Montag, 16. November 2015

Brief 79 vom 14./15.11.1940


Meine Liebe!                                                                                                 O.U. den 14.11.1940 

Ich schreibe Dir heute nun den zweiten Brief. Allerdings habe ich dafür gestern keinen verbrochen, doch der Ausgleich wird dafür wieder hergestellt. Von Dir bekam ich dafür auch keine Post, doch die Eltern haben heute an mich gedacht, denn ich erhielt einen Brief von ihnen. Ich wollte ihnen in den nächsten Tagen sowieso ein Pfd. Kaffee und eine Tafel Schokolade senden. Es fehlt mir nur noch 1/2 Pfund von dem, den ich schicken will. Das Geld für den Kaffee können sie dann Dir schicken. Die Schokolade sende ich selbstverständlich so.
Dein Vater schreibt heute ganz ordentlich, den Durchschlag wirst du inzwischen erhalten haben. Es ist also in brieflicher Beziehung zwischen uns alles wieder in Ordnung.
Vorhin kam ich vom Theater zurück. Das Programm lege ich heute aber bestimmt gleich bei. Ich habe mich nun gleich hergesetzt, um meinen Brief zu verfertigen. Zwischendurch befeure ich meinen Geist mit dem Rest einer schon längere Zeit angebrochenen Flasche Wein, der mir sauer zu werden droht. Aber, Kampf dem Verderb.
Eine Operette ist immer leichtere Kost, doch es war ganz unterhaltsam, vor allem, wenn man mit dem Abend nichts Besseres anfangen kann. Die Kräfte waren zwar nicht überragend, doch die haben getan, was sie konnten. Trotz der Ereignisse der letzten Nacht bzw. des Morgens fühle ich mich noch ziemlich frisch heute Abend und freue mich, Dir heute noch etwas zu schreiben. Das Feuer ist ja, nachdem so ziemlich alles an dem alleinstehenden Gebäude abgebrannt ist, auch ausgegangen. Wir haben heute Mittag die Reste nochmals besichtigt. Solche Überreste machen doch einen traurigen Eindruck. Zum Glück ist ja nur Materialschaden entstanden und Menschenleben sind nicht zu beklagen.
Am heutigen Abend ist nach dem Sturm der vergangenen Nacht alles ganz reingefegt. Der Mond scheint ganz klar, unsere Sterne ebenfalls. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, daß man bei solchem Wetter wieder Besuch bekommen kann.
Morgen gehen nun die angekündigten Päckchen ab. Ich habe ziemlich alle fertig gepackt. In einem ist noch ein Hemd für Kurt, im anderen noch eine Dose Konserven.
Es sind, mit dem gestern gesandten, sechs Päckchen unterwegs. Ich habe nur den Wunsch,  daß alles richtig ankommt, vor allem die zwei, die Du nicht öffnen darfst. Ich weiß ja, daß ich mich auf Dich verlassen kann und daß Du in dieser Beziehung nicht neugierig bist.
Jetzt ist es gerade Zeit zu den letzten Nachrichten und damit Zeit, um ins Bett zu gehen. Bis jetzt war ganz nette Musik. Jetzt aber ab durch die Mitte. Gute Nacht, mein liebes Mädel, schlafe gut, bleibe mir gesund und nimm viele herzliche Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst.
Unseren Stromern viele Küsse von ihrem Vater und an Vater herzliche Grüße.


Mein liebes Mädel!                                                                                O.U., den 15.11.1940

Meinen Mittagsschlaf, den ich z.Zt. mit meinen Kameraden so ziemlich regelmäßig zwischen 2 und 3 Uhr hatte, habe ich beendet. Jetzt kann der Rest des heutigen Dienstes gestartet werden.
Am gestrigen Abend waren es schon wieder vier Wochen her, daß ich hier von meinem Urlaub eingetroffen bin. Es ist kaum glaublich mit welchem Tempo die Zeit verfliegt.
Sollte es das Wetter gestatten, so ist es möglich, daß wir am Sonntag eine Fahrt nach Cambrai unternehmen. Das Wetter ist in den letzten Tagen zwar sehr wechselhaft, doch im Großen und Ganzen kann man es nicht als schlecht bezeichnen. Ich hoffe, daß es dann auch am Sonntag aushalten wird.
Deine beiden Briefe vom 11. und 12.11.40 habe ich erhalten für die ich Dir vielmals danke. Es hat mich interessiert zu lesen, daß Kurt zu einer Feldeinheit versetzt wird. Ich bin eigentlich dran mit schreiben, doch ich warte so lange, bis ich von ihm Nachricht bekomme.
Sieh Dich nur vor mit den Brombeerstacheln, daß Du mir keine Schwierigkeiten damit bekommst. Mit der zerschossenen Fensterscheibe ist es ja so, besser die kaputt als ein Beinbruch. Eins muß ich aber feststellen, seine Unfälle häufen sich. Letzte Woche die Hose, diesmal die Fensterscheibe und was wird als nächstes drankommen.
Heute Abend fängt die Schweinerei aber schon zeitig an. Seit 8 Uhr kommen die Engländer und bombardieren. Die Abwehr ist sehr stark, doch das Theater nimmt seinen Fortgang. Als ich heimging, fing der Zauber schon an. Wir sind ja eigentlich bisher davon verschont geblieben, doch heute war es am stärksten. Der Päckchenartikel hat mich wieder interessiert, doch werde ich mich an die gegebenen Richtlinien halten.
Du zwingst mich durch Deine neuen Ausführungen bezüglich Deiner Schönheit nochmals Stellung zu dieser ganzen Frage zu nehmen. Ich setze dabei voraus, daß Du nicht darauf ausgehst, von mir Komplimente zu hören. Als ich aber auf Urlaub war und als Du immer so nett und adrett angezogen warst, habe ich feststellen müssen, daß ich meine frühere Meinung, die Du so ziemlich richtig wiedergibst, berichtigen musste. Ich denke, daß jetzt diese ganze Affäre abgeschlossen ist. Wenn du aber denkst, daß Du dazu noch etwas zu sagen hast, so kannst Du Dich ja ruhig äußern.
Bleibe mir gesund und sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.

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