Freitag, 15. September 2017

Brief 318 vom 10./11.9.1942


Meine liebe Frau !                                                                     10.9.42         
  
Herzlichen Dank für Deinen Brief vom 30.8., den ich gestern erhielt und über den ich mich sehr gefreut hatte. Die Bilder, die Du mir mitgeschickt hattest, haben mir wieder besondere Freude gemacht. Sie sind alle gut geworden. Ich glaube, daß ich nach dem Kriege bald zu Dir in die Schule gehen muß, wenn ich wieder fotografieren will. Ich kann nur sagen, daß Du Deine Sache ausgezeichnet gemacht hast. Ich denke, daß sie auch für Erna eine schöne Erinnerung sein werden.  Du hast ja nun auch erfahren, wo ich mich befinde und wie ich untergebracht bin. Das ist für Dich wohl immer eine Beruhigung, wenn Du weißt, wo ich mich aufhalte.  Bis jetzt sind die Kameraden immer noch nett. Es hat wohl jeder seine Eigenheiten, aber diese muß man in Kauf nehmen, und man muß sich nach ihnen richten, dann geht es am besten.  Gestern kam ich nicht zum Schreiben. Mir war es am Vormittag nicht gut. Da habe ich mich erst etwas umgelegt. Für den Nachmittag hatte ich eine Theaterkarte. Das Programm habe ich beigefügt. Es war einmal interessant, zu sehen, wie die Russen ihre eigenen Stücke spielen. Es kann ja sein, daß durch die Hinzuziehung von Aushilfskräften die ganze Aufführung nicht das abgerundete Bild ergab, was man erwartet hatte. Ich will damit nicht sagen. daß es mir schlecht gefallen hätte, aber die Aufführung wurde etwas beeinträchtigt. Während der Pause erlebt ich dann eine Überraschung. Auf meiner Versetzungsfahrt hatte ich in Mirgorod doch noch die Kameraden und die Schwestern vom Soldatenheim besucht.  Diese traf ich alle während der Pause. Zur Entgegennahme neuer Befehle halten die sich hier auf und fahren in den nächsten Tagen in die verschiedensten Himmelrichtungen. Man trifft doch immer wieder jemand, wenn man sich so von einer Einheit zur anderen begibt und dadurch die Leute kennen lernt.  Du wunderst Dich, daß sich die Leute geniert haben, mich mit meiner alten Kluft ins Kasino zu lassen. Du mußt dabei bedenken, daß man hier schon in der Etappe lebt. Die Herren haben meist mehrere Uniformen, so daß die ihre Sachen immer sauber halten können. Wenn man dann in diesen Haufen so hineingeschneit kommt, fällt man ohne weiteres auf. Da fragt ja keiner danach, warum und weshalb. Man sieht nur, daß er schäbig aussieht, und nach diesem Eindruck wird man dann gleich beurteilt. Ich habe ja eine bekommen und man fühlt sich ja wohler, wenn man wieder etwas Sauberes auf dem Leib hat.
Vorgestern habe ich noch an Nannie zum Geburtstag geschrieben.
Den Durchschlag habe ich mit beigefügt. Einige schlechte Fotos, die in Frankreich noch von mir gemacht wurden, habe ich beigefügt. Du kannst sie mit aufheben, wenn Du willst, kannst sie aber auch vernichten.  Wenn Ihr die Äpfel jetzt richtig verwendet, dann habt Ihr doch für den Winter etwas. Das Apfelmus und die Ringe sind dann eine willkommene Abwechslung. Bis es wieder neues Obst gibt, vergeht eine lange Zeit, dann ist man immer froh, wenn man einen gewissen Vorrat hat. H elga hat anscheinend eine ordentliche Lehrerin bekommen. Wenn sie gesunde Ansichten hat, dann profitieren die Kinder ja auch dabei. Es wird gut sein, wenn man da immer etwas Obacht gibt. Je nachdem hat man ja auch ein Vertrauen zur Schule. Denn die Eltern haben doch ein Interesse daran, daß ihre Kinder etwas lernen. Uns geht es jedenfalls so.  Wenn eine gewisse Zeit vorbei ist, kannst Du mit ihr wohl einmal reden.  Wegen des Bildes, auf dem Du lachst, kann ich nur sagen, daß es mir mir genau so gefällt wie die anderen auch Wenn Ihr Grund gehabt habt, Euch zu freuen, dann ist es recht so gewesen.  Die Zeit ist an sich schon erstn genug, darum soll man jeden Anlaß zur Freude ausnutzen. Da hast Du ganz recht gehabt.  Bleibt mir alle gesund und seid recht herzlich gegrüßt und vielmals geküßt von dem viel an Dich denkenden Ernst.


Mein liebster Schatz !                                                  11.9.42         

Deinen Luftpostbrief vom 5. erhielt ich gestern. Gelesen habe ich, daß Du mit Post jetzt laufend versorgt wirst. Über Helgas Geburtstag hast Du mir auch berichtet, so daß ich diesmal darüber ziemlich schnell unterrichtet bin.  Wie ich sehe, habt Ihr ihr einen schönen Tag bereitet, an dem sie sicher ihre Freude gehabt haben wird. Sie hat ja auch allerhand schöne Sachen bekommen, die ihr teilweise noch längere Zeit Beschäftigung geben werden. Die Leseratte ist doch zufrieden, wenn sie Bücher bekommt. Unser Blumenfreund hat selbstverständlich an Blumen gedacht. Daß Du ihr gewissermaßen als einen Gruß von mir aus dem Garten noch einen Dahlienstrauß geholt hast, war sehr lieb von Dir. Auch der Gang in ein Cafe wurde nicht unterlassen. Da hat sie nun auch all das gehabt, was Jörg in dieser Hinsicht auch erhalten hat. So anspruchsvoll ist sie im allgemeinen nicht, daß man es nicht erschwingen könnte. Mit Kleidung wurde sie auch bedacht, ich denke, daß sie im allgemeinen, wenn man die Kriegsverhältnisse berücksichtigt, nicht zu kurz weggekommen ist.  Nachdem es erst so unsicher war, ob Dein Vater doch noch zu Besuch kommt, hat mich die Begründung seiner Reise doch etwas überrascht. Wie es scheint, legt er doch mehr Wert auf die Aufrechterhaltung der Beziehung wie er in vielen seiner Briefe glauben machen wollte. So ging es ja auch nicht, wie er es viele Male versucht hat. Er kann uns doch nicht so einfach vor den Kopf stoßen und sagen, mit meinen Entschlüssen müßt ihr euch zufrieden geben. Ich bin der Ältere und habe ein Anrecht auf das, was ich mir vorgenommen habe. Wir haben doch die vielen Male erklärt, daß wir gegen eine Heirat nichts einwenden, wenn er meint, es es muß für seine Existenz so sein, doch es war nicht notwendig, daß er sich nun Hals über Kopf in dieses Abenteuer einläßt. Er muß es selbst ausbaden, dabei hilft ihm niemand, doch er hatte etwas damit warten können. Gar so eilig, wie er es immer hinzustellen versucht, war es bestimmt nicht. Wir haben dieses Thema schon oft von allen Seiten beleuchtet, daß es eigentlich nicht mehr notwendig ist, viel darüber zu schreiben. Ich hoffe, daß Ihr in Ruhe auseinander kommt. Ich lege großen Wert darauf, daß Du Dich nicht aufregst und daß das, was während des Urlaubs von Erna gutgemacht worden ist, wieder verdorben wird. Da die Briefe nicht ganz so schnell gehen, wie ich erst annahm, sende ich diesen auch mit Luftpost. Zwei Marken für Dich liegen ebenfalls wieder bei und eine Zulassungsmarke für Päckchen. Ich hätte heute einen Wunsch wegen der Päckchenmarken.  Könntest Du mir ein Glas Marmelade schicken, Wir bekommen jeden Morgen Eier. Ich kann sie schon nicht mehr sehen und lasse mir jetzt rohe Eier bringen, die ich für Euch aufhebe und an Euch wegschicken werde. Mir schmecken sie schon nicht mehr und für Euch sind sie sicher eine willkommene Hilfe. Wenn Du es machen kannst, dann hätte ich hier etwas Abwechslung. Vielleicht läßt es sich machen, daß Du ein Gefäß sendest, in das man evtl. Butter hineintun könnte. Sobald ich dann wieder welche bekomme, sende ich es Dir dann zurück. Die anderen Päckchen müssen wir wahrscheinlich abschreiben. Es ist schade darum, aber diese Gauner müßte man einmal erwischen. Wenn man nicht erst den Wechsel mitgemacht hätte, hätte man einmal der Sache nachgehen müssen.  Wenn ich Dir geschrieben habe, daß die letzten Rasierklingen nicht viel getaugt haben, so gilt diese Kritik nicht Dir, sondern das sollte für Dich nur ein Hinweis sein, wie schlecht das Zeug jetzt geworden ist. Wenn Du keinen Schneid hast, die Beerensträucher zu verschneiden, dann lasse es nur einmal sein. Vielleicht geht es auch einmal so. Ich habe es bis jetzt immer noch in jedem Jahr machen können. Wenn es nun einmal unterbleibt, wird es nicht so schlecht sein.  Ich nehme an, daß mein Brief etwa mit der Ankunft Deines Vaters zusammentrifft. Richte ihm bitte meine Grüße aus. Im übrigen hatte Dich an das, was ich Dir heute geschrieben habe. Dir und den Kindern recht herzliche Grüße und viele Küsse von Deinem Ernst.

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