Sonntag, 29. April 2018

Brief 424 vom 29.4.1943




Brief 423 vom 27,4,1943



Brief 422 vom 26.4.1943



Brief 421 vom 23. / 25.4.1943


Mein liebster Schatz !                                                                       23.4.43  
 
Vor der Abreise bin ich nun den letzten Tag hier. Ist doch nun der Tag wieder herangekommen, an dem es etwas Leben gibt,  denn dieses Herumsitzen, das ist nicht nach meinem Geschmack. Morgen rollen wir los. Aus meinen beiden letzten Briefen, die ich nach Deutschland gleich mitgeben konnte, hast Du ja das erfahren, war ich selbst wusste. Es wird sich um etwas besonderes handeln, denn wir haben noch nichts mitgeteilt erhalten, was eigentlich von uns verlangt wird. Du musst Dir aber bestimmt keine sorge um mich machen, denn so geheimnisvoll das alles aussieht, so gefährlich ist es nicht.  Soweit mir das möglich ist, gebe ich Dir dann später Nachricht darüber.
Aber nun zu etwas anderem. Erstens einmal vielen Dank für Deine beiden großen Päckchen, die ich vorgestern Abend erhielt. Der Inhalt ist wohl sehr erfreulich, und nur im Hinblick auf die Ostertage, will ich nichts sagen. Ich muß Dich aber ernstlich bitten, auf die kleinen Vorräte acht zu geben und nicht noch für mich etwas abknapsen. Du weißt doch genau, daß ich hier ordentlich und reichlich verpflegt werde. Wenn ich auch dann einmal eine Kleinigkeit schicken kann, so mußt Du das nicht gleich als Anlass nehmen und daraus für mich etwas machen. Also sei bitte so lieb und halte Dich danach.
Ich habe wieder etwas Honig zusammengespart. Die Flasche wurde nicht ganz voll, aber Du wirst sie auch so in Empfang nehmen. In einem weiteren Päckchen hatte ich Bücher abgesandt. Heute habe ich noch eines in Vorbereitung mit allerhand kleinem Kram, den ich aus der Hand haben will. Es sammelt sich ja immer bald etwas an.
Man muß dann immer, ehe es wieder weitergeht, Ordnung schaffen.  Die Päckchen tragen die Nummer 1 bis 3. Ich fange wieder von vorn an, wie Du siehst.  Unser Chef hat gestern wieder Zucker organisiert. Davon entfallen etwa 1 ½ kg auf mich. Die Päckchen werden von hier fertiggemacht, und das geht dann Dir mit zu. Die werden dann keine Nummern haben. Ein anderes Päckchen habe ich fertig gemacht. Das ist mir aber zu wertvoll, als daß ich es durch die Feldpost sende. Ich lasse es darum durch die Dienstpost als Einschreiben zusenden. Gehe mit dem Inhalt schonend um.  Erschrecke aber deshalb nicht. Du brauchst mir nur den Empfang bestätigen, das genügt.  Hebe es vorerst mit auf. Dann komme ich noch zu einer anderen Sache, die mir viel Freude gemacht hat.
Ich glaube nicht, daß Du Dir denken kannst, um was es sich handelt. Gestern war hier Offiziersbesprechung angesetzt. Ich nahm die Sache nicht für voll, denn damit habe ich ja im allgemeinen nichts zu tun. Erst nach Aufklärung eines Missverständnisses bin ich dann doch hingegangen. Ich dachte, wir sollten Instruktionen entgegennehmen für unsere Fahrt. Neben anderen Offizieren wurde ich anlässlich des Geburtstages des Führers mit dem Kriegsverdienstkreuz 2.Klasse ausgezeichnet. Was sagst Du nun? Du bist wohl genau so sprachlos wie ich es gestern auch gewesen bin.  Ich wusste, daß ein Antrag für mich lief. Aber ich weiß ja, daß man diesen Anträgen im allgemeinen nicht die Bedeutung beimessen darf. Da ich nun nichtsahnend dorthin kam, war die Überraschung umso größer. Jetzt sieht man nun , wo hinten und vorn ist, vorher war alles einseitig grau. Ich kann sagen, daß mir das eine mächtige Freude war. Ich habe mich dann später bei meinem Chef in voller Kriegsbemalung melden müssen. Er hat mir dann bei diese Gelegenheit noch gedankt und mir noch gesagt, daß dies eben die Auszeichnung sei für die nun bald dreijährige Tätigkeit in der Kriegsverwaltung, die ich, so sagte er, wahrscheinlich noch länger in diesem Kreise ausüben werde. Das Ganze hat nun meinen ganzen Plan für die Abschlüsse und Übergabearbeiten über den Haufen geworfen. Mit mir wurde noch der Rat ausgezeichnet, der in unserer Abteilung ist.
Das war ja ein Grund zum Feiern. Das haben wir auch getan. Eines war wieder putzig.
Die übrigen Soldaten, die es gestern auch bekommen haben, die erhalten es beim Antreten ausgehändigt. Ausgerechnet ich musste mit den Offizieren antreten und bekam es dort. Das ist doch zu komisch. Man weiß hier tatsächlich nicht, wie man mich hier behandeln soll. Ich mache mir deshalb vielleicht weniger Kopfschmerzen wie die anderen. Meine Sorge soll das auch nicht sein. Ich habe die Verleihungsurkunde und das Kreuz schon mit einem Stückchen Band  fertiggemacht und lasse es Dir ebenfalls zugehen. Jetzt habe ich aber alles ausgeräumt. Das wirst Du ja an den  Sendungen sehen, die an Dich wieder unterwegs sind. Daß ja erst einige Tage vergehen werden, ehe ich wieder zum Schreiben komme, habe ich Dir schon mitgeteilt Das ist ja auch verständlich, aber ich muß ja auch eine ziemliche Weile warten, bis die Post umgeleitet worden ist. Meine Feldpostnummer bleibt die Gleiche, das will ich noch betonen. Wir bekommen den Kram, was uns angeht, nachgesandt. Wir kommen ja wieder hier zusammen, dann ist ja alles  wieder beim alten.
Abends ½ 11 Uhr. Da war heute allerhand zu tun. Jetzt bin ich aber ehrlich müde.
Es mußte doch alles übergeben und fertiggemacht werden. Endlich ist das auch geschafft.
Ich muß aber diesen Brief für Dich noch fertig machen. Ich erhielt Deinen lieben Brief vom 14., den ich heute nicht mehr beantworten kann, weil ich ziemlich abgespannt bin. Morgen früh geht es zeitig aus der Fall und dann den ganzen Tag fahren, das strengt  wieder an. Gleich will ich noch den Rest meines eigenen Gepäcks fertig machen, denn es muß doch alles seine Ordnung haben. Man gibt doch die restlichen Sachen in fremde Hände, und das ist ja nicht so einfach, wie wenn man das daheim Dir gibt und sagt: Pass auf, in einigen Wochen bin ich wieder da. Das Päckchen mit Zucker habe ich vorhin noch fertiggemacht und abgesandt. Es hat die Nummer 4 bekommen.
Bleib gesund, mein liebes Mädel. Durch den ganzen Trubel habe ich ganz vergessen, daß schon übermorgen Ostern ist, und daß heute Karfreitag ist.  Man lebt ja hier so in den Tag hinein, daß einem der Wochentag wie der Sonntag aussieht. Aber das war mir selbst komisch, als ich das heute feststellte. Es ist ja schade, daß wir nun die Ostertage über rollen. Aber schließlich geht der Dienst vor, und daran läßt sich nun nichts ändern. Ich grüße Dich, mein Schatz, und sende Dir recht viele Küsse in großer Liebe zu Dir. Dein Ernst.

Mein liebstes, bestes Mädel !                                                            25.4.43  
       
Ist das nicht ein eigenartiges Zufall? Heute jährt es sich genau, daß ich von Frankreich kommend hier in Krementschug eintraf. Gestern Abend sind wir mit unserer Kolonne hier eingetroffen. Ich hatte mir das im vergangenen Jahr nicht träumen lassen, daß wir das Jahr darauf mit einem Sonderauftrag hier wieder landen. Das ist zwar nur Zwischenstation, denn heute Mittag geht es weiter. Aber ich will erst einmal der Reihe nach erzählen. Vorgestern Abend, nach Beendigung meines Briefes, habe ich mich über den Rest meines Gebäcks hergemacht. Kurz nach 11 Uhr ging´s dann in die Falle. ½ 5 Uhr war dann am folgenden Tag Wecken. Es gab noch einige Kleinigkeiten vorzubereiten.
Denn man muß ja alles in fremde Hände übergeben. Nach dem Kaffeetrinken mußte dann unser PKW beladen werden. Das hat vorzüglich geklappt. Wir haben für zwei Personen und einen Fahrer einen großen Wagen. Da ist entschieden mehr Platz wie bei unserer letzten Fahrt von Charkow nach Kiew. Man kann direkt von einer Fahrt in den Frühling reden, so bequem haben wir es. Nach dem Antreten und entgegennehmen der Weisungen rollen wir kurz nach 7 Uhr ab. Eine Kolonne von 5 Krädern (Krafträdern), einem Omnibus, 2 LKW und 6 PKW. Ein ganz netter Tross. Wir sind dann ganz schön gefahren. Das Wetter ist wunderbar sonnig. Allerdings wäre das auf deutscher Landstraße ein Genuss gewesen, dort zu fahren. Hier ist es etwas anders, denn, wie Du vielleicht noch aus meiner Schilderung einer Dienstfahrt vom vergangenen Jahr weißt, sind die Straßen bei Regen kaum befahrbar, weil man einfach von der Straße wegrutscht, dagegen ist bei anhaltendem Sonnenwetter ein Staub, daß man ein Fahrzeug, das 30 m vor einem fährt, vor Staub nicht mehr sieht. So war es auch gestern.  Wir hatten insofern glück, weil wir keinen geschlossenen Wagen hatte. Wenn man zwar die Fenster alle eine Weile geschlossen hält, dann ist eine Hitze im Wagen, daß man fast ersticken möchte. Aber trotz aller dieser kleinen Unannehmlichkeiten, hat mir die Fahrt sehr gut gefallen. Die 320 km hatten wir dann gegen 6 Uhr hinter uns.
Die Dörfer zum Teil schmutzig und eintönig. Vor den kleinen hingedrückten Bauernkaten stehen Kindr und winken. In Kiew fingen die Bäume an zu grünen. Auch hier merkt man, daß es im Süden wärmer ist. Pflaumenbäumchen standen vor den Häusern schon in Blüte.
Das war ein freundliches Bild. Ein flotter Wind ließ die Staubfahnen unserer Wagen mächtig zur Seite flattern. Die Landschaft wirkt auf die Dauer einschläfernd. Aber die Schlaglöcher hindern daran. Falls man tatsächlich etwas eingenickt ist, dann wirft es einem bis zur Decke, das wirkt sehr ermunternd. Wie gesagt, es war trotzdem schön und gut sind wir hierher gekommen. Heute geht es, entgegen unserer Annahme, nicht nach Charkow, sondern nach Dnjepropetrowsk. Das ist mir ohne weiteres angenehm, weil ich soweit südlich noch nicht gekommen bin und vor allem ist dort Wasser in der Nähe. Das ist entschieden angenehm. Was wir zu tun bekommen, steht noch nicht fest, aber es wird schon gehen.  Heute zum Feiertag habe ich mir von Deinem Gebäck etwas zu Gemüte geführt. Das ist nun mein Ostern, aber ich bin trotz allem noch zufrieden. Viel habe ich gestern an Euch gedacht, und jetzt, am Ostermorgen hab auch.
Wir sitzen hier im Hof unserer Unterkunft. Einen Radioapparat haben wir uns aufgebaut und in der Luft liegt immerhin eine feiertägliche Stimmung. Was mir vorhin noch Spaß gemacht hat war, daß hier schon Schwalben herumzwitschern. Es ist tatsächlich Frühling, wenn nach dem Sprichwort eine Schwalbe keinen Sommer macht, aber den Frühling macht sie. Hier haben wir Waschgelegenheit, die will ich noch ausnützen und mich dann noch etwas in die Sonne tun. Ich freue mich, daß ich heute schon Gelegenheit hatte, Dir zu schreiben. Sei vielmals gegrüßt und mit den Kindern herzlich und oft geküßt in vieler Liebe Dein Ernst.

Brief 420 vom 20. / 21.4.1943


Meine geliebte kleine Frau !                                                        20.4.43   
      
Das waren wieder zwei nette Briefe, die ich von Dir gestern erhielt, und für die ich Dir herzlich danke. Gefreut hat mich auch die Mitteilung, daß wieder ein Teil meiner Päckchen gut bei Dir eingetroffen ist. Gleichzeitig trafen auch die Briefe unserer beiden Stromer ein. Helga hat sehr frisch und vor allem sehr ausführlich geschrieben, worüber ich mich sehr freute. Unser Junge schreibt dagegen sauberer. Sehr selbstbewusst schreibt er dabei von seinen Entdeckungen. Das spiegelt so richtig seine Art. Auffallend ist bei Beiden, daß sie ziemlich fehlerlos schreiben. Man merkt doch, daß sie viel lesen.
Das macht bestimmt viel aus. _ In Deinem letzten Brief ist Dir ein netter Tippfehler unterlaufen. Du hast Photographie mit PF statt dem PH geschrieben. Das sieht nicht schlecht aus. Deine Meldung über unseren Kellereibestand ist sehr aufschlussreich. Ich glaube wohl, daß wir damit schon eine Weile zu tun haben, bis wir diesen Sekt ausgetrunken haben. Aber ich sage mir so, ehe ich diese Sachen hier aufhebe und mich dann damit herumschleppe, nehme ich lieber das Risiko auf mich und lasse soweit möglich, einmal eine Flasche verloren gehen, als daß ich mich damit herumtrage.  Ich habe ja schon manches herumgebuckelt. Darum bin ich froh, wenn diese Sachen schon daheim sind.
Soeben kommen wir vom Antreten zum Gedenken an den Geburtstag des Führers zurück.
Jetzt hat sich nun unser Schicksal ohne weiteres entschieden, als ein Teil von uns nach Charkow und ein anderer Teil in den Bezirk Aral geht. Ein Restkommando bleibt zurück.
Wohin ich nun davon kommen, steht noch nicht fest. Dies wurde uns anlässlich dieses Zusammentreffens bekannt gegeben. Ich teile dies Dir deshalb mir, weil ich diesen Brief mitgeben kann. Dann weißt Du so annähernd Bescheid. Ich bin froh, daß nun wieder etwas Leben in die Bude kommt, denn dieses Leben ist auf die Dauer für mich nichts.
Ich muß sehen, daß ich irgendwie nützlich bin, sonst fühle ich mich unglücklich dabei.
Denn man ist ja schließlich nicht zum Spaß hier draußen. _ Wie ich feststellen muß, ist bei Euch, im Gegensatz zu hier, das Wetter viel unbeständiger. Als hier am Sonntag der Sturm herrschte, da hat es wohl einmal gehagelt. Das hat aber mit dem Winter schon nichts mehr zu tun. Das kommt im Sommer auch vor. Aber Schnee haben wir schon lange keinen mehr. Man kann hier bald vom sommerlichen Wetter sprechen.
Mit Bedauern habe ich von unserem Jungen vernommen, daß er sich nicht mehr weiter anstrengt mit dem Schwimmen. Schwimmt er denn frei im kleinen Bad oder läßt Du ihm noch den Schwimmgurt. Ich weiß, daß es wenig Zweck hat, ihn etwa dazu zu zwingen. Aber achte nur auf ihn, daß er etwas vorwärts macht. Man müsste seinen Ehrgeiz versuchen anzustacheln. Ich frage mich zwar auch, wie. Aber Du hast ja etwas mehr Kontakt mit ihm, Du wirst das schon noch machen. Auf die anderen Einzelheiten Deiner Briefe gehe ich morgen mit ein, weil ich dieses Schreiben gleich mitgeben muß, weil der Betreffende vielleicht schon heute Mittag nach Berlin fliegt.
Ich habe schnell noch die Vollmachten für Euch fertiggemacht. Ich denke, daß es nun auch in Deinem Sinne ist. Nach der Darstellung, wie Du sie mir nun geschrieben hast, kann ich das jetzt auch ohne weiteres tun. Ich will nur mit der ersten Vollmacht erreichen, daß man mir bei späteren Auseinandersetzungen nicht den Weg verlegen könnte. Ich bin aber selbst sehr froh, daß es nicht soweit kommt.  Aber wie dem auch sei, Du weißt, man muß erstens vorsichtig sein und dann könnte ich ja nicht ahnen, welchen Charakter diese Dinge angenommen haben. Aber ich glaube, jetzt wieder klar durchsehen zu können und das ist mir recht so. Sei vielmals und recht oft und fest geküßt. Nimm außerdem recht viele Grüße entgegen von Deinem so oft an Dich denkenden Ernst.

Mein liebster Schatz !                                                                      21.4.43   
      
Meinen Brief habe ich gestern plötzlich abbrechen müssen, damit er bald mit wegging. Ich will deshalb noch die unerledigten Sachen beantworten, damit alles wieder in die Reihe kommt. Solch günstige Gelegenheit darf man nicht ungenützt vorübergehen lassen. Denn es macht schon etwas aus, wenn man nicht auf dem üblichen Feldpostweg absendet. Dagegen kann ich noch immer von Glück reden, denn ich kann hier den Kurierweg benützen, was den meisten nicht offen steht. Daß das Mehl richtig angekommen ist, macht mir viel Freude. Wenn es auch vom geldlichen Stand punkt nicht viel bedeutet, so weiß ich doch, daß Du mit diesen Dingen bestimmt nicht im Überfluss lebst. Wenn Ihr die Bonbons gleich gegessen habt, dann bin ich Euch durchaus nicht böse, denn dazu schicke ich sie Euch ja mit. Ist den unser Junge in dem Filzstiefel nicht versoffen?
Wenn unsere Helga die Opanken zu klein sind, dann nur nicht trragen lassen, denn ich will nicht haben, daß sie sich damit ihre Füße verkrüppelt.  Bedauerlich ist, daß an dem kleinen Buch soviel Seiten zwischendurch fehlen. Das ist mir aber nicht weiter aufgefallen. Das ist ja so, daß das alles Kriegsproduktion ist und da wird nicht so weiter darauf geachtet, wie in anderen Zeiten. Daß ich deshalb ein lieber Schatz bin, freut mich außerordentlich. Ich hatte gedacht, daß das auch so der Fall sei, anscheinend aber nicht ?! Nein, lasse es gut sein, ich weiß schon, wie Du es gemeint hast. _ Wie ich Dir schon in der Zurückstellungssache schrieb, wollte ich von mir ein Gesuch absenden. Das hatte ich deshalb unterlassen, weil meine Dienststelle von sich aus erledigen will. Vor einigen Tagen habe ich im Auftrag meines Chefs an das Bürgermeisteramt in Konstanz von der Dienststelle aus geschrieben. Mein Chef hat es unterschrieben.
Ich stehe jetzt also noch ganz aus dem Spiel. Wir haben von hier aus um eine Bescheinigung zur Vervollständigung der Personalspapiere nachgesucht, aus der hervorgeht, daß ich der einzige Sohn bin. Ich bin ja gespannt, was die nun wieder wissen werden. Der Kollege, der früher mit mir zuerst in Charkow zusammengearbeitet hat, Türk hat er geheißen, der war der Letzte von unserem Beamtenhaufen, der nach Marburg zurückgekommen ist. Am vergangenen Samstag ist er abgerollt. Bei diesem Schub wäre ich diesmal mit dabei gewesen, wenn nicht dieser Fall eingetreten wäre. Das hatte ich ja schon geschrieben, daß ich den Fotoapparat von Kurt gern benutzen wollte, aber ich sagte damals schon daß es zu riskant wäre, ihn hierher zu schicken. Das ginge höchstens, wenn man ihn einem Kameraden, der in Urlaub fährt, dorthin unter Einschreiben sendet. Der kann ihn dann mitbringen. Aber hoffen wir lieber, daß ich selbst kommen kann, das ist entschieden besser. Die Filme behalte nur. Das hat keinen Wert, wenn wir sie dem Fotohändler überlassen. Daß sich unser Junge nicht viel aus dem schlimm gewordenen Finger macht, ist sehr bedauerlich. Daß ihm das noch keine Lehre gewesen ist, ist sehr schade. Aber klopfe ihm nur fest auf die Finger, wenn Du ihn dabei erwischst.
Er muß ja nun langsam so verständig werden, daß er weiß, wie unanständig es aussieht, wenn man mit solchen abgebissenen Fingernägeln herumläuft. Helga macht es wohl aber auch nicht anders. Für sie gilt das gleiche und noch im besonderen Maße, weil sie ja ein Mädel ist, das noch mehr auf sich schon rein äußerlich halten muß wie ein Junge. . _  Die Gartenarbeit nimmt Dich nun wieder besonders in Anspruch. Ich weiß, daß Du nun Deine volle Beschäftigung hast. ERst bis alles anrollt und dann will dich bis in den Herbst hinein alles überwacht werden. Es gibt wohl kleine Zwischen perioden, wo man nicht so daran glauben muß. Aber ganz außer acht kann man ihn nicht lassen, weil er dann gleich verwildert. Es wird einem dabei nichts geschenkt.
Aber das eine steht eben doch fest, daß er bis jetzt uns immer eine wesentliche Hilfe gewesen ist. Wenn die Kinder sich ein wenig nützlich machen, dann hilft Dir das auch.
Die körperliche Arbeit, die hängt zwar trotz allem an Dir. Vorgestern Abend bin ich bei Einbruch der Dunkelheit in den bei uns gegenüberliegenden Park gegangen.
Es war eine wunderbar laue Luft. Man sollte es kaum glauben nach dem kalten Winter.
Man muß ohne Pullover unter der Feldbluse laufen, sonst schwitzt man. Es war im Wetter hier so kein Übergang. Vom nahe gelegnen Abhang hatte man eine wunderbare Aussicht.
Langsam stieg der Mond am Horizont hoch und spiegelte sich im Wasser des Dnjepr.
Ich bin lange Zeit dort gesessen und dabei konnte man seine Gedanken so spielen lassen, wie es einem gerade gefiel. Es war so eine richtige Entspannung. Nun habe ich auch erfahren, was sich nun für mich ergibt. Ich komme mit unserem Rat auf vier Wochen nach Charkow. Es handelt sich um eine Kommandierung für diese Zeit.
Vielleicht geht es auch etwas länger, aber später kommen wir sicher wieder alle zusammen. Unsere Tätigkeit wird sich aus andere Gebiete erstrecken, aber das weiß man noch nicht. Am Freitag rollen wir von hier ab. Ich nehme nur einen Teil meines Gepäcks mit, das andere soll dann hier bleiben.
Wie gesagt, das ist nur vorübergehend und dann denke ich, daß wir in der alten Besetzung weiterhin, zwar aktiver wie jetzt, tätig sein werden. _ Diese Nachricht will ich dir gleich noch zukommen lassen. Jetzt bist Du wieder soweit im Bilde, was geschehen ist. Es kann sein, daß ich dann nicht gleich so schreiben kann wie ich gern möchte, aber dann weißt Du ja Bescheid. Recht herzlich grüße ich Dich, mein liebes Mädel, und sende Dir recht viele Küsse in vieler Liebe. Dein Ernst.

Dienstag, 24. April 2018

Brief 419 vom 17. und 18.4.1943


Meine liebe, kleine Frau !                                                               17.4.43  
     
Wenn man wieder einmal so zurückdenkt, dann könnte ich heute sagen, daß ich vor einem Jahr in Leipzig war und von dort aus meine weitere Reise nach dem Osten antrat. Wenn man dieses vergangene Jahr so überblickt, dann will es einem nicht solange erscheinen und doch liegt zwischen diesem Tag und heute allerhand dazwischen. Erst die vielen neuen Eindrücke, die doch ein wesentlich anderes Bild zeigen, wie wir es von Westeuropa gewöhnt sind und all das andere, was sich in der Zukunft dann anschloss.
Vielleicht schreibe ich zum Jahrestag meiner Ankunft in Mirgorod darüber.  Gestern bin ich nicht dazu gekommen, auf Deine anderen Briefe einzugehen.
Ich will es heute nachholen. Es schien mir wichtiger, die anderen Dinge erst zu erledigen. Wie ich sehe, habt Ihr auch am Tag der Wehrmacht alles wieder gründlich angesehen, und ich glaube auch, daß Ihr Euch ganz gut unterhalten habt. Da Du immer viel Freude an Pferden hast, war es schon bedauerlich, wenn davon keine Vorführungen gezeigt wurden. Das Telefonieren hat den Kindern sicher Spaß gemacht. Diese Decknamen sind aber sonst auch gebräuchlich. Wir haben sie hier ja auch. Bis man so die verschiedenen Apparate bzw. Vermittlungen kennt, das kostet einige Übung.  Es freut mich, von Dir meine Vermutung bestätigt zu erhalten, daß Du nicht kräftig genug bist, um gegenwärtig ein Kind in unserem Haushalt auszunehmen. Es ist doch momentan schon keine Kleinigkeit, mit unseren Beiden fertig zu werden. Diese Beiden kennst Du, wie sich ein fremdes Kind einlebt und wie es sich aufführen wird, das kann man vorher nicht wissen. Ganz abgesehen davon, daß Du mit dem Garten allerhand Beschäftigung hast, die du nicht verkennen darfst. Es freut mich darum Deine Einsicht. Ich muß feststellen, daß sich unser Jörg nun doch auch schon sehr nützlich macht. Es freut mich sehr, daß er Dir so fleißig im Garten mithilft; vor allem, weil Dir dadurch doch manches etwas leichter fällt. Daß sie noch keine körperlich schwere Arbeit leisten können, das ist einem ganz von selbst klar. Wenn sie einem aber manche Handreichung machen, so macht das im Endeffekt doch allerhand aus, weil diese Dinge auch mit gemacht werden müssen. Es freut mich dann doppelt, wenn ich   dann so von kleinen lieben Gefälligkeiten lese, die sie Dir dann immer wieder erweisen. Das ins eben nette Lauser. Wenn sie sich dann von selbst über eine Arbeit hermachen, die man ihnen nicht erst geheißen hat. Ich denke, daß Du auch überrascht warst, als sie Dir sagten, sie hätten die Krautstrunke weggefahren. Ja, jetzt muß es schon ganz schön im Garten sein, wenn nun die Sträucher blühen. Wie haben die Johannisbeeren angesetzt? Stachelbeeren sind ja immer die ersten.  sind die auch in Ordnung? Man freut sich jedes mal, aber eine kleine Sorge ist doch immer wieder dabei, ob noch Frost kommt und ob sonst nichts dazwischen kommt.
Wie ich so lese, bist Du schon so im Garten bewandert, daß Du meine Hilfe kaum mehr in Anspruch nehmen brauchst. Für die körperlichen Arbeiten wäre es zwar besser für Dich, wenn ich sie Dir abnehmen könnte.  Das Wetter ist hier in den letzten Tagen derartig warm geworden, daß es sogar nachts nicht mehr kalt ist. Seit einigen Tagen schlafen wir bei offenem Fenster, denn man kann es im Zimmer sonst nicht aushalten. Ich lege Dir heute einen Zeitungsartikel bei, der Dich sicher interessieren wird. Daß unser Junge sich jetzt noch etwas mehr daheim betätigt, ist schon besser.
Wenn er dann zum Jungvolk muß, dann ist es ganz von selbst aus mit der Freizeit.
Diese kurze Zeit soll er noch für sich nutzen. Später kommt er doch kaum mehr heim. Es ist mir darum vollkommen recht, wenn Du ihm davon abgeraten hast. Er soll ab und zu, wenn möglich regelmäßig, zum turnen gehen, dann ist ihm jetzt genau so geholfen. Daß mein letzter Brief an Helga Freude bereitet hat, das mach auch mir Spaß. So soll es ja auch sein. Hier kommt man jetzt wieder zu wenig ins Freie. Vielleicht könnte man noch mehr beobachten. Wie ich sehe, hast Du für unsere beiden Stromer noch verschiedene Sachen zu Ostern besorgt. Nun können sie aber wohl zufrieden sein.
Ich schließe nun für heute und hoffe, daß Ihr alle gesund seid. In der vergangenen Nacht seid Ihr wohl im Keller gewesen, als der Großangriff auf Mannheim war. Jedes mal denke ich an Euch, ob Ihr wohl alle gesund seid, wenn es heißt, Angriffe auf Süddeutschland haben stattgefunden. Lasse Du Dich, mein lieber Schatz, recht herzlich küssen von Deinem Ernst.

Meine liebste Annie !                                                                                 18.4.43    
       
War das ein Wetter heute. Früh am Morgen klarster Sonnenschein.  Das war direkt eine Lust, aufzustehen. Aber bald standen kleine Sturmwolken am Himmel und bald darauf fing es auch schon damit an. Die Bleche auf den Dächern donnerten nur so.
Es war alles andere als freundlich zu nennen. Dunkle Wolken jagten über den Himmel.
Staub und Papierfetzen sowie alte Blätter wirbelten so durch die Luft. Es ging den ganzen Vormittag so, erst spät am Nachmittag fing es an mit regnen. Aber noch ehe die Sonne unterging, war der Himmel wie reingefegt und strahlend blauer Himmel wie am Morgen. Nun ist aber alles vorbei. Vom heutigen Tag könnte ich Dir nur berichten, daß wir uns in einer Art Bereitschaft befinden. Wir haben nichts zu tun und müssen doch warten auf etwas, was nicht kommt. Man findet sich schließlich damit ab. Ich habe mich deshalb etwas nützlich gemacht und habe einige Päckchen gepackt. Für Dich habe ich zwei Flaschen Likör noch verpackt und für Deinen Vater ebenfalls. Deine Päckchen haben Nr. 49/50. Ich hoffe, daß alles richtig ankommt. Ich nehme an, daß ich Deinem Vater damit eine Freude bereitete. Ich hatte hier etwas mehr wie üblich bekommen. Ich dachte mir, daß sie zwar auf solche Sachen nicht angewiesen sind, aber einen Schluck werden sie sicherlich nicht verschmähen. Ich hätte mir noch einen Teil aufbewahrt, aber man muß doch immer damit rechnen, daß man wegkommt und dann schleppt man sich mit diesen Sachen herum. Der Platz ist sowieso immer sehr beschränkt. Also darum heißt die Parole: Gepäckerleichterung. Das, was ich jetzt habe, werde ich schon wieder wegbekommen. Von unserer Verpflegung muß ich Dir heute mitteilen, daß uns der Fischreichtum des Dnjepr nutzbar gemacht wird.
Es gab heute ein ordentliches Stück schön gebratenen Hecht. Das hat wirklich prima geschmeckt und ist eine hochwillkommene Abwechslung. Wir können uns bestimmt nicht beklagen, denn das Essen ist hier in Ordnung. Gegenwärtig geht es etwas knapp mit der Butter zu, ich nehme aber an, daß das nur ein vorübergehender Zustand ist.
Aber nun zu Deinem Brief vom 8., den ich Dir gleich bestätigen möchte, und für den ich Dir vielmals danke. Du schreibst mir in diesem Brief auch von Fischen, die Du an diesem Tag bekommen hast. Das ist doch schön, wenn man einmal davon etwas erhält, denn Fleisch und Wurst und die anderen Sachen kann man, wenn jetzt zwar auch in beschränktem Maße, das ganze Jahr bekommen. Dabei sind sie doch wirklich sehr gesund, wenn man sie einigermaßen frisch bekommt. Aber das Anstellen und Warten nimmt doch ziemlich Zeit in Anspruch. Aus diesem Grund ist einem ein Rad, bei dieser Entfernung von den Geschäften, doch sehr, sehr nützlich. Vor allem wenn man sich einmal andere Sachen, wie gerade die Kartoffeln, besorgen muß. Das Tragen, oder das Fahren mit dem Handwagen, ist doch bedeutend anstrengender. Die Rederei von Resi wegen des Umtausches von eigenen Kartoffeln gegen Saatkartoffeln ist doch wieder typisch für sie.  Was nun das Gerede von Paula und Vater anbelangt, wegen der Hinterlassenschaft von Kurt und besonders der Dinge, die Paula immer wieder hervorhebt, so kann ich Dir nur bestätigen, daß ich durchaus Deine Meinung teile. Ich hatte ja in meinem letzten Brief schon dazu Stellung genommen. Aber es ist tatsächlich so, daß man bei diesem Zerpflücken bis ins Einzelne so richtig das Spießbürgerliche zeigt und erkennen läßt, wie kleinlich sie alle sind. Man hat anderes auf den Schreibstuben zu tun, als sich nur um diese Esswaren zu kümmern. Für uns ist wichtig, daß wir das Andenken und die Ehre von Kurt hochhalten. Das bleibt uns zu tun nur noch übrig. Alles andere sind Nebenerscheinungen, die keine Bedeutung mehr haben, weil sie uns doch nicht das wiedergeben, was wir verloren haben. Nur wenn wir dies so betrachten, können wir uns schließlich trösten und das hat er bestimmt nicht verdient.
Mein liebster Schatz, ich hoffe, daß Ihr alle gesund seid. In dieser Erwartung sende ich Dir und unseren Kindern recht herzliche und liebe Grüße und Küsse für Euch Drei. Dein Ernst.

Brief 418 vom 15. und 16.4.1943


Mein liebster Schatz !                                                                      15.4.43  
        
Jetzt wird nun die lange Zeit des Wartens bald vorbei sein. Am kommenden Montag fällt die Entscheidung, was mit uns wird. Es steht noch alles offen. Es weiß bis jetzt noch kein Mensch, wohin es geht und wann es fortgeht. Wenn ich Näheres erfahre, dann gebe ich Dir wieder Bescheid. Es hieß am Montag sollen wir marschbereit sein, das will aber noch nichts heißen, denn es kann sich alles noch einige Tage hinziehen.
Dann wollen wir wieder einmal, wie schon so oft, unser Ränzel schnüren. Was bin ich schon in den annähernd drei Jahren herumkutschiert. Heute fehlt mir noch genau ein Monat dazu, dann sind die auch schon voll. Darüber  nachdenken soll man aber nicht. Ich habe es mir im Lauf der vergangenen Zeit schon ziemlich abgewöhnt, denn dieses Nachdenken führt doch zu keinem Erfolg. Ich habe einige Sachen auch verpackt und an Dich abgesandt. Erst einmal einige Bücher. Das eine hatte ich angefangen. Es ist das von dem holländischen Schriftsteller. Es ist nicht schlecht zu lesen. Es hat aber keinen Wert, wenn ich es weiter mit mir herumschleppe, denn es ist doch alles Ballast. Dann ist noch ein anderes Buch dabei, das in seiner Erscheinung nicht gerade einen guten Eindruck macht. Es wird Dich aber sicherlich deshalb freuen, weil es von einem Benannten ist. Das letzte Buch ist zwar nicht groß, aber es sind manche nette Sachen dabei. Fertiggelesen habe ich es auch nicht, aber dazu werde ich wohl später einmal Zeit haben. einige Glühbirnen habe ich dazugepackt, die Du vielleicht verwenden kannst.
Ich hoffe, daß es mit der Stromstärke passt. Einen Film konnte ich auch wieder beschaffen, damit Ihr nicht in Verlegenheit kommt. Für Vater noch ein Päckchen Tabak. Das wäre alles, was in dem einen Päckchen ist. Halt, einige Bonbons sind auch noch dabei. Dann habe ich noch ein Päckchen mit Likör fertiggemacht. Ich schicke noch einige davon.
Das mit dem roten Inhalt ist Kirsche und der andere ist Aprikose.  Die Sachen stehen zu Deiner Verfügung, das weißt Du ja. Die Päckchen haben die Nummern 47/48. Deinem Vater werde ich auch eine davon schicken. Wenn Du willst, kannst Du Vater eine davon geben. Ob er für die süßen Liköre schwärmt, das weiß ich zwar nicht. Ich erinnere mich nur, daß er irgendetwas nicht gern genommen hat. _ Das Wetter ist hier warm geworden, das ist kaum zu glauben. Die Bäume treiben und das Gras schießt direkt aus dem Boden. Ich will die Tage noch ausnutzen. Ich habe mich heute bis in den zehnten Stock begeben und bin auf das Dach gestiegen. Dort hat man erst einmal einen fabelhaften Ausblick auf die Stadt und auf die gegenüberliegende Seite über den Dnjepr hinweg weit in das Land. Dort oben kann man wunderbar sonnenbaden.
In der Sporthose habe ich mich hingelegt und so zwei Stunden lang die Sonne auf den Bauch prasseln lassen. Man weiß ja doch nicht, wie oft man im Laufe des Jahres dazukommt. Es ist aber bestimmt eine Wohltat. Soweit es das Wetter zulässt, werde ich das in den folgenden Tagen wiederholen.  Einige Luftpostmarken und Päckchenmarken habe ich Dir zur Bedienung beigefügt. Ich bitte Dich vorerst mit der Absendung von Päckchen zu warten, bis sich für mich die Lage klärt.  Herzlich grüße und küsse ich Dich samt den Kindern und hoffe gern, daß Ihr alle zusammen gesund seid, Ihr meine liebe Gesellschaft. Dein Ernst.

Meine liebste Annie !                                                                 16.4.43    
        
Nach einigen Tagen Unterbrechung habe ich von Dir wieder Post bekommen. Es sind Deine Briefe vom 5., 6. und 7.  sowie der Luftpostbrief vom 9.4.
Ich hatte mich sehr gefreut, von Dir wieder zu hören, denn man wartet doch jeden Tag darauf, ob man etwas von daheim bekommt. Außerdem trafen zwei kleine Päckchen von Dir ein, für die ich Dir auch recht danken will. Ich habe erst gleich einmal probiert, damit ich merke, wie die Sachen von zuhause schmecken. Die übrigen hebe ich mir für Sonntag auf. Aber erst will ich einmal auf Deinen Brief vom 9. eingehen, in dem Du die Angelegenheit wegen der Erbschaftssache besprichst. Du hast ja aus meinen anderen Briefen inzwischen ersehen, daß ich mir die ganze Sache nach dem Eintreffen eines späteren Briefes von Dir nochmals überdacht habe und mit Dir in allen Dingen wieder einig gehe. Du weißt ja, daß ich nicht die Absicht habe, mich wegen der Erbschaftssachen zu streiten und ein Verhältnis, das bisher immer bestanden hat, und das doch gut war, dadurch zerstören zu lassen. Ich war auch hauptsächlich nur deshalb erbost, weil Paula versuchte, sich plötzlich, nachdem sie jahrelang nichts von uns allen wissen wollte, zwischen uns zu stellen. Daß nun Vater, nach dem einen Brief zu schließen, sich durch sie hat überfahren lassen, das wollte mir nicht einleuchten. Nur aus diesem Gesichtspunkt heraus wollte ich ihm das vor Augen halten. Aber, wie gesagt, das habe ich nach dem später eingegangenen Schreiben von Dir nicht mehr für nötig gehalten. Wenn Kurt das so bestimmt hat, dann lege ich selbst großen Wert darauf, daß sein Wunsch beachtet wird, wie über seine Sachen verfügt wird. Daß Du in meinem Namen die Zustimmung gegeben hast, ist mir vollkommen recht. Du hast ja  mündlich die Vollmachten von mir bekommen, und ich werde diese Entscheidungen, soweit sie nicht in schroffer Form aus dem Rahmen fallen, immer respektieren. Ich habe ja bisher auch noch keine Veranlassung gehabt, jemals eine andere Entscheidung treffen zu müssen, weil Dur ziemlich genau meine Einstellung kennst. Wie sich nun Vater zu dem Bausparvertrag stellt, würde mich interessieren.
Wenn er ihn nicht so abtreten will, und gegen Bezahlung der bisher aufgewendeten Summe ihn uns überlässt, dann braucht er ihn doch jetzt nicht mehr weiterbezahlen.
Denn wir können diesen Betrag ohne weiteres aufbringen. Ich will ihm zwar in dieser Beziehung nichts in den Weg legen. Das soll nur ein Vorschlag von mir sein. Wenn er aber nicht darauf eingehen will, dann lasse ihn bei seiner Absicht. Eins möchte ich aber bitten, daß er uns die Weiterzahlung dann überlassen soll, wenn er nicht mehr dazu imstande ist. Im Zusammenhang mit einer bevorstehenden Änderung unseres Einsatzes, werde ich Dir in diesen Tagen aus meinem Barbestand 370,-RM überweisen.
Ich möchte nicht soviel Geld mit mir herumschleppen. Verfüge Du darüber und zahle es mit ein. Mit unserer Rücklage sind wir ja einigermaßen in der Lage, irgendwelchen Wechselfall ohne große Schwierigkeiten zu begegnen. Hoffen wir aber dabei, daß keine derartigen ernsthafterer Natur auftreten. Aber wenn es sich um die Ausbildung der Kinder handeln würde, so wäre dies für das erste zu einem gewissen Teil gewährleistet, denn diese Dinge kosten schon immer etwas. Du weißt ja, daß ich Wert darauf legen, daß aus unseren Borzels etwas wird, vor allem, weil ich glaube, daß sie Veranlagung dazu haben. Auf diese Weise würde es doch nutzbringend angewendet werden.  Mit Deiner Ansicht über Paula gehe ich vollkommen einig. Sie hat das Bestreben, irgendwo mitzureden. Ihr Wissen, das sie von anderen übernimmt, anderen mitzuteilen. Sie ist aber nicht kritisch genug, um Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden und redet darum alles ohne Überprüfung weiter. Daß sie sich damit selbst einmal eine unangenehme Situation schaffen kann, kommt ihr vielleicht nicht einmal so zu Bewusstsein. Man sollte zwar meinen, daß sie alt genug dazu wäre, um selbst zu wissen, was man mit einem dummen Geschwätz anrichten kann. Daß auch Nannie solchen Unfug mit treibt, halte ich für sehr bedauerlich, aber ich kann an diesen Dingen nicht viel ändern. Du kannst vollkommen recht haben, wenn sie von der Frau aus Blanken loch keinen Bescheid erhalten hat. Mir selbst ist der fragliche Brief nicht bekannt, und ich kann mir von diesen dingen nicht das notwendige Urteil bilden. Aber das ist typisch für die Entstehung von Gerüchten. Nannie hat es ohne weiteres nicht leicht und es ist ihr darum zum Teil entschuldbar, daß sie auf diesem Dort meist auf sich angewiesen ist. Was sie mit ihrem Mann besprechen kann, weiß ich nicht, denn dazu ist die Zeit zu kurz gewesen, als ich ihn kennen lernte, und dann habe ich ihn doch die langen Jahre nicht mehr gesehen. Außerdem ist er auch nicht jünger geworden. Nannie ebenfalls und Du weißt ja, daß die älteren Leute sich schwerer mit den Dingen abfinden können wie wir jungen, zu denen wir uns doch immerhin noch zählen. Oder Du nicht? Das ist nur eine kleine Entgleisung meinerseits, darum bitte ich um Vergebung. Was nun Vaters Frage wegen eine Unterschlagung von Geld anbelangt, das Kurt sich gespart haben könnte, so will ich dazu bemerken, daß wir uns deshalb keine Gedanken weiter machen. Es ist doch so, daß die Männer hier meist so gestellt sind, daß sie auf die paar Kröten nicht angewiesen sind. Denn man hat hier doch fast keine Gelegenheit, Geld auszugeben.
Außerdem war es doch so, daß Kurt erst im Urlaub war, so daß er wahrscheinlich nicht viel bei sich gehabt haben wird. Ich glaube, deshalb machen wir uns keine Kopfschmerzen.
Es weiß auch jeder Wehrmachtsangehörige, was auf Kameradendiebstahl  ruht. Das ist keine Kleinigkeit, wenn das herauskommt. Also sind wir doch zufrieden, wenn wir die Dinge nicht von der hässlichen Seite aufrollen müssen, denn es ist doch schon so schwer genug. Ebenso sollte Paula damit aufhören, davon zu reden, was sie an diesem Jungen getan hat, Ich denke besonders in diesem Zusammenhang an die Frau Frick, die es wohl mit anderen Mitteln hat machen können, aber die bestimmt nicht dazu verpflichtet war. Sie schreibt nichts weiter davon, sie schreibt nur, daß sie ihre Befriedigung dabei findet, wenn sie ihm die wenigen Tage, die ihm beschieden waren, dadurch etwas hat verschönern helfen können. Das ist aber die geschwätzige Art, die Paula nun einmal an sich hat. Ich will darum heute diese Angelegenheit abschließen und hoffen, daß wir uns beide wieder einig sind. Wenn Dir aber noch etwas unklar sein sollte, dann gib mir nur ungehindert Bescheid.  Dich grüße ich recht herzlich und auch die Kinder.
An Vater richte ebenfalls herzliche Grüße aus. Nehmt Ihr Drei aber noch dazu recht herzliche Küsse entgegen von Deinem Ernst.

Donnerstag, 12. April 2018

Brief 417 vom 12./14.4.1943


Meine liebste Annie !                                                                        12.4.43 
              
Bei der Postverteilung wurde ich nicht mit einem Brief von Dir bedacht. Eine Anfrage in der Ahnensache kam wieder mit einer Mitteilung zurück, die keine größere Bedeutung im Moment hat, die ich aber vielleicht später ganz gut verwerten kann. Es handelt sich hier um die Nachforschung in Großmieglingen.  Dort steht nur fest, daß der Vater Johann Caspar Rosche dort zugezogen ist und das letzte Kind 1735 geboren wurde.
Daraus konnte man entnehmen, daß er seinen Schuhmacherberuf dort nicht lange ausgeübt hat. Auf so einem kleinen Kaff waren sicher die Verdienstmöglichkeiten nicht gerade glänzend. Aber wenn man alles so überblickt, dann kann man feststellen, daß fast alle erstens einmal Handwerker waren, aber nirgends richtig ansässig gewesen sind. Auf was das zurückzuführen ist, das kann man noch nicht so ohne weiteres beurteilen.
Vielleicht läßt sich das später einmal ergründen. Ich will dann einmal sehen, ob das bei den weiteren Nachkommen auch der Fall ist, denn bis jetzt ist nur einer  bekannt und da steht noch nicht einwandfrei fest, ob er nicht noch einen anderen handwerklichen Beruf hatte. Auch von den anderen Linie der Sippen, die in unsere Familie münden ist das ziemlich gleiche Bild. Wenn ich dann dies nach Eurer Linie zu betrachte, so ist das fast dasselbe. Findest Du das nicht auch eigenartig? Je mehr man sich in diese Dinge vertieft, desto interessantere Sachen kommen dabei zum Vorschein. Zwar muß man dazu genügend Material sammeln, um das richtig übersehen und einschätzen zu können. Ich hoffe, bald noch einige Antworten zu bekommen. Zu gern hätte ich das Problem gelöst, ob wir wirklich mit den Hugenotten etwas zu tun haben, oder ob sich alles als ein Märchen, eine Vermutung herausstellt. Du weißt ja, wie der eine Mann, der mir einmal auf meinen Brief geantwortet hatte, die gleiche Überlieferung, die er von seiner Mutter erfahren hat, mitteilte. Man kann solche Mitteilungen, die durch ganze Generationen weiter erzählt werden, nicht so ohne weiteres von der Hand weisen. Aber ich nehme an, daß sich diese bei den nächsten zwei Generationen schon herausstellen würde, wenn die Unterlagen bei den Pfarrämtern vorhanden wären.  Im Kino war ich heute auch wieder. „Die große Nummer“ wurde gespielt. Ich glaube, Du hattest ihn auch gesehen. Er ist ganz nett, aber etwas Besonderes ist er nicht.
Ich habe schon bessere Zirkusfilme gesehen. Vor allem gefällt mir der Schluß mit der Schaukel nicht, weil das zu unwahrscheinlich ist. Aber sonst ist er ganz unterhaltsam.
Dann wurde auch die Wochenschau von Charkow gezeigt. Für denjenigen, der die Stadt nicht kennt, bieten die Bilder wohl nichts besonderes, aber durch den Aufenthalt dort kennt man das eine oder andere Stück davon. Nach den Bildern zu schließen, hat es doch allerhand Zerstörungen gegeben. Im allgemeinen hatte diese Wochenschau sehr eindrucksvolle Bilder. So vor allem vom Heldengedenktag. _ Das Wetter ist bei uns jetzt so komisch. Früh am Morgen strahlt die Sonne hell und klar, und wenn man dann über Mittag ein Stückchen an die Luft gehen will, dann ist es bewölkt. Das ist aber schon seit einigen Tagen der Fall. Das Schlimme ist dabei, man kann nirgends reklamieren. Aber im allgemeinen sehr trocken. Ich denke, daß das für die Landwirtschaft sehr gut und nützlich ist. Man kann doch jetzt nun die Äcker gut bestellen. Das macht doch viel aus, wenn die Arbeiten ungehindert durchgeführt werden können. Aber nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für die Vorbereitung der kommenden Operationen hat das seinen Vorteil.  Dir mein Schatz, viele Grüße. Ebenso den Kindern und Vater. Was macht er eigentlich ? Recht herzliche Küsse für Dich und die Kinder füge ich noch bei. Dein Ernst.

Mein liebstes Mädel !                                                                      14.4.43 
              
Schöne Tage sind nun wirklich angebrochen. Das Wetter ist wunderbar, daß man schon Lust bekommt, einmal zu baden. Ich war auch schon am Dnjepr unten, aber so verlockend es auch von oben aussieht, so wenig einladend ist es auch jetzt schon, zu baden.
Es ist noch verdammt kalt. Aber es scheint im Sommer sich sehr schön baden zu lassen.  denn auf dem jenseitigen Ufer ist ein wunderbarer Strand. Wenn man hinüber will, muß man zwar eine Fähre benutzen, aber das geht verhältnismäßig flott. Die Strömung ist zwar sehr stark und wird etwa der Strömung bei uns an der Rheinbrücke entsprechen.
Bis dies ausgenutzt werden könnte, brauchen wir nicht zu hoffen, noch hier zu sein.
Die allgemeine Tendenz geht ja schon wieder darauf hinaus, daß sich alles langsam verschiebt. Das wird auch bei uns nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen. _ Ich lege Dir wieder ein Programm bei von meinem heutigen Theaterbesuch. Es war insoweit interessant, als diese Vorstellung halb deutsch und halb ukrainisch gesprochen wurde. Die Kräfte im allgemeinen sind hier nicht besonders Klasse. Das Singen liegt ihnen nicht gerade sehr. Wenn dann ein ganzes Stück deutsch gesprochen wurde, dann kommt man auf einmal ganz durcheinander, weil man glaubt, man versteht es nicht richtig, und dann merkt man, daß wieder die andere Sprache dran ist. Die Leute können hier doch keine Umlaute und sehr schlecht, und dann vor allem, was am Anfang eines Wortes ein h hat, sprechen. Das klingt dann etwas komisch und regt zum Lachen an, wenn sie zum Beispiel sagen „ginter“ für „hinter“ und zum „Frühling „Fruhling“ Die Leute geben sich bestimmt große Mühe mit dem Sprechen, aber es ist auch nicht einfach, gleich ungeteilten Beifall zu ernten. Die Ausstattung ist hier wesentlich besser , ebenso die Oper selbst , wie in Charkow. Aber rein künstlerisch betrachtet, stand das Schaffen in Charkow auf einer höheren Stufe. Übrigens wurde die Oper in Charkow kurz nach der Einnahme durch uns wieder von uns in Betrieb genommen, nachdem sie in der Zwischenzeit während der Besetzung durch die Russen von diesen bespielt wurde. _ Post habe ich auch heute keine von Dir erhalten. Ich habe darum auch nichts zum Beantworten. Lasse mich deshalb bitte meinen Brief zum Abschluss bringen. morgen werde ich Dir sicherlich wieder mehr schreiben. Ich grüße Dich recht herzlich und verbinde damit recht, recht fest Küsse für Dich und die Kinder.  Dein Ernst.

Mittwoch, 11. April 2018

Brief 412a vom 04.04.1943



Brief 376a vom 02.02.1943







Brief 416 vom 09./11.04.1943


Meine liebste Frau !                                                                           9.4.43 
    
Heute hatte ich mich dazu aufgeschwungen, um endlich den Antrag an das Wehrbezirkskommando wegen Zurückstellung zu schreiben. Ich hatte es fertig und hatte auch schon eine Bescheinigung vorbereitet, die mir meine Chef unterschreiben sollte. Ich hatte dies mit ihm so besprochen. Er ist heute nicht anwesend, so daß ich diese Angelegenheit mit seinem Vertreter erledigen wollte. Zu meiner angenehmen Überraschung sagte er mir, daß er dies mit dem Chef inzwischen nochmals besprochen hat und daß die ganze Angelegenheit nicht von mir aufgenommen werden soll, sondern daß die Dienststelle von sich aus die Sache behandelt. Er sagte noch dazu, daß das insofern besser für mich sei, weil dann dabei nicht der Eindruck erweckt würde, daß ich mich etwa drücken wolle. Denn den Leuten sei ja nicht bekannt, daß meine Dienststelle an meinem Verbleiben hier ein großes Interesse hätte. Mit dieser Wendung dieser Angelegenheit bin ich wirklich sehr zufrieden, denn dadurch komme ich dann ganz aus dem Spiel.  Ich hatte das immer etwas hinausgeschoben, weil mir das selbst etwas peinlich war.  Jetzt habe ich nur noch eine Sache zu erledigen, und das ist wieder einmal etwas mit der Stadt. Den Brüdern kann ich keine Ruhe geben. Ich sprach kürzlich mit meinem Chef die ganze Angelegenheit wieder einmal durch. Er gab mir vor einiger Zeit einige Unterlagen über die Laufbahnvorschriften für Beamte der mittleren und gehobenen Laufbahn. Ich hatte mir das durchgesehen und mußte feststellen, daß es keine großen Möglichkeiten mehr gibt. Ich kann nur noch folgendes tun, ich kann jetzt an die Stadt herantreten und darum nachsuchen, daß ich zum Inspektoranwärter ernannt werde.  Dies müßte an sich nach diesen Bestimmungen vorgenommen werden. Die Stadt muß sich nun entscheiden, ob ich jetzt für diese Laufbahn vorgesehen bin oder nicht. Wenn sie nämlich dann zustimmt, dann kann ich auch ohne Prüfung im kommenden Jahr zum Inspektor ernannt werden. Das will ich aber noch dabei betonen, mir wäre ja viel lieber, wenn ich endlich einmal die Prüfung machen könnte. Aber, wie ich jetzt erst in unserem Verordnungsblatt gelesen habe, wird jetzt durch den totalen Kriegseinsatz keine Lehrgänge mehr stattfinden.
Schon deshalb müßte ich in dieser Hinsicht etwas unternehmen. Das sind alles so Sachen, die man nicht gern macht, aber die sich eines Tages doch nicht mehr verschieben lassen.  Weil ich gerade vom Totalen Krieg spreche, so macht sich dies auch bei uns jetzt hier bemerkbar. Wir bekamen dieser Tage den Befehl, daß jeder von uns, ob Offizier oder Mann, vollkommene Ausbildung mit dem Gewehr und dem MG bekommen soll. Die MG Ausbildung würde mir wieder einmal Spaß machen, weil ich das ja von meiner Ausbildungszeit habe noch können. Täglich soll mindestens eine Stunde geübt werden. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob es nun tatsächlich so strikt eingehalten wird, wie es angekündigt wurde. Das geht ja beim Barras meist so, daß immer viele von diesen Brüdern vorher geredet wird und dann kommt es meist anders. Wie gesagt, mir macht das nichts weiter aus.  Für unsere Kinder füge ich jetzt eine Osterkarte bei, die ein Kamerad hier bei uns gemacht hat. Sie sehen ganz lustig aus. Ich denke, daß sie den Kindern Spaß machen wird. Das wäre für heute einmal wieder alles. Ich grüße Dich mein liebes Mädel vielmals. Grüße auch bitte Vater herzlich  von mir und unsere beiden Stromer auch. Dich küßt viel, vielmals Dein Ernst.

Meine liebste Annie !                                                                     11.4.43        
     
Ich danke Dir vielmals für Deine beiden Briefe vom 2. und 4.4., die mich wieder recht gefreut haben. Ich muß aber schon wieder sehen, daß Du Dir den Tag über viel vornimmst.
Meist kommst Du erst am Abend, wenn  nicht gar erst in der Nacht dazu, mir zu schreiben.
Ich glaube, ich komme doch bald nicht umhin, mit Dir einmal zu schimpfen. Das geht doch nicht, daß Du bei Deinem Kräftezustand immer bis spät in ie Nacht hinein tätig bist. Sei doch vernünftig und gib auf Dich und Deine Gesundheit obacht. Ich muß Dir das immer und immer wieder erklären, bis Du es so verstehst, wie ich das meine und wie ich das will. Ich habe nicht das geringste dagegen, wenn Du Dir das Sofa in die Küche nimmst. Im Gegenteil, es ist ja recht so, daß Du es zur Schonung für Dich brauchst, ist ganz klar und Du weißt, da verliere ich keine Worte darüber. Was damit später wird, darüber lassen wir uns jetzt noch keine grauen Haare wachsen, denn die kommen bei mir schon sowieso ganz von selbst. Zwar nicht davon, daß Du mir Sorge machst, sondern ganz ohne Zutun. Das ist aber eine Alterserscheinung, die sich nun nicht mehr verheimlichen läßt. Nein, nein, ich will dafür keine Komplimente haben.
Das ist nun einmal so.  Es freut mich, daß Du meinen Gedanken, die ich in meinem Brief am Heldengedenktag schrieb, zustimmst und daß sie Dir in vieler Beziehung entgegen gekommen sind. Die ganzen Ereignisse lassen einem manche Dinge in einem ganz anderen Licht erscheinen, wie sie vielleicht vor Jahren aussahen. Aber es wird sich auch einmal sicher wieder die Gelegenheit ergeben, daß man darüber sprechen kann.  Man schreibt wohl darüber, doch es ist immer nur ein Schatten von dem, was man eigentlich sagen will.
Zudem ist man nicht immer in der Stimmung, über solche Probleme zu schreiben.
Es ist zu schwierig und bestimmt nicht einfach zu behandeln.  Das wird für unsere Helga ein Spaß gewesen sein, als sie Dich zum Aprilanfang angeführt hat. Die Gesellschaft achtet ja darauf und sinnt nur darauf, uns „alten Leute“ anzuführen. Aber trotz allen Erscheinungen , die sich nach außen hin bemerkbar machen, fühlen wir uns noch sehr frisch. Darauf kommt es ja schließlich an. Unsere Helga hat es also auch Spaß gemacht, nun den Hund höchstpersönlich auf dem Bild kennen zu lernen. Nach den Geschichten, die ich ihnen geschrieben habe, ist das für sie schon interessanter. So hätte sie ihn vielleicht nicht weiter beachtet. Wenn wir eine größere Wohnung hätten und wenn wir nicht gerade jetzt im Kriege leben würden, hätte ich mir zu gern einen Hund gehalten. Aber aus den angeführten Gründen muß man sich diesen Gedanken aus dem Kopf schlagen. Das wäre sicherlich ein Spaß für die Kinder. Es ist doch für die Kinder nett, wenn sie mit Tieren aufwachsen. Aber es läßt sich nun jetzt einmal nicht durchführen.
Daß die Bilder nicht besser geworden sind, ist sehr schade.  Dieser Film ist hier entwickelt worden. Aber man versteht es hier nicht so wie bei uns in der Heimat. Die Bilder von Weihnachten sind ganz und gar verpfuscht worden. Daß der Film von dem einen Bild bei Dir eingetroffen ist, freut mich. Ich h hoffe, daß er sich zur Vergrößerung eignet. Ich werde ja wieder von Dir hören. Hier einmal ein Foto im Geschäft anfertigen zu lassen, möchte ich deshalb nicht, weil ich nach den anderen Erfahrungen glauben muß, daß das auch nichts wird, und das teure Geld ist dann draußen. Es wäre mir bestimmt nicht leid um die paar Mark, sondern wenn ich mir sagen müßte, es ist für nichts. _ Das ist recht, daß Du am Tag der Wehrmacht wieder aus dem Bau gegangen bist. Ihr habet doch dann etwas gesehen. Bei uns ging das hier verhältnismäßig ruhiger zu. Man hat hier nur fest gesammelt. Im allgemeinen sind wir ja davon verschont worden. Wegen Spenden sind wir noch nicht stark angegangen worden. Ich habe darum auch einige Mark gegeben, weil man ja schließlich auch nicht hintan stehen will. Es kommt ja auch bestimmt nicht auf den Pfennig heute mehr so an, wie bei uns in früheren Jahren. In dieser Beziehung hat sich für uns die Situation geändert.
Ein Schade ist das aber wirklich nicht.  Ich schicke Dir, mein Schatz, recht viele Grüße und Küsse und hoffe mit Zuversicht, daß es Dir nun gesundheitlich wieder so geht, daß Du ohne große Schwierigkeiten Deinen täglichen Aufgaben erledigen kannst.
Recht, recht herzlichen Kuß nochmals zum Schluß von Deinem Ernst. 

Sonntag, 8. April 2018

Brief 415 vom 08.04.1943


Mein liebstes Mädel !                                                                      8.4.43   
         
Ich erhielt gerade Deinen lieben Brief vom 1.4. und ich danke Dir wieder recht dafür.
Vom letzten Schreiben fällt mir aber ein, daß ich noch auf etwas eingehen wollte.
Du schriebst von der Ahnenforschung, daß man nur die Daten hat.  Man schreibt sie wohl hin und zwischen Geburts- und Sterbedatum liegt ein ganzes Leben. Das stimmt und das ist eigentlich alles, was man bis jetzt von diesen Vorfahren weiß. Wenn ich einmal diese große Zusammenstellung habe, dann habe ich ja die Absicht, etwas mehr in die Tiefe zu gehen. Erst vielleicht einmal die Kinderzahl feststellen. Dann müsste man sich einmal mit der dortigen Heimatliteratur beschäftigen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß der eine oder andere Name auftaucht. Ich denke beispielsweise nur an die Familie Wahrlich. Wenn dieser Mann die Fähre über die Elbe hatte, dann ist das gerichtlich irgendwie eingetragen. Wann man dies erforscht, so bekommt man schon ein Stück Leben dieses Mannes und dieser Familie. Dann müßte man versuchen, in den Registrierungslisten der Soldaten einmal aus der dortigen Gegend nachzuschlagen. Wie Du weißt, hatte ich ja immer die Absicht, mir eine Landkarte aus dieser Gegend zu beschaffen, um einmal die Wanderung dieser Leute in irgendeiner Form festzuhalten. Es gibt noch verschiedene andere Möglichkeiten, aber erst muß man einmal das Gerippe beieinander haben, ehe man auf die anderen Dinge eingehen kann. Mir macht es ja auch Freude, wenn ich dies so nach und nach zusammenbekomme. Mich kränkt nur, daß es in der Linie meiner Mutter nicht vorwärtsgeht.. Vielleicht kannst Du mir bei Gelegenheit einmal eine Abschrift des Ahnenpasses von Deiner Familie zuleiten, dann werde ich versuchen, in dieser Linie weiter zu suchen. Ich habe schon gesehen, wenn ich den mir  von  Deinem Vater empfohlenen Hugo Michel vor mir habe. Wenn man nicht jemanden hat, der sich wirklich in die Sache hineinkniet, dann hat es keinen Zweck.
Da hat man mehr Schreiberei, und es kommt Am Ende nichts dabei heraus. Ich habe das doch schon verschiedentlich erlebt. Du weißt doch noch, wie ich mit dem Kupfer korrespondiert habe, und wie er mich mit seinen Ratschlägen immer auf die falsche Fährte gelenkt hat. Mit meiner Methode habe ich entschieden bis jetzt mehr erreicht.  Ich vergaß Dir gestern noch mitzuteilen, daß ich von Deinem Vater zwei Sendungen mit Zeitungen erhielt. Die eine Sendung war ein Rundbrief an die Männer vom Elternverein. Davon bekam ich noch von den gebrannten Mandeln mit ab und Rasierklingen. Da sieht man, was es heißt, wenn man einen Schwiegervater hat, der Vereinsführer in einem Elternverein ist. Ich fand es ganz nett, daß er auch an mich gedacht hat, darum will ich nicht spotten. Man sieht den guten Willen. Ich weiß ja, daß es daheim auch nichts gibt.
Aber nun zu Deinem letzten Brief. Ich muß schon sagen, daß Du wegen des Gartens bzw. wegen des Düngens allerhand Lauferei hattest. Ärgerlich dabei ist nur noch, daß die ganze Springerei ohne Erfolg bisher war.  Die Anmeldung von Helga bei den Jungmädels ist nun auch vollzogen. Es entwickelt sich alles so nach und nach und so zwangsläufig, daß man eines Tages nur verwundert ist, wie es doch alles geht, ohne daß man daheim ist. Man ist nicht so notwendig daheim, wie es immer aussieht.
Das ist eine Erkenntnis des Krieges.  Daß Jörg sich allein fertiggemacht hat und ins Bett gegangen ist, das ist bestimmt lobenswert. Sie sind alle beide liebe Kerle Man sieht es an der einen wie an der anderen Äußerung. Sie sind willig und helfen auch, soweit man es eben in diesem Alter verlangen kann. Es sind eben noch Kinder, die man nicht wie Erwachsene behandeln kann.  Ich muß schon sagen, daß das Sparkonto ganz nett angewachsen ist. Es ist doch ein beruhigendes Gefühl, wenn man sich sagen kann, man hat eine Rücklage. Wenn ich Dir den Betrag zugehen ließ, dann kann ich Dir zu Deiner Beruhigung sagen, daß ich nicht auf dem Trockenen sitze. Du kannst mir glauben, daß ich mir schon durchhelfe.  Ich habe ja nichts gegen den Jungen von Paula, aber da sieht man, diese Jungens kommen einmal von dem Tisch ihrer Mutter weg. Die Ernährung ist hier wesentlich anders wie daheim. Man muß dabei noch berücksichtigen, daß Paula doch noch allerhand dazu besorgt hat. Damit hat sie doch das Essen anders gestalten können, wie wenn sie nur auf die Marken angewiesen wäre. Das fehlt selbstverständlich einem solchen Kerl. Dieser Unterschied ist eben kraß. Wir machen das aber schon jahrelang mit. Ich will einmal sagen, ich habe mich schon daran gewöhnt, mir macht das nichts mehr aus. Ich muß wohl nicht exerzieren, aber wie viele Nächte bin ich schon hier gesessen und habe durchgearbeitet. Dann lebt man doch hier draußen in jeder Beziehung unter anderen Bedingungen. Ich denke, daß er sich schon hineinfinden wird. Das geht den meisten so, die hier in den Osten kommen. Bei einem ist es schlimmer und beim anderen wirkt es sich weniger schlimm aus. In dieser Beziehung sehe ich schon mit Bangen dem Sommer entgegen. Man wird das aber auch wieder überstehen, wenn es einem dabei auch manchmal hundeelend ist.  Die Bücher sind ja inzwischen an Dich abgegangen. Vielleicht hast Du diese bald erhalten. Ich habe aber schon wieder welche bekommen. Ich sandte Dir doch kürzlich ein Bilderbuch mit den Menschen von Flandern. Gestern erhielt ich aus dieser Sammlung Köpfe von Schleswig Holstein. Es wird Dir sicher auch sehr gut gefallen. Es ist eine sehr schöne Ergänzung dazu. Du hast ja in letzter Zeit verschiedenes zu lesen bekommen. Ich denke, daß ich Dir damit eine Freude bereitet habe. Früher hast Du ja nicht gern gelesen, das müßte sein, daß Du es Dir in letzter Zeit angewöhnt hast. !! Ich glaube aber, das nicht annehmen zu müssen. Das ist ja kein Schade, wenn das der Fall sein sollte, denn es trägt ja zur Weiterbildung in irgendeiner Form bei. Das kann Dir ja nichts schaden, denn Du wirst es nötig haben, wenn Du auf einmal so wissensdurstig geworden bist. Das war wieder einmal eine willkommene Gelegenheit, Dir eines auszuwischen und Dir die Meinung zusagen. Findest du nicht auch? Ich kann eben einfach nicht davon lassen.
Also bitte nicht krumm nehmen, wenn es zu grob sein sollte. Es fehlt einem ja das richtige Maß dafür.  Ich habe einige Kleinigkeiten, die man so mit verwenden kann, besorgt. Ich denke, daß Du für solche Sachen schon Verwendung hast. Man muß ja in jeder Beziehung auf lange Sicht rechnen, darum muß man sich jede sich bietende Gelegenheit wahrnehmen und das kaufen, was man nützlich verwenden kann. Es sind zwar Kleinigkeiten, aber mitunter fehlen sie einem doch.  Mein heutiges Schreiben möchte ich nun abschließen. Nimm bitte recht viele liebe Grüße entgegen und sei nochmals geküßt von Deinem Ernst.

Brief 414 vom 06./07.04.1943


Meine liebe Annie !                                                                            6.4.43    
     
Vorhin erhielt ich Deinen lieben Brief vom 29.3. Ich danke Dir sehr. Den beigefügten Artikel „Sonderführer und Beamte an die Front zurück“ wurde mir schon bekannt gegeben, als unser Rat vom Urlaub zurückkam. Er war auch aufgrund dieser Schreiberei der Ansicht, daß das für alle zutreffen würde. Wir hatte aber noch nicht davon erfahren.
Wenn etwas derartiges geplant und durchgeführt wird, dann müssen wir hier doch etwas davon wissen. Am vergangenen Samstag war nun der Chef von der gesamten Kriegsverwaltung in allen besetzten Ländern bei uns hier. Dem wurde dieser Artikeln, der mir am gleichen Tag in die Hände fiel, vorgelegt und er sagte, daß das ein Quatsch sei. Die Beamten, die jetzt hier sind, sollen nicht mehr abgelöst werden, weil er sonst für das Funktionieren des gesamten Verwaltungsapparats Befürchtungen haben müßte.
Damit wäre wohl Deine Frage wegen dieses Artikels schon beantwortet.  Das war aber recht, daß Ihr einmal in den Wald gegangen seid. Grüßt ihn von mir, wenn Ihr das nächste Mal hingeht. Ich habe ja gestern in meinem Brief von diesen Spaziergängen von früher geschrieben. Da passte mir das heute noch gerade so. Es ist doch immer schön gewesen. Der Weg nach dem Exerzierplatz oder nach Katherinen oder der Mainau.
Glühbirnen habe ich inzwischen zwei aufgegabelt. Ich weiß zwar nicht, ob sie die richtige Spannung haben. Ich werde sie Dir mit zusenden, dann kannst du ja sehen, ob sie Verwendung bei Dir finden können.  Das war ist aber nett von den Kindern gewesen, wenn sie Dir während Deines Einkaufs in der Stadt alles so schön vorbereitet hatten. Das war sicher lieb gemacht, wenn sie die Blumen um den Teller und die Tasse gruppiert hatten. Es sind doch ganz  aufmerksame Kerlchen, das muß man ihnen schon lassen. Sie erhalten ja keine Anweisung dazu und tun es ganz aus sich selbst heraus.  Uns macht diese Stunde beim Vorrücken der Uhr nun nichts aus. Im Gegenteil.
Abends ist es schön, wenn es ½ 7 Uhr noch hell ist. Früh steht ja hier schon kurz nach 5 Uhr die Sonne am Himmel. Zwar auch nur, wenn sie scheint.  Für uns ist dies wirklich angenehmer. Bei Euch und noch mehr weiter im Westen ist das etwas anders.
Aber in wenigen Tagen werdet Ihr auch darüber hinweggekommen sein.  Daß beim Finger von Jörg keine Komplikationen eingetreten sind, ist ja beruhigend. Aber, wie ich gestern schon schrieb, hoffe und wünsche ich, daß es ihm nunmehr eine Lehre ist. Denn er sieht doch, was er sich mit der Fingerbeißerei angerichtet hat. Man kann dies ja nur wieder Deiner führsorgenden Art zuschreiben.  Mein Brief von gestern habe ich unseren Urlaubern mitgegeben, die ihn dann in Deutschland in den Kasten werfen.
Die Marken kannst Du dann mit aufheben. Es sind welche mit dem Aufdruck von hier gewesen. Bei uns passiert hier eigentlich nichts weiter, was Dich interessieren könnte. Ich habe hier meinen Kameraden, den Sonderführer, darum angehalten, Daß er mich einmal in die Künste des Autofahrens einweihen soll. Da werde ich mich an einigen Mittagen dahinter setzen, damit ich da auch einmal hinter mich bringe. Ich denke, daß das nichts schaden kann.  Für heute, mein lieber Schatz, herzliche Grüße und unseren Kindern einen kräftigen Kuß von ihrem Vaterle. Dir gebe ich ihn zwar nur im Geiste, aber darum nicht minder kräftig. In Liebe zu Euch, Dein Ernst.

Mein liebster Schatz !                                                                   7.4.43  
  
Ich danke Dir sehr für Deinen Brief vom 30.3., den ich heute erhielt. Es hat mich vor allen Dingen gefreut, als ich lesen konnte, daß Dich die Kinder bei der Gartenarbeit so fleißig unterstützt haben. Das bedeutet schon eine Hilfe, wenn sie Dir das Zeug zugetragen haben. Ich weiß, daß Dir die Schlepperei nicht zuträglich ist. Das Umgraben an sich ist ja schon eine Arbeit, die an einen gesunden Mensch Anforderungen stellt.
Wie ich aus dem Durchschlag Deines Briefes an Deinen Vater ersehe, bist Du immer noch nicht vollkommen auf dem Damm. Ich muß Dich wiederum mit aller Bestimmtheit darauf hinweisen, daß Du dich sehr vorzusehen hast und mit Deiner Gesundheit nicht so umspringen kannst, wie Du es wohl gerne möchtest. Ich glaube Dir gern, daß es Dein Wunsch wäre, so arbeiten zu können, wie Du es Dir vorstellst., aber du mußt weise gegeneinander abwägen, was Du tun mußt und was Du leisten kannst. Wenn sich das gerade ausgleicht, dann ist es gut. Fällt aber mehr Arbeit an, als Du zu leisten imstande bist, dann mußt Du wohl oder übel das eine oder andere aus Deinem Programm streichen. Kannst Du dagegen mehr tun, das heißt, sind Deine Kräfte größer als die anfallende Arbeit, dann kannst Du das eine oder andere noch vornehmen. Nur wenn Du die Dinge so betrachtest, nutzt Du Dir und uns. Es ist nicht damit getan, daß nun Deine Kopfschmerzen vorbei sind. Ein weiterer wichtiger Faktor ist, daß die anderen Organe vollkommen intakt sind. Du bist ja kein Kind, dem man das im einzelnen auseinandersetzen muß. Du bist doch immerhin eine Frau, die in die Welt passt und die auf den verschiedensten Lebensgebieten hat Erfahrungen sammeln können. Darum appelliere ich heute nochmals an Deine Einsicht und hoffe, daß Du auch in allen Punkten danach handelst. Daß Du einsiehst, daß ich recht habe, das weiß ich auch so, ohne daß Du mir das bestätigst. Ich habe Dir früher in den verschiedensten Fällen schon geschrieben, daß Du nicht für Dich allein da bist, sondern daß Du auch für uns lebst.
Das klingt wohl von uns aus gesehen etwas egoistisch, aber in diesem Fall muß man so sein, denn es dreht sich ja eben mehr als Deine Gesundheit allein. Besser wäre es ja, ich könnte Dir persönlich den Kopf waschen und in dieser Beziehung zurechtsetzen.
Glaubst Du, daß das notwendig ist? Man macht sich schon oft Gedanken über unsere beiden Lauserle und damit noch nicht genug, fängst Du Lauser auch noch an. Also sei bitte lieb und mache mir die Freude und halte Dich an das, was ich Dir geschrieben habe.  Das ist gut, was Dir Helga erzählt hat, ich hätte ihr gesagt, daß sie die Steine nehmen dürfe. Das ist wohl ein kleiner Irrtum. An sich ist es aber recht, wenn sie sich bei diesen Gelegenheiten daran erinnert und sich die Sachen ansieht. Ich habe nichts dagegen. Ich erwarte nur, daß sie die Sachen so wieder mitbringt, wie sie sie mitgenommen hat. Und daß sie nicht mutwillig kaputtgemacht werden. Ich bin gar nicht so böse, wie ich ausschaue. Unsere Große ist nun schon so alt, daß sie zu den Jungmädeln einrücken muß. Die Jahre vergehen, das glaubt man nicht, und eines Tages gehen einem wieder die Augen auf. Wenn sie sich mit Ingrid abgibt und sich mit ihr in der gleichen Gruppe meldet, Man kennt die Familie und die Verhältnisse daheim, man weiß dann, wen man vor sich hat. Das ist doch für die Entwicklung der eigenen Kinder immerhin von Bedeutung.  Daß der Blumenstock so fleißig blüht, hatte ich damals doch nicht gedacht. Mit diesen Primeln hat man sonst Pech. Sie blühen ab und dann ist es aus.
Das macht aber sicher auch die liebevolle Pflege von Dir. So sind sie Dir eine liebe Erinnerung, wenn Du sie siehst und ich denke auch immer wieder daran, wenn Du mir davon schreibst.  Wegen des Fahrrads mache dir nur keine Gedanken. Das ist ja für Dich lebensnotwendig. Bei der eigenartigen Verlegung der Einkaufsmöglichkeit in Konstanz kann man dir ja nicht zumuten, daß Du Deine Wege zu Fuß erledigst und damit den halben Tag verläufst. Wegen eines Rades für Helga würde ich doch einmal etwas unternehmen. Du brauchst ja nur eine kleine Anzeige aufzugeben. Etwa folgender Art: „Damenfahrrad, neu oder gebraucht sofort zu kaufen gesucht. Angeboten unter ....“ Für das erste braucht es nicht mehr zu sein. Wenn das nichts hilft, muß man etwas anderes erfinden. Bezahlung spielt ja keine Rolle, denn das kann ja bar bezahlt werden.  Wie steht es eigentlich damit. Vater muß doch nach einem neuen Wohnungsgesetz beim zuständigen Bürgermeisteramt seine Wohnung anmelden, weil er sie ja allein bewohnt. Das ist schon ein komplizierter Fall.  Ich weiß zwar nicht, was man damit beabsichtigt, aber ohne irgendwelche Absicht wird man dies ja nicht verlangen.  Dir und den Kinder wieder viele liebe herzliche Grüße und Küsse Dein Ernst.

Brief 413 vom 05.04.1943


Mein liebster Schatz !                                                               5.4.43       
                  
Vielen Dank für Deinen Brief vom 28.3. Ich erhielt ihn gestern.  Sehr habe ich mich über ihn gefreut. vor allem, als Du mir schriebst, daß die Kinder mit ihrem Vater wieder einmal in den Wald gehen würden. Ich kann dazu sagen, ich würde es auch gern tun, Wenn man es richtig nimmt, so könnte ich im Moment gut hier weg, denn die Betätigung ist nicht so wichtig, als das ich hier jetzt nicht entbehrt werden könnte.
Du weißt ja, wie das beim Barras ist, da muß man auf seinem Platz sitzen, ob es einen Sinn hat oder nicht. Deshalb denkt man am besten nicht erst extra nach, denn mit solchen Gedanken macht man sich das Herz nur schwer. Besser ist es dann schon, wenn man sich auf diese Anregung hin im Geiste in die Gegend des Riesenbergs oder unseres Hausberges, des Tabor, versetzt. Wie oft sind wir zu allen Jahreszeiten dort herumgetippelt. Vor 14 Jahren waren wir das erste Mal gemeinsam dort oben. Seither sind wir so oft und auch so gern, dort oben gewesen. Was haben wir dort schon für nette Stunden mit den Kindern verbracht. Einmal war ich mit unserer Helga allein im Winter oben. Durch das Gehölz sprangen ein paar Rehe. Ihr war das noch ganz fremd. Sie machte ganz große Augen und war verwundert, mit welcher Schnelligkeit diese Tiere verschwanden. Dann muß ich vor allem an den Bach denken, über den wir immer hinweg mussten. Das war doch jedes mal ein willkommener Anlass, Steine hineinzuwerfen. Wie schwer waren sie dort wegzubekommen. Im Winter sind wir von unseren bewaldeten Buckeln hinuntergerodelt. Fast jede Jahreszeit kann man herausgreifen, immer wird einem etwas einfallen. Im zeitigen Frühjahr haben wir die sonnigen Wege aufgesucht und wenn es zu warm wurde, dann haben uns die kühlenden Schatten des Waldes aufgenommen. Dort haben wir uns am Sonntag Kraft für die kommende Woche gesucht, und wenn wir dann womöglich einen Rucksack voll Tannenzapfen oder eine Tasche voll Tee mit nach hause brachten, dann waren wir mit uns zufrieden. Meist fanden wir noch ein Stückchen Kuchen, den wir für den Nachmittag aufgehoben hatten, vor. Dieser bildete so den Abschluss des Sonntagnachmittagsvergnügen. Es war aber schön, das läßt sich nicht bestreiten.  Auch die Bestätigung des Empfangs von 3 weiteren Päckchen hat mich gefreut. Es ist zwar schade, wenn eines wieder einmal nicht angekommen ist, aber bei einem solchen Großversand, wie ich ihn in der letzten Zeit hatte, kann das schon einmal passieren. Wichtiger ist dagegen bestimmt, daß mein Pullover eingetroffen ist, denn in der jetzigen Zeit ist er unersetzlich.  Daß unserem Jungen von seiner Fingerkauerei der kleine Finger schlimm geworden ist, wird ihm wohl eine Lehre hoffentlich gewesen sein. Das wird schon schmerzhaft gewesen sein. Aber das viele Reden hat ja nie etwas geholfen. Ich würde es wünschen, wenn er sich nach diesem Ereignis die Folge etwas merken würde. Er kann nur froh sein, daß Du ihm wieder so behilflich gewesen bist. Das Schneiden beim Arzt wäre sicherlich unangenehmer gewesen. Vorsichtig muß man schon sein, denn mit einer Blutvergiftung, von der Du sprichst, kann man schon rechnen. Damit ist eben nicht zu spaßen.
Im Garten hast Du nun mit den ersten Arbeiten angefangen und erste Aussaaten gemacht. Ich wünsche Dir viel Glück zu allem und eine gute Ernte. Sie wird wohl auch nicht ausbleiben, wenn Du Dir soviel Mühe damit gibst. Es gibt zwar unvorhergesehene Fälle, an denen man nichts ändern kann, aber was die aufgewendete Mühe und Liebe anbelangt, so wirst Du Dir immer wieder sagen können, daß Du Deine Pflicht getan hast. Auf das andere hast man ja keine  Einwirkung.  Daß Du Dir die Wochenschau mit der Einnahme von Charkow ansehen willst, das kann ich schon verstehen. Manches wirst Du gesehen haben, wo ich schon herumgestiegen bin. Gestern habe ich die ersten illustrierten Zeitungen erhalten davon. Manches habe ich wiedergesehen. Man interessiert sich doch, wenn man sich solange dort aufgehalten hat.   Daß man Dir vom Luftschutzbund aus noch besonders ein Dankschreiben für Dein erfolgreiches Sammeln geschickt hat, finde ich sehr nett, denn damit hebt man ja unbedingt die Lust, sich bei anderer Gelegenheit wieder einzusetzen. Ich kann Dir sagen, daß mich das genau so freut, wie es Dich gefreut haben mag.  Ich habe ein kleines Osterpäckchen für Euch fertiggemacht. Es ist bestimmt nicht viel. Ich sage das deshalb, damit Du nicht etwa denkst, ich hätte wieder Gelegenheit gehabt, etwas zu organisieren. Ich weiß, daß Du keine Ansprüche stellst, aber ich will Dir andererseits keine Bilder vorgaukeln, die ich wohl gerne in Wahrheit umsetzen würde. Was aber jetzt im Moment leider nicht möglich ist. Ich weiß, daß wir uns in dieser Hinsicht verstehen. Ich habe da einige von mir verfassten Sachen beigelegt. Sie liegen lose bei. Wenn es Dir gefällt, kannst Du dies dort einkleben, wo ich sie eingefügt habe. Wenn nicht, dann lege sie beiseite, oder mach damit, was Du denkst. Ich erwarte dann jedenfalls Deine Meinungsäußerung.  Du kannst Dich darauf verlassen, daß ich mein Möglichstes getan habe, diesem Missgeschick aus dem Wege zu gehen.  Heute bekam ich gerade die Nachricht, daß die Kameraden, die von den Beamten wieder zur Truppe kommen, schon fast alle herausgezogen worden sind und nach Marburg in Marsch gesetzt wurden. Weil bei mir der Antrag läuft, ist ja davon nun Abstand genommen worden. Ich schreibe Dir das nur, um Dich zu informieren, daß es verhältnismäßig schnell gegangen ist. Das Schreiben werde ich nun machen, damit auch diese Sache klargeht. Ich kann mir denken, daß Du nicht gerade der besten Stimmung gewesen bist, als man Dich so lächelnd abwies. Wie dem auch sei, so kann man nur sagen, daß das typisch ist. Erst bekommt man eine halbe Auskunft, und wenn man dann die Gegenbeweise beibringt, dann fangen die Brüder an, das große Maul zu haben und wenn sie auch dann nicht mehr weiter können, dann fangen sie an zu lächeln, um sich über ihre eigene Hilflosigkeit hinweg zu helfen. Das werden wir auch nicht so schnell aus der Verwaltung herausbekommen, weil wir immer wieder unfähige Menschen bekommen, die es nicht verstehen, sich durchzusetzen. Was gerade den Metzler anbelangt, so mag der Mann früher ein guter Friseur gewesen sein. Als Beamter ist er nach einer bestimmten Seite ein Arschkriecher, um dann auf der anderen Seite seinen Kollegen schlecht zu machen. Das sind Charaktere !  Lassen wir die Sache begraben sein, ich hoffe, die Sache schon noch hinzubiegen.  Was meinst du eigentlich dazu. Ob ich den Fotoapparat von Kurt nehme. Es gab hin und wieder einmal Bilder zu machen, die man später gern einmal hervorholt. Kurt hat ihn ja immer auch so verwendet, und ich finde, daß es schade wäre, wenn man ihn nun herumliegen läßt und kein Mensch sieht ihn mehr groß an. Ich habe mich wohl gefragt, was Kurt dazu sagen würde; denn wie es auch sei, man betrachtet es doch immer als sein Eigentum.
Ich glaube, daß er, wie ich ihn gekannt habe, mir zustimmen würde. Ich bitte dich aber, mir Deine Ansicht darüber mitzuteilen, was Du denkst. Diese Übersendung muß natürlich nicht sofort sein, ich habe nur kürzlich diesen Gedanken gehabt und wollte darum mit Dir darüber sprechen.  Heute habe ich nun mein Pensum erledigt, denn ich habe nichts weiter auf Lager. Sei Du mit den Kindern recht herzlich gegrüßt und viel, vielmals geküßt von Deinem immer an Dich denkenden Ernst.