Donnerstag, 7. September 2017

Brief 314 vom 1./2.9.1942


Mein liebster Schatz !                                                   1.9.42   
      
Das ist aber eine riesig nette Überraschung heute. Gewissermaßen in Erinnerung an unseren Hochzeitstag bekam ich Deinen lieben Brief vom 27, der erste an meine neue Anschrift. Größte Überraschung dabei waren aber doch die Bilder. Es ist schon gut, daß Du mir vorher einige Fotos gesandt hast, denn sonst würde ich Dich ja nicht wiedererkennen. Wenn ich tatsächlich einmal in die Lage kommen sollte, nach hause zu kommen. Ich muß einfach sagen, mir ist fast die Spucke weggeblieben. Du hast Dich ja bedeutend verjüngt und ich kann nur sagen, daß die Bilder vortrefflich geworden sind. Dem Fotografen muß ich mein Lob aussprechen, dem Objekt habe ich das bereits getan. Die Bilder wirken wie Reihenaufnahmen und sehen sehr gut aus. Mit welchem Apparat hast Du das gemacht? Hast Du eigentlich noch Filme oder wie steht es damit?  Wie gesagt, hast Du mir mit den Bildern eine Überraschung und eine Freude bereitet. Ich danke Dir nochmals herzlich dafür. Ich weiß nun nicht, hast Du nun diese Bilder nur machen lassen, damit ich sehe, was Du für eine Frisur hast oder liegt sonst eine Absicht dabei vor.  Diese Bilder waren von Tante Erna bei ihrem Besuch gemacht worden, es handelt sich um die Bilder, wo meine Mutter einen Hut trägt und die Haare offen trägt. Sie lacht auch herzlich, denn, wie Tante Erna mir nochmals erzählte, sie mußten so lachen, weil meine Mutter barfuß war, und dann den Hut auf dem Kopf hatte  Wie dem auch sei, ich finde, daß Du in dieser Aufmachung vorteilhaft aussiehst und ich erhebe nicht einmal Einspruch gegen Deine eigenmächtigen Maßnahmen. Im übrigen ist es doch so, daß eine Frau immer wieder einmal Gelegenheit haben muß, kleine Änderungen vorzunehmen. Das gehört nun einmal zum Vorrecht der Frau. Du wirst nun wieder meinen, daß es bei mir nicht ohne eine Spitze abgeht. Das ist aber nun wieder mein Vorrecht, das weißt Du ja. Kurz gesagt, lasse es so, wie Du es angefangen hast. Den Hut hast du wohl von Erna, denn nach längerem Betrachten kam er mir so bekannt vor. Erst dachte ich, was Du Dir wohl da für Neuigkeiten zugelegt hast. Nochmals mein Kompliment.  Mein Brief ist also doch länger gegangen, wie ich angenommen hatte. Schließlich habe ich aber nun doch Deine Antwort in Händen. DAß Du wieder Post gesammelt hast, läßt ja die Vermutung offen, daß ich wieder allerhand zu lesen bekomme. Wie Du aus meinen anderen Briefe gelesen hast, wird mir ja die Post von meinr alten Dienststelle nachgeschickt. Den Brief, den Du noch später abgeschickt hast, werde ich dann demnächst noch erhalten.  Daß Siegfried nun doch wegkommt, wird für ihn auch eine Umschulung bedeuten. Als Unteroffizier hat er aber schon gewisse Freiheiten, die ihm das alles leichter überstehen lassen. Mit dem vielen Auf-Urlaub-kommen ist es dann vorbei. Das wird er, wie auch Erna, sehr spüren. Doch auch er wird sich hineinfinden. Er hat ja noch Gelegenheit gehabt, mit Erna wieder einige Tag zusammen zu sein, das uns bis jetzt nicht möglich war. Ich denke in diesem Zusammenhang auch wieder an Kurt, dem es so darum gegangen ist. Den Durchschlag des an ihn gerichteten Briefes habe ich Dir gestern meinem Schreiben beigefügt.  Wie Du das wieder bewerkstelligt hast, den Schrank von zuhause noch im Schlafzimmer unterzubringen, das kann ich mir nicht so ohne weiteres vorstellen. Da wird es wieder ziemlich eng bei uns in der Wohnung zugehen. Ich glaube, daß es nach dem Kriege notwendig wird, eine neue Wohnung aufzuspüren.  Für diesen Schrank noch Platz zu finden, ist eben nur Deinem Organisationstalent möglich, das war schon immer Dein Geschick.  Mit dem Unterschied in der Arbeit zwischen der alten Dienststelle und jetzt muß man sich abfinden. Es hat doch keinen Zweck, wenn man sich deshalb graue Haare wachsen läßt, denn davon habe ich bis jetzt schon genug. Du siehst, man wird alt und dabei eitel.  Findest Du nicht auch?  In Liebe sende ich Euch recht herzliche Grüße und viele Küsse. Besonders Dir, mein liebes Mädel. Dein Ernst.


Mein liebster Schatz !                                                2.9.42  
     
Durch die FAK erhielt ich Deinen langen Brief vom 15.8. nachgesandt. Ich habe mich über die Ausführlichkeit gefreut, denn Du hast mir da allerhand geschrieben, was mich interessiert hat. Daß Dein Vater immer noch keine Ruhe gibt, hat mich etwas geärgert.  Ich kann dir nur das eine sagen, diesem Treiben sehe ich nicht mehr lange zu. Wenn er unbedingt Streit haben will und wenn er unbedingt mit uns brechen will, dann muß er nur so weitermachen.  Ich habe nicht Lust, diesem Theater noch lange zuzusehen. Auch die Art und Weise, wie er es mit den Transportkosten für den Schrank angebracht hat, ist schon bald mehr wie verletzend. Denkt er denn, daß er nur das Vorrecht hat, andere persönlich anzugreifen und daß der Angegriffene schön brav dazu schweigen muß, damit der Pascha nicht noch mehr gereizt wird. Wenn Du diesen Schrank nicht als Erinnerungsstück hättest haben wollen, und ich wäre daheim gewesen, so hätte ich diesen Schrank nicht angenommen und ihn wieder zurückgehen lassen. Das ist doch nahezu unverschämt.  Daß Du mit Deiner Meinung auch nicht hinter dem Berg gehalten hast, ist ganz in Ordnung. Wenn es so weitergeht, dann kann ich ihm schon noch einen ordentlichen Brief schicken, auf den er mir nicht mehr antwortet. Wenn ihn dieses Weibsstück so einwickelt und ihn womöglich noch gegen uns aufhetzt, dann soll er zusehen, wie er mit ihr selig wird. Schon aus den wenigen Äußerungen von Erna, die Du mir geschrieben hast, glaube ich zu erkennen, wie die Lage daheim ist. Daß das nicht gut tut, glaube ich heute schon zu sehen. Vor allem, wenn ich mir vorstelle, daß die alte Frau noch mit in die Wohnung kommt. Das wird eine schöne Stimmung geben. Einer von diesen Dreien muß ja nachgeben. Wenn Dein Vater seinen Querschädel in dem gleichen Maß behaupten will, wie uns gegenüber, dann wird es interessant werden. Ich kann Siegfried und Erna nur gratulieren, daß sie rechtzeitig ausziehen, denn das würden ja unhaltbare Zustände werden. Die Beiden würden sich zwischen diesem Gespann nur aufreiben. DAß Dein Vater so ein schlechtes Gewissen hat, liegt doch nicht an uns. Soll es einem nicht freistehen, Fragen, die einem unklar waren, zu bereinigen?  Wenn er meint, daß man über ihn spricht, dann muß er sich nun einmal damit abfinden. Er hat ja schließlich den Anlaß dazu gegeben und nicht wir. Ich billige Deinen Standpunkt vollkommen und pflichte Dir in jeder Hinsicht bei. Ich will mich nicht des weiteen über diese Dinge auslassen, denn ich komme doch nur immer wieder zu dem gleichen Ergebnis.  Mit den Briefumschlägen werde ich das in Zukunft beachten. Ich werde also nicht mehr aus der Eigenfabrikation so voll packen. Wenn ich einmal mehr zu schicken habe, dann nehme ich andere Umschläge. Der Geburtstagsbrief für Helga ist also schon ziemlich vor der Zeit angekommen. Das macht ja nichts. Ich wußte doch nicht, wie lange ich unterwegs bin und wann ich Gelegenheit habe, richtig zu schreiben. Das ist doch hier alles so unbestimmt, wenn man auf Achse geschickt wird. Der Fallobstanfall ist ja schon erheblich. Es ist demnach damit zu rechnen, daß noch ziemlich Äpfel oben hängen. Die gesamte Bohnenernte würde mich noch einmal interessieren. Die Brombeeren sind nach Deiner Schilderung nicht so gewaltig, daß sie noch den Ausschlag geben.  Die Adresse von Kurt habe ich von ihm inzwischen direkt bekommen. Antwort hat er auch schon erhalten.  Wenn ich mir Gedanken gemacht habe, wegen der Ernährungslage bei Euch, so ist das meines Erachtens nicht so ganz unbegründet. Vor allem im Hinblick auf das, was wir hier zu essen bekommen. Ich denke aber nicht nur an die Sommertage, wo Du noch aus dem Garten holen kannst. Der Winter ist bald wieder da und die Versorgungsbasis wird dann schmaler. Für diese Zeiten ist es dann von Vorteil, wenn Du etwas Rücklage hast. Ich habe wieder etwas Butter in einer Flasche. Ich schicke sie Dir wieder zu. Das Päckchen werde ich heute oder morgen fertig machen. Wenn Du irgendeine Blechbüchse oder auch einige da hast, in die man Butter hineintun kann, dann kannst Du mir diese übersenden. Ich hoffe, daß sich ab und zu einmal Gelegenheit bietet, welche zu besorgen. Wenn jetzt wieder die kältere Jahreszeit kommt, kann man diese wieder gut verschicken, jedenfalls besser wie bis jetzt. Auch etwas Bindfaden kann ich wieder gebrauchen. Ich habe nur immer wieder den Wunsch, daß die Sachen alle und richtig ankommen. Im Verhältnis haben wir bis jetzt noch keine großen Verluste gehabt. Ich bin auch froh, daß ich immer etwas gehabt habe, das Ihr zusätzlich für Eure Verpflegung verwenden konntet. Die gesandten Eier wirst Du bald verwenden müssen, falls sie nicht mehr ganz gut sein sollten. Die Gartenarbeit nimmt Dich auch viel in Anspruch. Daß sich das auf die Erträge auswirkt, wenn Du soviel darin schaffst, ist nur ohne weiteres erklärlich. Daß die Kinder bei der Unkrautbekämpfung mit behilflich sind, ist ja verständlich. Ich nehme an, daß sie das widerstandslos machen. DAß nun nicht alles gleich gut wird, ist mir begreiflich. Es kann auch nicht alles gleich gut werden, denn die Bedürfnisse der einzelnen Sachen sind ja verschieden.  Wie ich aus dem Brief von Dir sehe, will Jörg auch an mich schreiben. Da sollte ich fast solange mit meinem Brief an ihn warten, denn allzu oft kann man ja nicht schreiben. Bei den Kindern kommt das auch nicht so genau darauf an. Ich kann ihn mir gut vorstellen, wie er so seine Sorgen hat, wenn er nicht soviel während des Besuchs zum Spielen rausgekommen ist. Dass er nun seinen besonderen Stolz auf das Sparkassenbuch hat, kann ich verstehen. Helga wird sich aber darüber ärgern. Sie ist ja in einer Hinsicht auch schlechter dran gewesen. Sie ist in einer Zeit groß geworden, wo man mit dem Geld nicht gerade besonders gesegnet war. Bei Jörg gestalteten sich die Verhältnisse besser.  Er hat immerhin mit Rücksicht auf sein Alter eher Gelegenheit gehabt, Nutznießer von der Steigerung unseres Lebensstandards zu sein. Ich hoffe, daß sie etwas aufholen wird. Wenn die Spanne zu groß sein sollte, muß man später einmal nachhelfen. Das pressiert aber nicht so sehr.  Wenn ich wegen Resi nachgefragt hatte, so lang das daran, daß   der Brief, in dem Du diese Begegnung schilderst, erheblich später eingetroffen ist, als der Durchschlag des Briefes an, den Du an Kurt geschickt hast.  Wegen des Geldes, das ich in Frankreich noch schulde, habe ich nochmals an Wittenburg geschrieben. Ich hoffe, daß er sich dieser Sache annehmen wird. Ich wünschte, daß diese Angelegenheit nun doch einmal erledigt wird. Für heute habe ich Dir wieder etwas mehr geschrieben als sonst meine normales Maß ist. Ich grüße Dich und küsse Dich, mein liebes Mädel, recht herzlich. Dein Ernst.

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