Freitag, 15. September 2017

Brief 320 vom 14./15.9.1942


Mein liebes Mädel !                                                            14.9.42 
       
Drei Zeitungssendungen bekam ich gestern von Dir und heute Vormittag erhielt ich schon Deinen Brief vom 15.7. Ich glaube, da hat jemand darauf geschlafen, oder er hat ihn unter dem Strohsack liegen gehabt, denn er sah sehr zerknittert aus. Man sieht aber wieder, daß nichts von dieser Erde verloren geht. Die Dinge, die Du in Deinem Schreiben erwähnst, sind durch die Briefe, die inzwischen geschrieben worden sind, überholt. Ich kann also nicht groß dazu Stellung nehmen.  Gestern habe ich noch an Nannie geschrieben, und Deinem Vater habe ich auch gleich geantwortet.  Den Brief habe ich Dir beigefügt, damit Du ihn Deinem Vater aushändigen kannst, weil ich annehme, daß Dich dieser Brief noch so rechtzeitig erreicht, daß dies möglich ist. Sollte er aber mit der gleichen Verspätung eintreffen wie der oben erwähnte, dann kannst Du den beigelegten Umschlag benutzen. Wenn Du ihn nicht brauchst, kannst Du ihn für einen späteren Brief an Deinen Vater verwenden. Die meiste Post habe ich also wieder beantwortet. Ich habe nicht gern Briefschulden. Vor allem lasse ich es nicht so lang anstehen, wenn es sich irgendwie vermeiden läßt. Ich habe fast an jeden zwei Briefe unterwegs, dadurch kommt es, daß ich auf diese Weise die langwierige Postverbindung etwas verkürze. An Dich sind es ja entschieden mehr Briefe. Aber auf die andere Weise müßte man meist 4  6 Wochen warten, bis man überhaupt wieder etwas hört.  Der Sonntag liegt nun auch hinter uns, die Woche hat ihren üblichen Anfang genommen und wird auch in der gewohnten Weise verlaufen. Man hat schon so einen Tritt, in den man hineingezwängt wird. Gestern Nachmittag gegen 5 Uhr hat mein Chef gesagt, daß ich doch noch ein Stück in die Luft gehen soll.  Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich Dienst. Ich habe mir dann einige von unseren Männern geschnappt und bin mit ihnen ein Stück in die Stadt gegangen. Gegen 7 Uhr waren wir wieder daheim, weil ich ¾ 8 im Kasino beim Essen sein muß. Wir waren hier im Tierpark gewesen. Für uns kostet das 10 Pfennig Eintritt. Dort war Konzert von einem Orchester der Luftwaffe. Wir haben zwar nicht mehr viel davon mitbekommen. Es war aber immerhin ganz nett. Wir haben uns dann die noch verbliebenen Tiere angesehen. Die Unterbringung läßt zu wünschen übrig, aber ich sage mir immer wieder, für jede Abwechslung ist man dankbar. Es ist verwunderlich, daß man sich das hier noch leisten kann. Es sind da 3 Eisbären. Wirklich schöne Exemplare. Die Unterbringung ist etwa so wie sie bei uns vor 30 / 30 Jahren war. Neuzeitliche Gesichtspunkte hat man dabei nicht berücksichtigt. Wesentlich ist für die hier nur gewesen, daß man diese Tiere eingesperrt hat, damit sich die staunende Menge sie ansehen kann. Andere Bären, Adler, Affen, Geier, Kamele, Stachelschweine und anderes kleine Getier ist vorhanden. In Friedenszeiten mag das besser gewesen sein. Das ist ja allgemein so, daß diese Einrichtungen im Kriege sehr leiden.  Von unserer Dienstzeit habe ich Dir wohl schon öfter geschrieben. Wie sie aber im einzelnen festgelegt ist, weißt Du sicher nicht. Früh gegen 7 Uhr stehe ich auf. Den Kaffee mit Brot und Butter , die wir bekommen, lasse ich mir holen. Um 8 Uhr gehe ich  dann auf mein Büro und bin dann bis ½ 1 Uhr dort. ¾ 1 Uhr beginnt im Kasino das Essen, das dann meist ½ 2 Uhr zuende ist. Dann kann man sagen, daß man frei hat bis 3 Uhr. Um diese Zeit gehe ich dann wieder auf das Dienstzimmer, wenn ich nicht schon vorher geholt werde wegen irgendeiner Sache. Dann mache ich Dienst bis ½ 8 Uhr, um dann im Kasino mit den anderen Herren ¾ 8 Uhr zum Abendessen zu gehen. Da läßt man sich etwas mehr Zeit. Meist wird es 9 Uhr, und dann kann man sich nach hause begeben. So geht es tagaus tagein, ganz gleich, ob Wochen oder Sonntag.  Recht viele herzliche Grüße und Küsse sendet Dir und den Kindern Dein Ernst.


Mein lieber Schatz !                                                             15.9.42  

Soeben erhielt ich Dein Schreiben vom 6.9.Bei Euch war also inzwischen wieder einmal Messe. Es ist anzunehmen, daß es auch immer weniger wird. Denn je länger der Krieg dauert, umso mehr werden doch diese Dinge in den Hintergrund gedrängt. Für die kinder hat es nach Deinem Schreiben zu schließen, immerhin noch verschiedenes Zeug gegeben. Für die Kriegsverhältnisse sind sie ganz gut weggekommen. Bei dem Pflaumenkuchen wäre ich auch gerne zugegen gewesen. Denn ich schließe, daß Ihr den zu Deinem Geburtstag gegessen habt. Mit den Äpfeln hast Du sicherlich ziemlich Arbeit. Schön ist ja, wenn Du genügend Dörrobst habt. Man kann es so notwendig gebrauchen während der Länge der Wintermonate. Daß Ihr mit dem Radio wieder einmal Pech gehabt habt, ist schon bedauerlich. Hoffentlich ist das nicht ernsthafter Natur, denn das wäre wirklich schade. Daß ich aber zu diesem Zwischenfall die Ursache sein soll, das ist ja weniger schön von Dir, daß du mir das in die Schuhe schiebst. Solange die andere Geldangelegenheit noch nicht geklärt ist, kann ich nicht noch die erstandenen Röhren bestellen. Die Bezahlung eines weiteren Widerstands wäre an sich schon leichter. Meines Wissens habe ich Dir dies auch schon einmal mitgeteilt, wie die Dinge da liegen. Ich muß sehen, was sich machen läßt. Daß Ihr eine Sonderzuteilung von Käse bekommen habt, ist schön. Man kann das alles gebrauchen. Ich habe Euch  gestern wieder 10 Eier zugehen lassen. Das Päckchen hat die Nummer 40. Ich hoffe wiederum, daß das Päckchen gut ankommt. Die Mitteilung, die ich Dir jetzt mache, wird Dich sicher sehr wundern. Ich kann Dir sagen, wo sich Kurt ungefähr befindet. Mit verschiedenen Schlichen bin ich dahinter gekommen. Nach meinen Feststellungen muß er bei einer unserer Armee sein und zwar im nördlichen Donbogen. Ich weiß nicht, ob auf Deiner Karte der Ort Millowo verzeichnet ist.  Im weiten Umkreis von dort muß er sich aufhalten. Ich werde ihm das demnächst mitteilen. Es ist ja nicht ausgeschlossen, daß er hier einmal durchkommt. Dann könnte man sich einmal sprechen.  Wenn man es von ihm nicht erfährt, muß man etwas nachhelfen. Von mir selbst habe ich sonst nichts weiter zu berichten. Ich grüße Dich und  die Kinder. Richte auch an Vater viele Grüße aus. Euch sende ich noch viele Küsse Dein Ernst.

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