Donnerstag, 7. September 2017

Brief 316 vom 5./6.9.1942


Mein liebstes Mädel !                                                            5.9.42     
   
Der vorletzte Geburtstag des Jahres wird in der Familie heute gefeiert. Helga hat insofern Pech, als sie heute in die Schule gehen muß, während Jörg schulfrei hatte. Ich glaube aber, daß Helga in Bezug auf das was ihr geschenkt wird, nicht hinter ihm zurücksteht. Sie wird heute ebenso ihre Freude haben, wie sie Jörg auch gehabt hat. Wir haben ja immer darauf gesehen, daß jedes in gleicher Weise bedacht wurde, damit sich keines zurückgesetzt fühlte. Ich nehme an, daß dieses Empfinden bei Beiden ernstlich auch noch nicht aufgekommen ist. In diesen Tagen muß ich auch noch an den Geburtstag von Nannie denken. Ich werde ihr einen Brief senden, damit sie merkt, daß man sie noch nicht vergessen hat. Aus unserem Verwandtenkreis ist dann in diesem Jahr niemand mehr, an den in dieser Beziehung gedacht werden muß.
Von Jörg bekam ich gestern einen Brief, den ich ihm heute früh gleich beantwortet habe. Ich denke, daß ich nun nicht mehr lange warten muß auf die direkte normale Post von Dir. Wenn die direkte Verbindung aufgenommen ist, hat man erst wieder eher etwas Ruhe.  Du bist in dieser Beziehung bis jetzt noch nicht so in Mitleidenschaft gezogen worden. Ich habe schon viel auf Post warten müssen. Bei der letzten Änderung bin ich ja noch gut weggekommen. Es ist aber doch ein anderes Gefühl, wenn man weiß, es klappt wieder.  Vom Wetter kann ich berichten, daß es immer noch sehr schön ist. Vor wenigen Tagen war ein kräftiges Gewitter, mit dem gewissermaßen die Periode des Sommers abgeschlossen ist. Denn seit diesem Tag herrscht wohl wieder schönes Wetter, aber die Wärme macht sich nicht mehr fühlbar. Heftige Winde lassen die Wärme nicht mehr aufkommen, so daß man vom Anfang des Herbstes reden kann. Ein Sommer ist nun wieder dahingegangen, von dem man nichts gehabt hat. Ich kann höchstens sagen, daß ich in diesem Jahre einige Male im Freien baden war. Das hatte ich die vorhergehenden Sommer nicht gehabt. Mit allem findet man sich ja ab, weil einem nichts anderes übrig bleibt.  Gestern haben wir unseren Obersten verabschiedet. Wir haben ihn auf den Flugplatz gebracht. Er ist einer der wenigen Menschen, den ich als Offizier habe schätzen gelernt, obwohl ich nicht viel, oder besser gesagt, dienstlich näher zusammengekommen bin. Bei dieser Verabschiedung bin ich auch das erste Mal auf so nahe Entfernung an Flugzeuge von der Größe herangekommen. Es war also auch in dieser Hinsicht interessant. Abgesehen von den hohen Tieren, die dort versammelt waren. In deren Schatten verblaßt man ja ganz und gar. Vor allem wenn so  Generale und Ritterkreuzträgerherumstehen.  Die Preise, die ich dir einmal mitsenden wollte, hatte ich letzthin vergessen. Ich habe sie heute einmal beigefügt. Ein Rezept, wie man Kuchen backen kann, sozusagen aus dem Nichts, habe ich Dir beigefügt. So weit ist es schon, daß ich mich um Rezepte kümmere.  Einer unserer Herren hat es probiert. Du kannst ja damit machen, was Du willst. Vielleicht kannst Du es auch schon. .  Für heute sende ich Dir und den Kindern recht herzliche Grüße und viele Küsse. Dein Ernst.

Mein liebster Schatz !                                                             6.9.42    
      
Die Post ist noch nicht ganz durchgedrungen. Zeitungen, die am 28. abgesandt waren, erhielt ich gestern. Briefe sind von Dir noch keine angekommen. Lange kann es also nicht mehr gehen. Für die Zeitungen danken ich Dir vielmals. Einen großen Teil habe ich davon ausgelesen, denn da stürze ich mich immer gleich darüber her. Die Zeitung „Das Reich“ bietet immer allerhand und man ist immer auf dem Laufenden. Es kommt wohl immer etwas später als die Ereignisse, doch man ist immer wieder im Bilde, was gewesen ist.  Im allgemeinen bin ich hier wieder eher unterrichtet, denn ich habe täglich eine Zeitung. Sie reicht zwar nicht an die Brüsseler Zeitung heran, denn sie hat nur eine und an manchen Tagen zwei Seiten. Die Hauptsache bekommt man aber schon zu lesen. Radio ist auch im Haus. Es fehlt also nichts weiter. Übrigens, die Kameraden, von denen ich weggegangen bin, haben jetzt auch wieder ihr Radio in Schuß, was ihnen auch eine Erleichterung ihrer langweiligen Lage bedeuten wird. Wenn ich gerade vom Radio schreibe, so kann ich Dir mitteilen, daß gerade abends vielfach bei uns der Belgrader Sender gehört wird, den ich schon in Frankreich so oft hörte.  Mitten beim Briefeschreiben mußte ich unterbrechen, denn ich bekam gerade Deine Briefe vom 27. und 28. ausgehändigt.  Wiederum 3 Zeitungspäckchen. Eins davon von Leipzig mit einem Gruß von Siegfried, der offenbar noch einmal Urlaub bekommen hat.  Ich danke Dir für alles. Vor allem aber für die beiden Vergrößerungen, die ich mir in den Rahmen stelle. Damit hast Du mir eine große Freude gemacht. Das sind mit die besten Aufnahmen, die wir von Dir haben. Ich hatte ja schon bemerkt, daß das Ernas Hut war.  Ich finde aber, daß er Dir nicht schlecht steht. Wenn Du Lust hast, kannst Du Dir einen zulegen. Ich habe nichts dagegen. Ich beantworte sie Dir morgen mit. Für heute soll dann dieser Gruß genügen. Ich sende Dir und den anderen noch viele Küsse. Dein Ernst.


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