Mein liebes Mädel! O.U., den 26.11.1940
Nachdem ich gestern so reichlich mit Post
bedacht worden bin, kann es ja heute nun nicht so weitergehen. Ich habe zwar
keine Briefe bekommen, doch dafür trafen Deine beiden Päckchen ein, die nun doch
etwas Advent in meine Bude zaubern. Ich habe die Zweige dazu gelegt und das
Büchlein daneben. Der Tisch wirkt geradezu festlich. Das Kränzchen hast Du
wieder fein und mit viel Liebe gemacht. Es atmet Alles Heimat aus. Als ich
alles auspackte, da fiel mir ein, als Du mir den ersten Adventskranz brachtest.
Damals war ich noch mit Fritz zusammen. Kannst Du Dich noch entsinnen, wie wir
damals restlos begeistert waren?
Ja, inzwischen sind nun 12 Jahre vergangen
und ich sitze, wie damals auch, einsam in einer Bude. Ich weiß zwar, daß Deine
Gedanken auch hier bei mir weilen wie die meinen bei Euch. Habe Du recht
herzlichen Dank und den Kindern danke ich vielmals für die ausgeschnittenen
Tannenbäumchen. Das Gebäck habe ich probiert, es schmeckt wie immer gut. Das
Heftchen werde ich mir an einem der nächsten Abende vornehmen. Ich danke Euch
nochmals für Eure Liebe und für Eure Aufmerksamkeit.
Unsere schönen Wälder, die fehlen hier
sehr, umso mehr hat mich das Tannengrün erfreut, sind diese kleinen Zweiglein
aus diesen Wäldern. Man hat es in diesem Trubel gar nicht so gemerkt, daß es
auf Weihnachten zugeht, die Witterung hat ja bis jetzt auch noch nicht darauf
hingedeutet. Ich werde ja durch Euren Gruß immer wieder daran erinnert, daß wir
nicht weit von Weihnachten entfernt sind. Ich kann mich ja im Großen und Ganzen
nicht beklagen, denn ich bin soweit gut untergebracht, habe mein anständiges
Essen. Eins fehlt eben doch und das kann nicht ersetzt werden, das ist die
Familie und damit die Heimat. Wir wollen fest hoffen, daß uns dies alles wieder
einmal beschieden sein wird.
In unserer Zeitung steht heute ein interessanter
Artikel über unsere Stadt. Ich lasse ihn Dir demnächst mit zugehen. Ein Bild zeigt auch die „Porte
Paris“. An der gehe ich jeden Tag mindestens einmal vorbei, dieses Tor ist auch
ganz in der Nähe meiner Arbeitsstätte.
Vom Wetter kann ich heute berichten, daß
es wahrscheinlich kälter werden wird. Wie hier der Winter ausfällt, bin ich
auch gespannt. Vor einigen Tagen hatten wir ganz dichten Nebel, der beim
Autofahren sehr hinderlich ist.
Ich werde am Donnerstag in das Konzert der
Berliner Philharmoniker gehen, die an diesem Tage einmal unter dem Dirigenten
Hans von Benda spielen wird. Das wird wieder ein musikalisches Erlebnis werden.
Ich möchte für diesmal wieder schließen und Dir meine herzlichsten Grüße und
Küsse übersenden. Helga und Jörg, unseren beiden Stromern, gib auch jedem einen
herzlichen Kuß und sage ihnen, daß ich oft an sie denke. Dein Ernst.
Mein liebes Mädel! O.U., den 27.11.1940
Heute ist wieder der zweite Tag, an dem
ich keine Post von Dir bekommen habe. Ich weiß zwar aus Deinen Briefen, es geht
Dir ebenso, doch man muß diese Feststellung jedes Mal wieder treffen.
An Dich habe ich heute zwei Päckchen wieder
ab gesandt. Zur besseren Kontrolle habe ich angefangen, jedem Päckchen eine
Nummer zu geben, dann kannst Du ohne weiteres feststellen, welches Päckchen
ausgefallen ist. Also Nr. 1 und 2 sind abgegangen. Es sind Sardinen und andere
Konserven. Wir haben jetzt dafür die Rechnung bekommen. Auf mich entfallen etwa
20,-RM bis 25,-RM. Ich habe wieder einige Päckchen in Vorbereitung, doch macht
die Beschaffung des notwendigen Verpackungsmaterials bald Schwierigkeiten. Es
wäre doch sehr unangenehm, wenn die gekauften Sachen beschädigt ankommen
würden. Ich werde die Waren nach und
nach an Dich abschicken, so wie sich die Möglichkeiten bieten.
Ich habe mich nun weiterhin verbessert und
mir den schon länger in Aussicht genommenen Kauf einer Mütze vollzogen. Ohne
mich selbst zu überheben, ich finde, sie sieht nicht ungeschickt aus.
Das Wetter ist sehr unfreundlich und man
muß sich darauf umstellen. Augenblicklich sind wir mit Arbeit wieder sehr
überhäuft, daß es manchmal scheint, man würde es kaum schaffen. Doch wir werden
uns nicht unterkriegen lassen.
In unserer Zeitung standen einige
interessante Artikel. Einer über Frankreich und einer über Kortrijk. Ich werde
sie Dir auch mit zusenden, weil ich denke, daß Du Dich auch dafür
interessierst.
Am Sonntag werde ich aller Wahrscheinlichkeit
nach Hörer des 50. Wunschkonzerts sein. Ich weiß, daß Du auch dabei sein wirst.
Wir werden also gemeinsam, wenn auch weit voneinander entfernt, dasselbe hören.
Sei heute wieder recht herzlich gegrüßt
und geküßt von Deinem Ernst.
Den Kindern gib bitte wieder einen herzlichen
Kuß von mir und an Vater richte doch einen Gruß aus.
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