Samstag, 17. Dezember 2016

Brief 205 vom 16./17./18.12.1941


Meine liebe Annie !                                                                                      16.12.41  

Herzlich Danke ich Dir für Deinen Brief vom 11.12. Die neue Kriegserklärung hat Dich offenbar sehr niedergedrückt. Ich verstehe Deine Regung vollkommen. Ich weiß, es ist zwar schwer für Dich, jetzt so tagaus tagein immer nur allein dem ganzen Hausstand vorstehen zu müssen. Ich weiß gut, daß es für Dich keine leichte Aufgabe ist. Du hast Dich ja auch bis jetzt immer gut gehalten und hast auch immer alles gemeistert. Du legst keinen großen Wert auf Belobigungen, aber es tritt einmal der Zeitpunkt ein, da muß man so was zum Ausdruck bringen. Ich denke, daß heute so eine Gelegenheit gekommen ist.
Es ist ja auch für die Männer hier draußen oder vor allem für die Männer auf den Schlachtfeldern keine Kleinigkeit, auch für mich nicht. Aber wir müssen unsere Pflicht tun, weil wir hier ebenfalls für den Endsieg arbeiten.  Unsere Arbeit können wohl andere hier auch leisten, das ist nicht so schlecht, aber jemand muß da sein, um das Volk zu beaufsichtigen. Aber ich will ja nicht von uns und unserer Aufgabe reden.  Das habe ich ja schon wiederholt getan, sondern ich muß einmal feststellen, daß ein ganz großer Teil von Aufgaben bei Dir liegt und diese Aufgaben sind sehr umfangreich. 
Gefreut habe ich mich, als ich las, daß das Spielzeug bei Dir eingetroffen ist, und daß alles noch ganz ist, hoffe ich. Die Federn haben unserem Jungen zugesagt. Das ist mir recht und habe ich mir auch gedacht. Ich habe ja noch mehr da, aber es ist nicht leicht, das Zeug richtig zu versenden. Aber als ich das große Paket fertig machte, dachte ich, das ist eine Gelegenheit, von den Federn einige darauf zupacken. Ich habe dann alles erst noch einmal aufgepackt, um unserem Jungen dies zukommen zu lassen. Na, und wie ich gelesen habe, mußtest Du ja gleich in Aktion treten, um ihm seinen Indianerstutz fertig zumachen.
Von Vater hast Du also etwas Mehl bekommen. Ja, ich habe mit meinem Mehl wirklich Pech gehabt. Ich habe es mit aufgegeben und gestern brachte man es mir wieder zurück, weil sich die Mäuse darüber hergemacht hatten.  Unsere Päckchen gehen doch immer einen Tag um den anderen weg.
Nun haben sie eine Nacht dort gelagert und die Mäuse haben das Päckchen gleich angenagt. Gut ist es, daß ich jedes Päckchen unter sich nochmals geteilt habe, so ist doch nun nicht alles verdorben sondern nur der betreffende Teil. Ich werde es sobald als möglich ersetzten und auf den Weg bringen. 
Meine neue Feldbluse habe ich nun auch bekommen. Sie sieht ganz gut aus und vor allem, sie ist neu und sauber.
Die Briefmarken, die Du mir mit Deinem letzten Brief gesandt hast und die, die ich gestern erhielt, komme ich für einige Zeit aus. Ich danke Dir für die Übersendung und ich werde Dir wieder rechtzeitig Bescheid geben, wenn ich welche brauche. Mit den Geschenken für die Verwandten und Bekannten und mit dem Briefeschreiben ist es recht, wie Du mir es mitgeteilt hast. Jeder weiß ja, daß man unter  den gegenwärtigen Verhältnissen nichts weiter schenken kann. Ich glaube, daß das jeder einsehen wird. 
Wie geht es Dir und was machen die Kinder. Ich hoffe, Ihr seid mir alle gesund.
Nimm recht herzliche Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst

Meine liebe Frau !                                                           17.12.41

Eine Woche trennt uns noch von Weihnachten. Stimmung kann man ja dazu nicht bekommen, weil einem diesmal alles verdorben ist. Das Wetter macht keinen winterlichen Eindruck. Einzig und allein beim Eingang der Feldpostpäckchen sieht man, durch den stärkeren Zustrom der Päckchen und dann daran, was die Kameraden auspacken.  Einen Baum haben wir uns besorgt. Daß ich deshalb aber Stimmung bekommen habe, könnte ich nicht sagen. Dieser Tage stand in unseren Anordnungen, daß jedem Soldaten soundso viele Pfefferkuchen, Bonbons und sonstige andere Kleinigkeiten zustehen. Dreiviertel Liter Wein ist zwar auch vorgesehen, aber daheim ist daheim.
Normalerweise gehört man nach hause an Weihnachten. Es ist zwar nicht möglich, daß jeder Soldat zuhause ist. Ich will mich deshalb zu dieser Auffassung durchringen, damit man nicht ganz und gar verbittert. Glaube mir, daß mir das nicht einfach ist, aber ich werde mit Mühe geben. 
Post habe ich gestern nicht bekommen, das geht nun einmal so, daß zwischendurch ein Tag die Post ausbleibt. Dafür wird man dann an einem anderen Tag entschädigt.
Ich werde heute noch einen größeren Brief an Dich schreiben. Im Moment fehlt mir jetzt die Zeit dazu. Nimm deshalb mit diesem Gruß vorlieb. Ich sende Dir außerdem noch viele Küsse ebenfalls an die Kinder Dein Ernst 

Meine liebe Annie !                                                          18.12.41           

Ich wollte Dir gestern noch einen längeren Brief schreiben, weil ich im letzten nicht dazu gekommen bin. Leider wurde ich aber gestern noch verhindert, Dir zu schreiben.  Aber ich hoffe, daß ich es heute nachholen kann. Ich bekam nun von Dir gleich zwei Briefe, den vom 12. und den vom 13. Beide haben mich sehr gefreut, besonders der letzte. Außer diesen beiden Briefen erhielt ich noch die von unseren Kindern, die mir sehr viel Freude gemacht hatten. An Helgas Brief fiel mir gleich aus, daß sich ihre Schrift ganz bedeutend gebessert hat. Sobald sie sieht, wie die Größenverhältnisse der Buchstaben zueinander sind, bekommt die Schrift gleich ein anderes Bild. Ich muß sagen, daß ich mich über den Fortschritt für sie sehr gefreut habe. Die Mühe, die sie sich in der Zwischenzeit gegeben hat, hat sich wirklich gelohnt. Daß unser Junge den Ehrgeiz hat, seiner Schwester nachzueifern, ist ebenso erfreulich. Nach dem kurzen Schulbesuch, den er erst hinter sich hat, kann man nur staunen, wie exakt er schon schreibt. Es ist ja schön, daß er seiner Schwester nicht nachsteht. Ich glaube, wenn er so weitermacht, wird er es auch bald schaffen. 
Von meinen Päckchen hast Du nun wieder 3 Stück erhalten. Die anderen sind nun sicherlich inzwischen eingetroffen oder werden es noch. Daß die Mandarinen Euch schmecken, ist ja gut. Sie sind Euch wohl eine willkommene Abwechslung. Die Tabakwaren hast Du entsprechend verteilt, so daß keiner zu kurz gekommen ist. Man muß ja schließlich berücksichtigen, daß jetzt Kriegsverhältnisse herrschen. Aber so hat doch jeder von beiden etwas, so daß sich keiner beklagen kann. Ich freue mich jedenfalls, daß man das ermöglichen konnte. 
Mit der Essenkocherei für die Kinder ist es schon eine dumme Geschichte. Jedes soll doch ein richtiges Mittagessen bekommen und durch die verschiedenen Schulzeiten muß Du nun auch verschiedene Male anfangen. Es wird auch wieder einmal normal werden, wo man dann seiner alten Gewohnheit nachgehen kann. Es ist doch immerhin eine Verbesserung, wenn Helga jetzt wieder in ihre alte Schule gehen kann.  Damit verkürzt sich erstens einmal ihr Schulweg und dann kann es ja wohl auch möglich sein, daß sie andere Schulzeiten hat. Also hoffen wir, daß sich eine Besserung für unsere Kinder in dieser Beziehung ergibt und dann letzten Endes auch für Dich. 
Mit dem Paket von Deinem Vater hast Du wahrscheinlich ziemlich Arbeit gehabt, bis Du alles ausgepackt hattest. Doch es waren offenbar auch viele Sachen dabei. Helga hat ja nun auf diese Weise wieder ein Paar Schuhe für den Winter bekommen, die ihr sehr  nützlich sein werden. Nachdem nun die anderen von Helga auf unseren Jungen übergehen, ist er für diesen Winter wenigstens auch wieder versorgt.  Für einen Weihnachtsbaum hast Du nun auch gesorgt. Dann ist das Weihnachtsfest für unsere Kinder so ziemlich gesichert.
Das was sie an Geschenken bekommen, ist ganz nett und für die jetzigen Verhältnisse schon reichlich. Ich glaube, daß sie sich darüber schon freuen werden. 
Herzliche Grüße und viele Küsse Dir und den Kindern Dein Ernst

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