Freitag, 6. November 2015

Brief 76 vom 6./7.11.1940


Mein liebes Mädel!                                                                      O.U., den 6.11.1940   

Beaucoup travaille, zu gut deutsch = viel Arbeit, das kann ich in diesen Tagen wohl als Überschrift setzen. Zudem will ich Dir von meinen Kenntnissen, die ich hier erlange, auch etwas abgeben, damit Du nicht zu kurz kommst.
Heute ist es allerdings etwas anderes, denn ich habe zwei Briefe bekommen, den vom 29./30. und den vom 31./1. mit dem Brief von Helga. Das Zeugnis habe ich mir angesehen und ich muß sagen, daß es mich recht gefreut hat. Sie hat sich doch auch im vergangenen Zeitraum tüchtig rangehalten, wenn auch die zwei Einser, an die ich mich noch vom letzten Mal erinnere, nicht dabei sind. Diese sind ja für die Beurteilung ihrer Leistungen nicht ausschlaggebend, denn das Zeugnis macht einen ausgeglichenen Eindruck. Du kannst es ihr schon sagen, gleichzeitig aber noch erwähnen, daß ich es durch ein persönliches Schreiben noch würdigen werde.
Es ist inzwischen Nachmittag geworden und im Augenblick ist noch Dein Brief vom 2./3. eingetroffen, so daß ich heute reichlich für das entschädigt bin, was in den letzten Tagen die Post an mir getan hat.
Doch nun zu Deinen Briefen und zu den Zeichnungen der Kinder. Ich danke Euch recht herzlich dafür, ich habe mich sehr darüber gefreut. Ein Brief kann ja viel Freude hervorrufen, doch wenn man drei bekommt, so ist das rein rechnerisch eine Verdreifachung, obwohl man dies nicht nach derartigen Gesichtspunkten ansehen kann.
Ich habe gelesen, daß Dir  daheim keine Aufgabe zu groß ist, um sie nicht doch meistern zu können. Sogar die Brombeeren hast Du Dir vorgenommen. Ich habe bisher keine Zweifel an Deiner Tatkraft gehabt, doch ich hatte nicht erwartet, daß Du Dich an diese verzwickte und verschlungene Arbeit machen würdest, die außerdem noch den Nachteil hat, sich sehr zu rächen.
Die neuen Handschuhe haben Dir also schon gedient. Die Skimütze kannst Du für unseren "Dickkopf" schon verwenden, wenn sie ihm paßt. Daß zwei Päckchen bei Dir eingetroffen sind freut mich, doch bin auch ich verwundert, wo die ersten zwei abgeblieben sind, denn mit dem Gewicht hat es genau gestimmt. Ich hoffe, daß sie inzwischen angekommen sind.
Über Deinen Mantel habe ich Dir ja schon geschrieben. Die Angelegenheit ist ja so ziemlich erledigt. Filzschuhe habe ich noch keine gekauft und werde sie auf Deinen Wunsch hin auch nicht besorgen. Ich will gewiß nicht Deinen Widerspruch herausfordern oder noch mehr geschmeichelt werden, doch so viel Lob, wie Du ihn in dem letzten Brief erwähnst, dürft Ihr nicht über mich ausschütten, ich bin ja schließlich auch nur ein Mensch.
Sieh  Dich nur vor mit den Brombeerstacheln, daß Du sie herausbekommst, denn die können schon Schwierigkeiten bereiten.
7.11. früh 6 Uhr. Gestern Abend wollten wir nebenan bei unseren beiden Chefs Öl empfangen. Wir trafen Beide in einer ziemlichen Katerstimmung an und mußten Beiden darüber hinweghelfen. Wir haben das getan so gut wir konnten, doch es hat etwas lange gedauert, denn es war doch etwa 12 Uhr, wo wir wieder heimkamen. Ja, wenn man sich vorgenommen hat, einmal pünktlich zu Bett zu gehen. Man muß so manches Opfer bringen, so auch dann dies.
Den Brief, den ich gestern von Kurt erhielt, möchte ich nicht vergessen zu erwähnen. Er ist zwar nicht sehr inhaltsreiche, aber doch immerhin ein Lebenszeichen.
Ich sende Dir recht herzliche Grüße und Küsse in gleicher Liebe wie früher Dein Ernst.


Meine liebe Annie!                                                               O.U. , den 7.11.1940

Trotz des späten Zubettgehens und zeitigen Aufstehens fühle ich mich ganz wohl. Den Anfang meines Schreibens möchte ich gleich noch am Vormittag schaffen. Soweit ich wieder einen Teil meiner Arbeit erledigt habe und für einige Minuten Luft bekomme, ziehe ich meinen Bogen hervor und fange an mit meinem Schreiben.
Dieser Tage werde ich wieder einige Päckchen für Dich vorbereiten und bald absenden. Es sind verschiedene Kleinigkeiten, für die Du sicher wieder Verwendung haben wirst. Gestern bekam ich die bestellten Hemden für mich. Die für Kurt werde ich Dir zusenden. Ich hatte doch von ihm 30,-RM bekommen. Führe doch bitte Buch über das, was ich ihm beschafft habe. Die Preise werde ich Dir jeweils bekannt geben.
Von unserem gestrigen Ölempfang habe ich Dir ja schon geschrieben. Ich habe mir vier Flaschen gekauft, auch dafür wirst Du sicher Verwendung haben.
Bei der letzten Post ist mir aufgefallen, daß zwischendurch immer wieder ein Tag ausgefallen ist. Du schreibst ja auch noch jeden Tag, so daß die fehlenden Briefe auch bald eintreffen werden.
8.11.40 früh. Gestern Abend ist von unseren Fahrern keine Post abgeholt worden, so daß ich heute früh Deine Briefe vom 30./31. und 3./4. bekommen habe. Aus Deinem letzten Brief habe ich aber leider lesen müssen, daß es Dir nicht ganz gut geht. Wie Du schreibst, hast Du Dich der Flaschen erinnert. Sofern dieser Fall doch nochmals eintreten sollte, so nimm nur das Kirschwasser, es ist stärker aber auch wirksamer. Wenn Dir der andere aber auch schon geholfen hat, so ist ja der Zweck erfüllt. Ich wünsche Dir, soweit es noch notwendig sein sollte, recht gute Besserung und hoffe, daß der Fall nicht wieder eintritt.
Wegen des Anspruchs, daß Du mich überhaupt gewollt hast, kann ich Dir nur erklären, daß ich mich nicht klar genug ausgedrückt haben werde, denn Du verstandest mich in diesem Falle miß.
Die haben doch nur Spaß gemacht und wollte mich ja eigentlich hochziehen. Ich finde, da wir einmal bei dieser Angelegenheit sind, daß meine These, die ich früher einmal aufgestellt hatte, Du seiest zwar keine ausgesprochene Schönheit, aber die Frau, die zu mir paßt, in Bezug auf den Punkt Deines äußeren Eindrucks, glatt widerlegt.
Der Eifer von Jörg ist ja wirklich lobenswert in Hinsicht auf sein Helfen und auch auf sein Schreiben. Ich danke ihm für seine Mühe und für die Unterstützung, die er Dir erteilt.
Nach Deinem Brief vom 30. hast Du zwei weitere Päckchen erhalten. Die Sachen gefallen Dir also wieder. Wenn die zwei ersten Päckchen verloren gegangen sein sollte, so würde ich mich sehr darüber ärgern. Ändern ließe es sich dadurch ja nicht, höchstens, daß ich das, was ich hatte, nochmals kaufe.  Ich werde noch einige Tage warten und dann zusehen, was ich mache. Es wäre nur schade um das Leder, die Bluse, das Jäckchen und die Strümpfe. Also warten wir einmal ab. Ich habe aber in den letzten Tagen wieder einige Kleinigkeiten für Dich beschafft, die ich Dir aufhebe und die ich Dir noch nicht verraten kann. Ich denke, daß Du auch Deine Freude daran haben wirst.
Morgen Nachmittag oder am Sonntag werde ich unserer Helga wieder schreiben, denn sie wird mit Recht nach dem schönen Zeugnis auf eine Antwort warten. Gestern Abend bin ich schon zeitig nach Hause gekommen, um wieder einmal auszuschlafen. Das habe ich auch getan und ich fühle mich auch heute wieder frisch.
Mein liebes Mädel, sei Du recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.

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