Mein
liebstes Mädel ! 12.9.42
Für Deinen Brief vom 2.9., den ich gestern erhielt, danke ich Dir
vielmals. Gleichzeitig bekam ich noch Post von Nannie und von Deinem Vater. Das
war wieder einmal ziemlich zu lesen. Man freut sich aber immer wieder, wenn man
von seinen Angehörigen etwas erfährt. Unter den herrschenden Verhältnissen ist
es meist nicht gerade immer Erfreuliches, was sie berichten können, man hält
aber doch so die Verbindung aufrecht. Den Durchschlag des Briefes Deines Vaters
an mich hast Du ja erhalten. Ich habe das Gefühl, daß er sich doch äußerst
einsam fühlt trotz seiner Frau. DAß er alt wird, merkt man immer wieder aus
seinen Schreiben. Ich hatte durch die verschiedenen Verlegungen unterlassen,
ihm zu bestätigen, daß ich die Briefumschläge erhalten habe. Ich werde es
nachholen, aber an diesen Dingen, da bleibt er immer hängen und meint
womöglich, daß man undankbar sei. Sorgen macht er sich schon um Siegfried, wie
es mir scheint. Bis jetzt hat er ihn noch ziemlich sicher untergebracht gewußt.
Durch diese Änderung können die Dinge etwas anders liegen. Es muß aber nicht so
sein, daß er ausgerechnet zu seiner Feldeinheit kommt. Wir haben hier auch
Unteroffiziere bei unseren Einheiten sitzen. Man muß nicht immer gleich zu dunkel
sehen. Nach dem Schreiben von Nannie würde Kurt sehr zuversichtlich sein. Er
ist con uns allen noch in der schwierigeren Lage, wenn man davon reden soll.
Das Essen sei bei ihm ordentlich und reichlich. Sie macht sich Gedanken, daß
sie uns gern einmal ein Päckchen schicken will. Ich werde ihr das ausreden,
denn es geht doch allen daheim gleich, daß jeder nicht zuviel hat. Wenn ich ihr
den Brief beantwortet habe, lasse ich ihn Dir mir zugehen. Wie es mit der Unterhaltung steht, habe ich
Dir schon im Laufe der vorhergehenden Briefe wissen lassen. Nächste Woche haben wir wieder eine
Filmvorführung. Wenn es auch nicht genau jeden Woche ist, so sieht man doch ab
und zu, was inzwischen passiert ist.
Mit dem Essen ist es so, daß es gegenwärtig etwas nachläßt. Rein
mengenmäßig schon. Mit diesen Schwankungen muß man bei Kommis immer rechnen.
Abgesehen davon macht einem die ukrainische Krankheit immer wieder zu
schaffen. Gut ist nur, daß es ziemlich
allen gleich geht. Wenn es ein paar Tage aussetzt, dann ist es aber bestimmt
bald wieder soweit, daß man laufen muß. Wenn man es einmal nicht hat, dann
fehlt einem schon was. Es ist erstaunlich, wie man sich auch an sowas gewöhnt.
Ich kann mir nur erklären, daß es hier am Wasser liegt. In Mirgorod und auch in
Kschen habe ich es wohl auch ab und zu einmal gehabt, aber hier ist es schon
ein Dauerzustand. Auch das ist eine Waffe, die die Russen gegen uns einsetzen.
Sie wissen es vielleicht nicht, aber diese Anpassung an die Lebensverhältnisse
macht den meisten der Kameraden zu schaffen. Wenn ich so bedenke, was wir hier
schon für Portionen gegessen haben. Ich meine damit nich in Charkow, sondern
auch früher. Aber wenn man öfter durch das Auftreten dieser Erscheinung ins
Rennen kommt, dann setzt man kaum Fett an, im Gegenteil, man braucht ein
besseres Essen, um immer durchhalten zu können. . Heute habe ich Dir wieder
eine Ration mit Eiern zugehen lassen. Das Päckchen trägt die Nummer 39.
Hoffentlich erreichen sie Dich ordentlich. Ich denke, daß Du sie etwas bald
verwenden mußt, aber dafür kannst Du Dir ja Eure Zuteilung aufheben, wenn Du
das willst. Ich werde wieder weiter sammeln. Die Kisten kannst Du ja vielleicht
aufheben und mir zusenden. Voraussetzung dafür ist, daß Dich diese Sendungen
ordentlich erreichen und es sich dann lohnt.
Daß Du Dich noch zum Baden gehen aufgerafft hast, finde ich recht. Die
Kinder werden sich sicher gefreut haben, als Du dort aufgetaucht bist. Recht herzliche Grüße und ebensolche Küsse
sendet Dir und den Kinder Dein Ernst.
Deinem
Vater richte bitte herzliche Grüße aus. Seinen Brief werde ich bald
beantworten.
Mein
liebes, gutes Mädel !
13.9.42
2
Briefe bekam ich gestern von Dir. Der eine stammt vom 2.9. und der andere vom
24.8. Den letzten Brief erhielt ich von meiner vorhergehenden Dienststelle. Es
war Dein letztes Schreiben an dies Feldpostnummer. In diesem Brief hast Du
Dinge allgemeiner Art geschrieben, die Du in Deinem langen Brief alle auch
erwähnt hast und den ich Dir inzwischen schon beantwortet habe. Zu Deinem
anderen Schreiben, für das ich Dir ebenfalls danke wie für den übrigen Brief,
möchte ich nun antworten. Wie das mit den Zeugnissen der Kinder steht, hat mich
im allgemeinen beruhigt. Ich hatte dies auch nur im Hinblick darauf
geschrieben, weil Helga im letzten Zeugnis nur Zweier hatte. Dies soll auch
keine Kritik weiter sein. Man kann nicht verlangen, daß ein Mensch immer
gleichbleibend ist. Man ist doch manchen Schwankungen unterworfen. Bei ihr kann
das doch auch darauf zurückzuführen sein, daß sie so mächtig wächst. Wenn ihr
jetzt das Kalkpräparat verabreicht wird, hoffe ich, daß ihr das hilft und daß
ihr dann das Lernen wieder durch die Kräftigung des Körpers leichter wird.
Daß
Du an dem Nähen im Ziegelhof teilnimmst, soll mir unter den von Dir geschilderten
Verhältnissen kein Kummer mehr sein. Wenn du diese Näherei am Vormittag
versiehst, dann scheint es mit Rücksicht auf das Zusammendrängen am günstigsten
zu sein. Daß Deine Haushaltsarbeiten erst vorgehen, ist ja selbstverständlich. Daß die Apfelernte Dir noch einige Sorge
macht, kann ich mir vorstellen. Ich würde Dir zu gerne dabei behilflich sein.
Du weißt ja, daß mir das immer ein Vergnügen war, wenn ich oben auf dem Baum
klettern konnte. Aber auch dieses an sich billige Vergnügen kann man jetzt nicht
haben. Von Deinem Vater habe ich ja
auch Bescheid erhalten, daß Siegfried im Urlaub war und daß er heute wieder
abrücken muß. Ich kann mir denken, daß es für alle nicht leicht gewesen ist,
als er losfahren mußte. Aber was nutzt es, daß man sich das Leben damit schwer
macht, das Muß steht doch hinter allem.
Daß die Flieger öfter zu Euch kommen, hast Du mir noch gar nicht so
geschrieben. Ich lese neulich, daß sie Karlsruhe bombardiert haben und einmal
Nürnberg. Waren sie sonst näher bei Euch in der Gegend? Wenn Du Dich sicherst,
soweit es unter den gegebenen Umständen möglich ist, dann ist das ganz
vernünftig von Dir. Dieser viele Alarm hängt einem mit der Zeit
selbstverständlich an. Außer Deinen
Briefen bekam ich noch Post von Dr. Thomas und von Wittenburg. Wittenburg
schreibt, daß er das Geld an Henkes ausbezahlt hat. Ich habe ihm heute gleich
geantwortet und mich bedankt. Gleichzeitig habe ich gebeten, mit mitzuteilen,
was ich noch schulde und er soll sich doch mit dem Mann unterhalten, wie ich es
ihm ausgleichen kann. Die eine Sorge, daß das Geld etwa verloren gegangen sei,
wären wir nun los. Mir liegt jedenfalls sehr daran, diese Angelegenheit glatt
zu bekommen. Der Tommi schreibt unter anderem vom Landungsversuch bei Dieppe.
Sie sind nicht einmal alarmiert worden, sie hatten nur erhöhte Aufmerksamkeit.
Er selbst hat normal weitergearbeitet. Man kann daraus ersehen, welchen
Eindruck das in nicht zu weiter Entfernung von der Küste gemacht hat. Als
Vorsichtsmaßnahmen werden die Männer wieder etwas mehr zum Exerzieren
herangezogen. Das ist aber alles. Als
Letztes habe ich noch über eine Angelegenheit zu schreiben, bei der ich aber
vorausschicken will, daß Du Dir davon keine allzu große Hoffnung machen sollst,
denn ich habe damit schon einmal Schiffbruch erlitten. Die Stadt hat bei mri
angefragt, ob ich gewillt bin, an einem am 16.11. beginnenden gehobenen
Lehrgang in Karlsruhe teilzunehmen. Ich habe diese sofort zusagend beantwortet.
Ich habe schon vor einigen Wochen in Anordnungen gelesen, daß in diesem Winter
wieder diese Lehrgänge stattfinden. Grundbedingung dazu ist aber, daß man 3
Jahre beim Kommis sein muß. Ich will nun versuchen, wenn ich die Zulassung zum
Lehrgang habe, es so durchzupauken. Ich will mich darauf stützen, daß ich im
letzten Jahre ohne mein Verschulden zurückgestellt wurde. Die weitere Frage ist
noch, daß hier für mich auch wieder Ersatz gestellt werden muß. Es sind also
noch viele Klippen zu umfahren, ehe man es geschafft hat. Ich werde jedenfalls
nichts unversucht lassen. Ich wollte Dich aber davon unterrichten, mache Dich
aber gleichzeitig darauf aufmerksam, daß die Aussichten sehr gering sind. Weitere Neuigkeiten habe ich nun nicht mehr
zu berichten. Ich grüße Dich und die Kinder recht herzlich und sende Dir sowie
den Kindern viele Küsse. Dein Ernst.
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