Meine liebe Frau! O.U., den 4.11.1940
Seit Samstag regnet es nun schon ohne
Unterbrechung. Zur Abwechslung regnet es einmal schneller und dann dafür auch
zwischendurch etwas langsamer, aber es regnet. Gestern war es noch etwas
stürmisch dazu, so daß wirklich nicht viel Lust vorhanden war, sich im Freien
zu ergehen. Ich bin, wie ich Dir ja gestern schon geschrieben habe, schön
daheim geblieben, habe Radio gehört,
Zeitung gelesen, geschrieben und dazwischen bin ich, wenn es Zeit war, zum Essen
gefahren.
Heute früh bekam ich Deine beiden lieben
Päckchen ausgehändigt. Ich hatte zwar nicht erwartet, daß Du mir noch etwas Gebackenes
mitschickst, doch ich danke Dir vielmals dafür. Das hast Du lieb gemacht. Die
Behälter werde ich soweit ich Fett erhalte, verwenden und Dir jeweils zugehen
lassen.
Einen Brief habe ich von Dir heute nicht
erhalten. Es sind ja fast unhaltbare Zustände, wie unregelmäßig die Post
arbeitet. Ich habe aber die Zuversicht noch nicht verloren. Morgen wird sicher
wieder etwas kommen.
5.11.40: Ich bin gestern nicht fertig
geworden, meinen Brief an Dich zu beenden. Ich war mit Dr. Thomas zu einer
nachträglichen Geburtstagsfeier des Stellvertreters unseres Chefs eingeladen. Du wirst langsam denken, ich wandere
von einer Einladung zur anderen. Es ist aber auch fast so, denn am Freitag soll
ich wieder zu einer größeren Gesellschaft mitkommen, wo wahrscheinlich auch
wieder Alkohol fließen wird.
Gestern waren wir fünf Männer,
eingeschlossen ein interessanter Mann. Ein berühmter Maler, der in Berlin lebt,
aber sonst Süddeutscher ist. Ein Professor Spiegel. Wir haben uns ganz angeregt
unterhalten. Doch darüber kann ich Dich später einmal genauer unterrichten. Das
kann ich aber vorweg nehmen. Der Mann ist schon 61 Jahre und ist schon
wiederholt mit unseren Fliegern über England gewesen. Er tut dies zu seiner
eigenen Unterrichtung, um sich das Bild des Fliegers und des Kampfes zu formen.
Bei solch angeregter Unterhaltung gibt´s
ja auch reichlich Durst und wenn die Sitzung sich lange ausdehnt, so ist es
nicht zu viel, wenn dann sieben Flaschen Sekt alle werden. Aber der Dienst kann
ja nicht unter solchen Feiern leiden. Pünktlich wie immer bin ich aufgestanden,
wenn es auch schwer fällt, denn wir haben in letzter Zeit sehr viel Arbeit, die
einen den ganzen Tag über voll in Anspruch nimmt.
Ich habe Dir heute, ich habe wenigstens
den Eindruck, wenig inhaltsreiches geschrieben, doch ich habe nicht die
Absicht, deswegen nicht zu schreiben. Das nächste Mal wird´s wieder besser.
Euch allen recht herzliche Grüße und Küsse. Dir sende ich sie wieder besonders.
Dein Ernst.
Mein liebes Mädel! O.U., den 5.11. 1940
Erst möchte ich meinen Stoßseufzer
loslassen. Seit Samstag habe ich keine Post von Dir, so daß ich durch die
sonstige Regelmäßigkeit etwas beunruhigt bin. Doch diese Beunruhigung wird
dadurch etwas aufgehoben, daß verschiedene meiner Kameraden in den letzten
Tagen auch etwas schlecht versorgt wurde. Offenbar besteht an irgendeiner
Stelle eine Stockung.
Heute Abend bin ich mit Rücksicht auf den
vergangenen Abend sehr häuslich und habe mich schon gleich nach 9 Uhr in meine
Kemenate eingefunden, um meinen täglichen Brief an Dich zu verfertigen. Ich
habe am Nachmittag feine Stunde geschlafen und mir deshalb für heute Abend noch
eine größere Arbeit mit heimgenommen, die ich nach Beendigung meines Briefes
noch entwerfen will, weil sie mir sonst im Dienst so viel Zeit wegnimmt. Wir
haben z.Zt. etwas Hochdruck und ich hoffe, daß er auch wieder einmal etwas
nachläßt. Ich habe mir einige Stückchen von Deinem gesandten Gebäcks geholt,
das im übrigen wieder ausgezeichnet schmeckt, und knabbere so nebenher. Das
Radio läuft, wie es bei mir immer üblich ist, so daß es den Umständen
entsprechend ganz heimelig hier ist.
Zu Deiner Unterrichtung sende ich Dir
heute einmal eine Postkarte mit von unserem Stammplatz, denn ich denke, daß Dich
dies interessieren wird. Den Platz, an dem ich sitze, habe ich angekreuzt.
Dieser Tage wird hier das Rheinische
Landestheater den "Vetter aus Dingsda" spielen. Gegenwärtig ist hier
ein Programm mit Paul Kemp, das ich mir auch noch ansehen muß.
Sobald es sich mit unserer Arbeit
einrichten läßt und das Wetter einigermaßen danach ist, werde ich mit dem
Autofahren weitermachen. Ich wäre ja schon gerne fertig damit, doch es ließ
sich leider noch nicht machen.
Wir haben hier zur Zeit ein scheußliches
Wetter. Es schien, als ob es kälter werden wollte, und nun herrscht schon
wieder so ein warmer Wind. Die Zimmer sind durch die Dampfheizung überheizt,
trotzdem man die Fenster aufmacht. Dies allerdings ist auch nicht immer
möglich.
Wie steht es nun mit Helgas Zeugnis? Hat
sie es schon bekommen und wie ist es ausgefallen. Du wirst mir ja davon schon
eine Abschrift zugehen lassen. Zum Vergleichen würden mich auch die vorhergehenden
Zahlen interessieren.
Hast du schon einmal nach dem Schulranzen
bei Vater nachgesehen, den wir für Jörg haben wollten bzw. den wir für Helga
herrichten lassen wollten? Vielleicht kann er durch einen Sattler richtig in
Ordnung gebracht werden. Wie lange wird es noch dauern, dann ist die Zeit für
Jörg auch gekommen.
Was machen sonst die beiden Stromer? Wie
Du mir letzthin mitteiltest, versuchen sie der jetzigen Jahreszeit auch die
gute Seite abzugewinnen, Jörg soll nur weiterhin Dir mithelfen, wie beim
Sauerkrauteinmachen.
Vor allem aber soll er brav sein und Dir
folgen. Ich denke, daß ich Helga nicht so ermahnen brauche. Nachdem Du ihnen
immer so schöne Geschichten vorliest und erzählst, haben sie ja auch allen
Grund zu parieren.
Ich komme wieder zum Schluß und will der
Hoffnung Ausdruck geben, bald von Dir wieder Nachricht zu erhalten. Euch alle
grüße ich recht herzlich. Du erhältst besondere Grüße und Küsse von Deinem
Ernst.
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