Mein liebes Mädel! O.U., den 6.11.1940
Beaucoup travaille, zu gut deutsch = viel
Arbeit, das kann ich in diesen Tagen wohl als Überschrift setzen. Zudem will
ich Dir von meinen Kenntnissen, die ich hier erlange, auch etwas abgeben, damit
Du nicht zu kurz kommst.
Heute ist es allerdings etwas anderes,
denn ich habe zwei Briefe bekommen, den vom 29./30. und den vom 31./1. mit dem
Brief von Helga. Das Zeugnis habe ich mir angesehen und ich muß sagen, daß es
mich recht gefreut hat. Sie hat sich doch auch im vergangenen Zeitraum tüchtig
rangehalten, wenn auch die zwei Einser, an die ich mich noch vom letzten Mal
erinnere, nicht dabei sind. Diese sind ja für die Beurteilung ihrer Leistungen
nicht ausschlaggebend, denn das Zeugnis macht einen ausgeglichenen Eindruck. Du
kannst es ihr schon sagen, gleichzeitig aber noch erwähnen, daß ich es durch
ein persönliches Schreiben noch würdigen werde.
Es ist inzwischen Nachmittag geworden und
im Augenblick ist noch Dein Brief vom 2./3. eingetroffen, so daß ich heute reichlich
für das entschädigt bin, was in den letzten Tagen die Post an mir getan hat.
Doch nun zu Deinen Briefen und zu den
Zeichnungen der Kinder. Ich danke Euch recht herzlich dafür, ich habe mich sehr
darüber gefreut. Ein Brief kann ja viel Freude hervorrufen, doch wenn man drei
bekommt, so ist das rein rechnerisch eine Verdreifachung, obwohl man dies nicht
nach derartigen Gesichtspunkten ansehen kann.
Ich habe gelesen, daß Dir daheim keine Aufgabe zu groß ist, um sie
nicht doch meistern zu können. Sogar die Brombeeren hast Du Dir vorgenommen.
Ich habe bisher keine Zweifel an Deiner Tatkraft gehabt, doch ich hatte nicht
erwartet, daß Du Dich an diese verzwickte und verschlungene Arbeit machen
würdest, die außerdem noch den Nachteil hat, sich sehr zu rächen.
Die neuen Handschuhe haben Dir also schon
gedient. Die Skimütze kannst Du für unseren "Dickkopf" schon verwenden,
wenn sie ihm paßt. Daß zwei Päckchen bei Dir eingetroffen sind freut mich, doch
bin auch ich verwundert, wo die ersten zwei abgeblieben sind, denn mit dem
Gewicht hat es genau gestimmt. Ich hoffe, daß sie inzwischen angekommen sind.
Über Deinen Mantel habe ich Dir ja schon
geschrieben. Die Angelegenheit ist ja so ziemlich erledigt. Filzschuhe habe ich
noch keine gekauft und werde sie auf Deinen Wunsch hin auch nicht besorgen. Ich
will gewiß nicht Deinen Widerspruch herausfordern oder noch mehr geschmeichelt
werden, doch so viel Lob, wie Du ihn in dem letzten Brief erwähnst, dürft Ihr
nicht über mich ausschütten, ich bin ja schließlich auch nur ein Mensch.
Sieh Dich nur vor mit den Brombeerstacheln, daß Du sie herausbekommst,
denn die können schon Schwierigkeiten bereiten.
7.11. früh 6 Uhr. Gestern Abend wollten
wir nebenan bei unseren beiden Chefs Öl empfangen. Wir trafen Beide in einer
ziemlichen Katerstimmung an und mußten Beiden darüber hinweghelfen. Wir haben
das getan so gut wir konnten, doch es hat etwas lange gedauert, denn es war
doch etwa 12 Uhr, wo wir wieder heimkamen. Ja, wenn man sich vorgenommen hat,
einmal pünktlich zu Bett zu gehen. Man muß so manches Opfer bringen, so auch
dann dies.
Den Brief, den ich gestern von Kurt
erhielt, möchte ich nicht vergessen zu erwähnen. Er ist zwar nicht sehr
inhaltsreiche, aber doch immerhin ein Lebenszeichen.
Ich sende Dir recht herzliche Grüße und
Küsse in gleicher Liebe wie früher Dein Ernst.
Meine liebe Annie! O.U. , den 7.11.1940
Trotz des späten Zubettgehens und zeitigen
Aufstehens fühle ich mich ganz wohl. Den Anfang meines Schreibens möchte ich
gleich noch am Vormittag schaffen. Soweit ich wieder einen Teil meiner Arbeit
erledigt habe und für einige Minuten Luft bekomme, ziehe ich meinen Bogen
hervor und fange an mit meinem Schreiben.
Dieser Tage werde ich wieder einige
Päckchen für Dich vorbereiten und bald absenden. Es sind verschiedene
Kleinigkeiten, für die Du sicher wieder Verwendung haben wirst. Gestern bekam
ich die bestellten Hemden für mich. Die für Kurt werde ich Dir zusenden. Ich
hatte doch von ihm 30,-RM bekommen. Führe doch bitte Buch über das, was ich ihm
beschafft habe. Die Preise werde ich Dir jeweils bekannt geben.
Von unserem gestrigen Ölempfang habe ich
Dir ja schon geschrieben. Ich habe mir vier Flaschen gekauft, auch dafür wirst
Du sicher Verwendung haben.
Bei der letzten Post ist mir aufgefallen,
daß zwischendurch immer wieder ein Tag ausgefallen ist. Du schreibst ja auch
noch jeden Tag, so daß die fehlenden Briefe auch bald eintreffen werden.
8.11.40 früh. Gestern Abend ist von
unseren Fahrern keine Post abgeholt worden, so daß ich heute früh Deine Briefe
vom 30./31. und 3./4. bekommen habe. Aus Deinem letzten Brief habe ich aber
leider lesen müssen, daß es Dir nicht ganz gut geht. Wie Du schreibst, hast Du
Dich der Flaschen erinnert. Sofern dieser Fall doch nochmals eintreten sollte, so
nimm nur das Kirschwasser, es ist stärker aber auch wirksamer. Wenn Dir der
andere aber auch schon geholfen hat, so ist ja der Zweck erfüllt. Ich wünsche
Dir, soweit es noch notwendig sein sollte, recht gute Besserung und hoffe, daß
der Fall nicht wieder eintritt.
Wegen des Anspruchs, daß Du mich überhaupt
gewollt hast, kann ich Dir nur erklären, daß ich mich nicht klar genug ausgedrückt
haben werde, denn Du verstandest mich in diesem Falle miß.
Die haben doch nur Spaß gemacht und wollte
mich ja eigentlich hochziehen. Ich finde, da wir einmal bei dieser
Angelegenheit sind, daß meine These, die ich früher einmal aufgestellt hatte,
Du seiest zwar keine ausgesprochene Schönheit, aber die Frau, die zu mir paßt,
in Bezug auf den Punkt Deines äußeren Eindrucks, glatt widerlegt.
Der Eifer von Jörg ist ja wirklich
lobenswert in Hinsicht auf sein Helfen und auch auf sein Schreiben. Ich danke
ihm für seine Mühe und für die Unterstützung, die er Dir erteilt.
Nach Deinem Brief vom 30. hast Du zwei
weitere Päckchen erhalten. Die Sachen gefallen Dir also wieder. Wenn die zwei
ersten Päckchen verloren gegangen sein sollte, so würde ich mich sehr darüber
ärgern. Ändern ließe es sich dadurch ja nicht, höchstens, daß ich das, was ich
hatte, nochmals kaufe. Ich werde noch
einige Tage warten und dann zusehen, was ich mache. Es wäre nur schade um das
Leder, die Bluse, das Jäckchen und die Strümpfe. Also warten wir einmal ab. Ich
habe aber in den letzten Tagen wieder einige Kleinigkeiten für Dich beschafft,
die ich Dir aufhebe und die ich Dir noch nicht verraten kann. Ich denke, daß Du
auch Deine Freude daran haben wirst.
Morgen Nachmittag oder am Sonntag werde
ich unserer Helga wieder schreiben, denn sie wird mit Recht nach dem schönen
Zeugnis auf eine Antwort warten. Gestern Abend bin ich schon zeitig nach Hause
gekommen, um wieder einmal auszuschlafen. Das habe ich auch getan und ich fühle
mich auch heute wieder frisch.
Mein liebes Mädel, sei Du recht herzlich
gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.
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