtig ist, erfahren wir sowieso und wie ich schon schilderte, haben wir am Tag keine Gelegenheit, uns hinzusetzen, um Radio zu hören, auch am Sonntag nicht. Wenn man sich nicht einmal freifragt, ist man hier dauernd gebunden.  Bei uns wird es merklich kühler.  Letzte Nacht hatten wir wieder ziemlich unter Null. Das schöne Wetter hält immer noch an. In der Sonne ist es auch ganz angenehm. Man hat nur zu wenig Gelegenheit, spazieren zu gehen, um sich die Sonne auf den Buckel scheinen zu lassen.  Lasse es heute wieder genug sein. Nimm recht viele herzliche Grüße und Küsse entgegen von Deinem Dich liebhabenden Ernst.


Mein liebster Schatz !                                                                  23.9. 42       
   
Bald ist wieder Abend. Der Tag ist wieder arbeitsreich. Ich komme erst jetzt zum Schreiben. Gegen ½ 6 Uhr kommt man ohne Licht nicht mehr aus. Ich muß mich dazu halten, um noch den größten Teil des Briefes fertig zu bekommen. Licht haben wir nicht immer.  Sehr oft bekommen wir es erst gegen 8 Uhr, manchmal auch später oder es wird bald wieder abgeschaltet. Damit hängt auch unsere Wasserzufuhr zusammen. Vielleicht bessert sich das im Laufe der Zeit noch etwas. Nach dem gegenwärtigen Stand muß man aber immer eher mit dem Nichteintreffen rechnen.  Ich habe heute an die Stadtverwaltung geschrieben, daß ich nicht an dem Lehrgang teilnehmen kann. Durchschlag meines Schreibens habe ich Dir zur Kenntnis beigefügt.  Ich habe bei dieser Gelegenheit nochmals auf mein Gesuch hingewiesen. Bis jetzt habe ich ja noch keinen Bescheid erhalten. Es kann ja sein, daß sie erst auf mein Einrücken zum Lehrgang warten, um dann bei meinem Nichterscheinen abzulehnen. Ich habe Dir ja schon geschrieben, daß ich mich damit nicht zufrieden gebe und mich wehren werde gegen eine weitere Zurückstellung. Ich werde ja sehen, was man mir zu berichten weiß.  Post ist heute keine von Dir eingegangen. Es kann ja sein, daß noch etwas kommt. Auf die Abendpost habe ich im allgemeinen aber wenig Hoffnung. Über unseren Dienst kann ich Dir nichts weiter berichten, denn es geht immer seinem gewohnten Gleichmaß weiter.  Neue Beamte kommen bei uns an, werden an ihre Einheit weitergeleitet. Andere werden wieder versetzt oder Erkrankte kommen in die Heimat zurück. Fragen des Beamteneinsatzes werden erledigt und ausgeglichen. Die Aufsicht über die Arbeit der uns untergeordneten Stellen wird ausgeübt und Anordnungen zur Verbesserung der Verwaltung und zur Ergänzung der Bestimmungen werden herausgegeben. Einzelheiten kann man nicht erzählen, das ist Dir ja verständlich. Mit dem Ablauf der Tage schwinden die Wochen und ehe man´s versieht, ist wieder ein Monat vergangen. Gut ist, daß man immer eingespannt ist, wenn einem das manchmal auch zum Halse heraushängt. Doch alles Murren ist zwecklos, weil man weiß, daß es gemacht werden muß. Im großen und ganzen habe ich mich hier eingelebt. Der Inspektor wollte mir das alles hier überlassen, um vor meiner Abkommandierung zum Lehrgang noch einmal in Urlaub fahren zu können. Dies ist ja nun durch den gegenteiligen Bescheid ins Wasser gefallen; für ihn, wie für mich. Es ist sehr vielseitig, was zu machen ist und ziemlich aufgespalten, aber mit der Zeit läßt sich das auch übersehen. Das ist nur ein ganz kleiner Abriß von dem, was hier zu machen ist. Die Tätigkeit unterscheidet sich von der Arbeit bei der Feldkommandantur dadurch, daß wir uns mit den kleineren Angelegenheiten nicht so abgeben  und von Einzelheiten ganz abgesehen.  Ich hatte erst schon einmal geschrieben, daß Du mir verschiedene Sachen als Dienstpaket zugehen lassen sollst. Ich hatte davon abgesehen, weil ich dachte, daß es mir vielleicht über den Winter doch zu dem Lehrgang reichen würde. Dann wäre das ein Unfug gewesen, wenn man die Sachen erst hierher geschickt hätte und dann wieder hätte mit nach hause nehmen müssen. Aus diesem Grunde habe ich nichts weiter von mir hören lassen in dieser Angelegenheit. Jetzt mit dem Eintritt der kälteren Witterung muß ich mich doch daran halten. Ich schreibe Dir in diesen Tagen, was ich von hier erfahren kann, was Du zu machen hast. Auch das, was Du mir schicken sollst, schreibe ich Dir dann mit.  Ich grüße Dich, mein liebes gutes Mädel recht herzlich. Ich denke sehr viel an Dich, das kannst du mir glauben. Dein großes Bild steht in meinem Zimmer auf dem Tisch. Abends, wenn ich Schluß mache, ist es das Letzte mir, was ich sehe und morgens mit dem Blick zur Uhr, das erste, was mir ins Auge fällt. Hier, auf meinem Schreibtisch, kann ich es nicht behalten, weil ich dazu zu wenig Platz habe. Küsse auch die Kinder vielmals von mir und nimm Du selbst recht herzliche Küsse entgegen von Deinem Ernst.
Ein kleines Päckchen mit hundert Briefumschlägen habe ich wieder an Dich heute mit abgesandt. Damit ist Dein Bedarf für die nächste Zukunft wieder gedeckt, oder nicht ?


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