Samstag, 23. September 2017

Brief 321 vom 16./17.9.1942


Mein liebstes Mädel !                                                         16.9.42 
         
Wenn alles geklappt hat, dann ist Dein Vater gestern bei euch eingetroffen. Ich bin trotz allem gespannt, wie Ihr auseinander kommt. Ich werde bald von Dir darüber erfahren. Ich hoffe, daß Du nicht allzu viel Ärger hast und daß Du es mit der Arbeit schaffst.  Ihr werdet sicherlich einmal wegfahren, denn ich nehme an, daß Dein Vater sich zu einer Fahrt entschließt.  Das Wetter ist bei uns ernstlich herbstlich. Unser Arbeitsraum liegt nach Norden, so daß man nicht mehr so richtig warm wird. Die Sonne scheint wohl noch sehr schön warm. Aber nur in der Sonne selbst ist es warm.  Man kann bald den Pullover unter der Uniform vertragen. Allzu sehr darf man sich aber doch nicht einpacken, damit man noch gewisse Reserven hat, wenn es kälter wird. Mit einer gewissen Freude habe ich gelesen, daß bei Euch die Brot und Fleischrationen wieder erhöht werden. Für Dich wird dies im Hinblick auf den Winter auch eine Entlastung bedeuten. Mit ist es jedenfalls eine Beruhigung, wenn ich weiß, daß es für Euch wieder etwa das gibt, was Ihr im Frühjahr noch erhieltet, vom Fleisch zwar abgesehen.  Bist Du nicht verwundert gewesen, daß ich den ungefähren Standpunkt von Kurt herausbekommen habe. Nach den Bestimmungen über die Stiftung des Winterordens bekommt ja Kurt auch diese. Er hat sich wohl keine 6 Wochen hier aufgehalten im Osten, aber er hat an den Abwehrkämpfen mit teilgenommen. Mancher würde wohl darauf verzichten, wenn er seine gesunden Gliedmaßen wieder hätte, aber für ihn ist es doch immer nach außen hin einer Erinnerung.  Mein Fotoheft ist durch die Überbelegung schon etwas stark mitgenommen. Ich muß mich daher entschließen, einige Fotos, die vielleicht nicht ganz so wichtig sind auch nicht so gut geworden waren, wieder zurückzusenden. Heute lege ich die ersten bei. Die anderen werden folgen. Für Vater habe ich einige Stumpen und auch etwas Tabak da. Den mache ich einmal mit fertig, damit er mir nicht im Wege herumliegt. Eier habe ich schon wieder zurückgelegt. Wenn ich das Quantum voll habe, gehen sie wieder weg. Das Wetter ist zum Absenden von Lebensmitteln wieder günstiger. Hoffentlich erhalte ich bald noch einmal Butter. Die braucht man jetzt nicht mehr einzuschmelzen, Man kann sie jetzt so absenden.  Post habe ich heute nicht von Dir erhalten. Man gewöhnt sich sehr schnell an regelmäßigen Postempfang. Viel schneller wie wenn es umgekehrt der Fall ist. Ich glaube aber, daß bald wieder welche eintreffen wird.  Wichtiges habe ich heute nicht mehr zu schreiben. Ich sende deshalb Dir und den Kinder recht herzliche Grüße und Küsse.  Dein Ernst.


Mein liebes Mädel !                                                            17.9.42    
      
Dein Brief, in dem Du mir von Deinem Geburtstag berichtest, habe ich heute erhalten. Vielen herzlichen Dank dafür. Du meinst, Du hättest an diesem Tag nur gefaulenzt. Ich glaube, daß dies nicht der Fall gewesen sein muß. Wie ich lese, hast Du Dir Dauerwellen machen lassen. Zu dieser Prozedur mußtest Du über 3 Stunden bei Frseur bleiben. Sag mal, ist das keine Arbeit und vor allem keine Leistung, wenn man sich für so lange Zeit hinsetzen muß? Nein, ich will Dir Deine Freude bestimmt nicht verderben. Ich freue mich mit Dir, daß Du nun einmal Gelegenheit hast, Dir in dieser Hinsicht auch etwas zu gönnen. Du weißt, daß uns das früher nicht möglich war und Du hast auch auf sowas verzichtet. Du weißt aber genauso, daß Du mir auch ohne besondere Betonung Deiner Frisur gefallen hast. Ich begrüße aber gerade deshalb diesen Schritt, nachdem es uns möglich ist, auch dafür einmal Geld auszugeben.  Ich kann mir vorstellen, daß es Dir ganz gut steht. Ich habe das ja bereits auf den letzten Bildern gesehen, daß Du durch diese Veränderung gewonnen hast. Also nochmals meinen herzlichen Glückwunsch zu diesem Erfolg. Ganz besonders freut mich, daß das von mir gesandte Geld mit Veranlassung für die Ausführung dieses Vorhabens gewesen ist. Helga und Jörg haben auch ihren Verhältnissen entsprechend angestrengt, um Dir zu Deinem Geburtstag eine Freude zu machen. Mit Blumen seid Ihr nun reichlich versorgt. Daß die Kakteen dann dieser Blumenfülle weichen müssen, ist mir durchaus verständlich. Daß Helga Dir eine Handarbeit gemacht hat, wird auch Dir besonders gefallen haben. Vater hat sich auch angestrengt, das kann man wohl sagen. Ich sehe aus allem, daß man sich bemüht hat, Dir zu Deinem Geburtstag etwas zu schenken, um Dich zu erfreuen.  Immer mehr macht sich das Herannahen des Winters bemerkbar. Die Quartiere werden hergerichtet. Die Heizung ist ausprobiert worden. Es wird soweit alles nachgesehen. In unserer jetzigen Unterkunft kann uns das nicht mehr so stark interessieren, denn wir werden im Laufe des kommenden Monats unser Quartier innerhalb des Stadtgebietes wechseln. Wie es scheint, sind die aber dann auch in Ordnung. Jetzt werden sie erst noch gut hergerichtet. Mit der schönen Wetterperiode scheint es vorbei zu sein. Mit dem warmen Wetter dazu auch. In der vergangenen Nacht ist das Thermometer schon auf Null gesunken. Ich habe 2 Decken zum Zudecken, da geht es ja noch. Wenn man den ganzen Tag im Bau sitzt und keine Bewegung hat, dann merkt man die kühlen Tage schon ziemlich. Wir hoffen, daß es nicht so plötzlich mit dem Wetter weitergeht. Man kann es noch länger aushalten, wenn es wärmer bleibt. Aber unsere Einflußmöglichkeit ist ja sehr gering.  Man muß zusehen, daß man sich entsprechend anzieht, wenn es kalt wird.  Von der Stadt habe ich heute wieder einen Gefolgschaftsbrief erhalten. Darin wird auch gerade die Fleischversorgung der Schweiz erwähnt. Daß die Leute dort drüben 250 g pro Woche erhalten haben, wenn es vorrätig war, und daß ab August bis einschließlich Oktober überhaupt kein Fleisch mehr zugeteilt wird. Das ist schon ein ziemlicher Unterschied zu der Versorgung bei uns. Den Schlawinern kann es nichts schaden, wenn sie auch einmal etwas vom Krieg merken.  Dir und den Kindern wieder recht viele Grüße und herzliche Küsse von Deinem Ernst.

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