Freitag, 2. Dezember 2016

Brief 198 vom 01.12.1941


Meine liebe Annie !                                                                                                                  1.12.41     

Vorhin habe ich den Brief an Dich abgeschickt. Ich muß nun feststellen, daß der Brief ein ganz falsches Datum hat. Heute ist ja schon der 1, wie ich festgestellt habe beim Geldholen. Denn Zahltag ist ja bei uns nie am letzten. Ich habe Dir ja früher schon immer geschrieben, was für ein wichtiger Tag das ist. Die Finanzen müssen immer wieder einmal aufgefrischt werden. Das ist auch gut so. 
Die Filzschuhe für die Kinder sind nun schon unterwegs. Hoffentlich passen sie. Ich habe nur 2 Mal die gleiche Nummer bekommen. Ich denke aber, daß sie Jörg schon passen.  Vielleicht versuche ich nochmals für beide ein Paar zu bekommen.  denn unsere Beiden haben doch den neuen Hausschuhen auch bald das Genick gebrochen. Aber ich bin schon froh, daß Ihr jetzt alle soweit mit Schuhen versorgt seid.
Für Dich habe ich noch ein drittes Paar hier liegen, die mit Gummisohlen sind, und auch in der Ausführung meines Erachtens besser aussehen. Sobald ich etwas Passendes habe, was ich noch dazu packe, schicke ich sie Dir mit zu. Du bist dann wohl voll mit Hausschuhen versorgt.
Um den Cognac habe ich ja keine Sorge. Ich weiß ja, daß Du von selbst Dich darüber hermachst. Aber wenn ich ja den Lehrgang einmal mitmachen kann, dann habe ich doch so einen kleinen Vorrat für besondere Notfälle. Aber ich will nicht nur an mich denken. Wenn Dir einmal ein Schluck mit mir zusammen schmecken sollte, dann ist mir das wohl sehr recht.
Wegen der Hosen für Jörg sehe ich in den nächsten Tagen zu, wie ich das mache. Ebenso für die anderen Stoffe. Es ist immer allerhand Geld, was man so für diese kleinen und großen Einkäufe braucht. Bis dann wieder die Zeit herum ist, wundert man sich, wo das Geld geblieben ist. Rechnet man dann aber wieder zusammen, dann stimmt es immer wieder. Ich muß schon sagen, daß ich doch mancherlei Sachen gekauft und heimgeschickt habe, was man vielleicht nicht gehabt hätte und was man doch gebrauchen kann. Es freut mich, wenn ich mir immer wieder sagen kann, in vielerlei Hinsicht brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen. Auch sonst brauchst Du nicht erst lange bitten und warten, bis man Dir Deine Sachen genehmigt. 
Was nun die Sache mit Deinem Vater anbelangt, so sind wir uns wohl beide einig. Sieh, ich bin darüber hinweg. Ich denke nicht mehr daran und es tut mir nicht mehr weh und Deinem Vater ist es ja auch wohler. Du weißt wohl, daß ich mich nicht scheue, wenn es drauf ankommt, ihm auch in dieser Hinsicht die Meinung zu sagen. Doch wenn es sich so machen läßt und solange er mir nicht ehrabschneidend entgegentritt, lasse ich ihn seinen Weg gehen. Ich bin nun einmal der Ansicht, daß wir beide so am besten auskommen.
Was nun Siegfried, Erna und Dein Vater miteinander machen, das kann ja nicht unsere Sache sein. Denn wir haben auch nicht gewollt, daß sich jemand in unsere Sachen hineinmischt.  Hier ist einzufügen, daß Erna nach dem Tod meiner Großmutter meinem Großvater, Papa genannt, den Haushalt führte   Wir werden es deshalb auch nicht bei den anderen tun. Ich hoffe, daß sich am Ende doch alle vertragen. Wenn jeder etwas dazu beiträgt, kann das auch ganz gut gehen. Daß Siegfried und Dein Vater Hitzköpfe sind, ist ja nun eine Angelegenheit, an der wir nicht mehr ändern können. 
Mit den Inspiroltabletten werde ich ja nun auskommen. Ich glaube, daß Du erst einmal aufhörst mit Einkaufen. Ich werde dann schon rechtzeitig wieder welche anfordern. 
Was hier den Kriegsverwaltungsrat anbelangt, so habe ich Dir ja kürzlich verschiedenes geschildert.  Ich kann nur immer wieder feststellen, daß er ein ziemlich unausgeglichener Mensch ist, der heute in Bezug auf die Kameradschaft dahin und ein anderes Mal dorthin neigt. Er ist kein leicht zu behandelnder Mensch, den man schon verstehen muß, um ihn dann auch entsprechend zu nehmen. Interessant ist nur, wie unser Inspektor und er miteinander schaffen. Ich mache mir deshalb keine Sorgen. Ich muß wohl manchmal sagen, daß der Inspektor gesunde Ansichten hat, doch er muß nun einmal zugeben, daß der Kriegsverwaltungsrat sein Vorgesetzter ist. Es ist schon lustig, wie die zwei aufeinander losgehen. Bis jetzt zwar noch nicht direkt gegeneinander, sondern nur immer über dritte Personen. Beispielsweise bei mir. Ich lasse aber beide reden und die sollen sehen, wie sie dann wieder auseinander kommen.
Gestern haben wir wieder unsere Tour auf das Land gemacht. Essen und Trinken war wieder wirklich reichlich und wir sind voll auf unsere Rechnung gekommen. Die Leute können das ja machen, denn der Mann hat, wie ich Dir wohl schon einmal mitteilte, die Metzgerei und Kolonialwaren.  Sonst ist der Mann auch nicht schlecht gestellt, so daß es nicht gerade sehr ins Gewicht fällt. Am Mittag gab es schönen Rinderbraten und am Abend hat es Hühnchenbraten gegeben. Am Nachmittag gab es Kuchen und guten Kaffee. Nach dem Nachtessen wurde dann nochmals kalte Platte mit Schinken und kaltem Fleisch gereicht. Also, wie gesagt, schlecht haben wir nicht gelebt. Unser Kriegsverwaltungsrat hat uns dann mit dem Wagen heimgebracht, so daß uns diesmal der Verdauungsspaziergang vorenthalten wurde. 
Da muß ich Dir noch eine Geschichte erzählen, die mir vorgestern hier passiert ist. Ich habe mir hier eine sehr schöne Portion Hackfleisch besorgen lassen. Ich sage zu unserer Hausfrau, sie soll es mir anrichten mit einem Ei, etwas Öl, Zwiebel, Salz, Pfeffer.  Sie sagt ja und rückt ab. Ich freue mich schon darauf, einmal wieder etwas essen zu können, was den Appetit anregt. Ich kann zwar im Allgemeinen nicht klagen, daß ich etwa keinen Appetit hätte. Ich warte und denke, was die Frau wohl nur macht, gehe in der Zwischenzeit einmal in die Küche, doch ich sehe, wie die Frau wohl arbeitet und verziehe mich. Nach einer Weile trägt sie auf und was denkst Du wohl, was sie mir daraus gemacht hat. Ein Omelett. Drin eingewickelt hat sie mir das Gehackte, richtig angerichtet mit Öl, Zwiebeln, Salz und Pfeffer. Ich war etwas verärgert.
Die Frau beteuerte, daß das sehr gut schmeckt. Ich sagte ihr aber, daß das nicht so gemeint gewesen sei, sondern ich hätte es kalt haben wollen. Ich hatte mir nun nicht auf einmal alles machen lassen, sondern erst die Hälfte. Ich war froh darum.  Ich habe dann also das Obst verdrückt. Um meinem Magen doch noch eine Freude anzutun, habe ich mir dann den Rest auf meine Art zubereiten lassen. Vorsichthalberweise bin ich diesmal dabei geblieben und habe meine Anweisung dazu gegeben. Die Frau hat nur immer wieder den Kopf geschüttelt und gesagt, daß ihr das unverständlich sei, daß man das Fleisch so essen kann. So gehen die Geschmäcker auseinander. Das hat dann aber richtig geschmeckt.  Das kann einem einmal passieren, daß man sich auf etwas freut und daß einem das so daneben gelingt.

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