Freitag, 15. September 2017

Brief 319 vom 12./13.9.1942


Mein liebstes Mädel !                                                       12.9.42   
       
Für Deinen Brief vom 2.9., den ich gestern erhielt, danke ich Dir vielmals. Gleichzeitig bekam ich noch Post von Nannie und von Deinem Vater. Das war wieder einmal ziemlich zu lesen. Man freut sich aber immer wieder, wenn man von seinen Angehörigen etwas erfährt. Unter den herrschenden Verhältnissen ist es meist nicht gerade immer Erfreuliches, was sie berichten können, man hält aber doch so die Verbindung aufrecht. Den Durchschlag des Briefes Deines Vaters an mich hast Du ja erhalten. Ich habe das Gefühl, daß er sich doch äußerst einsam fühlt trotz seiner Frau. DAß er alt wird, merkt man immer wieder aus seinen Schreiben. Ich hatte durch die verschiedenen Verlegungen unterlassen, ihm zu bestätigen, daß ich die Briefumschläge erhalten habe. Ich werde es nachholen, aber an diesen Dingen, da bleibt er immer hängen und meint womöglich, daß man undankbar sei. Sorgen macht er sich schon um Siegfried, wie es mir scheint. Bis jetzt hat er ihn noch ziemlich sicher untergebracht gewußt. Durch diese Änderung können die Dinge etwas anders liegen. Es muß aber nicht so sein, daß er ausgerechnet zu seiner Feldeinheit kommt. Wir haben hier auch Unteroffiziere bei unseren Einheiten sitzen. Man muß nicht immer gleich zu dunkel sehen. Nach dem Schreiben von Nannie würde Kurt sehr zuversichtlich sein. Er ist con uns allen noch in der schwierigeren Lage, wenn man davon reden soll. Das Essen sei bei ihm ordentlich und reichlich. Sie macht sich Gedanken, daß sie uns gern einmal ein Päckchen schicken will. Ich werde ihr das ausreden, denn es geht doch allen daheim gleich, daß jeder nicht zuviel hat. Wenn ich ihr den Brief beantwortet habe, lasse ich ihn Dir mir zugehen.  Wie es mit der Unterhaltung steht, habe ich Dir schon im Laufe der vorhergehenden Briefe wissen lassen.  Nächste Woche haben wir wieder eine Filmvorführung. Wenn es auch nicht genau jeden Woche ist, so sieht man doch ab und zu, was inzwischen passiert ist.  Mit dem Essen ist es so, daß es gegenwärtig etwas nachläßt. Rein mengenmäßig schon. Mit diesen Schwankungen muß man bei Kommis immer rechnen. Abgesehen davon macht einem die ukrainische Krankheit immer wieder zu schaffen.  Gut ist nur, daß es ziemlich allen gleich geht. Wenn es ein paar Tage aussetzt, dann ist es aber bestimmt bald wieder soweit, daß man laufen muß. Wenn man es einmal nicht hat, dann fehlt einem schon was. Es ist erstaunlich, wie man sich auch an sowas gewöhnt. Ich kann mir nur erklären, daß es hier am Wasser liegt. In Mirgorod und auch in Kschen habe ich es wohl auch ab und zu einmal gehabt, aber hier ist es schon ein Dauerzustand. Auch das ist eine Waffe, die die Russen gegen uns einsetzen. Sie wissen es vielleicht nicht, aber diese Anpassung an die Lebensverhältnisse macht den meisten der Kameraden zu schaffen. Wenn ich so bedenke, was wir hier schon für Portionen gegessen haben. Ich meine damit nich in Charkow, sondern auch früher. Aber wenn man öfter durch das Auftreten dieser Erscheinung ins Rennen kommt, dann setzt man kaum Fett an, im Gegenteil, man braucht ein besseres Essen, um immer durchhalten zu können. . Heute habe ich Dir wieder eine Ration mit Eiern zugehen lassen. Das Päckchen trägt die Nummer 39. Hoffentlich erreichen sie Dich ordentlich. Ich denke, daß Du sie etwas bald verwenden mußt, aber dafür kannst Du Dir ja Eure Zuteilung aufheben, wenn Du das willst. Ich werde wieder weiter sammeln. Die Kisten kannst Du ja vielleicht aufheben und mir zusenden. Voraussetzung dafür ist, daß Dich diese Sendungen ordentlich erreichen und es sich dann lohnt.  Daß Du Dich noch zum Baden gehen aufgerafft hast, finde ich recht. Die Kinder werden sich sicher gefreut haben, als Du dort aufgetaucht bist.  Recht herzliche Grüße und ebensolche Küsse sendet Dir und den Kinder Dein Ernst.
Deinem Vater richte bitte herzliche Grüße aus. Seinen Brief werde ich bald beantworten.

Mein liebes, gutes Mädel !                                                         13.9.42   
  
2 Briefe bekam ich gestern von Dir. Der eine stammt vom 2.9. und der andere vom 24.8. Den letzten Brief erhielt ich von meiner vorhergehenden Dienststelle. Es war Dein letztes Schreiben an dies Feldpostnummer. In diesem Brief hast Du Dinge allgemeiner Art geschrieben, die Du in Deinem langen Brief alle auch erwähnt hast und den ich Dir inzwischen schon beantwortet habe. Zu Deinem anderen Schreiben, für das ich Dir ebenfalls danke wie für den übrigen Brief, möchte ich nun antworten. Wie das mit den Zeugnissen der Kinder steht, hat mich im allgemeinen beruhigt. Ich hatte dies auch nur im Hinblick darauf geschrieben, weil Helga im letzten Zeugnis nur Zweier hatte. Dies soll auch keine Kritik weiter sein. Man kann nicht verlangen, daß ein Mensch immer gleichbleibend ist. Man ist doch manchen Schwankungen unterworfen. Bei ihr kann das doch auch darauf zurückzuführen sein, daß sie so mächtig wächst. Wenn ihr jetzt das Kalkpräparat verabreicht wird, hoffe ich, daß ihr das hilft und daß ihr dann das Lernen wieder durch die Kräftigung des Körpers leichter wird.
Daß Du an dem Nähen im Ziegelhof teilnimmst, soll mir unter den von Dir geschilderten Verhältnissen kein Kummer mehr sein. Wenn du diese Näherei am Vormittag versiehst, dann scheint es mit Rücksicht auf das Zusammendrängen am günstigsten zu sein. Daß Deine Haushaltsarbeiten erst vorgehen, ist ja selbstverständlich.  Daß die Apfelernte Dir noch einige Sorge macht, kann ich mir vorstellen. Ich würde Dir zu gerne dabei behilflich sein. Du weißt ja, daß mir das immer ein Vergnügen war, wenn ich oben auf dem Baum klettern konnte. Aber auch dieses an sich billige Vergnügen kann man jetzt nicht haben.  Von Deinem Vater habe ich ja auch Bescheid erhalten, daß Siegfried im Urlaub war und daß er heute wieder abrücken muß. Ich kann mir denken, daß es für alle nicht leicht gewesen ist, als er losfahren mußte. Aber was nutzt es, daß man sich das Leben damit schwer macht, das Muß steht doch hinter allem.  Daß die Flieger öfter zu Euch kommen, hast Du mir noch gar nicht so geschrieben. Ich lese neulich, daß sie Karlsruhe bombardiert haben und einmal Nürnberg. Waren sie sonst näher bei Euch in der Gegend? Wenn Du Dich sicherst, soweit es unter den gegebenen Umständen möglich ist, dann ist das ganz vernünftig von Dir. Dieser viele Alarm hängt einem mit der Zeit selbstverständlich an.  Außer Deinen Briefen bekam ich noch Post von Dr. Thomas und von Wittenburg. Wittenburg schreibt, daß er das Geld an Henkes ausbezahlt hat. Ich habe ihm heute gleich geantwortet und mich bedankt. Gleichzeitig habe ich gebeten, mit mitzuteilen, was ich noch schulde und er soll sich doch mit dem Mann unterhalten, wie ich es ihm ausgleichen kann. Die eine Sorge, daß das Geld etwa verloren gegangen sei, wären wir nun los. Mir liegt jedenfalls sehr daran, diese Angelegenheit glatt zu bekommen. Der Tommi schreibt unter anderem vom Landungsversuch bei Dieppe. Sie sind nicht einmal alarmiert worden, sie hatten nur erhöhte Aufmerksamkeit. Er selbst hat normal weitergearbeitet. Man kann daraus ersehen, welchen Eindruck das in nicht zu weiter Entfernung von der Küste gemacht hat. Als Vorsichtsmaßnahmen werden die Männer wieder etwas mehr zum Exerzieren herangezogen. Das ist aber alles.  Als Letztes habe ich noch über eine Angelegenheit zu schreiben, bei der ich aber vorausschicken will, daß Du Dir davon keine allzu große Hoffnung machen sollst, denn ich habe damit schon einmal Schiffbruch erlitten. Die Stadt hat bei mri angefragt, ob ich gewillt bin, an einem am 16.11. beginnenden gehobenen Lehrgang in Karlsruhe teilzunehmen. Ich habe diese sofort zusagend beantwortet. Ich habe schon vor einigen Wochen in Anordnungen gelesen, daß in diesem Winter wieder diese Lehrgänge stattfinden. Grundbedingung dazu ist aber, daß man 3 Jahre beim Kommis sein muß. Ich will nun versuchen, wenn ich die Zulassung zum Lehrgang habe, es so durchzupauken. Ich will mich darauf stützen, daß ich im letzten Jahre ohne mein Verschulden zurückgestellt wurde. Die weitere Frage ist noch, daß hier für mich auch wieder Ersatz gestellt werden muß. Es sind also noch viele Klippen zu umfahren, ehe man es geschafft hat. Ich werde jedenfalls nichts unversucht lassen. Ich wollte Dich aber davon unterrichten, mache Dich aber gleichzeitig darauf aufmerksam, daß die Aussichten sehr gering sind.  Weitere Neuigkeiten habe ich nun nicht mehr zu berichten. Ich grüße Dich und die Kinder recht herzlich und sende Dir sowie den Kindern viele Küsse. Dein Ernst.

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