Meine
liebste Frau ! 9.4.43
Heute hatte ich mich dazu aufgeschwungen, um endlich den Antrag an das Wehrbezirkskommando wegen Zurückstellung zu schreiben. Ich hatte es fertig und hatte auch schon eine Bescheinigung vorbereitet, die mir meine Chef unterschreiben sollte. Ich hatte dies mit ihm so besprochen. Er ist heute nicht anwesend, so daß ich diese Angelegenheit mit seinem Vertreter erledigen wollte. Zu meiner angenehmen Überraschung sagte er mir, daß er dies mit dem Chef inzwischen nochmals besprochen hat und daß die ganze Angelegenheit nicht von mir aufgenommen werden soll, sondern daß die Dienststelle von sich aus die Sache behandelt. Er sagte noch dazu, daß das insofern besser für mich sei, weil dann dabei nicht der Eindruck erweckt würde, daß ich mich etwa drücken wolle. Denn den Leuten sei ja nicht bekannt, daß meine Dienststelle an meinem Verbleiben hier ein großes Interesse hätte. Mit dieser Wendung dieser Angelegenheit bin ich wirklich sehr zufrieden, denn dadurch komme ich dann ganz aus dem Spiel. Ich hatte das immer etwas hinausgeschoben, weil mir das selbst etwas peinlich war. Jetzt habe ich nur noch eine Sache zu erledigen, und das ist wieder einmal etwas mit der Stadt. Den Brüdern kann ich keine Ruhe geben. Ich sprach kürzlich mit meinem Chef die ganze Angelegenheit wieder einmal durch. Er gab mir vor einiger Zeit einige Unterlagen über die Laufbahnvorschriften für Beamte der mittleren und gehobenen Laufbahn. Ich hatte mir das durchgesehen und mußte feststellen, daß es keine großen Möglichkeiten mehr gibt. Ich kann nur noch folgendes tun, ich kann jetzt an die Stadt herantreten und darum nachsuchen, daß ich zum Inspektoranwärter ernannt werde. Dies müßte an sich nach diesen Bestimmungen vorgenommen werden. Die Stadt muß sich nun entscheiden, ob ich jetzt für diese Laufbahn vorgesehen bin oder nicht. Wenn sie nämlich dann zustimmt, dann kann ich auch ohne Prüfung im kommenden Jahr zum Inspektor ernannt werden. Das will ich aber noch dabei betonen, mir wäre ja viel lieber, wenn ich endlich einmal die Prüfung machen könnte. Aber, wie ich jetzt erst in unserem Verordnungsblatt gelesen habe, wird jetzt durch den totalen Kriegseinsatz keine Lehrgänge mehr stattfinden.
Schon deshalb müßte ich in dieser Hinsicht etwas unternehmen. Das sind alles so Sachen, die man nicht gern macht, aber die sich eines Tages doch nicht mehr verschieben lassen. Weil ich gerade vom Totalen Krieg spreche, so macht sich dies auch bei uns jetzt hier bemerkbar. Wir bekamen dieser Tage den Befehl, daß jeder von uns, ob Offizier oder Mann, vollkommene Ausbildung mit dem Gewehr und dem MG bekommen soll. Die MG Ausbildung würde mir wieder einmal Spaß machen, weil ich das ja von meiner Ausbildungszeit habe noch können. Täglich soll mindestens eine Stunde geübt werden. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob es nun tatsächlich so strikt eingehalten wird, wie es angekündigt wurde. Das geht ja beim Barras meist so, daß immer viele von diesen Brüdern vorher geredet wird und dann kommt es meist anders. Wie gesagt, mir macht das nichts weiter aus. Für unsere Kinder füge ich jetzt eine Osterkarte bei, die ein Kamerad hier bei uns gemacht hat. Sie sehen ganz lustig aus. Ich denke, daß sie den Kindern Spaß machen wird. Das wäre für heute einmal wieder alles. Ich grüße Dich mein liebes Mädel vielmals. Grüße auch bitte Vater herzlich von mir und unsere beiden Stromer auch. Dich küßt viel, vielmals Dein Ernst.
Meine
liebste Annie !
11.4.43
Ich danke Dir vielmals für Deine beiden Briefe vom 2. und 4.4., die mich wieder recht gefreut haben. Ich muß aber schon wieder sehen, daß Du Dir den Tag über viel vornimmst.
Meist kommst Du erst am Abend, wenn nicht gar erst in der Nacht dazu, mir zu schreiben.
Ich glaube, ich komme doch bald nicht umhin, mit Dir einmal zu schimpfen. Das geht doch nicht, daß Du bei Deinem Kräftezustand immer bis spät in ie Nacht hinein tätig bist. Sei doch vernünftig und gib auf Dich und Deine Gesundheit obacht. Ich muß Dir das immer und immer wieder erklären, bis Du es so verstehst, wie ich das meine und wie ich das will. Ich habe nicht das geringste dagegen, wenn Du Dir das Sofa in die Küche nimmst. Im Gegenteil, es ist ja recht so, daß Du es zur Schonung für Dich brauchst, ist ganz klar und Du weißt, da verliere ich keine Worte darüber. Was damit später wird, darüber lassen wir uns jetzt noch keine grauen Haare wachsen, denn die kommen bei mir schon sowieso ganz von selbst. Zwar nicht davon, daß Du mir Sorge machst, sondern ganz ohne Zutun. Das ist aber eine Alterserscheinung, die sich nun nicht mehr verheimlichen läßt. Nein, nein, ich will dafür keine Komplimente haben.
Das ist nun einmal so. Es freut mich, daß Du meinen Gedanken, die ich in meinem Brief am Heldengedenktag schrieb, zustimmst und daß sie Dir in vieler Beziehung entgegen gekommen sind. Die ganzen Ereignisse lassen einem manche Dinge in einem ganz anderen Licht erscheinen, wie sie vielleicht vor Jahren aussahen. Aber es wird sich auch einmal sicher wieder die Gelegenheit ergeben, daß man darüber sprechen kann. Man schreibt wohl darüber, doch es ist immer nur ein Schatten von dem, was man eigentlich sagen will.
Zudem ist man nicht immer in der Stimmung, über solche Probleme zu schreiben.
Es ist zu schwierig und bestimmt nicht einfach zu behandeln. Das wird für unsere Helga ein Spaß gewesen sein, als sie Dich zum Aprilanfang angeführt hat. Die Gesellschaft achtet ja darauf und sinnt nur darauf, uns „alten Leute“ anzuführen. Aber trotz allen Erscheinungen , die sich nach außen hin bemerkbar machen, fühlen wir uns noch sehr frisch. Darauf kommt es ja schließlich an. Unsere Helga hat es also auch Spaß gemacht, nun den Hund höchstpersönlich auf dem Bild kennen zu lernen. Nach den Geschichten, die ich ihnen geschrieben habe, ist das für sie schon interessanter. So hätte sie ihn vielleicht nicht weiter beachtet. Wenn wir eine größere Wohnung hätten und wenn wir nicht gerade jetzt im Kriege leben würden, hätte ich mir zu gern einen Hund gehalten. Aber aus den angeführten Gründen muß man sich diesen Gedanken aus dem Kopf schlagen. Das wäre sicherlich ein Spaß für die Kinder. Es ist doch für die Kinder nett, wenn sie mit Tieren aufwachsen. Aber es läßt sich nun jetzt einmal nicht durchführen.
Daß die Bilder nicht besser geworden sind, ist sehr schade. Dieser Film ist hier entwickelt worden. Aber man versteht es hier nicht so wie bei uns in der Heimat. Die Bilder von Weihnachten sind ganz und gar verpfuscht worden. Daß der Film von dem einen Bild bei Dir eingetroffen ist, freut mich. Ich h hoffe, daß er sich zur Vergrößerung eignet. Ich werde ja wieder von Dir hören. Hier einmal ein Foto im Geschäft anfertigen zu lassen, möchte ich deshalb nicht, weil ich nach den anderen Erfahrungen glauben muß, daß das auch nichts wird, und das teure Geld ist dann draußen. Es wäre mir bestimmt nicht leid um die paar Mark, sondern wenn ich mir sagen müßte, es ist für nichts. _ Das ist recht, daß Du am Tag der Wehrmacht wieder aus dem Bau gegangen bist. Ihr habet doch dann etwas gesehen. Bei uns ging das hier verhältnismäßig ruhiger zu. Man hat hier nur fest gesammelt. Im allgemeinen sind wir ja davon verschont worden. Wegen Spenden sind wir noch nicht stark angegangen worden. Ich habe darum auch einige Mark gegeben, weil man ja schließlich auch nicht hintan stehen will. Es kommt ja auch bestimmt nicht auf den Pfennig heute mehr so an, wie bei uns in früheren Jahren. In dieser Beziehung hat sich für uns die Situation geändert.
Ein Schade ist das aber wirklich nicht. Ich schicke Dir, mein Schatz, recht viele Grüße und Küsse und hoffe mit Zuversicht, daß es Dir nun gesundheitlich wieder so geht, daß Du ohne große Schwierigkeiten Deinen täglichen Aufgaben erledigen kannst.
Recht, recht herzlichen Kuß nochmals zum Schluß von Deinem Ernst.
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