Freitag, 6. November 2015

Brief 75 vom 4./5.11.1940


Meine liebe Frau!                                                                     O.U., den 4.11.1940   

Seit Samstag regnet es nun schon ohne Unterbrechung. Zur Abwechslung regnet es einmal schneller und dann dafür auch zwischendurch etwas langsamer, aber es regnet. Gestern war es noch etwas stürmisch dazu, so daß wirklich nicht viel Lust vorhanden war, sich im Freien zu ergehen. Ich bin, wie ich Dir ja gestern schon geschrieben habe, schön daheim geblieben, habe Radio  gehört, Zeitung gelesen, geschrieben und dazwischen bin ich, wenn es Zeit war, zum Essen gefahren.
Heute früh bekam ich Deine beiden lieben Päckchen ausgehändigt. Ich hatte zwar nicht erwartet, daß Du mir noch etwas Gebackenes mitschickst, doch ich danke Dir vielmals dafür. Das hast Du lieb gemacht. Die Behälter werde ich soweit ich Fett erhalte, verwenden und Dir jeweils zugehen lassen.
Einen Brief habe ich von Dir heute nicht erhalten. Es sind ja fast unhaltbare Zustände, wie unregelmäßig die Post arbeitet. Ich habe aber die Zuversicht noch nicht verloren. Morgen wird sicher wieder etwas kommen.
5.11.40: Ich bin gestern nicht fertig geworden, meinen Brief an Dich zu beenden. Ich war mit Dr. Thomas zu einer nachträglichen Geburtstagsfeier des Stellvertreters  unseres Chefs eingeladen. Du wirst langsam denken, ich wandere von einer Einladung zur anderen. Es ist aber auch fast so, denn am Freitag soll ich wieder zu einer größeren Gesellschaft mitkommen, wo wahrscheinlich auch wieder Alkohol fließen wird.
Gestern waren wir fünf Männer, eingeschlossen ein interessanter Mann. Ein berühmter Maler, der in Berlin lebt, aber sonst Süddeutscher ist. Ein Professor Spiegel. Wir haben uns ganz angeregt unterhalten. Doch darüber kann ich Dich später einmal genauer unterrichten. Das kann ich aber vorweg nehmen. Der Mann ist schon 61 Jahre und ist schon wiederholt mit unseren Fliegern über England gewesen. Er tut dies zu seiner eigenen Unterrichtung, um sich das Bild des Fliegers und des Kampfes zu formen.
Bei solch angeregter Unterhaltung gibt´s ja auch reichlich Durst und wenn die Sitzung sich lange ausdehnt, so ist es nicht zu viel, wenn dann sieben Flaschen Sekt alle werden. Aber der Dienst kann ja nicht unter solchen Feiern leiden. Pünktlich wie immer bin ich aufgestanden, wenn es auch schwer fällt, denn wir haben in letzter Zeit sehr viel Arbeit, die einen den ganzen Tag über voll in Anspruch nimmt.
Ich habe Dir heute, ich habe wenigstens den Eindruck, wenig inhaltsreiches geschrieben, doch ich habe nicht die Absicht, deswegen nicht zu schreiben. Das nächste Mal wird´s wieder besser. Euch allen recht herzliche Grüße und Küsse. Dir sende ich sie wieder besonders. Dein Ernst.


Mein liebes Mädel!                                                           O.U., den 5.11. 1940

Erst möchte ich meinen Stoßseufzer loslassen. Seit Samstag habe ich keine Post von Dir, so daß ich durch die sonstige Regelmäßigkeit etwas beunruhigt bin. Doch diese Beunruhigung wird dadurch etwas aufgehoben, daß verschiedene meiner Kameraden in den letzten Tagen auch etwas schlecht versorgt wurde. Offenbar besteht an irgendeiner Stelle eine Stockung.
Heute Abend bin ich mit Rücksicht auf den vergangenen Abend sehr häuslich und habe mich schon gleich nach 9 Uhr in meine Kemenate eingefunden, um meinen täglichen Brief an Dich zu verfertigen. Ich habe am Nachmittag feine Stunde geschlafen und mir deshalb für heute Abend noch eine größere Arbeit mit heimgenommen, die ich nach Beendigung meines Briefes noch entwerfen will, weil sie mir sonst im Dienst so viel Zeit wegnimmt. Wir haben z.Zt. etwas Hochdruck und ich hoffe, daß er auch wieder einmal etwas nachläßt. Ich habe mir einige Stückchen von Deinem gesandten Gebäcks geholt, das im übrigen wieder ausgezeichnet schmeckt, und knabbere so nebenher. Das Radio läuft, wie es bei mir immer üblich ist, so daß es den Umständen entsprechend ganz heimelig hier ist.
Zu Deiner Unterrichtung sende ich Dir heute einmal eine Postkarte mit von unserem Stammplatz, denn ich denke, daß Dich dies interessieren wird. Den Platz, an dem ich sitze, habe ich angekreuzt.
Dieser Tage wird hier das Rheinische Landestheater den "Vetter aus Dingsda" spielen. Gegenwärtig ist hier ein Programm mit Paul Kemp, das ich mir auch noch ansehen muß.
Sobald es sich mit unserer Arbeit einrichten läßt und das Wetter einigermaßen danach ist, werde ich mit dem Autofahren weitermachen. Ich wäre ja schon gerne fertig damit, doch es ließ sich leider noch nicht machen.
Wir haben hier zur Zeit ein scheußliches Wetter. Es schien, als ob es kälter werden wollte, und nun herrscht schon wieder so ein warmer Wind. Die Zimmer sind durch die Dampfheizung überheizt, trotzdem man die Fenster aufmacht. Dies allerdings ist auch nicht immer möglich.
Wie steht es nun mit Helgas Zeugnis? Hat sie es schon bekommen und wie ist es ausgefallen. Du wirst mir ja davon schon eine Abschrift zugehen lassen. Zum Vergleichen würden mich auch die vorhergehenden Zahlen interessieren.
Hast du schon einmal nach dem Schulranzen bei Vater nachgesehen, den wir für Jörg haben wollten bzw. den wir für Helga herrichten lassen wollten? Vielleicht kann er durch einen Sattler richtig in Ordnung gebracht werden. Wie lange wird es noch dauern, dann ist die Zeit für Jörg auch gekommen.
Was machen sonst die beiden Stromer? Wie Du mir letzthin mitteiltest, versuchen sie der jetzigen Jahreszeit auch die gute Seite abzugewinnen, Jörg soll nur weiterhin Dir mithelfen, wie beim Sauerkrauteinmachen.
Vor allem aber soll er brav sein und Dir folgen. Ich denke, daß ich Helga nicht so ermahnen brauche. Nachdem Du ihnen immer so schöne Geschichten vorliest und erzählst, haben sie ja auch allen Grund zu parieren.
Ich komme wieder zum Schluß und will der Hoffnung Ausdruck geben, bald von Dir wieder Nachricht zu erhalten. Euch alle grüße ich recht herzlich. Du erhältst besondere Grüße und Küsse von Deinem Ernst.

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