Mein
allerliebstes Mädel !
2.4.43
Kalendermäßig hat das Aprilwetter eingesetzt. Gestern fing es an zu schneien. Dann kam die Sonne wieder durch und gegen Abend regnete es. Heute hatten wir erst nebliges Wetter, dann schien es, als wollte die Sonne scheinen, aber die Bewölkung nahm zu und nachdem es geschneit hatte, scheint wieder etwas die Sonne. Das Eigenartige ist nur, daß es die ganze Zeit vorher schon frühlingshaft war. Doch gerade dadurch läßt sich der Frühling nicht mehr verleugnen. Bald wird auch diese Übergangszeit überstanden sein und die warmen Tage brechen an. Hier in der Stadt merkt man das nicht so.
Im vergangenen Jahr, als ich in Mirgorod war, da hatte alles mehr ländlichen Charakter.
Wenn man dann früh aus seinem Bau herauskam, dann war man unter Bäumen. Ich will damit nicht sagen, daß ich mich nun durchaus wohlgefühlt hatte. Es war aber eine der angenehmen Seiten. Ich weiß nur noch zu genau, wie tief unglücklich ich mich gerade am Anfang dort gefühlt habe. Aber soweit man gesund ist, läßt sich das auch überstehen. Kürzlich regest Du in Deinem Brief an, daß auch wir uns einig werden sollten und einmal ein Schriftstück aufsetzen wegen der Erbberechtigung. Es stimmt, die Zeiten sind ja so, daß man bei keinem von uns sagen kann, ich bin gegen jeden äußeren Einfluss geschützt, mir kann ja nichts passieren. Wenn Du Dir nun wegen der Aufteilung unserer gesparten Gelder Gedanken machst, so verstehe ich das voll und ganz, denn das, was wir zurückgelegt und gespart haben, ist ja alles während unserer Zeit der Ehe gespart worden. Zudem ist es doch so, daß wir wissen, welche Pflichten wir gegenüber den Kindern haben. Durch einen unvorhergesehenen Fall, den wir nicht erwünschen, könnte dann dem einen Hinterbliebenen die Bewegungsfreiheit genommen werden, das soll ja verhindert werden. Darum stimme ich Dir auch vollkommen zu. Über die genaue Formulierung bin ich mir noch nicht im klaren, aber ich habe gedacht, daß wir etwa schreiben, daß wir uns zum gegenseitigen Erben im Fall des Ablebens des einen Eheteils einsetzen. Man braucht in diesem Fall nicht viel mehr zu schreiben, denn damit ist so gut wie alles gesagt. Ich werde nochmals darüber nachdenken und mich womöglich erkundigen. Ich werde Dir dann entsprechenden Bescheid zugehen lassen. An Siegfried habe ich heute kurz zum Geburtstag geschrieben. Seine Adresse weiß ich ja noch nicht. Darum habe ich an Erna geschrieben und sie gebeten, mein Schreiben weiterzuleiten. Durchschläge habe ich beigelegt. Von dern Verhältnissen in Charkow wollte ich Dir auch schon immer berichten, wie sie mir hier aus ganz sicherer Quelle bekannt geworden sind. Mein Chef war doch vor gut einer Woche drüben. Zerstörungen am Roten Platz sind dadurch noch vervollständigt worden, da das große Hotel ausgebrannt ist und noch ein anderes großes Gebäude. Die anderen Gebäude haben sie fast alle in Ruhe gelassen. Unser Dienstgebäude steht noch in Ordnung da. Es sind nur kleinere Reparaturen zu machen, die in kurzer Zeit das Gebäude wieder wohnfertig machen. Erschießungen von Bevölkerungsteilen sind nun in sehr beschränktem Maße vorgekommen. Meist nur Leute, die wichtige Posten unter der deutschen Verwaltung inne hatten. Dagegen sind aber auch alle Männer von 17 bis 45 Jahren mitgenommen worden. Zum Teil wurden sie gleich im Kampf gegen uns eingesetzt.
Die Bekleidung der Soldaten sei äußerst mangelhaft gewesen. Die Verpflegung soll 100 g Brot und etwas Salz gewesen sein. Deshalb seien die Soldaten bei der Bevölkerung betteln gegangen. Die Zerstörungen in der Stadt sind nicht so stark wie es erst hieß. Anscheinend ist es auch auf die Angst zurückzuführen, daß diese Gebäude in die Luft gehen würden.
Daß keine Massenerschießungen vorgenommen wurden, hängt damit zusammen, daß die Russen keine Zeit hatten, größere Maßnahmen durchzuführen. Sie konnten sich ja nur 3 Wochen dort aufhalten. Es ist zwar nur ein blasses Bild von dem, was wirklich dort vorging, aber immerhin ist es so, daß nichts Gefärbtes dabei ist, und das ist doch wesentlich. Es ist nicht leicht, den Apparat in Schwung zu bringen. Immerhin haben wir ja die führenden Köpfe zur Hand, die jetzt wieder zurückgeführt werden und nun ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. Das ist uns schon eine sehr große Hilfe.
Jetzt sieht man erst, daß sich diese ganze Arbeit, die bestimmt sehr umfangreich war, gelohnt hat. Recht viele Grüße an Dich und die Kinder, an Vater bitte ich ebensolche auszurichten. Dich, mein lieber Schatz, küsse ich aber ganz fest und herzlich, Dein Ernst.
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