Dienstag, 20. Dezember 2016

Brief 209 vom 27.12.1941


Meine liebste Frau !                                                    27.12.41

Jetzt will ich aber mich schnell hinsetzen, um Deine vielen Briefe, mit welchen ich über die Weihnachtsfeiertage so reichlich versorgt wurde, zu beantworten. Am Heiligen Abend bekam ich die Briefe noch ausgehändigt, die Du am 19. und 20. geschrieben hattest. Die vom 21. und 22. erhielt ich am 1. Feiertag und den vom 23. habe ich mir gestern Abend abgeholt. Ich bin durch Dich also sehr regelmäßig und gut mit Post  versorgt worden.
Mit den Abzeichen hat Dein Vater Euch aber reichlich bedacht. Daran haben die Kinder sicherlich viel Spaß gehabt. Das sollte schließlich der Zweck sein. Daß es  ihnen weiterhin eine Freude war, aus ihren Ersparnissen noch etwas zu kaufen, kann ich mir gut vorstellen. Denn es bedeutet ja schon eine Freude, etwas zu kaufen, um jemanden damit zu überraschen. Daß unser Junge nun schon stolz darauf ist, daß er in der Schule gestiegen ist, indem er jetzt in den ersten Stock muß, kann ich mir gut denken. Denn so was ist doch etwas anderes als wenn man nur immer im selben Zimmer ist.  Da sind beide nicht gerade böse gewesen, wenn sie zwei Tage früher ihren Urlaub antreten konnten. Aus meiner blauen Hose ist nunmehr ein Rock für Helga geworden, das ist nicht schlecht. Das hätte ich mir früher auch nicht gedacht, daß sie meiner Tochter noch zur Bekleidung dienen würde. Der Stoff war ja nicht schlecht und ich kann mir denken, daß sich der ganz gut machen wird. Jedenfalls ist er einem praktischen Verwendungszweck zugeführt worden.  das war ja anständig von den Motten, daß sie sich mit dem begnügt hatten und nicht weiter fraßen.
Mit der Bescherung hat es ja gut geklappt, ich habe mich auch über meine Päckchen, die ich von Dir erhielt und zwischen ½ und um 6 Uhr hergemacht. Doch darüber später . Daß Du Dir die rohen Klöße mit Sauerkraut und Schweinfleisch vorgemerkt hast, ist ja sehr nett von Dir, doch ich hatte nun nicht die Absicht, Deinen Speisezettel in irgendeiner Weise zu beeinflussen. gefreut hat es mich besonders, daß ein Großteil meiner Päckchen noch vor den Feiertagen angekommen ist, und daß vor allem die kleinen Puppen für Helga noch rechtzeitig eintrafen. Was wir bei unserer Weihnachtsfeier erhalten haben, hatte ich Dir ja schon geschrieben. Es war nicht gerade schlecht und man ist mit dem zufrieden, was man bekommt. Daß man nicht riesige Geschenke erwarten kann, ist ohne weiteres verständlich. 
Die Mitteilung über Siegfrieds Fahrt nach Leningrad ist ja interessant, dagegen weniger angenehm für den, der lange Zeit, womöglich auf freier Strecke, im kalten Zug sitzen muß. Das ist nicht so einfach. Vater hat sich aber sehr angestrengt. Das ist doch ziemlich viel Geld. Aber wenn er es unbedingt so hat haben wollen, kann man es ihm nicht abschlagen. Man weiß ja wie er ist. Ich kann mir jedenfalls gut vorstellen, wie er dabei stolz war, Dir eine solche Summe zu übergeben. Wenn Du das Geld sparen willst, dann kannst Du das wegen mir ja ruhig machen. Denn für das ist ja gesorgt, was wir zum täglichen Bedarf brauchen.
Für die Grüße von Vater, die er persönlich darunter gesetzt hat, danke ich ihm auch wieder besonders und ich bitte Dich, das ihm auszurichten.  Daß Ihr die Mandarinen für Weihnachten aufhebt ist recht, denn da ist doch etwas Obst da. Du brauchst keine Angst zu haben, ich habe auch ab und zu welche für mich. Doch wenn ich Euch welche schicken will, dann muß ich schon zusammenhalten. Du weißt aber, daß mir das eine Freude ist, Euch etwas Besonderes zukommen zu lassen und diese Freude wirst Du mir ja nicht nehmen wollen.
Mit den von Deinem Vater gesandten Sachen kommst Du ja bald zurecht, denn Du wirst für alles wieder einen Verwendungszweck haben;  auch wenn es für die Puppen von unseren Kindern ist.  Daß man an das Konstanzer Theater nicht diese Ansprüche stellen kann, wie an das Theater von Leipzig, ist ja erklärlich. Du muß aber nicht vergessen, daß Du alles jetzt mit kritischeren Augen ansiehst wie die Kinder. Die haben ja ihre Freude daran gehabt, so wie Du mir geschrieben hast. Auch mir ist es eine Genugtuung, wenn ich lese, daß es den Kindern wunderbar gefallen hat. Somit ist ja auch meine Anregung, daß Ihr einmal ins Theater gehen sollt, erledigt.  Was nun die Sammlung warmer Wintersachen anbelangt, so überlasse ich Dir voll und ganz, was Du abgeben willst. Meine Fausthandschuhe kannst Du ja noch opfern, Du mußt eben dabei bedenken, was man unbedingt braucht, um dann seine notwendigsten zivilen Bedürfnisse wieder decken zu können.
Von Deinem Vater bist Du nun noch reichlich mit Lesestoff versorgt worden, so daß es Dir über die Feiertage in dieser Beziehung nicht mangeln wird. Meinen Vater hast Du nun mit einem Kuchen für Weihnachten bedacht. Das wird ihn sicher auch gefreut haben, denn wenn er jetzt so regelmäßig arbeiten muß, wird er kaum dazu gekommen sein, für sich selbst etwas zu backen.  Daß Du Dich über meine Beförderung gefreut hast, kann ich mir denken, denn nachdem man nun schon solange dabei ist, wird es mit der Zeit langweilig, wenn man immer noch genau so herumläuft, wie am Anfang. Ich meine, ich bin zwar bis jetzt in dieser Beziehung nicht zu kurz gekommen, nachdem ich aber nicht als Soldat im eigentlichen Sinne eingesetzt bin, habe ich auch nicht die Möglichkeit wie ein solcher befördert zu werden. Aber es ist immerhin wieder ein Grad mehr.
Daß Du Dir Mühe gibst, den Kindern das Weihnachtsfest nicht zu verderben, weiß ich ganz genau und ich habe das auch nicht in der Absicht geschrieben, um Dich nun nochmals besonders darauf hinzuweisen, denn ich weiß, mit welcher Liebe Du an unseren Kindern hängst. So wie Du mir in Deinem letzten Brief nun schreibst, der vom 23.  datiert ist, hast Du alles wohl vorbereitet, so daß Du in aller Ruhe den Feiertagen entgegen sehen konntest. Das ist eben schön, wenn man dann keine Hetzerei hat. Wenn Du noch eine Kleinigkeit für mich hast, so kannst Du es meines Erachtens ruhig solange aufheben bis ich dann wieder einmal in Urlaub komme, denn dann wird mir das noch eine liebe Überraschung sein.
Mit den Kartonstückchen kannst Du ja noch warten. Mit den Büchern für Weihnachten, die von Deinem Vater kamen, hast Du Dir ja auf ganz raffinierte Art und Weise die Überraschung vorbehalten. So hast Du doch dann die Freude noch zur richtigen Zeit gehabt.
Wegen den Unterlagen für die Ahnenforschung habe ich einen Fehler gemacht, denn ich habe bestimmt nicht mehr daran gedacht, daß ich diese Sachen noch hier habe. Wenn ich etwas Bestimmtes brauche, schreibe ich Dir dann wieder. Über die gesandten Fotos habe ich mich sehr gefreut.  Ich habe sie mir gestern und heute immer wieder angesehen. Manche davon gefallen mir ganz besonders gut und ich finde, Du hast wieder ganz nette Aufnahmen gemacht. Ich werde also noch einige Filme kaufen, damit Du bei Gelegenheit einige Aufnahmen machen kannst. In Deinen Ausruf kann ich nur mit einstimmen, daß es mit den Buben schlimm ist. Schade, daß wir nicht zwei Mädchen haben, dann brauchtest Du nicht immer Dreiangel in den Hosen zu stopfen.  Außerdem sind ja die Mädchen braver, wie du ganz richtig schreibst. Bist Du nun zufrieden, wenn Du jetzt meine Zustimmung hast.  Jetzt aber zu meinen Feiertagen, die ich nicht ganz schildern kann, weil sonst mein Brief nicht rechtzeitig mit wegkommt. Also Fortsetzung wird dann gleich folgen. Am 31. zum 1.  habe ich wieder OvD, das will ich noch vorausschicken.  Also, die Post geht jetzt weg. Ich schreibe also dann gleich weiter.
Herzliche Grüße für heute bis nachher. Ich küsse Dich und die Kinder vielmals Dein Ernst

Mein bestes, liebstes Mädel!                                   27.12.41          

Wie ich Dir schon vorhin kurz andeuten mußte, war ich gezwungen, meinen Brief an Dich zu unterbrechen, damit wenigstens ein Teil an Dich abging, denn ich will nicht, daß Du länger auf Post warten mußt.  Nun möchte ich Dir meine Weihnachtstage schildern. Wie ich also schon schrieb, hatte ich mich zur gleichen Zeit, so Ihr daheim unterm Weihnachtsbaum saßt, über die gesandten Päckchen hergemacht. Zuerst möchte ich Dir vielmals für alles danken, denn Du hast wieder mit vieler Liebe alles so schön hergerichtet und eingepackt. Ich getraute mir kaum es auszupacken. Im Radio spielten gerade Weihnachtslieder. Das alles brachte mir mein daheim so nahe, daß es mir teilweise sehr schwer wurde an zuhause zu denken. Daß Du Dir das mit dem Spruch so gut gemerkt hast, hat mich besonders gefreut. Nachdem ich hier schon seit einiger Zeit Verdruß habe, den ich Dir hier nicht lange auseinandersetzen will, kam er mir wie gerufen. Ich habe ihn mir inzwischen auf meinen Schreibtisch gestellt, damit ich ihn immer vor Augen habe.
Von dem Gebäck habe ich mir schon verschiedentlich etwas zu Gemüte geführt. Die Pralinen solltet Ihr doch für Euch behalten. Aber ich nehme sie gern an, weil ich weiß, daß es Dir Freude bedeutet. Den Behälter für Briefmarken, die ich noch da hatte, hebe ich in meinem Schrank auf. Die übrigen Briefmarken, die ich noch da hatte, habe ich ihm ebenfalls anvertraut.
Das Reclamheft von den Kindern freut mich sehr.  Die Widmungen, die sie hineingeschrieben haben, wird mir immer eine Erinnerungen an die hier draußen verlebten Weihnachten sein.  Ich werde es so bald als möglich lesen. Auch an die Kerzen hast Du gedacht. Leider ist die in den Deinen Päckchen beigefügten Zeilen ausgedrückte Hoffnung nicht in Erfüllung gegangen. Ich konnte ja nicht heimkommen. Dessen bin ich gewiß gewesen, daß Ihr über die Feiertage mit allen Euren Gedanken bei mir gewesen seid, wie es ja auch bei mir der Fall war. Alles im allem war es mir ein lieber und herzlicher Weihnachtsgruß. Nochmals recht herzlichen Dank für alles. 
Unvermutet hatte ich am Nachmittag noch Dienst. Ich hatte schon am Nachmittag nach Lille fahren wollen, konnte aber dann erst ½ 8 Uhr fahren. Als ich dann rüber kam, traf ich niemanden mehr an. Ich bin dann ins Soldatenheim gegangen und habe mir noch die Musik angehört. Dort hatte man sich etwas angestrengt. Jeder Soldat, der dort hereinkam, bekam einen kleinen Karton. Ich erhielt ausgerechnet eine Tabakspfeife. Außerdem noch einige Rasierklingen, Zigaretten und etwas Gebäck. Es hat mich immerhin gefreut, denn es ist doch nicht so einfach, jetzt genügend Sachen zu beschaffen. Als dann geschlossen wurde, habe ich mich in ein Restaurant gesetzt.
Dort wurde eine Art Weihnachten gefeiert, wie sie mit unserem Geschmack gar nichts zu tun hat, aber wie es scheinbar in Frankreich üblich ist. Das glich eher einem Fastnachtstreiben und nichts anderem.  Ich hatte noch erfahren, daß Graser nach Mitternacht daheim sein wird. Ich ging dann zu ihm und traf ihn dann auch in seiner Wohnung an. Er hatte sich die bekannten Familien eingeladen. Einen Weihnachtsbaum, den er sich von Schwarzwald mitgebracht hatte, haben wir dann angezündet. Es war dann ganz nett. Spät war es dann auch geworden als wir Schluß machten. Am anderen Morgen traf ich dann mit dem Tommi zusammen. Wir beide haben dann noch zusammen Mittag gegessen und uns ganz nett unterhalten. Graser hat dann am Nachmittag geschlafen und der Tommi mußte dann gegen Abend heimfahren, weil er OvD hatte. Für mich ist dann auch der Abend bald vorbei gewesen. Am anderen Morgen mußte ich wieder hier herüberfahren, weil ich am Vormittag bis über den Mittag Dienst hatte. Du siehst, daß eigentlich nicht viel los war. Ich wurde noch zum Abend von einem Kameraden eingeladen. Doch ich bin dann bald nach haus gegangen, um mich bald zu Bett zu legen.  Neujahr wird nun auch bald herankommen. Wie ich Dir schon schrieb, habe ich da Dienst. Also ist für diesen Abend auch schon alles festgelegt.  Für heute lasse mich nun schließen. Ich grüße Dich und unsere beiden Stromer recht herzlich und sende Euch viele Küsse Dein Ernst.

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