Sonntag, 8. April 2018

Brief 413 vom 05.04.1943


Mein liebster Schatz !                                                               5.4.43       
                  
Vielen Dank für Deinen Brief vom 28.3. Ich erhielt ihn gestern.  Sehr habe ich mich über ihn gefreut. vor allem, als Du mir schriebst, daß die Kinder mit ihrem Vater wieder einmal in den Wald gehen würden. Ich kann dazu sagen, ich würde es auch gern tun, Wenn man es richtig nimmt, so könnte ich im Moment gut hier weg, denn die Betätigung ist nicht so wichtig, als das ich hier jetzt nicht entbehrt werden könnte.
Du weißt ja, wie das beim Barras ist, da muß man auf seinem Platz sitzen, ob es einen Sinn hat oder nicht. Deshalb denkt man am besten nicht erst extra nach, denn mit solchen Gedanken macht man sich das Herz nur schwer. Besser ist es dann schon, wenn man sich auf diese Anregung hin im Geiste in die Gegend des Riesenbergs oder unseres Hausberges, des Tabor, versetzt. Wie oft sind wir zu allen Jahreszeiten dort herumgetippelt. Vor 14 Jahren waren wir das erste Mal gemeinsam dort oben. Seither sind wir so oft und auch so gern, dort oben gewesen. Was haben wir dort schon für nette Stunden mit den Kindern verbracht. Einmal war ich mit unserer Helga allein im Winter oben. Durch das Gehölz sprangen ein paar Rehe. Ihr war das noch ganz fremd. Sie machte ganz große Augen und war verwundert, mit welcher Schnelligkeit diese Tiere verschwanden. Dann muß ich vor allem an den Bach denken, über den wir immer hinweg mussten. Das war doch jedes mal ein willkommener Anlass, Steine hineinzuwerfen. Wie schwer waren sie dort wegzubekommen. Im Winter sind wir von unseren bewaldeten Buckeln hinuntergerodelt. Fast jede Jahreszeit kann man herausgreifen, immer wird einem etwas einfallen. Im zeitigen Frühjahr haben wir die sonnigen Wege aufgesucht und wenn es zu warm wurde, dann haben uns die kühlenden Schatten des Waldes aufgenommen. Dort haben wir uns am Sonntag Kraft für die kommende Woche gesucht, und wenn wir dann womöglich einen Rucksack voll Tannenzapfen oder eine Tasche voll Tee mit nach hause brachten, dann waren wir mit uns zufrieden. Meist fanden wir noch ein Stückchen Kuchen, den wir für den Nachmittag aufgehoben hatten, vor. Dieser bildete so den Abschluss des Sonntagnachmittagsvergnügen. Es war aber schön, das läßt sich nicht bestreiten.  Auch die Bestätigung des Empfangs von 3 weiteren Päckchen hat mich gefreut. Es ist zwar schade, wenn eines wieder einmal nicht angekommen ist, aber bei einem solchen Großversand, wie ich ihn in der letzten Zeit hatte, kann das schon einmal passieren. Wichtiger ist dagegen bestimmt, daß mein Pullover eingetroffen ist, denn in der jetzigen Zeit ist er unersetzlich.  Daß unserem Jungen von seiner Fingerkauerei der kleine Finger schlimm geworden ist, wird ihm wohl eine Lehre hoffentlich gewesen sein. Das wird schon schmerzhaft gewesen sein. Aber das viele Reden hat ja nie etwas geholfen. Ich würde es wünschen, wenn er sich nach diesem Ereignis die Folge etwas merken würde. Er kann nur froh sein, daß Du ihm wieder so behilflich gewesen bist. Das Schneiden beim Arzt wäre sicherlich unangenehmer gewesen. Vorsichtig muß man schon sein, denn mit einer Blutvergiftung, von der Du sprichst, kann man schon rechnen. Damit ist eben nicht zu spaßen.
Im Garten hast Du nun mit den ersten Arbeiten angefangen und erste Aussaaten gemacht. Ich wünsche Dir viel Glück zu allem und eine gute Ernte. Sie wird wohl auch nicht ausbleiben, wenn Du Dir soviel Mühe damit gibst. Es gibt zwar unvorhergesehene Fälle, an denen man nichts ändern kann, aber was die aufgewendete Mühe und Liebe anbelangt, so wirst Du Dir immer wieder sagen können, daß Du Deine Pflicht getan hast. Auf das andere hast man ja keine  Einwirkung.  Daß Du Dir die Wochenschau mit der Einnahme von Charkow ansehen willst, das kann ich schon verstehen. Manches wirst Du gesehen haben, wo ich schon herumgestiegen bin. Gestern habe ich die ersten illustrierten Zeitungen erhalten davon. Manches habe ich wiedergesehen. Man interessiert sich doch, wenn man sich solange dort aufgehalten hat.   Daß man Dir vom Luftschutzbund aus noch besonders ein Dankschreiben für Dein erfolgreiches Sammeln geschickt hat, finde ich sehr nett, denn damit hebt man ja unbedingt die Lust, sich bei anderer Gelegenheit wieder einzusetzen. Ich kann Dir sagen, daß mich das genau so freut, wie es Dich gefreut haben mag.  Ich habe ein kleines Osterpäckchen für Euch fertiggemacht. Es ist bestimmt nicht viel. Ich sage das deshalb, damit Du nicht etwa denkst, ich hätte wieder Gelegenheit gehabt, etwas zu organisieren. Ich weiß, daß Du keine Ansprüche stellst, aber ich will Dir andererseits keine Bilder vorgaukeln, die ich wohl gerne in Wahrheit umsetzen würde. Was aber jetzt im Moment leider nicht möglich ist. Ich weiß, daß wir uns in dieser Hinsicht verstehen. Ich habe da einige von mir verfassten Sachen beigelegt. Sie liegen lose bei. Wenn es Dir gefällt, kannst Du dies dort einkleben, wo ich sie eingefügt habe. Wenn nicht, dann lege sie beiseite, oder mach damit, was Du denkst. Ich erwarte dann jedenfalls Deine Meinungsäußerung.  Du kannst Dich darauf verlassen, daß ich mein Möglichstes getan habe, diesem Missgeschick aus dem Wege zu gehen.  Heute bekam ich gerade die Nachricht, daß die Kameraden, die von den Beamten wieder zur Truppe kommen, schon fast alle herausgezogen worden sind und nach Marburg in Marsch gesetzt wurden. Weil bei mir der Antrag läuft, ist ja davon nun Abstand genommen worden. Ich schreibe Dir das nur, um Dich zu informieren, daß es verhältnismäßig schnell gegangen ist. Das Schreiben werde ich nun machen, damit auch diese Sache klargeht. Ich kann mir denken, daß Du nicht gerade der besten Stimmung gewesen bist, als man Dich so lächelnd abwies. Wie dem auch sei, so kann man nur sagen, daß das typisch ist. Erst bekommt man eine halbe Auskunft, und wenn man dann die Gegenbeweise beibringt, dann fangen die Brüder an, das große Maul zu haben und wenn sie auch dann nicht mehr weiter können, dann fangen sie an zu lächeln, um sich über ihre eigene Hilflosigkeit hinweg zu helfen. Das werden wir auch nicht so schnell aus der Verwaltung herausbekommen, weil wir immer wieder unfähige Menschen bekommen, die es nicht verstehen, sich durchzusetzen. Was gerade den Metzler anbelangt, so mag der Mann früher ein guter Friseur gewesen sein. Als Beamter ist er nach einer bestimmten Seite ein Arschkriecher, um dann auf der anderen Seite seinen Kollegen schlecht zu machen. Das sind Charaktere !  Lassen wir die Sache begraben sein, ich hoffe, die Sache schon noch hinzubiegen.  Was meinst du eigentlich dazu. Ob ich den Fotoapparat von Kurt nehme. Es gab hin und wieder einmal Bilder zu machen, die man später gern einmal hervorholt. Kurt hat ihn ja immer auch so verwendet, und ich finde, daß es schade wäre, wenn man ihn nun herumliegen läßt und kein Mensch sieht ihn mehr groß an. Ich habe mich wohl gefragt, was Kurt dazu sagen würde; denn wie es auch sei, man betrachtet es doch immer als sein Eigentum.
Ich glaube, daß er, wie ich ihn gekannt habe, mir zustimmen würde. Ich bitte dich aber, mir Deine Ansicht darüber mitzuteilen, was Du denkst. Diese Übersendung muß natürlich nicht sofort sein, ich habe nur kürzlich diesen Gedanken gehabt und wollte darum mit Dir darüber sprechen.  Heute habe ich nun mein Pensum erledigt, denn ich habe nichts weiter auf Lager. Sei Du mit den Kindern recht herzlich gegrüßt und viel, vielmals geküßt von Deinem immer an Dich denkenden Ernst.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen