Freitag, 2. Dezember 2016

Brief 199 vom 02./03.12.1941


Liebstes Mädel!                                                              2.12.41 

Nun will ich meinen Brief fortsetzen, damit Du heute nicht so kurz wegkommst wie gestern. Ich bin zwar ohne Post geblieben, doch ich kann Dir ja auch einmal etwas anderes schreiben. Von unserem Umzug habe ich wohl schon Dir eine kurze Mitteilung zukommen lassen. Heute kann ich ja eine weitere Rate schreiben.  Für unsere Verhältnisse waren die vorhandenen Räume etwas zu klein, denn einige saßen bei uns gewissermaßen dem anderen auf dem Schoß. In einem Zimmer, das nun nicht gerade sehr groß war, waren 3 Personen untergebracht. Der Kommandant hatte sich anfangs auch immer dagegen gesträubt, doch nun hat er zugegeben, daß wir die neuen Räume beziehen. Diese sind nun schon etwas besser wie die alten. Hier habe ich jetzt mein eigenes großes Büro, das ich mir nun nach und nach einrichte. Bis jetzt ist wohl noch unser Schreibfräulein, vielmehr das ist eine Frau, untergebracht. Wenn dann das Schreibzimmer fertig gestellt ist, zieht sie bei mir aus, so daß ich dann tatsächlich allein bin. Das waren früher Wohnräume eines ziemlich reichen Kauzes, doch er lebt ja nicht mehr. Die einzelnen Räume sind alle frisch hergerichtet.  Mein Zimmer ist beispielsweise 3 bis 4 m im Quadrat. Vorhin habe ich einen schönen großen Teppich hereingelegt bekommen. Einen Klubsessel auch dazu und einen schönen Tisch. Neue Lichtkörper haben wir auch bekommen, so daß das ja anständig aussieht. Die anderen Kameraden sind ebenfalls ganz gut untergebracht. Vor allem hat es jeder ordentlich.
Zu dem Haus gehört so ein kleiner Park, der im Sommer nicht schlecht sein würde. Ich habe mein Zimmer nach der Straßenseite hinaus, an dem sich auch der Kanal befindet. Das ist das Schöne dabei, daß die anderen Häuser nicht direkt gegenüber liegen. Der Blick kann sich dann ein wenig weiten. Aber von meinem Zimmer aus habe ich auch Durchsicht nach dem Garten hinüber.
Was nun unsere Arbeit anbelangt, so ist jetzt, wie ich Dir schon schrieb, eine Aufteilung erfolgt. Mir sind jetzt sämtliche wirtschaftlichen Dinge zugeteilt worden.  Außerdem habe ich Fürsorge und Flüchtlingswesen. Dann Kultur, weiterhin Nachtpassierscheine. Das sei aber nicht genügend, so daß man mir noch etwas anderes zuteilen will. Vorschläge dazu soll ich ja machen. Warten wir also erst noch einige Tage ab. Bis ich mich dann entschieden habe. Aber ich werde eins nach dem anderen erledigen, so wie ich es immer gemacht habe. 
Meinen Mantel habe ich gestern wieder zurück bekommen, den ich mir bei einem Soldaten machen ließ. An diesem Mantel war mir immer der Kragen zu weit gewesen. Jetzt sitzt er ausgezeichnet. Er sitzt so ordentlich, daß einige Kameraden schon gefragt haben, ob ich einen neuen Mantel bekommen hätte. Ich habe mich selbst darüber gefreut. Heute will ich auch meine Feldbluse holen. Ich bin froh, daß ich mit meiner Kleidung wieder etwas in Ordnung bin, denn so auf Dauer mit verbrauchten Sachen herumzulaufen ist doch unangenehm. 
Gestern haben wir wieder schönen Fasanbraten gehabt. In letzter Zeit haben wir ja verschiedentlich Wild gehabt und ich glaube an einem der nächsten Tage, so wie ich gesehen habe, wird es wieder Hasenbraten geben. Ich kann dann immer mit meiner anderen Verpflegung sparen und brauche dann nicht so viel zu kaufen. 
Ich denke, daß ich nun Schluß mache, denn meine Arbeit fordert mich. Ich grüße Dich und die Kinder recht herzlich und hoffe, daß Ihr alle wohlauf seid. Ich sende Euch viele Küsse und bin in der Hoffnung, daß ich heute wieder einen Brief von Dir bekomme Dein Ernst.

Meine beste Annie !                                                   3.12.41

Ich habe gestern Deine beiden Sendungen erhalten. Außer den Tabletten und dem Verpackungsmaterial hattest Du ja noch andere Sachen mit beigefügt. Ich danke Dir für das Gebäck und für die Karte zum Advent. Ich habe gestern Abend das Gebäck gleich noch probiert. Das schmeckt wieder ausgezeichnet und ich will Dir hiermit gleich noch danken. Im Advent sind wir wohl bald drin und wie schnell wird es gehen, dann ist auch Weihnachten wieder vorüber. Ob und wie ich über einen der Feiertage wegkäme ist ja noch nicht bestimmt. Unser Kriegsverwaltungsrat, der hier seine eigenen Ziele verfolgt, denkt ja anders wie ich und der Inspektor. Ich muß nur feststellen, daß sich unsere Meinungen, also die des Inspektors und meine, immer mehr decken. Ich habe gemerkt, daß er bei unserem Kriegsverwaltungsrat nicht im richtigen Fahrwasser ist. Doch jetzt läßt er sich schon besser an.
Ein Urlaubsgesuch habe ich zwar schon geschrieben, doch wie über dieses entschieden wird, weiß ich noch nicht. Ich teile Dir jedenfalls immer rechtzeitig mit, was ich in dieser Sache unternommen habe.
An die Kinder habe ich einen Brief für den Nikolaustag geschrieben. Wenn sie auch nicht mehr daran glauben, so bin ich doch der Meinung, daß sie ihre Freude haben werden. Hoffentlich trifft der Brief noch rechtzeitig ein. Ich wollte nur die Tradition nicht aufgeben, denn bisher haben sie sich doch immer wieder gefreut. Wahrscheinlich hast Du ihnen eine Kleinigkeit besorgen können, denn darüber freuen sie sich ja wieder. Vielleicht sind auch meine letzten Päckchen bis dahin eingegangen, dann steht Dir ja auch noch etwas zur Verfügung.
Mit der nächsten Päckchenpost schicke ich wieder einige Kleinigkeiten weg. Unter anderem das Spielzeug für Jörg, das ich erst einem Kameraden mitgeben wollte, sende ich Dir so zu. Das habe ich nicht nummeriert, doch ich lasse es unter der Nummer 32 laufen. Ich will dann noch ein Päckchen mit Mandeln und eines mit Tabakwaren fertig machen, die ich teils gekauft und teils empfangen habe. Du mußt nun nicht alles Deinem Vater zusenden. Vielleicht sendest Du ihm die Zigarren und den Tabak, den ich diesmal gekauft habe, gibst Du an Vater. Doch das überlasse ich Dir im Einzelnen selbst.
Wichtig ist, daß Du die Sachen da hast, damit Du etwas zum Verteilen hast. Das Verpackungsmaterial, das Du mir gesandt hast, werde ich also bald verbrauchen. Du weißt aber, daß ich auf fertige Kartons keinen besonderen Wert lege, denn die passen meist nicht. Ich baue sie mir ja fast immer aus Kartonstücken zusammen, weil mir das vorteilhaft erscheint. 
Vom gestrigen und vorgestrigen Kino-Abend habe ich Dir noch zu schreiben, daß ich mich zweimal gut unterhalten habe. Am Montag gab es einen lustigen Film „2 mal 2 im Himmelbett“. Es war nicht schlecht. Vor allem hat man dabei wieder lachen können, wenn manches auch eine große Viecherei war.  Der andere Film dagegen war das ganze Gegenteil, er hieß „Dorf im roten Sturm“, früher ist er unter dem Namen „Friesennot“ gelaufen. Das war mir einer der eindrucksvollsten Filme, die ich wohl gesehen habe, abgesehen von der Spannung.  Doch nun zum Schluß. 
Recht herzlich grüße und küsse ich Dich. Gib bitte unseren beiden Stromern jedem einen festen Kuß von mir und grüße auch Vater. Dir selbst nochmals viele herzliche Grüße und Küsse von Deinem Ernst.

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