Sonntag, 29. April 2018

Brief 421 vom 23. / 25.4.1943


Mein liebster Schatz !                                                                       23.4.43  
 
Vor der Abreise bin ich nun den letzten Tag hier. Ist doch nun der Tag wieder herangekommen, an dem es etwas Leben gibt,  denn dieses Herumsitzen, das ist nicht nach meinem Geschmack. Morgen rollen wir los. Aus meinen beiden letzten Briefen, die ich nach Deutschland gleich mitgeben konnte, hast Du ja das erfahren, war ich selbst wusste. Es wird sich um etwas besonderes handeln, denn wir haben noch nichts mitgeteilt erhalten, was eigentlich von uns verlangt wird. Du musst Dir aber bestimmt keine sorge um mich machen, denn so geheimnisvoll das alles aussieht, so gefährlich ist es nicht.  Soweit mir das möglich ist, gebe ich Dir dann später Nachricht darüber.
Aber nun zu etwas anderem. Erstens einmal vielen Dank für Deine beiden großen Päckchen, die ich vorgestern Abend erhielt. Der Inhalt ist wohl sehr erfreulich, und nur im Hinblick auf die Ostertage, will ich nichts sagen. Ich muß Dich aber ernstlich bitten, auf die kleinen Vorräte acht zu geben und nicht noch für mich etwas abknapsen. Du weißt doch genau, daß ich hier ordentlich und reichlich verpflegt werde. Wenn ich auch dann einmal eine Kleinigkeit schicken kann, so mußt Du das nicht gleich als Anlass nehmen und daraus für mich etwas machen. Also sei bitte so lieb und halte Dich danach.
Ich habe wieder etwas Honig zusammengespart. Die Flasche wurde nicht ganz voll, aber Du wirst sie auch so in Empfang nehmen. In einem weiteren Päckchen hatte ich Bücher abgesandt. Heute habe ich noch eines in Vorbereitung mit allerhand kleinem Kram, den ich aus der Hand haben will. Es sammelt sich ja immer bald etwas an.
Man muß dann immer, ehe es wieder weitergeht, Ordnung schaffen.  Die Päckchen tragen die Nummer 1 bis 3. Ich fange wieder von vorn an, wie Du siehst.  Unser Chef hat gestern wieder Zucker organisiert. Davon entfallen etwa 1 ½ kg auf mich. Die Päckchen werden von hier fertiggemacht, und das geht dann Dir mit zu. Die werden dann keine Nummern haben. Ein anderes Päckchen habe ich fertig gemacht. Das ist mir aber zu wertvoll, als daß ich es durch die Feldpost sende. Ich lasse es darum durch die Dienstpost als Einschreiben zusenden. Gehe mit dem Inhalt schonend um.  Erschrecke aber deshalb nicht. Du brauchst mir nur den Empfang bestätigen, das genügt.  Hebe es vorerst mit auf. Dann komme ich noch zu einer anderen Sache, die mir viel Freude gemacht hat.
Ich glaube nicht, daß Du Dir denken kannst, um was es sich handelt. Gestern war hier Offiziersbesprechung angesetzt. Ich nahm die Sache nicht für voll, denn damit habe ich ja im allgemeinen nichts zu tun. Erst nach Aufklärung eines Missverständnisses bin ich dann doch hingegangen. Ich dachte, wir sollten Instruktionen entgegennehmen für unsere Fahrt. Neben anderen Offizieren wurde ich anlässlich des Geburtstages des Führers mit dem Kriegsverdienstkreuz 2.Klasse ausgezeichnet. Was sagst Du nun? Du bist wohl genau so sprachlos wie ich es gestern auch gewesen bin.  Ich wusste, daß ein Antrag für mich lief. Aber ich weiß ja, daß man diesen Anträgen im allgemeinen nicht die Bedeutung beimessen darf. Da ich nun nichtsahnend dorthin kam, war die Überraschung umso größer. Jetzt sieht man nun , wo hinten und vorn ist, vorher war alles einseitig grau. Ich kann sagen, daß mir das eine mächtige Freude war. Ich habe mich dann später bei meinem Chef in voller Kriegsbemalung melden müssen. Er hat mir dann bei diese Gelegenheit noch gedankt und mir noch gesagt, daß dies eben die Auszeichnung sei für die nun bald dreijährige Tätigkeit in der Kriegsverwaltung, die ich, so sagte er, wahrscheinlich noch länger in diesem Kreise ausüben werde. Das Ganze hat nun meinen ganzen Plan für die Abschlüsse und Übergabearbeiten über den Haufen geworfen. Mit mir wurde noch der Rat ausgezeichnet, der in unserer Abteilung ist.
Das war ja ein Grund zum Feiern. Das haben wir auch getan. Eines war wieder putzig.
Die übrigen Soldaten, die es gestern auch bekommen haben, die erhalten es beim Antreten ausgehändigt. Ausgerechnet ich musste mit den Offizieren antreten und bekam es dort. Das ist doch zu komisch. Man weiß hier tatsächlich nicht, wie man mich hier behandeln soll. Ich mache mir deshalb vielleicht weniger Kopfschmerzen wie die anderen. Meine Sorge soll das auch nicht sein. Ich habe die Verleihungsurkunde und das Kreuz schon mit einem Stückchen Band  fertiggemacht und lasse es Dir ebenfalls zugehen. Jetzt habe ich aber alles ausgeräumt. Das wirst Du ja an den  Sendungen sehen, die an Dich wieder unterwegs sind. Daß ja erst einige Tage vergehen werden, ehe ich wieder zum Schreiben komme, habe ich Dir schon mitgeteilt Das ist ja auch verständlich, aber ich muß ja auch eine ziemliche Weile warten, bis die Post umgeleitet worden ist. Meine Feldpostnummer bleibt die Gleiche, das will ich noch betonen. Wir bekommen den Kram, was uns angeht, nachgesandt. Wir kommen ja wieder hier zusammen, dann ist ja alles  wieder beim alten.
Abends ½ 11 Uhr. Da war heute allerhand zu tun. Jetzt bin ich aber ehrlich müde.
Es mußte doch alles übergeben und fertiggemacht werden. Endlich ist das auch geschafft.
Ich muß aber diesen Brief für Dich noch fertig machen. Ich erhielt Deinen lieben Brief vom 14., den ich heute nicht mehr beantworten kann, weil ich ziemlich abgespannt bin. Morgen früh geht es zeitig aus der Fall und dann den ganzen Tag fahren, das strengt  wieder an. Gleich will ich noch den Rest meines eigenen Gepäcks fertig machen, denn es muß doch alles seine Ordnung haben. Man gibt doch die restlichen Sachen in fremde Hände, und das ist ja nicht so einfach, wie wenn man das daheim Dir gibt und sagt: Pass auf, in einigen Wochen bin ich wieder da. Das Päckchen mit Zucker habe ich vorhin noch fertiggemacht und abgesandt. Es hat die Nummer 4 bekommen.
Bleib gesund, mein liebes Mädel. Durch den ganzen Trubel habe ich ganz vergessen, daß schon übermorgen Ostern ist, und daß heute Karfreitag ist.  Man lebt ja hier so in den Tag hinein, daß einem der Wochentag wie der Sonntag aussieht. Aber das war mir selbst komisch, als ich das heute feststellte. Es ist ja schade, daß wir nun die Ostertage über rollen. Aber schließlich geht der Dienst vor, und daran läßt sich nun nichts ändern. Ich grüße Dich, mein Schatz, und sende Dir recht viele Küsse in großer Liebe zu Dir. Dein Ernst.

Mein liebstes, bestes Mädel !                                                            25.4.43  
       
Ist das nicht ein eigenartiges Zufall? Heute jährt es sich genau, daß ich von Frankreich kommend hier in Krementschug eintraf. Gestern Abend sind wir mit unserer Kolonne hier eingetroffen. Ich hatte mir das im vergangenen Jahr nicht träumen lassen, daß wir das Jahr darauf mit einem Sonderauftrag hier wieder landen. Das ist zwar nur Zwischenstation, denn heute Mittag geht es weiter. Aber ich will erst einmal der Reihe nach erzählen. Vorgestern Abend, nach Beendigung meines Briefes, habe ich mich über den Rest meines Gebäcks hergemacht. Kurz nach 11 Uhr ging´s dann in die Falle. ½ 5 Uhr war dann am folgenden Tag Wecken. Es gab noch einige Kleinigkeiten vorzubereiten.
Denn man muß ja alles in fremde Hände übergeben. Nach dem Kaffeetrinken mußte dann unser PKW beladen werden. Das hat vorzüglich geklappt. Wir haben für zwei Personen und einen Fahrer einen großen Wagen. Da ist entschieden mehr Platz wie bei unserer letzten Fahrt von Charkow nach Kiew. Man kann direkt von einer Fahrt in den Frühling reden, so bequem haben wir es. Nach dem Antreten und entgegennehmen der Weisungen rollen wir kurz nach 7 Uhr ab. Eine Kolonne von 5 Krädern (Krafträdern), einem Omnibus, 2 LKW und 6 PKW. Ein ganz netter Tross. Wir sind dann ganz schön gefahren. Das Wetter ist wunderbar sonnig. Allerdings wäre das auf deutscher Landstraße ein Genuss gewesen, dort zu fahren. Hier ist es etwas anders, denn, wie Du vielleicht noch aus meiner Schilderung einer Dienstfahrt vom vergangenen Jahr weißt, sind die Straßen bei Regen kaum befahrbar, weil man einfach von der Straße wegrutscht, dagegen ist bei anhaltendem Sonnenwetter ein Staub, daß man ein Fahrzeug, das 30 m vor einem fährt, vor Staub nicht mehr sieht. So war es auch gestern.  Wir hatten insofern glück, weil wir keinen geschlossenen Wagen hatte. Wenn man zwar die Fenster alle eine Weile geschlossen hält, dann ist eine Hitze im Wagen, daß man fast ersticken möchte. Aber trotz aller dieser kleinen Unannehmlichkeiten, hat mir die Fahrt sehr gut gefallen. Die 320 km hatten wir dann gegen 6 Uhr hinter uns.
Die Dörfer zum Teil schmutzig und eintönig. Vor den kleinen hingedrückten Bauernkaten stehen Kindr und winken. In Kiew fingen die Bäume an zu grünen. Auch hier merkt man, daß es im Süden wärmer ist. Pflaumenbäumchen standen vor den Häusern schon in Blüte.
Das war ein freundliches Bild. Ein flotter Wind ließ die Staubfahnen unserer Wagen mächtig zur Seite flattern. Die Landschaft wirkt auf die Dauer einschläfernd. Aber die Schlaglöcher hindern daran. Falls man tatsächlich etwas eingenickt ist, dann wirft es einem bis zur Decke, das wirkt sehr ermunternd. Wie gesagt, es war trotzdem schön und gut sind wir hierher gekommen. Heute geht es, entgegen unserer Annahme, nicht nach Charkow, sondern nach Dnjepropetrowsk. Das ist mir ohne weiteres angenehm, weil ich soweit südlich noch nicht gekommen bin und vor allem ist dort Wasser in der Nähe. Das ist entschieden angenehm. Was wir zu tun bekommen, steht noch nicht fest, aber es wird schon gehen.  Heute zum Feiertag habe ich mir von Deinem Gebäck etwas zu Gemüte geführt. Das ist nun mein Ostern, aber ich bin trotz allem noch zufrieden. Viel habe ich gestern an Euch gedacht, und jetzt, am Ostermorgen hab auch.
Wir sitzen hier im Hof unserer Unterkunft. Einen Radioapparat haben wir uns aufgebaut und in der Luft liegt immerhin eine feiertägliche Stimmung. Was mir vorhin noch Spaß gemacht hat war, daß hier schon Schwalben herumzwitschern. Es ist tatsächlich Frühling, wenn nach dem Sprichwort eine Schwalbe keinen Sommer macht, aber den Frühling macht sie. Hier haben wir Waschgelegenheit, die will ich noch ausnützen und mich dann noch etwas in die Sonne tun. Ich freue mich, daß ich heute schon Gelegenheit hatte, Dir zu schreiben. Sei vielmals gegrüßt und mit den Kindern herzlich und oft geküßt in vieler Liebe Dein Ernst.

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