Dienstag, 10. November 2015

Brief 78 vom 11./12./14.11.1940


Meine liebe Frau!                                                           O.U., den 11.November 1940       

In der vergangenen Nacht ist bei uns ziemlich wieder geballert worden. Die Engländer kamen wieder gegen morgen an. Die Abwehr war erheblich stärker wie in der letzten Nacht, dagegen hat der Angriff etwas länger gedauert. Man gewöhnt sich aber an alles, so daß man eigentlich wenig erschreckt ist, wenn sie tatsächlich einmal einer nach hierher verläuft. Das sternenklare Wetter ist ja auch für solche Besuche sehr einlandend.
Gerstern Abend ist auch mein anderer Kamerad, der in Freiburg wohnt, aus dem Urlaub wieder zurückgekommen. Bis Dr. Thoma in Urlaub geht, ist das alte Kleeblatt wieder beieinander. Unser Chef ist ja noch nicht zurück. Wie es dann mit Weihnachten steht, ist noch unsicher. Ich werde Dir, das weißt Du ja, rechtzeitig Bescheid geben.
Heute früh traf Dein Brief vom 6. ein, in dem auch die Wünsche der Kinder verzeichnet sind. Soweit Du die Mittel dafür hast, um die Wünsche zu erfüllen, soll es mir recht sein. Jörg ist  „wirklich nicht unbescheiden“ in seiner Zusammenstellung. Deine Mitteilung, daß Dir die Bluse und die Weste passen, hat mich erfreut, denn man weiß dann, daß man nichts Unnützes gekauft hat. Das Tschechische stört mich heute nicht mehr so sehr, denn wirtschaftlich gesehen, gehören die ja heute auch zu uns. Na, und die Weste wird Dir auch gute Dienste leisten. Daß Dich die Post auch mitunter so schlecht bedient, finde ich schändlich.
Nun traf heute mit der Abendpost noch Dein Brief vom 8.11. ein, für den ich Dir auch wieder vielmals danke. Es ist immer wieder ein lieber Gruß von Dir und aus der Heimat.
Du hast aber fest geschafft. Du wolltest doch einige Ruhetage zum Kräfte sammeln einlegen. Offenbar hat es Dir aber keine Ruhe gelassen. Ich weiß es wohl, daß es eine sehr anstrengende Arbeit ist, abgesehen von dem Wohlgeruch. Ich muß Dir meine volle Anerkennung aussprechen für diese Leistung. Daß Du zu etwas nütze bist, um Deine Worte zu gebrauchen, hast Du ja schon bei anderer Gelegenheit bewiesen.
Jetzt ist also nun noch ein Päckchen an Dich unterwegs, nachdem Du wieder eins erhalten hast. Ich nehme an, daß der gesandte Gummi richtig ist und sich verwenden läßt. Was Du mir bezüglich der Schokolade geschrieben hast, ist ja nicht schlecht. So kann sich der Geschmack ändern, oder der Glaube macht selig. Ich habe noch etliche Tafeln von der Corona daliegen. Ich werde noch einige Päckchen vorbereiten und Dir wieder zugehen lassen.
Heute war ich wieder einmal im Konzert. Es war ein sehr nettes und flottes Programm. U.a wurde auch das Lied gesungen, was Du immer so gern hörst: „Der Lügenlord“. Ich habe dabei fest an Dich denken müssen.
Ihr meine Lieben daheim, ich grüße Euch alle recht herzlich. Dir mein liebes Mädel sende ich besonders meine herzlichen Grüße und Küsse. Dein Ernst.


Meine geliebte Annie!                                                    O .U., den 12.11.1940

Ich komme erst heute am Abend dazu, Dir zu schreiben. Zuerst möchte ich Dir aber  für Dein liebes Päckchen danken, was Du mir so unangemeldet gesandt hast. Ich habe mich über diesen Gruß sehr gefreut. Obwohl ich heute schon zeitig nach Hause gekommen bin, fange ich erst jetzt gegen 10 Uhr mit meinem Briefe an, weil ich erst noch in dem Büchlein gelesen habe. Diese Sachen haben einen wirklich heimatlichen Charakter vor allem auch deshalb, weil man doch alles so kennt. Wenn ich mich nur noch unserer gemeinsamen Radunternehmungen um den See erinnere, oder an die früheren Fahrten, es war doch jedes Mal wirklich schön.
Auch für die beiden Bilder von Dir danke ich Dir. Ich werde sie den anderen angliedern. Dein beigefügter Brief vom 4.11. hat mich sehr belustigt wegen des Gebisses, daß ich direkt habe lachen müssen. Sieh Du Dich nur vor wegen diesem Weibsbild, daß Du nicht noch in unangenehme Angelegenheiten verwickelt wirst. Ich weiß, daß es bei solchen Leuten nicht immer einfach ist, sich zurückzuhalten. Doch ich halte es für am Richtigsten, erst dann zuzuschlagen, wenn es nicht mehr anders geht, aber dann gründlich.
Aus Deinen weiteren Zeilen ersehe ich und auch aus Deinen früheren Briefen, daß Du mit dem Garten so ziemlich fertig bist und daß Du alles in Ordnung hast. Ich muß Dir also für Deine Mühe und für Deine Leistung, die Du durch den Sommer hattest, meine volle Anerkennung aussprechen. Ich werde zusehen, daß ich Dich auf irgendeine Art entschädigen kann. Ich bin mir wohl bewußt, daß man eine ideelle Tätigkeit oder Aufgabe nicht mit etwas Materiellem entschädigen kann. Auf irgendeine Weise wird man es doch zum Ausdruck bringen müssen.
In der vergangenen Nacht sind wir in Ruhe gelassen worden, weil ein äußerst ungemütliches Wetter geherrscht hat. Sturm und Regen; heute war es tagsüber auch so und gegen Abend klärt es sich so schön auf, daß man vielleicht wieder mit einem Besuch rechnen kann. Solange es aber noch nicht ernst wird, braucht man sich auch keine Sorgen zu machen.
Wie geht es Dir nach der großen Anstrengung? Ich hätte es nicht von Dir erwartet, daß Du Dir eine so schwere Arbeit aufladest und noch dazu an einem Vormittag bewältigst. Sei Du recht herzlich gegrüßt und geküßt. Bleibe mir gesund, das wünscht Dir Dein Ernst.



Mein liebes Mädel!                                                               O.U., den 14.11.40
Ich wollte dir gestern Abend noch auf Deine beiden Briefe vom 9. und 10. antworten, die ich gestern erhielt. Ich hatte aber noch verschiedene große Listen u.ä. Sachen. Als wir fertig waren, war ich schon vom Tag über sehr abgespannt, daß ich mich gleich um 11 Uhr hingelegt habe. Auch heute früh bin ich nicht restlos ausgeruht, denn wir haben heute Nacht einen derartigen Sturm gehabt, wie ich ihn selten kenne. Der Luftzug war so stark, daß man im Haus die einzelnen Wellen gespürt hat. Blechverkleidungen sind auf die Straße geworfen worden und hat dazu auch noch einen Krach vollführt. Da nun selten etwas allein kommt, muß ich Dir auch noch von unserem Erlebnis heute früh berichten. Ich hatte mich wie üblich gewaschen und fertig gemacht, um dann zum Fenster rauszusehen, wie das Wetter ist. Da sehe ich über den Häusern einen hellen Feuerschein. Ich habe dann gleich unser Haus alarmiert. Wir sind dann in unserer Eigenschaft von der ich Dir früher schon berichtete hingefahren. Es brannte das sogenannte Sommertheater in hellen Flammen. Durch den Sturm hatte es wahrscheinlich Kurzschluß gegeben und in dem angetrockneten Holzbau reichlich Nahrung gefunden. So einen großen Brand habe ich noch nie gesehen.
Wie ich aus Deinen Briefen lese, ist es schon ziemlich kalt bei Euch. Man hat hier eigentlich noch nicht viel davon gemerkt. Wegen des Schlafanzugs kommt es darauf an, ob es sich um reine Seide oder nur  Seidentrikot handelt, wie Du ihn bekommen hast. Dann entscheidet immer wieder die Qualität. Für Seidentrikot wäre es schon möglich, daß er 10.-RM gekostet hat, aber immerhin wäre es günstig gekauft. Für 10.- wird er kaum reine Seide bekommen.
Nun muß ich wohl oder übel zu Deiner Frage wegen meines Weihnachtswunsches Stellung nehmen. Du weißt, daß ich früher schon keine besonderen Wünsche hatte, jetzt fällt mir dies doppelt schwer, denn ich habe eigentlich alles und so lange ich in Uniform stecke, bestehen auch keine Notwendigkeiten auf Bekleidung. Eins fällt mir zwar jetzt ein. Für den Winter habe ich doch keinen richtigen Mantel mehr gehabt. Ich könnte versuchen, hier einen passenden Stoff zu bekommen, ihn mir evtl. auch hier machen lassen. Sonst wüßte ich nichts. Du kannst Dich ja zu diesem Vorschlag äußern.
Wegen Deinen Nieren bitte ich Dich sehr, nimm Dich in acht und halte auf Deine Gesundheit. Du mußt Dich in dieser Beziehung sowieso vorsehen.
Gestern  habe ich wieder ein Päckchen mit Kaffee und Fett an Dich abgesandt. Heute gehen weitere Päckchen an Dich ab und zwar mit Zucker, Schokolade und Seife. Es sind zwei Päckchen dabei auf die habe ich geschrieben, nicht öffnen, die sind für Dich zu Weihnachten bestimmt. Wie viele Päckchen ich insgesamt abgesandt habe, teile ich Dir noch genau mit.
Recht herzliche Grüße und Küsse sende ich Dir heute wieder.
Gib auch den Kindern je einen Kuß von Deinen Ernst.

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