Samstag, 28. November 2015

Brief 84 vom 26./27.11.1940


Mein liebes Mädel!                                                                    O.U., den 26.11.1940 

Nachdem ich gestern so reichlich mit Post bedacht worden bin, kann es ja heute nun nicht so weitergehen. Ich habe zwar keine Briefe bekommen, doch dafür trafen Deine beiden Päckchen ein, die nun doch etwas Advent in meine Bude zaubern. Ich habe die Zweige dazu gelegt und das Büchlein daneben. Der Tisch wirkt geradezu festlich. Das Kränzchen hast Du wieder fein und mit viel Liebe gemacht. Es atmet Alles Heimat aus. Als ich alles auspackte, da fiel mir ein, als Du mir den ersten Adventskranz brachtest. Damals war ich noch mit Fritz zusammen. Kannst Du Dich noch entsinnen, wie wir damals restlos begeistert waren?
Ja, inzwischen sind nun 12 Jahre vergangen und ich sitze, wie damals auch, einsam in einer Bude. Ich weiß zwar, daß Deine Gedanken auch hier bei mir weilen wie die meinen bei Euch. Habe Du recht herzlichen Dank und den Kindern danke ich vielmals für die ausgeschnittenen Tannenbäumchen. Das Gebäck habe ich probiert, es schmeckt wie immer gut. Das Heftchen werde ich mir an einem der nächsten Abende vornehmen. Ich danke Euch nochmals für Eure Liebe und für Eure Aufmerksamkeit.
Unsere schönen Wälder, die fehlen hier sehr, umso mehr hat mich das Tannengrün erfreut, sind diese kleinen Zweiglein aus diesen Wäldern. Man hat es in diesem Trubel gar nicht so gemerkt, daß es auf Weihnachten zugeht, die Witterung hat ja bis jetzt auch noch nicht darauf hingedeutet. Ich werde ja durch Euren Gruß immer wieder daran erinnert, daß wir nicht weit von Weihnachten entfernt sind. Ich kann mich ja im Großen und Ganzen nicht beklagen, denn ich bin soweit gut untergebracht, habe mein anständiges Essen. Eins fehlt eben doch und das kann nicht ersetzt werden, das ist die Familie und damit die Heimat. Wir wollen fest hoffen, daß uns dies alles wieder einmal beschieden sein wird.
In unserer Zeitung steht heute ein interessanter Artikel über unsere Stadt. Ich lasse ihn Dir demnächst mit  zugehen. Ein Bild zeigt auch die „Porte Paris“. An der gehe ich jeden Tag mindestens einmal vorbei, dieses Tor ist auch ganz in der Nähe meiner Arbeitsstätte.
Vom Wetter kann ich heute berichten, daß es wahrscheinlich kälter werden wird. Wie hier der Winter ausfällt, bin ich auch gespannt. Vor einigen Tagen hatten wir ganz dichten Nebel, der beim Autofahren sehr hinderlich ist.
Ich werde am Donnerstag in das Konzert der Berliner Philharmoniker gehen, die an diesem Tage einmal unter dem Dirigenten Hans von Benda spielen wird. Das wird wieder ein musikalisches Erlebnis werden. Ich möchte für diesmal wieder schließen und Dir meine herzlichsten Grüße und Küsse übersenden. Helga und Jörg, unseren beiden Stromern, gib auch jedem einen herzlichen Kuß und sage ihnen, daß ich oft an sie denke. Dein Ernst.


Mein liebes Mädel!                                                     O.U., den 27.11.1940

Heute ist wieder der zweite Tag, an dem ich keine Post von Dir bekommen habe. Ich weiß zwar aus Deinen Briefen, es geht Dir ebenso, doch man muß diese Feststellung jedes Mal wieder treffen.
An Dich habe ich heute zwei Päckchen wieder ab gesandt. Zur besseren Kontrolle habe ich angefangen, jedem Päckchen eine Nummer zu geben, dann kannst Du ohne weiteres feststellen, welches Päckchen ausgefallen ist. Also Nr. 1 und 2 sind abgegangen. Es sind Sardinen und andere Konserven. Wir haben jetzt dafür die Rechnung bekommen. Auf mich entfallen etwa 20,-RM bis 25,-RM. Ich habe wieder einige Päckchen in Vorbereitung, doch macht die Beschaffung des notwendigen Verpackungsmaterials bald Schwierigkeiten. Es wäre doch sehr unangenehm, wenn die gekauften Sachen beschädigt ankommen würden. Ich werde die Waren  nach und nach an Dich abschicken, so wie sich die Möglichkeiten bieten.
Ich habe mich nun weiterhin verbessert und mir den schon länger in Aussicht genommenen Kauf einer Mütze vollzogen. Ohne mich selbst zu überheben, ich finde, sie sieht nicht ungeschickt aus.
Das Wetter ist sehr unfreundlich und man muß sich darauf umstellen. Augenblicklich sind wir mit Arbeit wieder sehr überhäuft, daß es manchmal scheint, man würde es kaum schaffen. Doch wir werden uns nicht unterkriegen lassen.
In unserer Zeitung standen einige interessante Artikel. Einer über Frankreich und einer über Kortrijk. Ich werde sie Dir auch mit zusenden, weil ich denke, daß Du Dich auch dafür interessierst.
Am Sonntag werde ich aller Wahrscheinlichkeit nach Hörer des 50. Wunschkonzerts sein. Ich weiß, daß Du auch dabei sein wirst. Wir werden also gemeinsam, wenn auch weit voneinander entfernt, dasselbe hören.
Sei heute wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.
Den Kindern gib bitte wieder einen herzlichen Kuß von mir und an Vater richte doch einen Gruß aus.

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