Mein sehr liebes Mädel! O.U., den 28.11.1940
Mein gestriger Brief ist zwar nicht so
ausgefallen, wie ich ihn gerne gehabt hätte, doch das lag daran, daß ich nicht
ganz auf der Höhe war. Ich bin gestern vom Dienst aus gleich heimgefahren, habe
meinen Brief geschrieben und mich gegen 8 Uhr ins Bett gelegt. Heute früh habe
ich auch nichts gegessen, so daß ich am Mittag ziemlich Hunger hatte. Es geht
mir jetzt wieder so einigermaßen, so daß ich heute Abend das Konzert besuchen
kann. Ich möchte aber noch vorsichtig sein und mich gleich nach Schluß heim und
ins Bett begeben. Wahrscheinlich werde ich erst morgen meinen Brief beenden.
Eben habe ich Deine beiden Briefe vom 23.
und 24. gelesen, die ich vorhin bekam. Ich freue mich, daß Du an diesen beiden
Tagen Post von mir bekommen hast und daß am 23. auch noch 5 Päckchen
eingegangen sind. Ich habe immer das Gefühl, als ob noch einige fehlen. Eine
Zusammenstellung habe ich Dir ja vor einigen
Tagen gegeben, so daß ich annehmen kann, bald von Dir darüber Bescheid
zu erhalten. Eins würde mich auch noch interessieren, in welchem Zustand kommen
die Päckchen an. Ist alles in Ordnung. Weiterhin bin ich froh, daß die beiden
Sonderpäckchen auch schon angekommen sind. Es wäre sehr fatal gewesen, wenn da
eines davon verloren gegangen wäre, weil beides zusammen gehört. Ich will Dich
aber nicht unnötig neugierig machen.
Mit dem Verkauf der Seife bitte ich Dich
etwas kurz zu treten. Ich weiß zwar jetzt nicht, wie viel Du auf Vorrat hast,
doch wir bekommen bei unserer Weihnachtszuteilung schon unsere Kriegsseife, die
ich aber nicht verwende, solange ich noch andere habe. Mir ist diese Verteilung
aber ein Zeichen dafür, daß es auch hier langsam mit den Waren knapp wird.
Wie ich Dir oben schon schrieb, hatte ich
eigentlich die Absicht, mich bei meiner Heimkehr gleich ins Bett zu legen, doch
es drängt mich geradezu, Dir von meinem Erlebnis, das dieses Gastspiel des
Berliner Kammerorchesters heute war, zu berichten. Es wurden Ausschnitte aus
Symphonien und Werken von Händel, Haydn, Bach, Grieg und Mozart gespielt. Du
weißt ja selbst, daß ich zwar kein Kunstbanause bin, aber jedenfalls am Radio
kein großer Hörer von Symphonien oder Kammermusik bin. Wenn man aber
Gelegenheit hat, Augen- und Ohrenzeuge bei solchen Werken zu sein, so wird mir
wenigstens dieses Erleben sinnvoller. Als vorletztes Stück wurde dann der Kaiserwalzer
gespielt. Die beschwingte Musik wurde sehr fein wiedergegeben. Zum Schluß kam
als Glanzstück und wie der Dirigent in seinen verbindenden Worten noch
erklärte, als besonderer Gruß der Heimat, das Kaiserquartett von Haydn. Du
kennst es auch. Ihm liegt das Motiv des Deutschlandliedes zu Grunde. Selten bin
ich hier draußen so daheim gewesen wie gerade bei diesem Stück.
Bei diesen Klängen habe ich Euch daheim
gesucht und auch gefunden.
Ich
bin am Abend zur Haustüre hereingekommen, habe mich dann alsbald im Vorraum
befunden und dort meinen Mantel abgelegt. Dich fand ich in der Küche noch beschäftigt.
Offenbar saß auch Vater am Tisch und las die Zeitung. Die Kinder waren im Bett.
Ich suchte sie in ihrem Zimmer auf und fand sie im tiefen Schlaf. Friedlich
lagen sie da, ihre kleinen Erlebnisse des Alltags sah man ihnen nicht an.
Zwischendurch klang wieder die Melodie des Deutschlandliedes. Ich fand Dich
später im Schlafzimmer wieder, allein. Ein Bett war leer. Mein Blick ging durch
das Zimmer, an all den vertrauten Sachen blieb er hängen. Im kleinen Zimmer sah
ich all das, was wir zusammen erarbeiteten. Durch die Küche, der Stätte Deines
Wirkens mußte ich wieder zurück, um wieder hierher zu gelangen. Vorher nahm ich
aber wieder Abschied von Dir und von unserem Deutschland, denn die Wirklichkeit
hält mich ja gegenwärtig hier in dieser Stadt. Doch dieser Besuch war etwas Herrliches
und war wunderbar untermalt durch die einzige Melodie unserer Nation.
Hast Du es nicht gemerkt, wie ich bei euch
war?
Euren Brief vom 24. habt ihr ja ziemlich
weihnachtlich gestaltet. Du erzählst mir von Weihnachtsgeschenken, die Du schon
dür die Kinder gekauft hast und die Kinder malen schon Tannenzweige mit Kerzen
unter die Briefe. Ja für die Kinder hat jede Jahreszeit etwas Besonderes. Ich
finde aber so geheimnisvoll wie die Weihnachtszeit, ist kaum eine andere. Dies
muß uns schon von unseren Altvorderen im Blute liegen. Drum bedaure ich auch,
daß ich jetzt nicht daheim sein kann. Ich bin ja wohl mit Euch verbunden, denn
Eurer Adventskranz steht vor mir auf dem Tisch, ich werde somit immer an meine
Lieben daheim erinnert.
Wenn Du die gesandten Sachen nicht als
Dank für Deine Arbeit ansehen willst, so nimm sie bitte als Dank für Deine
Liebe, die Du mir immer wieder entgegenbringst an. Ich freue mich jedenfalls immer, wenn ich etwas
Besonderes oder auch etwas Notwendiges für Euch erwerben kann.
Der Eifer der Kinder muß ja unbedingt gelobt
werden. Steckt da vielleicht doch nicht
etwas Egoismus dahinter, damit Du bald fertig wirst um ihnen vorlesen zu könne?
Na, diese Selbstsucht wirkt ja immerhin erzieherisch und braucht deshalb nicht
kritisiert werden.
So jetzt habe ich doch noch meinen Brief
fertig geschrieben, doch in wenigen Minuten haben wir es bereits 12 Uhr. Es
wird also Zeit, daß ich ins Bett komme. Gute Nacht mein liebes Mädel und
schlafe gut. Unseren beiden Stromern gib wieder jedem einen herzlichen Kuß. Du
selbst sei herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.
Mein liebes Mädel! O.U., den 29.11.1940
Erst will ich wieder meinen Ruf nach Post
ausstoßen. Vielleicht kommt morgen wieder welche. Heute ist für mich wieder ein
Jubiläum. Soweit ich feststellen kann, schreibe ich an Dich jetzt den 150.
Brief. Übrigens haben wir einen anderen Tag übersehen, vor etwa 14 Tagen war es
ein halbes Jahr her, seit ich von Euch fort bin.
Ich habe heute an Nanni geschrieben.
Dieser Brief war schon lange fällig. Den Durchschlag davon füge ich Dir bei. An
die Eltern werde ich auch heute noch schreiben. Ebenso werde ich die beiden Päckchen
mit absenden. An Siegfried sowie auch an Kurt muß ich auch wieder schreiben,
damit ich meine Postschulden wieder erledigt habe. Hast Du eigentlich das
Päckchen mit dem Kakao nicht erhalten? Ich erwarte immer noch die Antwort auf
meine Frage bezügliche der Ankunft meiner Päckchen. Am Montag gehen an Dich
wieder einige ab, damit ich die hier lagernden Sachen so nach und nach weg bekomme,
denn ich möchte mich nicht unbedingt mit mehr belasten als erforderlich ist.
Nun möchte ich Dich einmal mit einer grundsätzlichen
Frage belasten und die handelt sich um den Urlaub. Wie ich Dir schon seinerzeit
sagte, ist meine Tätigkeit mit der des Tommy verkoppelt. Der fährt nun über Weihnachten
und Neujahr bis etwa 15.1. 41 in Urlaub. Nach dem Urlaubsplan besteht für mich
vorher wenig Aussicht, hier wegzukommen. Wir haben für mich den 18./19.1.1941
festgelegt. Ich habe mir gedacht mit Rücksicht auf Euch würde ich bei unserem
Chef darum einkommen, daß ich vielleicht 5 -6 Tage über Weihnachten freikäme.
An sich ist es dann aber so, daß ich höchstens 3 Tage bei Euch sein könnte,
weil ich so eine lange Anreise habe. Dieser Sonderurlaub würde auf den
kommenden angerechnet werden. Dann könnte ich vielleicht trotzdem zu dem
vorgesehenen Zeitpunkt im Januar zu Euch kommen. Der Unterschied ist noch der,
daß ich zweimal reisen muß, was dann auch mit eingerechnet wird. Du wirst Dir
denken können, daß es mir auch nicht einerlei ist, gerade zum Weihnachtsfest
nicht bei Euch sein zu können. Wie ich Dir aber schon oben geschildert habe,
ist hier zweierlei zu bedenken. Ich bitte Dich, mir schnellstens Deine Ansicht
mitzuteilen, ich werde dann sehen, was ich erreichen kann und wie ich es mache.
Recht herzliche Grüße und Küsse für heute
sendet Dir Dein Ernst.
Meine liebe Frau! O.U. den 30.Novwember 1940
Nun habe ich doch erst heute den Brief an
die Eltern fertigbekommen, weil ich gestern Abend zum Pflichtessen mußte. Heute
hat es sich ganz schön gegeben, denn ich hatte heute Nachmittag Bereitschaftsdienst.
Da habe ich erst einmal einige Päckchen fertig gemacht und nun habe ich mich
ans Schreiben gesetzt. Die Päckchen an Nanni und an die Eltern sind auch
versandfertig, so daß am Montag eine Sendung von 7 Päckchen herausgeht. Wie
findest Du den Brief an die Eltern? Er ist zwar etwas dreist in Bezug auf die Bezahlung, doch ich habe gedacht,
wenn ich nicht die Initiative ergreife, lassen die sich nichts merken. In der
Feinfühligkeit waren Deine Eltern uns gegenüber manchmal auch nicht sehr
kleinlich. Ich werde ja sehen, was sie dazu sagen. Wenn es ihnen zuviel ist,
brauchen sie es nur zu schreiben, dann bekommt Ihr wieder alles.
Die Post ist ja wieder mit mir sehr
rücksichtsvoll. Damit ich meine Nerven nicht so überlaste und erst am Montag
wieder die Arbeit des Briefelesens aufnehmen muß, hat sie mich heute bei der
Briefverteilung ausgeschlossen. Das ist doch nett von den Leuten. Ja bei denen
kommt man nur noch mit Galgenhumor durch, etwas anderes zieht nicht mehr.
Die Päckchen habe ich weiter nummeriert
und ich sende jetzt die Päckchen 3 bis 7 am Montag an Dich ab. Den Pullover für
Vater habe ich auch dabei, in den anderen Päckchen sind meistens Lebensmittel.
Ich brauche ja keine langen Beschreibungen loszulassen, denn Du brauchst ja nur
auf den laufenden Eingang der angekündigten Nummern achten. Nachdem ich mir die
neue Mütze angeschafft habe, bin ich nun noch zur Kammer gegangen und habe mir
eine neue Feldbluse verpassen lassen, damit ich etwas zu wechseln habe. Es
dreht sich nun noch darum, daß die verschiedenen Änderungen und die
entsprechenden Abzeichen beschafft werden, denn ich habe nicht Lust, mir diese
auf meine Rechnung zu besorgen. Am Montag werde ich auf dem Dienstweg den Antrag
auf Übernahme stellen. Ich bin gespannt, wie lange das dauern wird, bis das
durch ist. Ja man muß immer hinterher sein, denn sonst kommt man zum Schluß
noch ganz abgelumpt daher. Vor allen ist es doch bei uns so, daß wir mitten im
öffentlichen Dienst stehen, so daß wir wenigstens einigermaßen ordentlich
angezogen sein müssen. Das ist ja in der Heimat auch so.
Du wirst froh sein, wenn Du heute wieder
einmal einen mit Maschine geschriebenen Brief erhältst, da brauchst Du nicht so
lange herumzubuchstabieren. Wegen meines Urlaubs bitte ich Dich, nimm dazu in
der Weise Stellung, wie Du es Dir denkst. Ich kann ja noch nicht sagen, was ich
hier erreiche und wie unser Chef in dieser Sache entscheidet. Mit Rücksicht auf
den Jahreswechsel fällt hier ein großer Teil Arbeit an, der schließlich
erledigt sein muß. Ich weiß Du wirst für alles Verständnis haben und mir auch
einen Bescheid zukommen lassen. Nachdem nun ja bald wieder Nikolaus ist und in
diesem Jahr wahrscheinlich keiner zu den Kindern kommen kann, habe ich mir
gedacht, daß ich unter der Deckadresse
dieses Mannes an die Kinder einen entsprechenden Brief schreibe. Wenn Du
etwas anderes vorhast, so kannst Du ihn ja ohne weiteres zurückhalten.
Nun meine Lieben daheim grüße ich Euch
alle recht herzlich und sende Euch viele Küsse. Dir mein liebes Mädel sende ich
dies alles wieder besonders und hoffe von Dir bald wieder Nachricht zu bekommen.
Dein Ernst.
Der Brief an die Kinder war Schwerarbeit
für mich, denn Du weißt ja, wie gut ich die deutsche Schrift beherrsche. Du
wirst es ja auch ohne weiteres aus den Zügen erkennen, wie ich mich damit
abgequält habe. Ich denke aber, daß die Kinder sich darüber freuen werden. Du
wirst ihnen ja sowieso noch etwas dazu geben.
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