Sonntag, 8. April 2018

Brief 414 vom 06./07.04.1943


Meine liebe Annie !                                                                            6.4.43    
     
Vorhin erhielt ich Deinen lieben Brief vom 29.3. Ich danke Dir sehr. Den beigefügten Artikel „Sonderführer und Beamte an die Front zurück“ wurde mir schon bekannt gegeben, als unser Rat vom Urlaub zurückkam. Er war auch aufgrund dieser Schreiberei der Ansicht, daß das für alle zutreffen würde. Wir hatte aber noch nicht davon erfahren.
Wenn etwas derartiges geplant und durchgeführt wird, dann müssen wir hier doch etwas davon wissen. Am vergangenen Samstag war nun der Chef von der gesamten Kriegsverwaltung in allen besetzten Ländern bei uns hier. Dem wurde dieser Artikeln, der mir am gleichen Tag in die Hände fiel, vorgelegt und er sagte, daß das ein Quatsch sei. Die Beamten, die jetzt hier sind, sollen nicht mehr abgelöst werden, weil er sonst für das Funktionieren des gesamten Verwaltungsapparats Befürchtungen haben müßte.
Damit wäre wohl Deine Frage wegen dieses Artikels schon beantwortet.  Das war aber recht, daß Ihr einmal in den Wald gegangen seid. Grüßt ihn von mir, wenn Ihr das nächste Mal hingeht. Ich habe ja gestern in meinem Brief von diesen Spaziergängen von früher geschrieben. Da passte mir das heute noch gerade so. Es ist doch immer schön gewesen. Der Weg nach dem Exerzierplatz oder nach Katherinen oder der Mainau.
Glühbirnen habe ich inzwischen zwei aufgegabelt. Ich weiß zwar nicht, ob sie die richtige Spannung haben. Ich werde sie Dir mit zusenden, dann kannst du ja sehen, ob sie Verwendung bei Dir finden können.  Das war ist aber nett von den Kindern gewesen, wenn sie Dir während Deines Einkaufs in der Stadt alles so schön vorbereitet hatten. Das war sicher lieb gemacht, wenn sie die Blumen um den Teller und die Tasse gruppiert hatten. Es sind doch ganz  aufmerksame Kerlchen, das muß man ihnen schon lassen. Sie erhalten ja keine Anweisung dazu und tun es ganz aus sich selbst heraus.  Uns macht diese Stunde beim Vorrücken der Uhr nun nichts aus. Im Gegenteil.
Abends ist es schön, wenn es ½ 7 Uhr noch hell ist. Früh steht ja hier schon kurz nach 5 Uhr die Sonne am Himmel. Zwar auch nur, wenn sie scheint.  Für uns ist dies wirklich angenehmer. Bei Euch und noch mehr weiter im Westen ist das etwas anders.
Aber in wenigen Tagen werdet Ihr auch darüber hinweggekommen sein.  Daß beim Finger von Jörg keine Komplikationen eingetreten sind, ist ja beruhigend. Aber, wie ich gestern schon schrieb, hoffe und wünsche ich, daß es ihm nunmehr eine Lehre ist. Denn er sieht doch, was er sich mit der Fingerbeißerei angerichtet hat. Man kann dies ja nur wieder Deiner führsorgenden Art zuschreiben.  Mein Brief von gestern habe ich unseren Urlaubern mitgegeben, die ihn dann in Deutschland in den Kasten werfen.
Die Marken kannst Du dann mit aufheben. Es sind welche mit dem Aufdruck von hier gewesen. Bei uns passiert hier eigentlich nichts weiter, was Dich interessieren könnte. Ich habe hier meinen Kameraden, den Sonderführer, darum angehalten, Daß er mich einmal in die Künste des Autofahrens einweihen soll. Da werde ich mich an einigen Mittagen dahinter setzen, damit ich da auch einmal hinter mich bringe. Ich denke, daß das nichts schaden kann.  Für heute, mein lieber Schatz, herzliche Grüße und unseren Kindern einen kräftigen Kuß von ihrem Vaterle. Dir gebe ich ihn zwar nur im Geiste, aber darum nicht minder kräftig. In Liebe zu Euch, Dein Ernst.

Mein liebster Schatz !                                                                   7.4.43  
  
Ich danke Dir sehr für Deinen Brief vom 30.3., den ich heute erhielt. Es hat mich vor allen Dingen gefreut, als ich lesen konnte, daß Dich die Kinder bei der Gartenarbeit so fleißig unterstützt haben. Das bedeutet schon eine Hilfe, wenn sie Dir das Zeug zugetragen haben. Ich weiß, daß Dir die Schlepperei nicht zuträglich ist. Das Umgraben an sich ist ja schon eine Arbeit, die an einen gesunden Mensch Anforderungen stellt.
Wie ich aus dem Durchschlag Deines Briefes an Deinen Vater ersehe, bist Du immer noch nicht vollkommen auf dem Damm. Ich muß Dich wiederum mit aller Bestimmtheit darauf hinweisen, daß Du dich sehr vorzusehen hast und mit Deiner Gesundheit nicht so umspringen kannst, wie Du es wohl gerne möchtest. Ich glaube Dir gern, daß es Dein Wunsch wäre, so arbeiten zu können, wie Du es Dir vorstellst., aber du mußt weise gegeneinander abwägen, was Du tun mußt und was Du leisten kannst. Wenn sich das gerade ausgleicht, dann ist es gut. Fällt aber mehr Arbeit an, als Du zu leisten imstande bist, dann mußt Du wohl oder übel das eine oder andere aus Deinem Programm streichen. Kannst Du dagegen mehr tun, das heißt, sind Deine Kräfte größer als die anfallende Arbeit, dann kannst Du das eine oder andere noch vornehmen. Nur wenn Du die Dinge so betrachtest, nutzt Du Dir und uns. Es ist nicht damit getan, daß nun Deine Kopfschmerzen vorbei sind. Ein weiterer wichtiger Faktor ist, daß die anderen Organe vollkommen intakt sind. Du bist ja kein Kind, dem man das im einzelnen auseinandersetzen muß. Du bist doch immerhin eine Frau, die in die Welt passt und die auf den verschiedensten Lebensgebieten hat Erfahrungen sammeln können. Darum appelliere ich heute nochmals an Deine Einsicht und hoffe, daß Du auch in allen Punkten danach handelst. Daß Du einsiehst, daß ich recht habe, das weiß ich auch so, ohne daß Du mir das bestätigst. Ich habe Dir früher in den verschiedensten Fällen schon geschrieben, daß Du nicht für Dich allein da bist, sondern daß Du auch für uns lebst.
Das klingt wohl von uns aus gesehen etwas egoistisch, aber in diesem Fall muß man so sein, denn es dreht sich ja eben mehr als Deine Gesundheit allein. Besser wäre es ja, ich könnte Dir persönlich den Kopf waschen und in dieser Beziehung zurechtsetzen.
Glaubst Du, daß das notwendig ist? Man macht sich schon oft Gedanken über unsere beiden Lauserle und damit noch nicht genug, fängst Du Lauser auch noch an. Also sei bitte lieb und mache mir die Freude und halte Dich an das, was ich Dir geschrieben habe.  Das ist gut, was Dir Helga erzählt hat, ich hätte ihr gesagt, daß sie die Steine nehmen dürfe. Das ist wohl ein kleiner Irrtum. An sich ist es aber recht, wenn sie sich bei diesen Gelegenheiten daran erinnert und sich die Sachen ansieht. Ich habe nichts dagegen. Ich erwarte nur, daß sie die Sachen so wieder mitbringt, wie sie sie mitgenommen hat. Und daß sie nicht mutwillig kaputtgemacht werden. Ich bin gar nicht so böse, wie ich ausschaue. Unsere Große ist nun schon so alt, daß sie zu den Jungmädeln einrücken muß. Die Jahre vergehen, das glaubt man nicht, und eines Tages gehen einem wieder die Augen auf. Wenn sie sich mit Ingrid abgibt und sich mit ihr in der gleichen Gruppe meldet, Man kennt die Familie und die Verhältnisse daheim, man weiß dann, wen man vor sich hat. Das ist doch für die Entwicklung der eigenen Kinder immerhin von Bedeutung.  Daß der Blumenstock so fleißig blüht, hatte ich damals doch nicht gedacht. Mit diesen Primeln hat man sonst Pech. Sie blühen ab und dann ist es aus.
Das macht aber sicher auch die liebevolle Pflege von Dir. So sind sie Dir eine liebe Erinnerung, wenn Du sie siehst und ich denke auch immer wieder daran, wenn Du mir davon schreibst.  Wegen des Fahrrads mache dir nur keine Gedanken. Das ist ja für Dich lebensnotwendig. Bei der eigenartigen Verlegung der Einkaufsmöglichkeit in Konstanz kann man dir ja nicht zumuten, daß Du Deine Wege zu Fuß erledigst und damit den halben Tag verläufst. Wegen eines Rades für Helga würde ich doch einmal etwas unternehmen. Du brauchst ja nur eine kleine Anzeige aufzugeben. Etwa folgender Art: „Damenfahrrad, neu oder gebraucht sofort zu kaufen gesucht. Angeboten unter ....“ Für das erste braucht es nicht mehr zu sein. Wenn das nichts hilft, muß man etwas anderes erfinden. Bezahlung spielt ja keine Rolle, denn das kann ja bar bezahlt werden.  Wie steht es eigentlich damit. Vater muß doch nach einem neuen Wohnungsgesetz beim zuständigen Bürgermeisteramt seine Wohnung anmelden, weil er sie ja allein bewohnt. Das ist schon ein komplizierter Fall.  Ich weiß zwar nicht, was man damit beabsichtigt, aber ohne irgendwelche Absicht wird man dies ja nicht verlangen.  Dir und den Kinder wieder viele liebe herzliche Grüße und Küsse Dein Ernst.

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