Meine Liebe! O.U. den 14.11.1940
Ich schreibe Dir heute nun den zweiten
Brief. Allerdings habe ich dafür gestern keinen verbrochen, doch der Ausgleich
wird dafür wieder hergestellt. Von Dir bekam ich dafür auch keine Post, doch
die Eltern haben heute an mich gedacht, denn ich erhielt einen Brief von ihnen.
Ich wollte ihnen in den nächsten Tagen sowieso ein Pfd. Kaffee und eine Tafel
Schokolade senden. Es fehlt mir nur noch 1/2 Pfund von dem, den ich schicken
will. Das Geld für den Kaffee können sie dann Dir schicken. Die Schokolade
sende ich selbstverständlich so.
Dein Vater schreibt heute ganz ordentlich,
den Durchschlag wirst du inzwischen erhalten haben. Es ist also in brieflicher
Beziehung zwischen uns alles wieder in Ordnung.
Vorhin kam ich vom Theater zurück. Das
Programm lege ich heute aber bestimmt gleich bei. Ich habe mich nun gleich
hergesetzt, um meinen Brief zu verfertigen. Zwischendurch befeure ich meinen
Geist mit dem Rest einer schon längere Zeit angebrochenen Flasche Wein, der mir
sauer zu werden droht. Aber, Kampf dem Verderb.
Eine Operette ist immer leichtere Kost,
doch es war ganz unterhaltsam, vor allem, wenn man mit dem Abend nichts Besseres
anfangen kann. Die Kräfte waren zwar nicht überragend, doch die haben getan,
was sie konnten. Trotz der Ereignisse der letzten Nacht bzw. des Morgens fühle
ich mich noch ziemlich frisch heute Abend und freue mich, Dir heute noch etwas
zu schreiben. Das Feuer ist ja, nachdem so ziemlich alles an dem
alleinstehenden Gebäude abgebrannt ist, auch ausgegangen. Wir haben heute
Mittag die Reste nochmals besichtigt. Solche Überreste machen doch einen
traurigen Eindruck. Zum Glück ist ja nur Materialschaden entstanden und
Menschenleben sind nicht zu beklagen.
Am heutigen Abend ist nach dem Sturm der
vergangenen Nacht alles ganz reingefegt. Der Mond scheint ganz klar, unsere
Sterne ebenfalls. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, daß man bei solchem Wetter
wieder Besuch bekommen kann.
Morgen gehen nun die angekündigten
Päckchen ab. Ich habe ziemlich alle fertig gepackt. In einem ist noch ein Hemd
für Kurt, im anderen noch eine Dose Konserven.
Es sind, mit dem gestern gesandten, sechs Päckchen
unterwegs. Ich habe nur den Wunsch, daß
alles richtig ankommt, vor allem die zwei, die Du nicht öffnen darfst. Ich weiß
ja, daß ich mich auf Dich verlassen kann und daß Du in dieser Beziehung nicht
neugierig bist.
Jetzt ist es gerade Zeit zu den letzten
Nachrichten und damit Zeit, um ins Bett zu gehen. Bis jetzt war ganz nette
Musik. Jetzt aber ab durch die Mitte. Gute Nacht, mein liebes Mädel, schlafe
gut, bleibe mir gesund und nimm viele herzliche Grüße und Küsse entgegen von
Deinem Ernst.
Unseren Stromern viele Küsse von ihrem
Vater und an Vater herzliche Grüße.
Mein liebes Mädel! O.U., den 15.11.1940
Meinen Mittagsschlaf, den ich z.Zt. mit
meinen Kameraden so ziemlich regelmäßig zwischen 2 und 3 Uhr hatte, habe ich
beendet. Jetzt kann der Rest des heutigen Dienstes gestartet werden.
Am gestrigen Abend waren es schon wieder
vier Wochen her, daß ich hier von meinem Urlaub eingetroffen bin. Es ist kaum
glaublich mit welchem Tempo die Zeit verfliegt.
Sollte es das Wetter gestatten, so ist es
möglich, daß wir am Sonntag eine Fahrt nach Cambrai unternehmen. Das Wetter ist
in den letzten Tagen zwar sehr wechselhaft, doch im Großen und Ganzen kann man
es nicht als schlecht bezeichnen. Ich hoffe, daß es dann auch am Sonntag
aushalten wird.
Deine beiden Briefe vom 11. und 12.11.40
habe ich erhalten für die ich Dir vielmals danke. Es hat mich interessiert zu
lesen, daß Kurt zu einer Feldeinheit versetzt wird. Ich bin eigentlich dran mit
schreiben, doch ich warte so lange, bis ich von ihm Nachricht bekomme.
Sieh Dich nur vor mit den
Brombeerstacheln, daß Du mir keine Schwierigkeiten damit bekommst. Mit der
zerschossenen Fensterscheibe ist es ja so, besser die kaputt als ein Beinbruch.
Eins muß ich aber feststellen, seine Unfälle häufen sich. Letzte Woche die
Hose, diesmal die Fensterscheibe und was wird als nächstes drankommen.
Heute Abend fängt die Schweinerei aber
schon zeitig an. Seit 8 Uhr kommen die Engländer und bombardieren. Die Abwehr
ist sehr stark, doch das Theater nimmt seinen Fortgang. Als ich heimging, fing
der Zauber schon an. Wir sind ja eigentlich bisher davon verschont geblieben,
doch heute war es am stärksten. Der Päckchenartikel hat mich wieder
interessiert, doch werde ich mich an die gegebenen Richtlinien halten.
Du zwingst mich durch Deine neuen Ausführungen
bezüglich Deiner Schönheit nochmals Stellung zu dieser ganzen Frage zu nehmen.
Ich setze dabei voraus, daß Du nicht darauf ausgehst, von mir Komplimente zu
hören. Als ich aber auf Urlaub war und als Du immer so nett und adrett
angezogen warst, habe ich feststellen müssen, daß ich meine frühere Meinung,
die Du so ziemlich richtig wiedergibst, berichtigen musste. Ich denke, daß
jetzt diese ganze Affäre abgeschlossen ist. Wenn du aber denkst, daß Du dazu
noch etwas zu sagen hast, so kannst Du Dich ja ruhig äußern.
Bleibe mir gesund und sei recht herzlich
gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.
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