Dienstag, 29. September 2015

Brief 67 vom 29./30.9.1940


Meine liebe Anni!                                                          O.U., den 29.September 1940  

Gestern erhielt ich Deine beiden lieben Briefe, den vom 24. und vom 25. Sept. Über beide habe ich mich sehr gefreut. Auch für das mitgesandte Geld danke ich Dir, ich werde versuchen, noch die Einkäufe zu machen, die ich dafür vorgesehen hatte.
Ich bin aber wirklich erstaunt, wie Du im Garten gearbeitet hast. Sogar ein großer Teil ist ja schon wieder umgegraben. Du warst aber wirklich sehr fleißig. Auch das bisherige Ergebnis Deiner Apfelernte ist überraschend. Ich hätte gar nicht gedacht, daß der Baum das noch schaffen kann. Es war doch nun gut, daß wir ihn im vergangenen Herbst nicht umgeschlagen haben, er hat es uns sehr gedankt. Acht Pfirsiche waren doch noch auf dem Bäumchen geblieben. Es ist zwar nicht viel, doch man freut sich auch darüber, denn er nimmt eigentlich nicht viel Platz weg. Ich hatte auch nicht erwartet, daß Ihr mir welche aufhebt. Eßt nur diese wenigen Sachen selbst, denn ich komme hier nicht zu kurz. Doch davon will ich Dir nachher noch schreiben.
Was Du mir über unsere beiden Stromer  wieder geschrieben hast, ist ja wieder interessant. Ich weiß ja schon wie sich beide früher immer schon so wichtig gehabt haben. Die weiche Veranlagung, die Helga hat, wird man wohl kaum heraus kriegen. Trotzdem hat sie schon vieles davon abgelegt, seit sie mit den anderen Kindern umgeht und sich dort durchsetzen muß.
Daß Du Dich so hinter die Briefmarken her machst, macht auch mir Freude, dann können wir doch später miteinander fachsimpeln. Wenn Du irgendwas nicht findest, so brauchst Du ja nur im Inhaltsverzeichnis nachsehen. Jugoslawien findest Du aber unter Südslavien. Es ist ja gut, wenn Du Dich damit auch unterhalten kannst und schön finde ich es, wenn Du Dich dafür interessierst.
Außer den 5,-RM, die noch eintreffen sollen, werde ich wahrscheinlich kein Geld mehr brauchen bevor ich von hier weg zum Urlaub fahre. Du siehst also, daß ich die Hoffnung immer noch nicht aufgegeben habe. Das wäre also das wesentliche, was ich aus Deinen beiden Briefen zu beantworten habe.
Gestern hatte ich nun wieder Fahrlehre und ich bin ganz erfreut, daß es schon ganz gut geht. Mein Kamerad hat gestern zwar durch größeren Verkehr fahren dürfen, doch das werde ich demnächst auch machen müssen. Man muß auch da alles mitmachen, damit man die nötige Sicherheit gewinnt. Ich muß sagen, daß der Fahrlehrer nicht leichtsinnig ist. Ich habe gestern den Wagen auf einer Straße wenden müssen. Erst im ersten Gang anfahren, dann die Kupplung und die Bremse treten und auf den Rückwärtsgang umschalten und das Steuerrad gleich wieder entsprechend einschlagen. Ja da staunst Du was.
Wenn du aber jetzt mit Briefmarkensammeln anfängst, muß ich doch irgendwie wieder einen kleinen Vorsprung vor Dir haben. Dann möchte ich nur noch dazu bemerkten, daß man mit einem guten Wagen schon etwas machen kann, denn der verträgt auch etwas. Es ist ein amerikanischer Wagen Marke Dodge. Den hört man kaum laufen. Damit will ich aber in keiner Weise unsere deutschen Marken schlecht machen, doch die kosten eben auch viel Geld, wenn man etwas rechts haben will.
Nun möchte ich auf das Essen zurückkommen, was ich auf der Vorderseite schon angedeutet hatte. Wir waren zu Dritt gestern bei einem französischen Kriegsbeschädigten aus dem Weltkriege eingeladen. Der hat ein Hotel mit Gastwirtschaft. Das war wieder einmal ein Pfundsessen. Ich kann Dir ja der Reihe nach erzählen, was es alles gegeben hat. Ich möchte dich damit aber nicht ärgern, vor allem deshalb nicht, wenn ich an Eure Karten denke. Denn gegen das daheim war das die reinste Völlerei und die bin ich ja eigentlich nicht gewöhnt.
Erstens gab es eine gute Kartoffel-Gemüsesuppe. Als Hauptgang wurde uns dann Poularde (gemästeter Hahn) gegeben. Das  war für jeden aber soviel, daß wir dachten, wir müßten alles aufessen, damit wir nicht hungrig vom Tisch gingen. Dazu gab es Fritten (gebackene Kartoffelschnitze). Für diesen Gang wurde uns ein elsässischer Traminer Weißwein vorgesetzt. Als wir fertig waren, wurde als nächster Gang eine Poulardenpastete vorgesetzt, gefüllt mit Trüffeln. Da habe ich mich auch nochmals rangehalten. Hierzu ein alter Rotwein vom Jahre 1921 gegeben. Ich kann Dir verraten, der hat es in sich gehabt. Zur Pastete gab´s noch Salat, den möchte ich nicht vergessen aufzuzählen. Die Teller wurden auch nach diesem Gang wieder weggeräumt, damit der nächste Gang, Käse, gebracht werden konnte. Wie wir den gegessen hatten, wurden wir noch gefragt, ob wir Gebäck haben wollten. Obwohl wir dankend ablehnten, wurde es dann doch noch gebracht. Hiervon habe ich mir dann noch zwei Stückchen zu Gemüte geführt. Doch dann war das Mahl immer noch nicht beendet, denn das viele Essen muß doch auch gut verdaut werden können. Also kam als nächstes ein Kaffee, der noch dazu die Nerven wieder etwas anregt. Damit aber die Rundung noch vollendet wird, gab es zum Schluß noch ein Zwetschgenwasser. Der Wirt setze sich dann zur Unterhaltung noch zu uns, so daß wir etwa gegen 11 Uhr uns auf den Heimweg machen konnten. Bis es aber soweit war, mußten wir noch einen Likör versuchen. Was meinst Du nun dazu. Ist das nicht verfressen. Wir werden hierher kommandiert und treiben statt dessen so eine Völlerei. Na Du kannst Dir ja jetzt Dein Urteil selbst bilden.
Aus diesem Anlaß bin ich gestern Abend nicht zum Briefeschreiben gekommen. Ich setze mich deshalb, obwohl schönes Wetter draußen ist, her, um pflichtgemäß meinen Brief zu schreiben, damit Du nicht zu kurz kommst. Heute früh habe ich mit meinem Kameraden im Hallenbad wieder gebadet. Für 10 Pfg. haben wir uns etwa zwei Stunden drin aufgehalten. Da kann man ja nicht viel sagen, für das Geld. Am schönsten gefällt mir da neben dem Schwimmen der Dampfraum. Da kann man sich so richtig durchkochen lassen (ausgekocht bin ich zwar schon, meinst Du nicht auch?) und anschließend dann unter die ganz kalte Dusche und zwar die unter großen Druck nur einen Wasserleitungsstrahl gibt. Das ist erfrischend.
Jetzt möchte ich noch ein Päckchen vorbereiten, damit dies noch vor dem Monatsschluß herauskommt. Mein liebes Mädel, sei Du recht herzlich gegrüßt und geküßt, küsse unsere beiden Kinder herzlich von mir und denke auch weiterhin an Deinen Ernst.


Mein lieber Schatz!                                                      O.U. , den 30.September 1940

Der Monat ist nun auch schon wieder abgelaufen. Noch einige Tage trennen mich, dann bin ich schon wieder 1/4 Jahr hier und vor einem Vierteljahr war ich in Köln und wartete auf meine Weiterfahrt. Wenn man sich die einzelnen Etappen wieder vergegenwärtigt, merkt man erst wieder, wie lange man von zu hause weg ist und was man alles inzwischen erlebt hat. So gehen die Wochen und Monate vorbei und man sieht noch kein Ende der Dinge. Es ist zwar kein Grund vorhanden, deswegen Trübsal zu blasen, denn das ist nicht unser beider Art. Wenn aber wieder so ein gewisser Zeitraum verstrichen ist, - so finde ich es für angebracht, wenn man wieder einmal zurückblickt.
Post habe ich heute von Dir zwar nicht erhalten, doch ich verliere die Hoffnung nicht, morgen welche zu bekommen. Ich habe heute früh ein Päckchen mit Kaffee an Dich abgesandt. Im kommenden Monat werde ich erst meinen hier lagernden Kaffee zur Absendung bringen, damit er sich nicht ganz verriecht. Wie ich hörte, soll wieder einmal eine Neuregelung wegen den Päckchen kommen. In welcher Weise die sich auswirkt, muß man erst einmal abwarten.
Gestern haben wir einen ganz ruhigen Sonntag gehabt. Nachdem ich meinen Brief geschrieben hatte, bin ich wieder heimgegangen. Ein Kamerad hatte Kaffee gekocht. Wir sind dann eine Weile beisammen gesessen. Anschließend haben wir uns auf die Straßenbahn gesetzt und sind zum Feldpostamt gefahren, um unsere Briefe fortzutragen, die wir am Nachmittag geschrieben hatten. Nach einem kleinen Bummel durch die Stadt  haben wir uns wieder auf die Straßenbahn gesetzt und  sind bis zur Stadtgrenze gefahren. Wir sind dann der Stadtgrenze entlang auf den alten Befestigungsanlagen gelaufen.
Vorher hatten wir noch den Heldenfriedhof besucht, auf dem 3000 deutsche Soldaten ruhen. Wir setzten dann unseren Spaziergang bis zur nächsten Straßenbahnlinie fort, um dann wieder heimwärts zu fahren. Nach einem kleinen Abendbrot daheim, sind wir dann nach dem Nachrichtendienst schlafen gegangen. So ist auch dieser Sonntag wieder vorüber gegangen.
Daß es stramm auf den Herbst zugeht, merkt man schon früh an der Kühle. Es wird bald Zeit, daß man die Räume heizt. Wie es scheint, haben die Leute hier ihre Grundsätze. Vor dem 15. Oktober sollen die Büroräume nicht geheizt werden. Wir müssen abwarten, ob es wirklich so weit kommt.
An Veranstaltungen wird hier wieder geboten. Morgen O. Tschechowa in einer Komödie "Aimee“. Im anderen Theater ein Stück "Heimliche Brautfahrt" und zum Ende der Woche spielt das Wiener Raimond-Theater "Zarewitsch". Da können wir uns doch nicht beklagen. Am Mittwochabend sind wir von unserem Fahrbereitschaftsleiter eingeladen. So geht die Woche herum im Nu und ehe man sich´s versieht, ist ein weiterer Zahltag da.
Sei meine lieber Frau recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.


Samstag, 26. September 2015

Brief 66 vom 26./27.9.1940


Meine liebe Annie!                                    O.U., den 26.September 1940

Mein Brief von gestern ist vorhin abgesandt worden und ich stelle fest, daß ich noch etwas vergessen habe. Damit mir das nicht nochmals passiert, will ich es gleich vorweg nehmen. Ich will Dir nur mitteilen, daß ich Kriegsverletzter bin. Brauchst aber nicht gleich erschrecken, es sind nur die Zähne. Mir ist wieder einmal eine Prozellankrone kaputt gegangen, diesmal die andere. Ich habe versucht, mich bei einem hiesigen Dentisten behandeln zu lassen, es war aber nicht möglich, dies hier behandeln zu lassen, dies hier anfertigen zu lassen, weil solche Sachen immer zum Brennen früher nach Paris gegeben worden sind. Erkundige Dich doch bitte, ob unser Dentist da ist und frage ihn womöglich, ob er mir dies während meines Urlaubs machen könnte.  Du brauchst ihm aber nicht von dem hiesigen Mißerfolg zu erzählen. Du kannst ihn ja auch noch fragen, ob er bei einem Überweisungsschein der hiesigen deutschen Zahnstation der Wehrmacht die Kosten für die Behandlung der WM in Rechnung stellen kann. Du wirst das schon diplomatisch anstellen.
Mit der Mittagspost habe ich vorhin einen Brief von den Eltern erhalten. Ich kann Dir zu Deiner Beruhigung sagen, daß mein letzter Brief das bewirkt hat, was ich erreichen wollte. Mein Schreiben haben sie nun nicht krumm genommen und sie haben auch volles Verständnis für meine Rechtfertigungen aufgebracht. Sogar die Erna hat sich zu einem Gruß aufgeschwungen.
Daß Siegfried inzwischen Unteroffizier geworden ist, war mir neu. Dazu werde ich ihm noch meinen Glückwunsch übermitteln. Heut ist nochmals ein Konzert der HJ verbunden mit einer Aufführung der Grazer Spielschar. Das  ist wieder etwas für mich und ich werde auch wieder dabei sein.
Deinen lieben Brief vom 23. habe ich soeben erhalten, für den ich Dir bestens danke. Das muß ja direkt beängstigend bei Euch aussehen, wenn Ihr soviel Äpfel dahabt. Ja, es ist schon gut, wenn man etwas daheim hat im Winter. Es war sicherlich nicht gut, als ich Dir dies Jäckchen gekauft habe, denn bei so viel Bewunderung werde ich ja am Ende noch ausgestochen. Es freut mich aber, daß es das richtige ist und Dich auch gut kleidet. Es schadet ja nichts, wenn Du auch einmal etwas hast, was Dir gut steht, denn du bist ja in den Jahren immer etwas stiefmütterlich  weggekommen. Wenn Du noch auf weitere Erfolge spekulierst, so brauchst Du mir dies nur zu schreiben, dann werde ich zusehen was sich machen läßt.
Wie Du mir mitteilst, hast Du nun auch noch das letzte Wollpäckchen erhalten und auch mit dieser bist Du wieder zufrieden. Dabei lobst Du wieder meinen Geschmack. Ich weiß schon, was mir gefällt und was auch Dir passen würde, wenn ich nur immer über das notwendige Geld verfügen könnte.
Mir ist es ja interessant, daß Du Dich jetzt hinter meine Briefmarken machst. Ich weiß schon daß Du mir dabei nichts verdirbst und daß Du Dir dabei große Mühe gibst. Ich danke Dir jedenfalls für Deine Aufmerksamkeit. Für die nächsten Tage hast Du ja dann zu tun, nach dem, was ich Dir gesandt habe.
Sei wieder vielmals und recht herzlich gegrüßt und ebenso herzlich geküßt von Deinem Ernst.


Meine liebe Annie!                                        O.U., den 27.September 1940

Meinen gestrigen Brief habe ich noch am Abend abgesandt, desto eher kommst Du in dessen Besitz. Mit der Mittagspost habe ich noch nichts erhalten, doch in den letzten Tagen ist die Post ziemlich laufend eingegangen, so daß ich hoffen kann, nachher noch Post zu bekommen.
Das war heute Mittag ein Schlag aus heiterem Himmel für unsere Gegner. Nach diesem Abkommen dürfte es sich wohl Amerika überlegen, in diese Auseinandersetzungen einzutreten. Die weitere Entwicklung muß man erst noch abwarten.
Heute bin ich zum 3. Mal im Auto gesessen und ich war ganz erstaunt, wie es schon gegangen ist. Es sind glücklicherweise nicht gerade übermäßig viel Hebel, doch sie müssen alle richtig bedient sein und bis man das im Gefühl hat, wird es keine großen Schwierigkeiten bereiten. Es hängt ja mehr oder weniger von der Übung ab. Mein Kamerad ist mindestens doppelt so lang am Steuer gesessen und hat noch nicht viel mehr erreicht, zumal er noch ausgezeichnet französisch spricht und sich besser mit diesem Mann verständigen kann. Der Lehrer gibt sich aber wirklich Mühe, nur muß man immer auf seine Zeit gewisse Rücksichten nehmen. Es würde mich nun interessieren, wie ich dann noch zu einem Führerschein komme. Ich denke aber, daß man das auch noch irgendwie schaukeln kann.
Lustig stelle ich mir das schon vor, wie jetzt bei Euch alles voller Äpfel liegt. Inzwischen wirst Du ja noch mehr haben und auch auf neue Unterbringungsmöglichkeiten gesonnen haben. Man weiß ja noch nicht, wie alles wieder kommt und dann ist man froh, wenn man auf etwas zurückgreifen kann. Ich weiß jedenfalls, wie es in den Jahren vorher war, wie man sich immer über einen kleinen Vorrat freute.
Die gestrige Veranstaltung war wieder ganz fabelhaft. Am Anfang wurden Märsche gespielt. Anschließend wurden Volksmusik und Volkstänze geboten. Weiterhin wurde mit ganz einfachen Mitteln ein Laienspiel geboten, das ganz belustigend und unterhaltend war. Die Kapelle spielte dann nochmals und zum Abschluß wurde, wie beim ersten Auftreten der Kapelle hier, das Englandlied gesungen. Ich habe doch früher das Lied auch schon öfter mitgesungen, doch mir ist der Text nie so durch den Kopf gegangen wie gerade gestern. Vor allem deshalb, weil man doch sich hier auch direkt am Kampf gegen diese Sippschaft  beteiligt fühlt und sozusagen auf dem Sprung mit steht.
Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, vielleicht am Anfang mit dabei sein zu dürfen. Mache Dir deswegen aber keine Sorgen, es wird schon alles glatt gehen.
Morgen werde ich versuchen, noch ein Päckchen an Dich loszulassen mit Schokolade und Kaffee. Der neue Monat fängt ja dann auch wieder an, so daß weitere Päckchen bald wieder fällig werden. Vielleicht werde ich dann erst einmal von meinem Kaffeevorrat absenden, damit ich erst den einmal wieder loswerde.
Sei wieder recht herzlich gegrüßt , meine liebe Frau, und sei Du ebenso herzlich geküßt von Deinem Ernst.
Unseren Kindern gib jedem einen herzhaften Kuß und grüße sie bestens von ihrem Vater.

Mittwoch, 23. September 2015

Brief 65 vom 23./24./25.9.1940


Meine liebe Frau!                                                          O.U. den 23.September 1940

Deine beiden lieben Briefe vom 18. und 19. habe ich heute erhalten. Besten Dank dafür.
Ich merke aus diesen Briefen, daß Du Dir Gedanken wegen des Urlaubs machst. Du weißt ja, bei mir war das immer so eine Geschichte, auch schon in der Heimat, man hat direkt drum kämpfen müssen. Hier scheint es auch so zu sein. Ich werde aber nicht locker lassen. Wenn ich heimkomme, werde ich schon die Sträucher soweit in Ordnung bringen, als es wieder notwendig ist. Ich kann ohne weiteres verstehen, daß Du Dich freuen würdest, wenn Du mir den Garten selbst einmal zeigen könntest, damit ich die Früchte Deines Fleißes sehen könnte. Es geht mir eben so, das kann ich Dir versichern.
Daß Du Dich der Briefmarken angenommen hast, freut mich umso mehr, als es Dich auch noch interessiert hat. Man kann ja nicht verlangen, daß du nun alles davon kennst, doch ich bin davon überzeugt, daß Du Dir große Mühe gegeben hast. Wenn welche nicht einwandfrei sind, so macht das nichts aus, die lege nur ruhig beiseite. Die gesandte Marke war wirklich nicht wichtig. Siehst Du, wie Du das schon klar erkannt hast.
Am Samstag haben wir wieder einmal eine Sonderzuteilung von Wein und Zigaretten bekommen. Der Wein wird zwar nicht sehr kräftig sein, doch man trinkt ihn eben mit. Wegen der Zigaretten werde ich mir zwar das Rauchen nicht angewöhnen, doch ich muß erst einmal sehen, wie ich die am besten verwerte.
Heute habe ich nun erreicht, daß ich noch eine zweite Hose bekommen habe. Nun kann ich meine wieder herrichten lassen und kann dann wechseln. Ich muß nun zusehen, daß ich noch eine weitere Feldbluse bekomme, dann bin ich einigermaßen angezogen.
Wie geht es Dir, mein liebes Mädel? Danach  habe ich mich eigentlich noch nie so recht erkundigt. Da kannst Du wieder einmal sehen, wie selbstsüchtig ich bin, ich erzähle immer nur von mir. Sei Du vielmals recht herzlich für heute wieder gegrüßt und nimm viele herzliche küsse entgegen von Deinem Ernst.


Meine liebe Frau!                                                                   O.U., den 24.Sept.1940

Soeben erhielt ich Deine beiden Briefe vom 20. und 21., für die ich Dir wieder meinen besten Dank sage. Ich sehe daraus, daß Du sehr große Urlaubsgedanken hast. Mir geht es zwar auch so, wenn ich es ehrlich gestehen soll, doch ich muß sie mir immer noch etwas verkneifen. Wir sind nun einmal Soldaten und müssen den gegebenen Befehlen folgen, wenn es manchmal auch noch so schwer fallen sollte. Ich selbst gebe die Hoffnung nicht auf, wenigstens am Anfang des kommenden Monats für einige Tage loszukommen. Wenn Du auch nicht gerade weißt, von welchen Zufälligkeiten dies abhängt, so glaube mir, daß ich Dir rechtzeitig davon Kenntnis geben werde, sobald mir dies möglich ist.
Wenn Du der Ansicht bist, die Äpfel sind reif und müssen runter, so kannst du ja versuchen was Du erreichst. Ich hätte Dir gerne diese Arbeit abgenommen doch sehe ich ein, daß man dies vielleicht nicht mehr länger hinausschieben kann. Nachdem es nun mit Gewalt auf den Herbst zugeht, beginnen jetzt so die Aufräumungsarbeiten, was ich auch aus Deinen Briefen herauslese. Ich hoffe, daß Du mir noch einige Arbeiten übrig läßt, damit mir auch noch etwas verbleibt.
Heute war ich wieder im Kino, es war ein ganz netter Film "Das Glück wohnt nebenan". Wenn ich aber in der Wochenschau Kinder sehe, so ist mir das das Schwerste. Ich muß dann das Gefühl, was ich bisher nicht kannte, nämlich das Heimweh, mit Gewalt unterdrücken. Den Artikel von Lämmel habe ich gelesen. Es war mir interessant festzustellen, daß er auch hier durchgefahren ist. Wenn man manchmal wüßte, wer hier so von Bekannten durchgefahren ist, so hätte man diesen oder jenen sicher schon einmal hier treffen können. Es geht schließlich auch so. Bedauern würde ich es zwar, wenn Siegfried einmal hierher käme und ich wäre im Urlaub, obwohl mir letzteres wieder sehr angenehm wäre.
Ich habe hier von einem Kameraden einen Militär-Regenumhang , der ihm aus Beutebeständen geschenkt wurde, bekommen. Es ist so richtiger fester imprägnierter Zeltbahnstoff. Meinst Du, daß Du dafür Verwendung hättest? Ich werde ihn jetzt zwar nicht mit heimbekommen, aber später vielleicht wird es eher einmal gehen. Ich weiß ja, Du kannst ihn sicher irgendwie verwenden und etwas daraus machen.
Meine liebe Annie, sei wieder herzlich gegrüßt und nimm viele Küsse entgegen von Deinem Ernst, der oft an Euch denkt.

Meine liebe Frau!                                                               O.U., den 25.Sept, 1940

Deinen Brief vom 22., in dem Du Deiner Enttäuschung über das abermalige Abblasen meines Urlaubs Ausdruck gibst, habe ich erhalten. Wie ich Dir ja gestern schon mitgeteilt habe, kann ich Dich ohne weiteres verstehen, doch wie Du am Ende Deines Briefes richtig ausdrückst, solange wir noch gesund sind, wollen wir nicht unzufrieden sein.
Wie ich lese, hat die Apfelernte ja nun angefangen und es scheint ziemlich auszugeben. Ich bin der Ansicht, daß Du für Euch erst einmal einen großen Teil aufhebst und was überzählig ist, kannst Du ja verkaufen. Du brauchst dabei aber nicht wesentlich unter Tagespreis zu gehen, denn denke einmal, was haben wir für Mühe und Geld an den Baum gehängt.
Ein richtiger Preis scheint ja auch gerechtfertigt, nachdem Du mir schreibst, daß die Äpfel wohlschmeckend und kaum madig sind. Ich weiß ja, daß Du schon selbst richtig und immer in meinem Sinn handelst. Gib aber Obacht, daß dem Helfer nichts passiert, damit wir nicht noch für die Kosten aufkommen müssen.
Für den Kuchen hatte ich immer übersehen, mich zu bedanken. Du, der ist ausgezeichnet und daß er gut gemacht ist, merkt man am besten daran, daß er heute, wo ich das letzte Stückchen verdrücken werde, immer noch frisch ist. Also nochmals meinen besten Dank dafür.
Wenn dich der Artikel über Gent interessiert hat, so freut es mich, es ist doch immerhin eine Ergänzung zu dem, was ich Dir schon geschrieben habe. Ja, der Eindruck ist schon gewaltig und gleichzeitig auch schön. Die Folterwerkzeuge machen zwar einen düsteren Eindruck und werfen einen starken Schatten auf die vergangene Zeit.
Für Deine Sondermitteilung bin ich Dir dankbar und werde ich versuchen, mich hiernach einzurichten. Ich nehme Dir dies durchaus nicht übel und kann es verstehen, wenn Du fragst, wie lange ich voraussichtlich heimkommen könnte. Nach dem, was hier bisher gewährt wurde, werden es 10 Urlaubstage und 4 Reisetage sein. Ich werde aber versuchen, 6 Reisetage zu erhalten.
Heute war ich zur Abwechslung einmal in einem Vortrag, der über England von einer Professor gehalten wurde. Es war mir zwar nicht viel Neues dabei, doch mancher Gedanke war mir doch interessant. Man kann ja immer nur wieder dazu lernen. Dir wünsche ich viel Glück und gutes Gelingen zu Deiner Apfelernte. Sei Du nun recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.
Unseren beiden Kindern gib jedem einen herzhaften Kuß und an Vater richte freundliche Grüße aus.
Von der Standarte erhielt ich heute einen Brief mit einem Reklamheft und Zigaretten. Es ist ganz aufmerksam, immerhin noch aufmerksamer wie die Stadt und die damit zusammenhängenden Kameraden.

Sonntag, 20. September 2015

Brief 64 vom 20./21.9.1940


Meine liebe Annie!                                                             O.U. den 20.9.1940 

Deine beiden Briefe vom 13. und vom 17. habe ich erhalten, wofür ich Dir bestens danke. Der erste Brief war trotz richtiger Adresse fehlgeleitet worden und zwar hier zur Reichsbahn. Er ist ja nun doch angekommen, so daß alles wieder in Ordnung ist.
In diesem Brief teilst Du mir mit, was Du für die Kinder brauchen könntest. Ich will zusehen, was ich da tun kann. Es wäre mir recht, wenn Du zu diesem Zwecke etwa 15,-RM noch frei machen kannst.
Mit meinem zweiten Anzug werde ich es so machen. Ich lasse den Stoff hier und nehme mir andere Sachen mit. Futter hatte ich mir gleich mitgekauft, so daß diese Beschaffung nicht mehr nötig wäre. Ich kann ja dann sehen, ob ich dann später mir diesen Anzug hier machen lasse oder den Stoff so mit heim nehme.
Wenn Deine Eltern über meinen Brief beleidigt sein sollten, so kann ich das leider nicht ändern. Ich kann mich ja nicht immer bevormunden lassen. Sie sollen das tun, was sie für richtig finden. Wenn Du mich in Deinem Brief noch fragst, ob Du mich mit Schatz anreden darfst, so überlasse ich dies ganz Deinem Gefühl, einzuwenden habe ich dagegen nichts.
Zum anderen Brief habe ich noch folgendes zu bemerken. Ich finde es richtig, wenn Du Dich über mein Kommen nicht eher freust, bevor ich da bin.
Über Deine Mitteilung wegen Jörgs Augen bin ich wieder beruhigt geworden.
indest Du nicht auch, daß Siegfried viel Urlaubsgelegenheiten hat, ich bin ihm aber nicht neidisch darum.
Ich habe an Nanni heute einen Brief geschrieben, den Durchschlag davon füge ich Dir bei. Sei wieder recht herzlich gegrüßt und auch vielmals geküßt von Deinem Ernst.
Einige Marken vom Elsaß habe ich heute erhalten, die ich hier beifüge. Hebe sie mir bitte mit auf.


Meine liebe kleine Frau!                                      O.U., den 21. September 1940

Ein Regenwetter, ein regelrechtes Sauwetter herrscht heute draußen. Am Nachmittag bin ich heute dienstfrei und nun setze ich mich gleich wieder zu meinem täglichen Brief. Es ist dies sozusagen immer die stille Stunde -  das Maschinengeklapper macht zwar auch Krach - in der ich mich mit Dir über das, was mich tagsüber bewegt hat, ausspreche. Wenn es auch an manchem Tage mit der Zeit etwas knapp hergeht, so ist mir das Schreiben eines Briefes gewissermaßen zu einem Bedürfnis geworden. Ich möchte dabei aber nicht verhehlen, daß mir das Briefeempfangen zu genau so einem Bedürfnis geworden ist. Ich brauche mich darüber ja auch nicht beklagen. Wenn einmal an einem oder an zwei Tagen ein Brief nicht eintrifft, so liegt dies ja nicht an Dir, sondern meistens an der Postbeförderung, auf die Du ja keinen Einfluß ausüben kannst, wie ich ja auch nicht. Das spielt ja bei unserem regen Briefverkehr immerhin eine untergeordnete Rolle, denn dafür empfängt man an einem Tage wieder einmal zwei Briefe. Heute habe ich zwar noch keinen Brief empfangen, dafür aber Dein Päckchen. Wahrscheinlich ist der von Dir angekündigte Kuchen drin. Ich mache es mir erst daheim auf, sonst muß ich es erst wieder zusammenpacken.
In unserem Haus haben wir nun noch zwei weitere Kameraden aufgenommen, die mit uns auch hier auf dem Amt sind. Platz ist ja in unserem Haus genügend vorhanden, so daß dies in keiner Weise etwas ausmacht. Nun haben wir auch Abwechslung im Haus und für Betrieb braucht man jetzt nicht mehr zu sorgen, denn Du kannst dir sicher denken, wenn 4 so Mannsleute im Haus sind, wie es da zugeht.
Einen Kameraden habe ich, der Schach spielt. Wir hatten uns letzten Sonntag, wo er zwar noch besuchsweise bei uns war, erstmals zusammengesetzt. Es ist noch ganz gut gegangen. Wie Du ja auch aus meinen Briefen der vergangenen Woche gelesen haben wirst, war ich abends viel unterwegs und ich hatte wirklich keinen Anlaß zur Klage über Langeweile.
Gestern Abend war ich wieder in unserem Rexy-Theater. Es war eine Kleinkunstbühne zu Gast, die mit guten Kräften ein schönes Programm der Artistik und Akrobatik abwickelte.
Ich habe mich jetzt selbst wieder einmal angesehen, nachdem Du mir in einem Deiner letzten Briefe schriebst, ich sei, nach den Bildern zu urteilen, im Gesicht dicker geworden. Ja, das finde ich auch. Ich hatte das nicht so weiter beachtet. Du weißt ja selbst, wie wenig Wert ich im Allgemeinen auf mein Äußeres gebe, darum ist mir dies selbst entgangen. Es fehlt mir doch manches. Meine Frau, die mich nicht mehr ärgert, -findest Du nicht auchß-, dann mein Garten, an dem ich sonst meinen Abendsport hatte. Hier habe ich derartige Sachen nicht und schon geht man auseinander. Wenn ich sonst bei der Truppe wäre, würden zwar meine Vorgesetzten dafür sorgen, daß ich nicht soviel Speck ansetzen könnte. Vor allem ist aber das Essen, das jetzt bedeutend besser ist, seit der neue Wirt da ist, daran schuld. Es ist so, daß ich mir nicht mehr dazu kaufen muß, sondern wirklich reichlich und gut. Gestern Mittag hatten wir als Vorspeise eine Forelle mit einer Kartoffel und Soße. Als Hauptmahlzeit wurde Rindfleisch mit Erbsenbrei  und Kartoffeln gereicht. Der Nachtisch bestand aus einer Mischung von Gries und gestampftem Reis. Beides war wie Pudding gekocht. Dazu gibt´s den nötigen Wein. Nun sage einmal selbst, muß man da nicht voller werden?
In der nächsten Woche will ich wieder einmal ein Päckchen fertig machen. Wahrscheinlich werde ich halb und halb Kaffee und Schokolade schicken, denn ich denke, das wirst Du am ehesten mit verbrauchen können. Ich habe etwa noch 5 Pfd. Kaffee lagern, den ich heute erst bekommen habe. Wie sie ist, weiß ich noch nicht, ich denke aber, daß sie sich schon verwenden läßt.
Was soll ich Dir nun noch schreiben. Vielleicht das, daß die Straßen sehr unsauber sind. Doch das habe ich Dir ja schon geschildert. Wie aber die Straßen früh gereinigt werden noch nicht. Am Rinnstein sind in Abständen von etwa 100 bis 150 m  Wasserstellen, die am Leitungsnetz angeschlossen sind. Einer dieser Straßenreiniger dreht dann eine Stelle nach der anderen auf, so daß ein kleiner Bach längs des Rinnsteins entsteht. Was nun dieser Bach mitnimmt, bedeutet im Wesentlichen  die Straßenreinigung, es braucht dann nur noch kurz mit dem Besen nachgekehrt zu werden. Was zwar nicht im Bereich dieses Rinnsals ist, bleibt liegen, bis einmal ein günstiger Wind weht, der diesen Schmutz bis an den Rinnstein trägt. Ja das ist einfach und bequem, aber dreckig.
Ein weiteres Bild fällt mir frühmorgens immer auf. Eine Müllabfuhr besteht in dieser Stadt. Die Leute stellen alles, was sie nicht gebrauchen können in Kisten oder Eimern früh auf die Straße. Du wirst sagen, ja genau so wie bei uns. Fast so, nur sieht dies, entsprechend der Umgebung alles viel unsauberer aus. Die Hunde suchen sich raus, was sie noch brauchen können und auch die Katzen sieht man, die daran herumzerren. Aber nicht allein Tiere, sondern auch die Menschen finden allerhand brauchbares, was sie dann in mitgebrachte Taschen und Handwägelchen verstauen. Man staunt, was sich diese Leute alles noch da herauszerren und was sie verwerten.
Ein Brief ist nun nicht gekommen und ich möchte auch Schluß machen, weil es wieder Essenszeit ist. Du wirst meinen, die ganze Zeit spricht er nur vom Essen und nun schon wieder Essen. Es ist einmal notwendig, selbst auf die Gefahr hin, daß ich dabei dicker werde. Sei Du vielmals und recht herzlich gegrüßt, küsse unsere Kinder von mir und nimm heute(wieder briefliche) einen Kuß entgegen, aber dafür einen recht herzhaften. Es denkt immer an Dich Dein Ernst.

Brief 63 vom 17./18./19.9.1940


Meine liebe Annie!                                                     O.U., den 17.September 1940

Heute ist es wieder ziemlich warm und doch bewölkt. Der Wind fegt ordentlich um die Ecken, man würde bei uns daheim sagen, es sei föhnig. Ja, die Tage werden kürzer und es geht nun wirklich auf den Herbst zu. Wenn die Sonne noch einmal kräftig gescheint hatte, so hat man gedacht, es bleibt noch eine Weile so, doch wenn die Jahreszeit so weit vorgeschritten ist, so kann man sich darüber nicht mehr hinwegtäuschen, wenn man es auch gerne möchte.
Ich denke, daß ich heute noch verschiedene Bilder bekomme, die werde ich Dir dann noch mitschicken. Ich mache entsprechende Bemerkungen drauf, damit Du weißt, was es vorstellen soll. Ein Photo von unserem Haus kann ich schwerlich machen, weil die ganze Straße mit hohen Platanen bepflanzt ist, so daß die ganze Hausfront verdeckt wird. Am Samstag habe ich übrigens noch ein Päckchen mit Wolle an Dich abgesandt. Das Muster hatte ich Dir letzthin schon zugehen lassen. Das ist also jetzt das dritte Wollpäckchen. Ich denke, daß Du sie schon brauchen kannst.
Ich weiß nicht genau, ob Dir der Farbton zusagt. Du kannst ja schließlich selbst darüber urteilen. Froh bin ich um jedes Stück, was in Deine Hände gekommen ist, denn darüber brauche ich mir dann keine Gedanken mehr machen. Es freut mich immer wieder, daß ich auf diese Weise für Deine Bekleidung etwas tun kann, nachdem Du doch wegen den anderen die Jahre hindurch immer selbst hintenan gestanden bist.
Wenn es mir möglich sein sollte, doch noch in diesem Monat in Urlaub zu kommen, dann möchte ich Dich bitten, nur wieder einmal Pflaumenkompott zu machen und evtl. einen Pflaumenkuchen zu backen. Für etwas Zucker würde ich schon sorgen, wenn du welchen dazu brauchst. Man bekommt manchmal auf etwas Appetit und kann sich es doch nicht so wünschen, weil man immer von fremden Menschen abhängig ist. Wenn ich auch jetzt durchaus mit dem Essen zufrieden bin, es ist daheim doch alles anders.
Ich habe heute an Siegfried sowie an Kurt geschrieben. Durchschläge von den Briefen habe ich beigefügt. Wie in meinen letzten Briefen habe ich einige Einlagen, die Du wieder entsprechend versorgen wirst.
Außer dem Zeitungspäckchen, für das ich Dir bestens danke, habe ich keine Post weiter erhalten. Nachdem ich nun die Bilder heute noch bekommen habe, sende ich Dir diese mit. Außerdem erhältst Du noch einen Durchschlag meines Gesuches um Urlaub. Du kannst alles andere daraus ersehen.  Wie es nun gelingt, hängt von meinem persönlichen Glück ab.
Sei wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt, gib unseren Schlawansen je einen herzlichen Kuß in meinem Auftrag, nimm Du aber wieder besondere Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst.


Meine liebe Annie!                                                                  O.U., den 18.9.1940

Ich bekam heute Deine beiden Briefe vom 14. und 15. Im letzten Brief bestätigst Du mir den Eingang der restlichen zwei Päckchen und gibst Deiner Freude über die gesandten Sachen Ausdruck. Es ist mir immer erst dann eine richtige Befriedigung, wenn ich aus Deinen Briefen ersehen kann, daß alles soweit in Ordnung ist und Dir auch gefällt. Ich bin immer froh, wenn ich Dir durch solche kleine Geschenke eine Freude machen kann, denn sie sollen nur ein sichtbares Zeichen dafür sein, wie ich Euch alle gerne habe.
Deine Feststellung über die Franzosen und Paris ist ziemlich genau getroffen und ich wundere mich direkt, mit welch offenem Blick Du die Angelegenheit betrachtest. Ich würde Dir nur wünschen, daß Du Gelegenheit hättest, dies aus eigener Anschauung kennen lernen könntest. Ich kann Dir aber später vieles davon erzählen.
Du meinst also, ich hätte nach dem letzten Bild zu urteilen zugenommen. Das kann ich so ohne weiteres nicht beurteilen und möchte ich Dir nur überlassen bei einer späteren Gelegenheit. Du schreibst mir noch in Deinem Brief, daß Du Dich über unsere Betreuung in der Freizeit freust. Ja heute war wieder ein ganz fabelhafter Abend. Die Berliner Philharmoniker sind hier zwei Tage zu Gast. In der heutigen Veranstaltung war ich und für die morgige habe ich mir schon meine Karte besorgt. Es war einfach ganz großartig. Das Programm schließe ich meinem folgenden Brief an.
Den Durchschlag meines Urlaubsgesuches hatte ich gestern vergessen beizufügen. Es war in einer Beziehung gut so, denn unser Chef hat schon wieder zu dieser Frage eine andere Stellung eingenommen. Ich bin aber der nächste, der mit dem Urlaub dran kommt. Nach den Äußerungen unseres Chefs könnten wir mit Anfang kommenden Monats damit rechnen. Wir werden also abwarten und ich werde Dir so rechtzeitig wie möglich Bescheid geben.
Sei wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt, unseren beiden Trabanten gib wieder je einen herzlichen Kuß. Nimm nochmals besondere Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst.


Meine liebe Annie!                                                                     O.U. den 19.Sept. 1940

Deinen lieben Brief vom 16. habe ich bestens dankend erhalten. Wenn er auch etwas kürzer war als die anderen, so bin ich auch einmal mit dem kleineren Brief zufrieden. Ich weiß ja, daß Du Dein Päckchen Arbeit hast und wahrscheinlich an manchem Tage nicht so zum Schreiben kommst. Wegen der Päckchensendungen hatte ich allerdings Angst, daß dies evtl. ein Dauerzustand werden könnte, nachdem ich aber nun weiß, daß wir im Jahr nur vier Geburtstage haben, was mir allerdings bis jetzt nicht bekannt war, bin ich wieder etwas beruhigt. Du hast mir zwar angesagt, daß ein Päckchen mit Kuchen an mich unterwegs sei, nun möchte ich nur wissen, wer jetzt Geburtstag hat.
Du teilst mir noch mit, daß Ihr wieder einmal Luftschutzübung hattet. Sorgen da in der Nacht nicht andere dafür, dies praktischer zu üben. Ich kann mir gar nicht denken, daß Übungen noch notwendig sind. Ich sehe diese Dinge von hier zwar etwas anders, drum will ich mich auch nicht weiter reinmischen.
Das Obst wirst Du vorerst nicht abnehmen brauchen und brauchst Du auch nicht abnehmen lassen. Wenn es länger dauern sollte mit der Urlaubsgenehmigung, so lasse ich Dir rechtzeitig wieder Bescheid zukommen.
Hier ist die Badezeit ja auch um wie bei Euch auch, wir knüpfen aber an den vergangenen Sommer die Hoffnung und den Wunsch, daß wir im nächsten Jahr wieder beisammen sein können und wieder gemeinsam baden gehen können.
Ich habe Dir ja schon in früheren Briefen bestätigt, daß ich überzeugt davon bin, daß Du im Garten und auch bei den sonstigen Arbeiten daheim das getan hast, was in Deinen Kräften stand und vielleicht noch etwas mehr.
Wie geht es unseren beiden Stromern, haben sie sich wieder erholt und ist alles wieder in Ordnung. Ich weiß ja, wie es jedes Jahr im Herbst mit ihnen war, die Freiheit des sommerlichen Spiels fehlt ihnen dann, so daß sie sich in der Übergangszeit schwer beschäftigen können. So gewiß dies auch immer war, so gewiß ist auch, daß sie sich an die veränderten Wetterverhältnisse gewöhnen.
Heute war ich nochmals im Konzert. An dem beigefügten Programm kannst Du ja sehen, was uns hier geboten wurde. Das eine oder andere Stück wird Dir ja schon bekannt sein, so daß ich hierüber keine großen Ausführungen machen brauche. Es war einfach wunderbar, mit welcher Exaktheit und Feinheit gespielt worden ist. Man merkt, daß da jeder der Mitwirkenden ein Solist sein kann.
Nun mein liebes Mädel willich Dich wieder herzlich grüßen und viele herzliche küsse  senden. Denke auch weiter an Deinen Ernst.
Unseren Kindern jedem einen herzlichen Kuß und an Vater einen Gruß.

Montag, 14. September 2015

Brief 62 vom 14./16.9.1940


Meine liebe Frau !                                                           O.U., den 14.September 1940

Es ist nun bereits 5 Uhr und bis jetzt habe ich noch keinen Brief von Dir wieder erhalten. Die Post ist zwar nicht verteilt und es ist nicht ausgeschlossen, daß für mich doch noch etwas kommt. Ich werde deshalb wieder erst von gestern Abend erzählen.
Es war eine Veranstaltung, wie ich Dir ja schon schrieb, von der HJ. Man merkt erst da wieder, daß man lange Zeit von daheim weg ist, wenn man die Jungens mit ihren nackigen Knien da sitzen sieht. Es waren so etwa 60 Mann die spielten. Jedenfalls fühlt man erst und bei solchen Gelegenheiten immer wieder, wie nahe einem die Heimat am Herzen liegt. Heute Abend sind die Jungens mit ihrem Musikzug durch die Stadt gezogen und auf dem Platz vor dem Theater haben sie nochmals gespielt. Zum Abschied wurde dann, wie im Theater auch, das Englandlied gesungen, ja so etwas reißt mit.
In diesen Tagen ist es nun soweit, daß ich etwa 100 Briefe an Dich geschrieben habe. Ist das nicht auch eine Leistung? Sie liegt nicht allein auf meiner Seite, denn Du hast ja auch immer laufend an mich geschrieben, so daß auch Du soviel geschrieben haben wirst. Nun wird es ja langsam Zeit, daß man wieder einmal heimkommt, damit man dann vielleicht die nächsten 100 auflegen kann. Bist Du damit einverstanden, ich meine mit dem Urlaub?
Was die nächsten 100 Briefe anbelangt, so wäre es allerdings besser, es brauchte nicht mehr so lange zu dauern. Doch wie ich schon früher immer festgestellt habe, wir werden so lange unsere Pflicht erfüllen, wie es von uns verlangt wird. Du als Frau daheim und ich hier draußen mit den Kameraden zusammen. Wenn ich aber heimkommen sollte, so wird es schwer sein, den genauen Tag anzugeben, weil die Zugverbindungen nicht so ganz klar und sicher sind. Ich werde aber zusehen, was sich in dieser Beziehung machen läßt. Eins würde mich aber freuen, man könnte sich über vieles, was man im Briefe nicht so behandeln kann, aussprechen. Hoffen wir das Beste lieber Leser, schreibt die Redaktion.
Ich möchte für heute wieder schließen und Euch alle Ihr Lieben daheim herzlich grüßen.
Dir sende ich außerdem noch viele herzliche Küsse. Dein Ernst.


 Meine liebe Frau!                                                           O.U., den 16.September 1940

 Heute früh erhielt ich gleich 2 Briefe von Dir und zwar die vom 10/11. und 12. für die ich alle herzlich danke. Auch die verschiedenen Durchschläge von den Briefen, die Du geschrieben hast, habe ich gelesen.
Daß Du Deinen Eltern geschrieben hast, ich hätte Euch Stoff und Wolle geschickt, ist ganz in Ordnung, denn das stimmt ja dann auch wieder mit meinem Brief überein. Gefreut habe ich mich auch wieder darüber, als Du mir mitteiltest, daß Du 2 Päckchen erhalten hättest und daß Dir der Stoff gefallen hat. Ebenso daß die Schürzen passen und Dir zusagen, hat mich beruhigt. Wie Du die Stoffe verwendest, ist mir vollkommen gleichgültig, denn das überlasse ich ganz und gar den Bedürfnissen und Deinem Geschmack.
Was machen denn die Augen unserer beiden Kerlchen? Wie ich aus Deinen letzten Briefen lesen kann, geht es anscheinend wieder besser. Ich hoffe, daß es inzwischen wieder ganz gut geworden ist. Jedenfalls wünsche ich beiden nochmals gute Besserung und daß sich alles wieder gut behebt.
Ich liege nun wieder in meinem Bett und will meinen Brief zum Abschluß bringen. Ich habe mir dabei wieder mein Radio angestellt, dann geht es noch etwas beschwingter. Es ist zwar nicht unbedingt notwendig, daß ich noch mehr in Schwung komme, denn ich habe wieder etwas schönes für Dich gekauft, was ich Dir noch nicht verraten will, weil ich es Dir bei meinem Urlaub selbst mitbringen will. Ich hoffe, daß er nicht mehr allzu fern liegt. Nach der Zeit der Trennung ist man doch froh, wenn man einmal Urlaubsgedanken haben kann, von denen man hofft, daß sie sich erfüllen werden. Es wäre zwar wünschenswert, daß ich Dir rechtzeitig Bescheid geben könnte, doch Du kannst Dir ja denken, daß das beim Kommis immer hopplahopp geht und von vielen Zufälligkeiten abhängt.
Über die Schnelligkeit der Stadt wegen des Luftschutzkellers muß ich wirklich staunen. Jetzt wo der Krieg bald vorbei ist,- aber immerhin schon über 1 Jahr gedauert hat - sind die auch schon dahinter gekommen. Ich möchte Euch nur wünschen, daß Ihr ihn nicht ernstlich in Anspruch nehmen müßt.
Ich freue mich, wenn Du bei meinen Briefen das Empfinden hast, wie wenn ich mit dir spreche. Wenn ich dies erreicht habe, so ist doch zwischen uns eine große Brücke geschlagen, denn auf diese Weise haben wir doch immer noch den persönlichen Kontakt, vor allem auch dann noch, wenn ich aus Deinen Briefen immer wieder lesen kann, wie wir alle aneinander hängen. Ich bin ja auch wirklich froh darum.
Ich habe hier wohl meine Kameraden, doch in meinen Briefen an Dich kann ich mich so aussprechen, wie ich dies daheim mit Dir gewöhnt bin. Ich kann ja von meinen Kameraden nicht verlangen, daß sie Interesse für meine privaten Belange haben; und wenn sie das hätten, so wollte ich das nicht einmal haben, weil ich mich ja doch nur mit Dir allein richtig aussprechen kann.
Nun mein liebes Mädel, wünsche ich Euch allen eine gute Nacht und sei vielmals gegrüßt und geküßt.
Denke auch weiterhin an Deinen Ernst.

Sonntag, 13. September 2015

Brief 61 vom 12./13.9.1940


Meine liebe Annie!                                                                O.U., den 12.September 1940

Deine Karte vom 8. und das Päckchen von Euerm Geburtstag habe ich heute erhalten, wofür ich Euch recht herzlich danke. Mit Rücksicht darauf, daß an diesem Tage Sonntag war, will ich mit einer Karte zufrieden sein. Ich will aber das nicht so laut sagen, weil ich ja an einem Tag in der Woche auch immer aussetze und das ist meistens der Sonntag.
Über die Kleinigkeiten vom Geburtstag habe ich mich sehr gefreut, so habe ich ja auch noch Anteil an dem, was Ihr daheim gehabt habt. Ich möchte hier aber nochmals ausdrücklich betonen, daß Du daraus keine Gewohnheit machen sollst, weil ich hier alles habe und weil ich Euch daheim nichts wegnehmen möchte.
Mit ist so heute wieder einmal die Erinnerung gekommen, wie wir vor einem Jahr immer  damit gerechnet hatten, daß ich nun auch bald daran komme, um meine Pflicht zu erfüllen für unseren Freiheitskampf, den wir ja jetzt führen. Wir sind so noch verschiedenen Male am Strand in Staad gesessen und haben uns gefreut, daß es uns möglich ist, noch zusammen zu sein. Erinnerst Du Dich auch noch?
Nun ist schon wieder ein Jahr vorbei. Wir hätten zu jener Zeit auch noch nicht gedacht, daß wir uns doch einmal trennen müßten, obwohl einem die Gewißheit dafür vor Augen stand. Ich weiß noch ganz genau, wie wir alles soweit geordnet hatten, damit nicht zuviel Arbeit für Dich bleiben sollte. Nun hast Du den ganzen Sommer über schon allein den ganzen Anforderungen allein gegenüber stehen müssen. Wenn es Dir vielleicht auch manchmal schwer gefallen sein mag, so hast Du Dich auch durchgesetzt.
Ich hoffe ja, daß ich demnächst doch einmal heimkommen kann und Dich in Deiner Arbeit unterstützen kann. Es werden ja nur wenige Tage sein, doch wenn wir es richtig einteilen, werden wir schon etwas fertig bringen.
Das Wetter will wahrscheinlich auch nicht mehr so recht mitmachen. Wir haben die letzte Zeit wirklich ein gutes Wetter gehabt, doch jetzt will es immer wieder regnen und nieseln. Man merkt ja nun auch, daß die Tage bedenklich kürzer werden. Nun geht´s auf den Herbst und dann wieder auf den Winter zu. Gespannt bin ich ja, ob ich den Winter hier in dieser Stadt verbringen muß.
Ich grüße Euch alle, die Ihr daheim seid, recht herzlich. Gib unseren Rangen jedem wieder einen herzlichen Kuß und sage Ihnen, sie sollen mit ihren Augen nicht mehr so Dummheiten machen und bald wieder gesund werden. Dich grüße und küsse ich wieder besonders herzlich, zwar jetzt noch brieflich, vielleicht doch in naher Zukunft persönlich.  Dein Ernst.


Mein liebes Mädel!                                                              O.U. , den 13.September 1940

Dein lieber Brief vom 9. kam in meinen Besitz. Ich danke Dir wiederum vielmals dafür. Ich muß aus Deinen Schreiben immer wieder entnehmen, daß unser Apfelbaum diesmal wiederum so reichlich trägt. Das ist doch gewissermaßen der Dank dafür, daß wir ihn im letzten Jahr nicht umgelegt haben. Ich freue mich recht sehr, daß Ihr immer viel Äpfel essen könnt. Ich weiß ja, daß Du sie noch nie verschmäht hast. Wenn sie gut im Geschmack sind, freut mich das umso mehr. Daß auch die übrigen Erzeugnisse des Gartens in so reichlichem Maße herangewachsen sind, ist ebenso erfreulich. Die Brombeeren haben die ganzen Jahre hindurch so reichlich getragen. Wenn sie in diesem Jahre weniger Beeren hervorbringen, so ist dies in der Hauptsache auf den kalten vergangenen Winter zurückzuführen. Wegen des Verschneidens kannst du schon so lange warten, bis ich auf Urlaub komme, dann werde ich schon raushauen, was wieder rausgehört.
Gut ist es ja, wenn Du jetzt nicht soviel Fleischmarken brauchst und mit den Erträgnissen des Gartens ausgleichen kannst.
Die Briefmarken brauchst Du mir nicht zu besorgen. Ich habe hier die gleichen Marken gesehen. Wenn ich mich nicht täusche, gab es hier 6 Werte dieser Marken zu 2,-RM. Das wäre ja im Vergleich zu dort eine wesentliche Ersparnis. Ich möchte aber vorerst von der Anschaffung absehen, weil ich hier noch verschiedenes anderes kaufen möchte und mir mein Geld für derartiges Vergnügen nicht reicht. 
Wie ich aus Deinem Brief ersehe, hast Du am gleichen Tage noch einen weiteren Brief von mir erhalten. Ich glaube, daß Du darüber ziemlich verärgert bist, wenn Du an einem Tage gleich zwei Briefe lesen mußt.
Deine beiden Briefe mit Zeitungen habe ich heute auch erhalten, ich danke Dir auch dafür. Ich möchte Dich aber noch darauf aufmerksam machen, wie ich es schon in einem meiner letzten Briefe getan habe, daß ich hier alle Zeitungen erhalte und daß es daher nicht nötig ist, daß Du mir diese noch zusendest.
Ich habe heute wieder ein Päckchen fertig gemacht mit Wolle, von der ich Dir letzthin schon ein Muster mit zugehen ließ. Ich werde sie in den nächsten Tagen mit absenden. Wenn Du in dieser Beziehung noch besondere Wünsche hast, so mußt Du mir dies noch mitteilen.  
Heute Abend ist wieder eine musikalische Veranstaltung und zwar spielt hier der Reichs- und Stabsmusikzug der Hitler-Jugend und der Fanfarenzug Thüringen. Auch hier werde ich wieder dabei sein. Am Sonntag wird wahrscheinlich nicht ausgefahren werden. Das wird aber nichts schaden, denn dann kann ich einmal verschiedenes in Ordnung bringen und auch von den vielen Zeitungen lesen, die ich noch da habe.
Was machen unsere beiden Stromer. Haben sie alles gut überstanden mit ihren Augen? Es ist mir nur unerklärlich, wie Jörg wildes Fleisch bekommen konnte. Ich werde ja in den nächsten Tagen wieder von Dir darüber hören.
Helga macht sicher auch wieder in der Schule richtig mit. Sie soll nur immer schön bei der Sache bleiben und weiter so lernen, wie sie es früher getan hat. Jörg soll aber auch weiterhin parieren und Dir folgen, denn ich möchte mich nicht ärgern, wenn ich einmal auf Urlaub kommen sollte.
Dir sende ich für heute wieder meine besten und herzlichsten Grüße und es küßt Dich vielmals Dein Ernst.

Brief 60 vom 10./11.9.1940


Meine liebe Annie!                                                    O.U., den 10.Sept.1940

Deinen lieben Geburtstagsbrief oder besser gesagt vom Geburtstag habe ich heute erhalten. Ich habe mich sehr darüber gefreut, vor allem, wie die Kinder in so lieber Weise an Dich gedacht haben. Man sieht daraus, wie sie älter und selbständiger werden.
Da hast Du aber ziemlich Post an Deinem Geburtstag bekommen; sogar aus Lindenberg, man sollte gar nicht meinen, daß die auch noch an uns denken. Deine Eltern haben aber wieder tief in den Geldbeutel gelangt. Wegen der Zeitungen habe ich Dir ja schon geschrieben. Du brauchst mir also keine mehr senden, denn wir bekommen jetzt etwa fünf deutsche Tageszeitungen und sämtliche illustrierten Zeitungen.
Ich sitze heute wieder auf meiner Bude zum schreiben, höre Radio und esse so zwischendurch immer von dem Gebäck. Meinem Brief füge ich erstens das Programm bei, das ich bei meinem gestrigen Brief vergessen habe, außerdem noch verschiedene Bilder von unserer Fahrt nach Dünkirchen Der Film war nicht mehr frisch, doch als Erinnerungsbilder kann man sie schon aufheben. Auf den zwei Bildern sind meine Kameraden und bei einem Bild siehst Du unsere Wagen. In den nächsten Tagen folgen weitere Bilder. Ich habe den Fotografen machen müssen, deshalb bin ich nicht mit darauf. Ein Kamerad hat mit seinem Apparat auch noch Bilder vom Strand gemacht. Ich habe davon Abzüge bestellt.
In der heutigen „Brüsseler“ sind einige Bilder von Gent drin. Ich schicke Dir diese Zeitung auch zu.
Mit dem Geld für meine Urlaubstage, die ich doch demnächst bei Euch zu verbringen gedenke, vorausgesetzt, daß keine Sperre eintritt, brauche ich mir also keine Gedanken zu machen. Meine Wäsche lasse ich jetzt einmal nicht mehr waschen, die bringe ich dann so mit. Eins bitte ich Dich aber, freue Dich nicht zu früh und warte bis ich da bin. Ich selbst würde mich freuen, wenn ich hier wieder einmal ausspannen kann für einige Tage, vor allem aber, um mit Euch wieder zusammen sein kann. Nach dem Wiedersehen kommt zwar der Abschied, doch was nutzt das, wenn es gleich wieder tragisch wird. Im Übrigen weiß ich ja, daß Du standhaft bist und Dich nicht unterkriegen läßt, vor allem, weil Du ja selbst weißt, um was es geht im gegenwärtigen Ringen.
Mein liebes Mädel laß mich jetzt schließen und sei Du recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.


Meine liebe Frau!                                                          O.U., den 11.Sept. 1940

Dein lieber Brief vom 6. traf heute bei mir ein, für den ich Dir wieder vielmals danke.  Über vieles habe ich mich gefreut, doch über manches auch gewundert. So vor allem, daß Jörg wegen wildem Fleisch geschnitten worden ist. Davon hast Du mir noch nichts geschrieben und ich weiß vor allem gar nichts. Doch ich habe innerlich eine Genugtuung bekommen, daß er sich so gut gehalten hat.
Ich weiß zwar, daß Du kein Feigling bist, doch freut es mich auch, wenn das fremde Leute bestätigen. Erfreulich war mir auch die Bestätigung von Vater, daß er jetzt, allerdings nach 10 Jahren, einsieht, daß er falsch über dich geurteilt und mir gewissermaßen recht gegeben hat. Die Behandlung von Geschwüren und das Aufmachen liegt ihm, denn dies kenne ich noch von meiner Kindheit her. Mit viel Geduld und Ausdauer hat er mich früher schon behandelt, wenn ich so etwas gehabt habe.
In diesen Tagen muß ich Nannie auch zu ihrem Geburtstag am 25.9. gratulieren, wie ich auch noch verschiedene Post zu erledigen habe. Am heutigen Abend war ich wieder einmal im Kino. Es wurde „Der Fall Deringo“ eine Art Kriminalfilm gespielt. Er war ja nicht nach meinem Geschmack, weil vieles in solchen Filmen schmalzig wirkt, doch für eine gewisse Zeit ist man doch unterhalten. In den nächsten Tagen werde ich wieder ins Variete gehen und wie ich hörte, sollen die Berliner Philharmoniker hierherkommen. Es ist alles immer wieder Gelegenheit geboten, der Kontakt mit der Heimat zu behalten, außerdem habe ich ja noch meinen eigenen Radioapparat, den ich mir, gemäß meiner früheren Gewohnheit, gleich früh anstelle. Sofern ich über Mittag heimkomme, höre ich auch und abends sitze ich auch daran.
Ich weiß gar nicht mehr genau, ob ich Dir schon meine neue Wohnung mitgeteilt habe. Die Anschrift ist Boulevard de la Liberte 132. Ich bin also wieder in der Straße, wo ich am Anfang war. Vorgestern , als ich heimkam, war ein neuer General, der hierher kommandiert worden ist, in unserem Haus und hat es besichtigt. Wir haben ihn aber vorwiegend auf die Schattenseiten hingewiesen, so daß er davon Abstand genommen hat, hier einzuziehen. Es kommt mir bei diesem Haus so vor wie bei einer schönen Frau, man muß immer Obacht geben, daß man sie nicht verliert. Ich will nur hoffen, daß sich weitere Interessenten nicht mehr einfinden, denn hier bin ich ja in der dritten Wohnung.
Mit den Bedienungen hat man auch so seinen Ärger. Alles muß man besonders sagen, sonst wird es nicht gemacht. Nur das Notwendigste wird erledigt und nicht mehr. In meinem Zimmer hängt schon seit Tagen die Stange von einer Scheibengardine herunter, doch die bleibt ruhig so hängen. Bei meinem Kameraden ist der Badeofen einmal wieder „hochgegangen“. Es ist weiter nichts dabei passiert, als daß alles verrußt ist. Das Waschbecken und was sonst noch im Zimmer steht, ist unverändert. Morgen müssen wir einmal „Sau-(bere) Frau“ hinschreiben, vielleicht hilft das.
Gute Nacht liebes Mädel, sei Du vielmals herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.

Mittwoch, 9. September 2015

Brief 59 vom 9.9.1940


Meine liebe Annie!                                                                     O.U., den 9.September 1940

 Deine Briefe vom 4. und 5. habe ich heute erhalten, ich danke Dir wieder bestens dafür.
Bevor ich diese beiden Briefe aber beantworte, möchte ich Dir von dem berichten, was ich seit meinem letzten Brief vom Samstag wieder alles erlebt habe. Am Samstag war ja hier wieder eine ganz große Vorstellung, von der ich Dir wieder anliegend das Programm zugehen lasse, damit Du etwa einen Überblick über alle erhältst. Die Künstler waren alle wieder ausgezeichnet; wenn man dann in der 3.Reihe des Parketts sitzt, ist die Abrundung vollendet.
Ich kann Dir nur erzählen, daß für uns hier draußen viel getan wird, um uns die Trennung von der Heimat nicht so schwer fallen zu lassen. Ich muß nur immer wieder feststellen, es ist ein schönes Gefühl, wenn man weiß, daß wir hier draußen nicht vergessen worden sind. Wir, die wir hier in der Stadt leben, sind in dieser Hinsicht noch bedeutend besser dran wie die Einheiten, die auf irgend so einem Kaff sitzen. Ich weiß dies auch durchaus zu schätzen und nutze auch jede Gelegenheit, die sich in dieser Beziehung bietet, aus.
Ich habe nach dem Theater für den vergangenen Sonntag die Fahrt nach Paris vor. Eine Schwierigkeit bot sich mir in erster Linie darin, daß wir um 7 Uhr wegfahren wollten und ich hatte keinen Wecker. Ich bin dann auf den Gedanken gekommen, daß ich mir dann früh mein Radio einschalte, damit ich weiß, wie spät es ist.
Ich bin dann auch verschiedene Mal munter geworden, doch jedes Mal, wenn ich angeschaltet habe, war nichts los. Dann ist es mir aber doch geglückt und das Pausenzeichen des Deutschlandsenders war zu hören. Ich bin dann gleich aus der Falle und wie ich dann nachher merkte, war dies der Auftakt zum Morgenkonzert aus Hamburg.
Wie gut es doch ist, wenn man alter Rundfunkhörer ist. Ich habe mich dann auch schnell fertig gemacht und bin dann zum Frühstück gesprungen, das wir ja bekanntlich im Hotel Royal einnehmen. Ich konnte dort nur feststellen, daß noch einige wenige Personen anwesend waren. Ich habe dann schnell meine Kaffee getrunken und die Brötchen eingesteckt. Als ich zum Omnibus kam, war aber noch Zeit, ich war auch noch lange nicht der letzte. Also ich bin glücklich mitgekommen.
Die Reise ist ziemlich weit, denn eine Strecke beträgt etwa 250 km. Wir sind dann die Strecke, um nur einige Orte zu nennen, Arras, Bapaume, Peronne, Ham, Compiegne, Senlis und Paris. Man gewinnt auf dieser Fahrt so einen gewissen Überblick über den landschaftlichen Charakter, außerdem in Bezug auf die vergangenen Ereignisse konnte man so verschiedene Linien des Widerstandes feststellen. Weiterhin sind wir über die Schlachtfelder des Weltkrieges gefahren. Ich bin froh, auch daran wieder teilgenommen zu haben.
Verschiedene Orte waren wieder sehr zerstört, was darauf hindeutet, daß sich der Feind zur Wehr gesetzt hat. Besonders ist mir dabei aufgefallen, daß Compiegne wieder besonders gelitten hat. Es ist ein kaum zu beschreibendes Bild und was nützen da die vielen Worte, wenn man es nicht selbst gesehen hat. Die Wirkungskraft unserer Bomben war jedenfalls so gewaltig, daß sogar alte Kellergewölbe  durchschlagen wurden und die Keller voller Schutt liegen. Die Brücke über die Oise war vollkommen zerstört. Unsere Truppen haben aber wieder dafür gesorgt, daß die Wege wieder passierbar wurden. Gegen 2 Uhr kamen wir in Paris an.
Durch besondere Vorsichtsmaßnahmen dürfen deutsche Truppen nicht ohne Genehmigung die Stadt besuchen. An der Straßensperre, wo wir zuerst halten mußten, kamen gleich die Juden und hatten alles Mögliche zu verkaufen. Man hat dann in der ganzen Stadt gesehen, daß die Juden einen ziemlich hohen Prozentsatz der Bevölkerung darstellen. Die Anlage der Stadt ist imponierend. Schöne breite Straßen, alte Bauten, die auf eine Vergangenheit  hindeuten, schöne Brücken und sonstige Baudenkmäler. Über dies alles zu sprechen, möchte ich hier unterlassen und mir für meine Urlaubstage vorbehalten.
Im Triumphbogen und im Invalidendom sind wir gewesen. Doch die einzelnen Sachen so herausziehen hat ja keinen Zweck, denn man verwischt da den Gesamteindruck. Ich kann vielleicht noch abschließend sagen, abgesehen von verschiedenen Nebenerscheinungen, daß trotz der kurzen Zeit die Stadt keinen schlechten Eindruck auf mich gemacht hat. Einzelne Bilder lasse ich Dir mit zugehen, die ich dort gekauft habe. Wir haben dann die Heimfahrt gegen 7 Uhr wieder angetreten und waren etwa um 1 Uhr wieder hier. Ich bin heute noch müde davon, doch das macht ja nichts.
Heute schicke ich Dir noch ein Bild mit, was ich in Gent gemacht habe. Warum ich allerdings so viele Falten mache, weiß ich selbst nicht. Die übrigen Bilder folgen in den nächsten Tagen.
Ich erhielt heute außerdem  noch Dein Päckchen. Ich danke Dir noch vielmals dafür. Ich habe einige Stückchen probiert und ich habe feststellen können, daß Du immer noch genau so gut bäckst wie früher. Ich werde mir diese so nach und nach zu Gemüte führen.
Von Siegfried bekam ich heute auch noch einen Brief, in dem er mir mitteilte, daß er wahrscheinlich doch bald wieder eingesetzt werden würde.
Über die Sachen , die Helga zum Geburtstag bekommen hat, wird sie sich sicher gefreut haben. Für die übersandten Rasierklingen danke ich bestens. Die reichen vorerst und ich brauche jetzt keine weiter. Daß Dir die Wolle auch gefallen hat, freut mich wiederum, ich sehe doch daraus, daß ich richtig gekauft habe und daß Du etwas damit anfangen kannst.
Für heute möchte ich schließen. Ich wünsche Euch wieder alles Gute und sende Dir, sowie auch den Kindern, viele herzlich Grüße und Küsse. Du erhältst diese wieder besonders von Deinem Ernst.

Sonntag, 6. September 2015

Brief 58 vom 6./7.9.1940


Meine liebe Frau!                                                        O.U., den 6.September 1940

Wie jeden Tag, so will ich auch heute durch ein Schreiben wieder zu Dir sprechen und heute besonders, am Vorabend zu Deinem Geburtstag. Den eigentlichen Geburtstagsbrief hast du ja, wie Du mir schriebst, schon erhalten, doch nachdem ja morgen dieser Tag ist, möchte ich zu Dir noch einmal sprechen.
Es ist nun diesmal anders wie die Jahre vorher. Wir waren doch nun die letzten Jahre immer an diesem Tage zusammen und konnten ihn gemeinsam verleben. Mit den Geburtstagen war es bei uns in diesem Jahre eigenartig. Ich fuhr an meinem Geburtstage hierher, die Kinder konnte ich an ihrem Geburtstage auch nicht sehen und nun beschließt Du den Reigen und ich muß auch wieder ferne stehen.
Ja weiß Du noch, wie wir vor neun Jahren in Freiburg waren. Heute jährt sich dieser Tag nun auch. Wir waren in diesen Tagen erst ganz neu in unserer Wohnung und ich weiß noch genau, wie wir über alles glücklich waren, was wir uns um diese Zeit anschaffen konnten.
Du gingst noch arbeiten, ich war seinerzeit zwar ohne Arbeit, doch ich habe ja auch immer getan was ich konnte. Wir haben uns all die Jahre durchgeschlagen. Dies im besten Sinne des Wortes. Es ist uns eigentlich nicht gerade schlecht gegangen, oder besser gesagt, wir waren genügsam und haben es deshalb nicht so empfunden.
Was wir so sind und was wir haben, sind wir durch unsere Arbeit geworden, wir wollen deshalb hoffen, daß uns in den kommenden Jahren der gleiche Segen, unter vielleicht günstigeren Verhältnissen, auf unserer Arbeit ruht. Soweit wir beide gesund sind, wird uns dies keine Schwierigkeiten bedeuten und es wird sich auch dann einer auf den anderen verlassen können.
Heute habe ich nun Deine beiden lieben Briefe vom 2. und 3.9. erhalten, für die ich Dir wieder bestens danke. In Deinem Brief vom 2. geht so ziemlich alles klar, so daß ich da weiter nichts hinzufügen brauche.
Interessiert hat mich dabei Deine Mitteilung über den Fliegeralarm, der ja in der Zwischenzeit schon wiederholt eingetreten sein wird. Ich bitte auch Dich, sei in dieser Beziehung vorsichtig.
In Deinem Brief vom 3. bestätigst Du mir den Eingang des Wollpäckchens. Wird die Wolle auch ausreichen? Wenn Du vielleicht noch etwas besonders wünschst, so mußt Du mir dies mitteilen. Es hat mich gefreut, daß Dir die Farbe zusagte.
Ja, den Anzug habe ich nun. Ein weiterer Stoff liegt nun noch hier. Sage einmal, würdest Du mir raten, daß ich mir diesen hier auch fertig machen lasse, oder soll ich den Stoff aufheben und mitbringen.
Was den Komposthaufen anbelangt, so kann ich dann wenigstens wohlvorbereitet in Urlaub gehen. Ich bin auch wieder sehr verärgert, das kannst Du Dir wohl denken. Ich habe Dir ja neulich schon darüber geschrieben.
Daß sich Helga wieder ganz gut in die Schule reingefunden hat, freut mich sehr. Sie soll nur den Kopf oben behalten und wieder fest mitmachen. Ich weiß schon, daß es einem am Anfang wieder schwer fällt, doch ich weiß auch, daß es wieder geht, wenn man sich richtig anstrengt. Ich wollte Dich auch noch fragen, soll ich vielleicht für die Kinder noch so halblange Strümpfe besorgen? Ich habe heute welche im Fenster gesehen. Wenn ja, so teile mir bitte die Länge in cm mit. Ich werde dann zusehen, was ich noch bekomme.
Weiterhin wollte ich noch wissen, ob ich für die Kinder einen Regenmantel oder einen Umhang besorgen soll. Die Größe oder irgendein Maß wäre mir in dieser Beziehung erwünscht, denn ich kann dann leichter kaufen.
Beigeschlossen sende ich Dir einen Durchschlag von einem Brief, den ich heute an die Eltern geschickt habe. Ich weiß nicht, ob Du ihn für richtig findest. Ich habe bzg. des Kaffees einen Winkelzug gemacht, damit sie nicht gleich verkratzt sind.  Du weiß ja selbst, wie empfindlich sie sind. Es kann schon sein, daß sie mir den Brief übelnehmen. Mir soll es dann auch gleich sein. Ich kann auf die Dauer nicht immer so vorsichtig und zurückhaltend vorgehen, vor allem, wenn es dann Euch indirekt oder auch direkt betrifft.
Von Kurt erhielt ich heute auch einen Brief. Er ist ja jetzt in Karlsruhe und will Euch auch demnächst wieder schreiben.
Heute habe ich nochmals Wolle gekauft. Ein Muster schicke ich Dir wieder mit. Ich weiß allerdings nicht, ob Dir das Blau zusagen wird. Ich glaube aber, daß Du schon Verwendung dafür finden wirst.
Am Sonntag werden wir sicherlich doch nach Paris fahren. Wir werden dort sicher nicht viel Zeit haben. Doch eines gewinnt man schließlich dabei doch, man kennt die Gegend und einiges kann man sich schon ansehen. In großen Zügen kann man dann auch mitreden. Mir ist ja schließlich nicht darum zu tun, in die Revuen zu gehen, denn für mich ist dies nicht die Stadt. Für mich gelten die Bauwerke. Wenn ich auch weiß, daß sie ziemlich auseinander liegen, manches werde ich davon doch zu sehen bekommen.
Ist das nicht eigenartig, jetzt sehe ich erst die Kapitale von Frankreich und habe noch nicht einmal die Hauptstadt von Deutschland gesehen. Ich denke, daß ich auch dazu noch einmal Gelegenheit bekomme. Aber dann mit Dir.
Ich schicke Dir wieder einige Zeitungen zu. In der einen Zeitung ist ein Bild von Arras, wo ich letzthin war. In der neuen Zeitung ist ein Artikel über die Schweiz, der Dich sicher interessieren wird.
Heute habe ich wieder für Dich geschrieben. Jetzt muß ich aber aufhören, denn ich sehe auf der Maschine nur noch die Tasten, aber die Schrift nicht mehr. Es wird deshalb Zeit, daß ich Schluß mache. Sei Du mein liebes Mädel recht herzlich gegrüßt. Morgen werde ich wieder besonders an Dich denken. Nimm noch viele Küsse entgegen von Deinem Ernst.
Als ich heute Abend heimkam, habe ich eine schöne Sendung aus Stuttgart gehört über den Elsässer Wein. Es war so eine lustige Sendung, daß man direkt aufgefrischt ist. Ich habe mir noch von unserem sauren Wein vorgeholt, den wir aus unserer alten Wohnung mitgenommen haben. So habe ich mir den Abend vor Deinem Geburtstag noch etwas angenehm gestaltet. Ich muß aber noch für ein besseres Getränk sorgen, denn der ist saurer wie unser billigster Seewein. Man nimmt aber was man gerade hat. Es kann ja nicht immer Sekt oder Bordeaux sein.



Meine liebe Annie!                                                O.U., den 7.September 1940

An Deinem Geburtstage möchte ich wieder Deiner gedenken. Es ist zwar so, daß ich immer an Euch denke, doch der Brief ist ja der Ausdruck dessen, was man so zu sagen hat.
Post habe ich heute keine erhalten und es ist fraglich, ob ich bis Montag welche bekomme, doch das macht nichts, denn ich weiß ja, daß Du an mich gedacht hast.
Was werdet Ihr wohl heute getan haben, so denke ich  und man kann sich so recht keine Vorstellung von dem machen, was daheim immer so geschieht. Eines ist ja bestimmt und zwar das, daß Ihr an mich gedacht habt, wie ich an Euch denke.
Eine kleine Geburtstagsüberraschung habe ich Dir heute auch noch. Ich habe heute ein Gesuch um Urlaub eingereicht und zwar so auf den 20., 25. September herum. Ob es mir genehmigt wird, ist ja noch nicht sicher. Ausgeschlossen ist auch nicht, daß inzwischen wieder eine Urlaubssperre eintritt. Ich will damit nur sagen, daß alles unverbindlich ist. Wenn ich genaueres weiß, werde ich Dir wieder Mitteilung machen.
Dieser Tage war ich hier wieder im Theater. Ich hatte hier gewissermaßen ein Wiedersehen. Es war das Berliner Lessingtheater, das ich in Ung. Hradisch auch gesehen hatte. Wie man sich doch immer wieder trifft. Es wurde ein ganz nettes Stück gespielt, so daß  ich mich an diesem Abend schön unterhalten hatte.
Heute ist nun wieder eine große Veranstaltung. Es kommen hierher Harry Gondy, O. Tschechowa, Herbert Ernst Groh und noch viele andere bekannte Künstler. Wie immer, muß ich bei derartigen Angelegenheiten dabei sein, vor allem, wenn es kostenlos ist. Ich werde dir auch davon wieder berichten. Ob morgen die Fahrt nach Paris tatsächlich stattfindet, weiß ich noch nicht genau. Jedenfalls ist es so, daß man nur in geschlossenen Gruppen gehen darf und daß der Aufenthalt in der Stadt von 13 - 19 Uhr dauert. Man wird zwar nur einen flüchtigen Eindruck bekommen, doch man ist wenigstens einmal da gewesen. Wenn es morgen nicht reicht, so kann ich vielleicht am folgenden Sonntag mitfahren, denn da findet nochmals eine Wiederholung statt.
Post ist von Dir nicht eingegangen, nur von Siegfried kam eine Postkarte, in der er mir schreibt, daß er in der Umgebung von Erfurt liegt. Sonst schreibt er nichts Wichtiges. Für heute möchte ich nun wieder Schluß machen. Ich grüße Dich wieder bestens und hoffe Euch alle gesund. Den Kindern gib wieder Jedem einen herzlichen Kuß. Du erhältst Deine Küsse (zwar nur brieflich) wieder besonders von Deinem Ernst.