Freitag, 2. Dezember 2016

Brief 197 vom 28./30.11.1941


Mein liebstes Mädel !                                                28.11.41      

Ich habe gestern den Brief von unserem Jungen bekommen. Hat er denn die Adresse auch selbst geschrieben. Das hat er ja ganz fabelhaft gemacht. Na und die Bilder, die er aus dem Lesebuch abgemalt hat, die sind ganz in Ordnung. Ich habe mich sehr über seinen Fleiß gefreut. Seine Schrift hat schon etwas Gesicht und sieht sehr ordentlich aus. 
Es ist mir nun außerordentlich schwer, Dir heute mitzuteilen, daß ich nicht zum Kurs kommen kann. Ich erhielt gestern die Mitteilung, daß mein Gesuch, das zur Entscheidung an den Militäroberbefehlshaber weitergeleitet wurde, abgelehnt wurde, weil kein Ersatz für mich gestellt werden kann. Das ist ja auch ziemlich klar, daß so ein Gesuch abgelehnt wird, wenn hier mein Chef, also der Kriegsverwaltungsrat nach Brüssel schreibt, daß er mich nur gehen läßt, wenn ein Ersatz für mich gestellt wird. Das wäre wohl die 3 Monate auch gegangen, wenn man hier den Betrieb einigermaßen danach eingerichtet hätte.  Der Inspektor ist ja auch der Ansicht, daß das möglich gewesen wäre. Aber dieser Herr will eben viele Leute um sich haben, die er zur Arbeit anstellen kann, damit möglichst wenig auf einen fällt und er etwas mehr in der Gegend herumfahren kann.  Angeschlossen lasse ich Dir die Abschrift des Schreibens zugehen, das er an mich gerichtet hat. Es muß einem eben nicht zu wohl werden.
Ich war erst so froh, daß ich Gelegenheit hätte, innerhalb eines Jahres die beiden Prüfungen zu machen. Es wären dann genau 12 Monate vergangen, wenn ich zu diesem Lehrgang gekommen wäre. Aber es hat eben so kommen müssen, dank der Einstellung dieses feinen Herren. Ich kann Dir nur sagen, daß ich mich sehr darüber geärgert habe. Aber was nützt alles Ärgern, wenn man doch nichts dagegen machen kann. Dies liegt hier nun einmal so, daß ich keine Möglichkeit habe, etwas dagegen zu tun. Ich bin ja vertröstet worden, daß man mich dann vielleicht zum nächsten Lehrgang freigibt. Doch wann wird er stattfinden.
Ich hatte mich schon so auf ein Wiedersehen mit Euch gefreut. Aber das ist nun alles ins Wasser gefallen. Man weiß auch nicht, wie man es machen soll. Ist man, wie ich in diesem Falle, voreilig, so richtet man Unheil an, denn ich kann mir denken, daß Du Dir wieder ziemlich Gedanken machtest. Ich hatte ja nicht geahnt, daß ich hier nicht wegkäme, vor allem weil ich zum letzten Lehrgang Urlaub bekam. Vom Militärbefehlshaber ist an die Schule und an den Oberbürgermeister geschrieben worden, daß man mich zum nächsten Lehrgang vermerken soll. Ich hoffe, daß es mir wenigstens gelingt, noch in diesem Jahr Urlaub zu bekommen, denn mir steht ja welcher zu. Ich will versuchen, mein möglichstes zu erreichen, liebes Mädel, mach Dir bitte deswegen nicht zu sehr Gedanken, daß ich nun nicht kommen kann. Ich ärgere mich jetzt noch, daß ich so voreilig war und Dir das gleich geschrieben habe. Aber ich freute mich so, daß ich Dir das mitteilen konnte. 
Herzliche Grüße und viele Küsse sendet Dir und den Kindern Dein Ernst. 

Meine liebe gute Annie !                                                   28.11.41

Es tut mir leid, daß ich Dir mit meinem heutigen Brief habe wehtun müssen, denn ich hätte Dir lieber mitgeteilt, ich komme morgen oder an einem der nächsten Tage. Durch das Verhalten des Kriegsverwaltungsrats, denn ich glaube, daß es nur durch sein Schreiben soweit gekommen ist, ist es nicht möglich geworden, daß ich für einige Zeit wieder nach Deutschland kommen kann. Vielleicht ist es möglich, daß ich dann am nächsten Lehrgang teilnehmen kann. Das Schreiben über die Ablehnung habe ich bis jetzt noch nicht erhalten, doch sobald ich es bekomme, sende ich es Dir mit zu. 
Heute Mittag erhielt ich nun Deinen lieben Brief vom 24. Ich danke Dir vielmals Dafür. Ich hoffe, daß Du mir nicht zu sehr böse bist, wenn ich Dir meinen Weihnachtswunsch nicht geschrieben habe. Vielleicht machen wir es so, daß wir uns zusammen einen Radioapparat kaufen. Das ist eine größere Ausgabe und davon haben wir dann alle etwas. Wenn Du aber einen anderen Wunsch für Dich hast, dann teile mit das doch bitte mit. Ich hoffe, daß ich es möglich machen kann, daß ich kurz nach dem Feste in Urlaub kommen kann. Dann müssen wir eben nochmals zusammen feiern.
Das Spielzeug für Jörg, aus dem er je nachdem auch mehrere Kanonen bauen kann, schicke ich durch einen Kameraden mit. Er schickt es dann an Dich weiter. Das war nicht billig, denn es hat immerhin 7,50 RM gekostet. Wenn er es dann zusammengebaut hat, kann er sogar damit schießen. Ich denke, daß es ihm schon gefallen wird.  Schade ist, daß ich für Helga noch nichts Passendes habe.
Wegen des Stoffes werde ich mich noch rechtzeitig umsehen. Nachdem Dora abgelehnt hat, den Stoff zu kaufen, werde ich vielleicht bei Nannie versuchen oder soll ich ihn Erna zur  Hochzeit schicken. Das Muster habe ich zwar nicht mehr, aber Du hast ja noch eins. 
Siegfried fragte bei mir an, ob ich für Erna eine Bluse besorgen könnte. Ich hoffe, daß ich eine bekommen kann. Ich würde mich selbst freuen, wenn ich ihm den gefallen tun könnte. 
Kurt hat sich sicher zuviel nach den anderen gerichtet, um auch allen zu entsprechen. Für die kurze Urlaubszeit kann man sich nun einmal nicht zuviel vornehmen. Für diese wenigen Tage muß man auch einmal an sich denken und etwas Ruhe muß man sich auch gönnen.  Ich kann mir vorstellen, wie Kurt und Vater sich „rumgemacht“ haben. Denn Kurt ist da stur und gibt nicht nach und bei Vater ist es das gleiche. Kurt muß doch aber in Betracht ziehen, daß er sich extra die Mühe gemacht hat und für ihn einen Kuchen gebacken hat. Aber bei Paula will er es nicht verderben. Mir soll es ja gleich sein. Das kann schon möglich sein, daß Kurt nach Rußland kommt. Aber wollen wir erst einmal abwarten. Ich wünsche es ihm zwar nicht, aber man muß eben dort hin, wo man hingestellt wird.  Hoffentlich ist unsere Helga wieder soweit wohlauf. Sie soll sich nur recht vorsehen, damit es keinen Rückfall gibt. Die Lehrerin von Helga hat auf Dich also nicht den besten Eindruck gemacht. Immerhin hast Du aber gehört, daß auch von der Schule eingesehen wurde, daß bei dem Tempo noch keine einwandfreie Leistung verlangt werden kann. Ich denke, daß es Helga aber noch schaffen wird, auch bei der neuen Schrift eine schöne Leistung zu vollbringen.
29.11.41
Ich habe gestern Abend, ganz außer der Reihe, OvD gehabt für einen kranken Kameraden. Ich war aber so müde, daß ich nichts mehr geschrieben habe und mich bald zu Bett gelegt habe. Ich bin auch nicht gestört worden, so daß ich gut durchgeschlafen habe. Ich habe heute zwar auch noch etwas Kopfschmerzen, doch das wird sich schon wieder geben.
Morgen wollen wir zusammen nach auswärts fahren. Zu dem Deutschen, bei dem wir kürzlich einmal waren. Sicherlich wird es einen ganz netten Sonntag geben. Gestern Abend haben wir zwar auch nicht schlecht gelebt, da gab es wieder einmal Hasenbraten. Ich hatte noch einen Fisch bekommen, den habe ich dann noch hinterher gegessen. Vor 3 Tagen hatten wir Fasan gehabt das macht sich dann schon ziemlich bemerkbar, wenn man sich für diese Tage nichts dazu kaufen muß.  Das geht aber nicht immer so, denn das hängt ja auch von den Zufällen ab, ob man immer gerade etwas bekommt. Eier habe ich zwar immer bis jetzt noch bekommen und ich hoffe, daß ich auch weiterhin noch welche erhalte. Ich habe für Dich auch wieder eine Flasche Öl organisiert. Ich denke, daß Du sie gut verwerten kannst. Bei meinem nächsten Urlaub bringe ich sie dann mit.
Ich habe gestern Abend noch 2 Päckchen und zwar die Nummern 30 und 31 fertiggemacht und heute früh mit zur Post gegeben. In einem habe ich Kunsthonig und im anderen einen Käse, der jetzt auch seltener wird und ein Pfund Mandeln, die noch nicht ausgekernt sind, eingepackt. Du kannst die Mandeln verwerten, wie Du es für richtig findest. Also sie auch den Kindern zu Weihnachten anstelle von Nüssen geben. Ich habe zwar noch keine aufgemacht, Du kannst sie aber einmal probieren und sehen, wie sie sind. 
Von unserem Umzug habe ich Dir ja bis jetzt noch nicht berichtet. Wir haben hier neue Geschäftsräume bekommen. Wir sind nicht mehr in der Kommandantur untergebracht sondern ziemlich ein Stück davon entfernt. Wir haben ein eigenes Haus. Ich sitze gegenwärtig mit unserer Schreibkraft zusammen, die aber demnächst aus meinem Zimmer rauskommen soll. Dann habe ich hier ein schönes großes Büro für mich. Wir bekommen nun einen neuen Geschäftsverteilungsplan. Nach diesem soll ich dann sämtliche wirtschaftliche Sachen übernehmen. Für das ganze Gebiet soll mir dann auch die Unterschriftsbefugnis erteilt werden. Unsere ganze Arbeit gliedert sich ja in Verwaltung und Wirtschaft, so daß mir als Referent für unsere Tätigkeit hier die gesamten wirtschaftlichen Fragen zufallen. Ich habe aber durchaus keine Bedenken, denn man muß ja schließlich etwas tun.  Ich habe Dir ja heute wieder etwas mehr geschrieben. Jedenfalls mehr als das normale Maß, aber ich muß ja nachholen, weil ich die Tage vorher nicht gerade übermäßig viel geschrieben habe. Ich grüße Dich und die Kinder recht herzlich und hoffe, daß Ihr gesund seid. Dir sendet noch recht viele Küsse dazu Dein Ernst. 

Meine liebe Frau !                                                             30.11.41

Ich habe gestern Deinen lieben Brief vom 26. bekommen, für den ich Dir vielmals herzlich danke.
Vorgestern erhielt ich den Brief vom 25., so daß Du daraus ersiehst, daß ich in den letzten Tagen wieder laufend mit Post versorgt bin. Ich danke Dir für alle Deine lieben Zeilen, ebenso auch für den Gruß von Helga.
Ich habe gerne von Dir gehört, daß es unsere Helga wieder etwas besser geht. Wenn es auch ziemlich langsam vorwärts geht, so ist es doch eine Beruhigung, wenn man sieht, daß die Gesundung stetig fortschreitet. Hoffentlich hat sie nun inzwischen alles überstanden. Na, und unsrem Jungen geht es ja noch soweit gut, so daß man sich wenigstens wegen ihm keine Sorgen zu machen braucht. Aber beide sind ja sonst kräftige und stramme Kerle, so daß ihnen das nicht gerade viele Schwierigkeiten bereiten wird. Wenn auch einmal so ein Schnupfen dazukommt, so läßt sich das schon eher wieder an, denn den hat man ja normalerweise bald überstanden und dabei gehen viele Krankheitskeime mit weg. Bei der jetzt so ungünstigen Postabschickung komme ich heute schlecht dazu, Dir einen großen Brief zu schreiben, denn einen Gruß sollst Du doch wenigstens heute bekommen. Ich schreibe also heute nichts mehr. Nimm deshalb viele Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst.

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