Dienstag, 18. Dezember 2018

Brief 505 vom 30./31.12.1943


Herzliebster Schatz!                                                                            30.12.43  
      
Mit meinem heutigen Schreiben an Nannie wirst Du wohl nicht ganz einverstanden sein, aber es hat einmal sein müssen. Eine Stelle in ihrem Brief gab den Anlass dazu, und ich dachte, daß ich diese Gelegenheit beim Schopfe packe, um einmal Klarheit zu schaffen. Ich weiß nicht, wie sie darauf reagiert und was sie sich dabei denkt. Das betrachte ich aber alles für nebensächlich, denn mich interessiert nun einmal, ob sie sich positiv oder ablehnend dazu einstellt. Ich muß Dir ehrlich sagen, daß mich das schon die vergangenen Jahre immer gestört hat, daß ich in diesem Fall nicht mußte, woran ich bin. Siehst Du, bei Paula, da wissen wir, wie wir uns zu verhalten haben, denn man muß auch einmal den Mut haben, eine Sache radikal anzupacken, um Gewissheit zu bekommen. In einer Form wird sie sich äußern müssen. Wenn sie Dir schreibt, dann kannst du es auch wieder tun, denn von den Kindern gibt es immer wieder etwas zu erzählen und auf andere persönliche dinge brauchst Du ja nicht weiter eingehen. Schreibt sie Dir nicht, dann ist dies der letzte Versuch von mir gewesen, zu einem Einvernehmen in dieser Beziehung zu kommen. Ich hoffe nicht, daß Du Dich gekränkt fühlst, wie ich das nun erledigt habe. Je nachdem wie sie sich verhält, kannst Du ihr dann die in Aussicht gekommenen Korinthen schicken und auch ein Bild könntest Du ihr dann ebenfalls senden. Doch wir wollen hier erst abwarten, wie ich es oben schon angedeutet habe.
Ich habe die Angelegenheit, die mir etwas schwer auf der Seele lag, gleich vorweg genommen. Nun ist es mir wieder leichter und ich kann auf die anderen Dinge zu sprechen kommen, die noch zu erledigen sind.  Die Bilder, die mit unser Jörg gemalt hat, hat es also ganz aus dem Gedächtnis gemacht. Ich muß schon sagen, daß sie nicht schlecht sind. Auch die kleine Zeichnung unserer Helga über die BdM-Mädchen ist ganz ordentlich. Man sieht doch sofort, was sie sagen will. Auch ihr muß ich meine Anerkennung aussprechen. Das freut mich, wenn sie sich immer wieder einmal so etwas vornimmt. Deine Stellungnahme wegen des einen Lehrers ist in Ordnung. Warte also erst einmal ab, wie es mit den Zeugnissen steht und vielleicht kann man noch etwas warten, es ist ja möglich, daß auch dort eine Änderung eintritt. Wie ich aus Deiner Mitteilung über das Gespräch mit dem anderen Mädchen merke, ist das ja allgemein bekannt, daß das solch ein Raudi ist. Die Schule wird ihn jetzt brauchen, weil keine Mensch daheim ist, darum wird er sich auch so stark fühlen. Na, das beruhigt mich, daß Du nun die Bezeichnung „großmächtiger Schwindler“ mit allen Zeichen des Bedauerns zurückgenommen hast. Schon die vergangene Zeit habe ich keine ruhige Minute gehabt, weil ich mir immer vorstellen mußte, wie Du mich einschätzt. Jetzt ist ja alles geklärt und ich kann getrost und ungehindert meinem Tagewerk nachgehen. Aber nicht nochmals etwas sagen Du!
Die Sache mit dem Katalog lasse jetzt nur einmal auf sich beruhen. Lasse ihn ganz, ich werde mich so behelfen. Bei Gelegenheit könntest Du mir einmal aufschreiben, was für Marken ich von den deutschen Kolonien habe. Achte dabei auf die Werte. Denn es gibt Pfennig und Cents.
Es war sicherlich so ein Geschäft für unsere beiden Lauser, beim Backen und beim Ausstechen zu helfen. Da gibt es ja immer wieder einmal etwas Teig zum Probieren; und beim Backen muß doch auch einmal probiert werden, wie alles geworden ist. Jetzt haben sie ja wieder Ferien, das wird ihnen sicherlich gefallen.  Nun, wo Du einen Weihnachtsbaum erhalten hattest, war es doch sicherlich immerhin etwas festlich. Ohne Baum ist es doch trostlos und Weihnachten ist auch nicht richtig. Das hast Du richtig gemacht, daß Du auch für Euch Stollen gebacken hast. Ich weiß ja, daß das Problem immer darin liegt, wo Du das Mehl und den Zucker hernehmen sollst. Doch Kleingebäck habt Ihr ja auch gehabt, so daß Ihr über die Feiertage wohl auch auf Eure Rechnung gekommen seid.
Nett ist es von Frau Dietz, wie sie immer an unseren Jungen denkt. Er könne sich selbst aber auch einmal bei ihr bedanken. Sie würde sich sicher darüber freuen.
Mir fiel vor einigen Tagen ein, daß doch jetzt die kalte Jahreszeit bei uns in Deutschland ist. Ich denke, daß auch die Eisbahnen in Konstanz  wieder aufgemacht worden sind. Wie wäre es, wenn sie unsere Beiden einmal daran machen würden, das Schlittschuhlaufen zu erlernen. Von Kurt sind meines Wissens Schlittschuhe, wenn ich mir nicht irre, sogar zwei Paar da,. Was meinst Du dazu. Die besseren müssen sie aber in Ehren halten. Die anderen müßte man evtl. etwas abschleifen mit Sandpapier, wenn sie etwas verrostet sind. Dann haben wir doch noch eine Flasche mit Öl da, an die wir nicht herangegangen sind. Wenn Du damit die Dinger einmal einölen willst, dann wäre sie auch wieder in Ordnung. Doch darüber kannst Du mir ja einmal Deine Meinung schreiben.
Ich schließe mit den besten Grüßen und mit vielen lieben Küssen. Dein Ernst.

Du mein liebster, bester Schatz!                                                                  31.12.43 
      
Der Dienst ist beendet. die Arbeit für diese Jahr damit auch. Ich sitze nun im alten Jahresabend hier und will Deiner, der Kinder und Vater gedenken.  Was werdet Ihr wohl heute Abend tun? Wahrscheinlich zündet Ihr, wie das immer so üblich war, die Kerzen am Baum an und feiert nochmals still für Euch den Jahresschluss. Vater wird später zu Dir hinaufkommen. Das Radio wird spielen und noch etwas festliche Stimmung verbreiten. Die Rede von Goebbels werdet Ihr auch mit anhören.  Dich ich bin davon überzeugt, daß Eure Gedanken oft bei mir weilen werden. Ihr werdet von mir sprechen und ich werde an Euch denken. die Gedanken gehen somit hin und her, so daß sie sich im weiten Raum treffen. Das Gedenken geht aber auch gerade in diesen Stunden zurück in das abgelaufene Jahr. Nochmals durchlebt man die verschiedenen Dinge, die es uns gebracht hatte an Leid aber auch an Freude. Doch alles das habe ich ja schon einmal behandelt in  meinem Neujahrsbrief. Ich könnte mich höchstens wiederholen, und das ist ja schließlich nicht notwendig. Eines wollen wir aber noch tun, wir wollen dankbar sein für all das, was uns an Schönem gegeben wurde und das Leid, was es uns gebracht hat, wollen wir stolz im Gedanken an ihn tragen, der sich geopfert hat. Ob Ihr nun lange zusammensitzen werdet? Ich weiß es nicht. Doch es ist ja möglich, Die Kinder wirst Du aber, wie wir das auch früher gemacht haben, um Mitternacht wecken und ihnen ein gesundes neues Jahr wünschen. Du siehst, immer und immer kreisen meine Gedanken um Euch und um unser Heim. Immer fällt mir das eine oder andere ein, was sich als Brauch bei uns im Laufe der Jahre her ausgebildet hat.
Hier war wieder, wie alles recht „großzügig“. Ich schreibe ja im allgemeinen nicht darüber. Aber es ist Jahresschluss und da kann man damit viel leicht auch eine solche Sache begraben in der Annahme, daß es im kommenden Jahr besser wird. Im Kasino unserer Offiziere  ist heute Abend wieder ein Abendessen. Für uns hat es anscheinend nicht mehr gereicht, wir bekommen unsere kalte kost in die Hand gedrückt und können uns auf unsere Bude verziehen. Ich habe keinen Groll deshalb, denn dies wird wohl nie anders sein und werden, daß man einen Unterschied macht. Aber immerhin hatte ich erwartet, daß man eine Kleinigkeit macht. Aber solche Gedanken darf man sich beim Barras nicht erlauben, denn das geht meistens schief. Ich gehe aber in das allgemeine Offizierskasino und will dort versuchen, noch etwas zu bekommen. Ich bin im allgemeinen nicht so veranlagt, aber man muß die Ellenbogen benutzen und nur an sich denken, sonst kommt man hier unter die Räder. Wenn ich Dir das schreibe, mußt Du Dir um mich keine Gedanken machen, denn ich helfe mir immer schon so gut es geht. Meist finde ich einen Ausweg und das ist ja wichtig.  Um 8 Uhr findet dann eine gemeinsame Feier statt und um 11 Uhr ist schon allgemeiner Zapfenstreich. Man will damit verhüten, daß irgendwelche Besäufnisse oder sonstige Ausschreitungen stattfinden. Das wird somit ein ganz nüchternes Silvester. Es kann ja nichts schaden. Ich werde mich dann auf meine Bude setzen, mir die Kerzen auf meinem Adventskranz anzünden und mit meinen Gedanken in der Heimat weilen. Die Mitternacht werde ich noch abwarten und dann gehe ich auch schlafen. Morgen will ich am Nachmittag mit dem einen Kollegen in des Offiziersheim, von dem ich Dir früher schon einmal schrieb, das uns so ordentlich bewirtet hat. Wenn es dann noch langt, willen wir das, was wir am heutigen Abend zum Feiern versäumt haben, etwas nachholen, aber es wird schon nicht zu toll werden. Damit sind dann die Feiertage wieder alle abgeschlossen und wir können mit neuer Kraft und mit neuen Hoffnungen in das Jahr gehen, das nun vor uns liegt. Ich wiederhole am alten Jahresabend nochmals meinen Wunsch, den ich im Neujahrsbrief ausgesprochen habe, hoffen wir, daß wir diese Jahr und das Ende des Krieges alle gesund erleben werden. Alles andere wird sich finden und wir werden da, was an uns herankommt, meistern, wie wir das bisher auch getan haben. Nicht wahr, mein Schatz? Wenn uns wieder einige schöne Urlaubstage beschieden werden, dann wollen wir uns wieder unbeschwert dieser Stunden, die uns da gegeben werden freuen. Das sind so meine Gedanken, die mich heute bewegen und ich denke und fühle, daß Du das in gleicher Weise empfinden wirst. Darum Glück auf zum Neuen Jahr mit vielen guten Wünschen für uns alle Dein Ernst.

Brief 504 vom 28./29.12.1943


Mein liebster Schatz!                                                                          28.12.43  
      
Nachdem ich so lange auf Post gewartet habe, bin ich heute wirklich reich entschädigt worden. Von Dir bekam ich den fehlenden Brief vom 9./10.12. und den langen Brief vom 16.12.. Dann trafen Briefe ein von Nannie, von meinem Kameraden Finessen und der Brief von Aretz, den Du mir nachgesandt hast kam ebenfalls an. Vom Evangelisch – Lutherischen Pfarramt zu St. Petri in Bautzen erhielt ich eine Mitteilung, daß die Kosten für die von mir angeforderten Urkunden 9,30 RM betragen und daß ich diese auf das Postscheckkonto Dresden Nummer 22469 einzahlen soll. Mache das doch bitte von dort aus, ich werde entsprechende Nachricht nach Bautzen geben. Wenn die Sachen dann bei mir eingegangen und verarbeitet sind, dann lasse ich sie Dir wieder zugehen. Über alle Post habe ich mich sehr gefreut, auch darüber, daß Du mir Mitteilung gabst, daß ein Bild vom Grab unseres lieben Kurt kam. Mit dem anderen Brief erhielt ich nun schon den Abzug, was mir insofern eine stille Freude war, weil man nun weiß, wie sein Grab aussieht und daß es einigermaßen in Ordnung gehalten war. Daß ein Schreibfehler auf der Tafel vorliegt, hast Du ja schon an den Gräberoffizier mitgeteilt.  Falls er uns eine Berichtigungsfoto einmal zusenden kann, dann wäre das noch besser. aber das wollen wir nur als ein Schönheitsfehler betrachten. Wichtig ist, daß man weiß, wie es sonst aussieht.  Doch nun zu Deinen Briefen selbst. Gefreut hat mich dann Deine Mitteilung, daß Du das getrocknete Brot zu einem vollständigen Essen verwenden kannst.  Das ist selbstverständlich besser wie wenn Du nur Suppe davon bereiten könntest. Ich kann mir vorstellen, daß das ganz ordentlich schmeckt. Ich habe in nächster Zeit wieder einen Karton voll zusammen. Wenn es soweit ist, geht das Brot wieder an Dich ab. Wie Du schreibst, hast Du ja immerhin noch einen kleinen Vorrat. Das eine Päckchen Nummer 9, das Du fälschlich als 8 bezeichnest, enthielt ja auch Brot. Anscheinend ist es geklaut oder verloren gegangen. Wenn es einer geklaut hat, dann wird er wohl keine besondere Freude daran gehabt haben. Es ist kein großer Wert verloren gegangen, aber Euch hätte es doch wieder einmal ein Essen gegeben. Da kann man eben nichts machen.
Über die Urkunden aus Kamnitz hast Du Dich also gefreut. Es ist doch schön, wenn man einmal ziemlich die Sachen zusammenbekommt. Bedenken hast Dun nun also, daß der Branntweinbrenner Samuel geheißen hat. Ein Junge hieß auch David. Ich bin der Meinung, daß es früher recht oft üblich war, biblische Namen zu geben ohne dass das in rassischer Hinsicht etwas zu sagen hat. Der Name allen macht es ja auch nicht. Wir werden ja sehen, was wir für weitere Nachricht bekommen. Immerhin sind wir schon wieder ein Stück weitergekommen, wie ich ja eingangs dieses Briefes schon erwähnte.
Wenn ich nach Deiner Ansicht sooooooooo frech geworden bin und aus den engen mir gesteckten Grenzen gegangen bin, dann bitte ich Dich gütigst zu verzeihen.  Ich bin bestrebt, es nicht so bald wieder zu tun. Wenn Dur mir aber einmal schreibst, ich sei ein elendiger Lausebengel, so stehe ich ganz unerschüttert da, denn über solche profane Ausdrücke bin ich erhaben. Riechst Du nicht die Vornehmheit, mit der ich das wieder gesagt habe. Ich ziehe ein bisschen dabei die Nase hoch und stehe mit verschränkten Armen vor Dir. Jetzt kannst Du Dir das doch ungefähr ausmalen. Nein, meine Liebe. Mir geht es wie unserem Herren Sohn, das macht mir nichts aus, im Gegenteil, das ehrt mich in gewisser Beziehung, denn ich merke doch, daß mein Schreiben richtig verstanden worden ist. Das ist mir die Hauptsache.
Ich kann mir denken, daß Du allerhand Zeit so am Tage verläufst und auch mit den Anstehen und Warten zubringst, wenn man dann noch ab und zu Erfolg hat, wie beispielsweise mit dem Kännchen, dann geht es noch an, aber wenn man dann immer und immer wieder vergebens wegen einer Butterdose anfragt, dann vergeht einem die Lust. Aber ich kann Dir sagen, wenn man etwas bringt oder wenn man sonst Beziehungen hat, dann erhält man sicherlich das, was man haben will auch ohne lange dafür anstehen zu müssen. Denn man hat es ja wieder gesehen, wie es Dir bei Jegglin und Kaltenbach gegangen ist. Denkst Du etwa, die haben nicht gewusst, daß keine Kannen mehr da sind. Nein, man hält die Waren nur künstlich zurück und man verursacht den Kunden nur noch mehr Lauferei. Das ist sehr bedauerlich, aber es ist nun einmal so geworden.  Falsche Bescheidenheit ist heute bestimmt nicht mehr am Platz. Hier muß man zusehen, wie man zu etwas kommt, denn sonst sieht man immer in die Röhre.
Wenn ich auch weiß, daß sie nicht mehr an den Nikolaus glauben, so will ich den Brauch bei uns doch nicht brechen, daß er in jedem Jahr so oder so an sie gedacht hat.
Für heute herzliche Grüße und viele Küsse. Morgen schreibe ich ja gleich weiter. Dein Ernst.

Meine liebe gute Annie!                                                                          29.12.43 

Wie Du mir in Deinem Brief noch mitteilst, hast Du für Euch einige Zwiebeln bekommen. Ich sehe aber weiter, daß Du anscheinend selbst nicht genügend hast. Ich sandte doch vor einigen Tagen welche an Deine Adresse ab, die Du an Vater weitergeben sollst. Wenn Du selbst nicht soviel hast, wie Du brauchst, dann mußt Du ja nicht alle Vater geben, sonder behalte doch Du auch welche. Ich werde schon wieder einmal welche hinschicken, wenn ich genügend beieinander habe.
Dann lese ich, daß Helga mit den vielen Aufgaben Schwierigkeiten hat. Ha, Du mußt sie schon selbst einmal fragen, ob es ihr zuviel ist auf die Dauer. Vor den Weihnachttagen hat es sich ja sehr angehäuft. Aber wir wollen doch erst einmal abwarten, was mit den Zeugnissen wird. Wenn Du aber aus irgendwelchen Gründen Bedenken hast, dann teile mir das nur ungehindert mit, denn es hat andererseits keinen Wert, wenn wir das Kind über die Kräfte beanspruchen und sie liegt uns dann zeitlebens kränklich da. Doch man darf auch nicht zu ängstlich sein. Aber du wirst das schon richtig machen, das weiß ich ja. Wenn Du es für ratsam hältst, dann muß sie eben einmal mit dem turnen aussetzen. Sie ist nun für ihr Alter schon ein langer Ständer. Ich weiß ja selbst, wie ich verwundert war, als ich sie nach meinem Urlaub wiedersah. Aber solange sie noch dabei gesund ist, wird es schon gehen. Mit dem Turnen wollen wir dann auch erst einmal zuwarten, bis es dann Deiner Meinung nach nicht mehr geht.
Ich muß sagen, daß Du es doch fein hast.  Du träumst immer wieder einmal von dem, was Dir angenehm ist. Ich kann mich fast nie darauf besinnen, daß ich träume. Das ist so selten, daß das schon nicht zählt.  Wenn ich dann schon einmal träume, dann ist es meist ein Quatsch, daß ich da nicht erst lange darüber nachdenken brauche. Aber alles kann man eben auch nicht haben, _ Vor 14 Tagen hat es bei Euch nun schon geschneit. In der Zwischenzeit wird das wohl noch einige Male der Fall gewesen sein. Hier ist es so, daß auf den Bergen, die um die Stadt herum sind, ziemlich weit herunter Schnee liegt. Es ist heute auch kühler, so daß ich mir den Mantel hervorgeholt habe, denn es ist ja nicht notwendig, daß ich es kalt habe.
Nun muß ich auch wieder einmal aufgrund Deiner Mitteilung auf die Bausparkasse zurückkommen. Ich will Dir sagen, mir selbst liegt an dem Vertrag nicht soviel, daß ich nun unbedingt Wert darauf lege, ihn auf meinen Namen überschrieben zu erhalten. Mir geht es auch nur in erster Linie darum, daß wir dieser Kasse nicht unnütz das Geld verdienen lassen, sondern wir wollen ja schließlich unseren Nutzen haben. Das bezieht sich in diesem Falle auf Vater und auf uns. Ich würde von mir aus sagen, er soll von sich aus über den ganzen Vertrag verfügen und handeln, wie es ihm recht ist. Aber ich fühle mich immerhin verpflichtet, ihn darauf aufmerksam zu machen, daß ich aus diesen oder jenen Gründen Bedenken habe. Wir wollen nun erst einmal die Antwort der Kasse abwarten. Immerhin bin ich auch mir im Klaren, daß wir dabei nichts herausbekommen, wenn ich in meinem Brief darauf abgehoben habe, daß für Kurt nun der Fall eingetreten sei, daß die Versicherung in Kraft treten müßte. Aber man muß sich manchmal ein bisschen dümmer stellen wie man ist, damit man das herausbekommt, was man gern hören will. Aber ich bin auch der Ansicht, daß wir uns wegen einer solchen Sache mit Vater nicht überwerfen wollen und auch nicht brauchen. _ Ich komme heute nochmals auf die Päckchen zu sprechen. Du schriebst mir, daß 9 und 14 eingetroffen sind, dagegen würde Nummer 8 fehlen. Nach meinen Aufzeichnungen habe ich es am 2.11. abgesandt. Es enthielt doch die Zitronen, Schokolade, Rosinen und Brot, das hast Du mir aber doch bestätigt. Erinnere Dich doch bitte noch einmal. Es handelt sich nur darum, daß ich in meiner Buchführung Ordnung habe und daß man nicht umsonst einen Groll auf ein mehr verloren gegangenes Päckchen hat. Wenn meine Aufzeichnungen richtig sind, dann würde bis jetzt aus der neuen Reihe noch kein Päckchen fehlen. Die anderen beiden Nummern25 und 42 können wir in den Kamin schreiben. Ich dachte, wegen den Korinthen, daß Du an Deinen Vater, an Erna und an Nannie je ein kleines Päckchen schickst. Ich habe ja jetzt hier wieder welche, die ich dann in den nächsten Tagen mit fertig machen werde und an Dich auf den Weg bringe.
Heute ist nun noch keine Post eingetroffen.  Aber ich bin ja schon so zufrieden mit dem, was ich gestern erhielt. Ich sende Dir heute gleich noch die Karte wegen des Betrags für Bautzen mit, dann hast Du alles beieinander. Vergiss nicht, diesen Betrag in dieser Aufstellung mit einzutragen.
Lasse mich bitte wieder mit recht herzliche Grüßen und recht vielen Küssen für Dich und die Kinder schließen. Ich bin immer Dein Ernst.

Brief 503 vom 26./27.12.1943


Meine liebe, gute Annie!                                                                         26.12.43  
     
Ist das nicht wie verhext, daß keine Post mehr eintrifft? Da dieser Stand aber allgemein vorherrscht, will ich keine größeres Klagelied anstimmen, denn ich habe doch meine Weihnachtssachen alle pünktlich erhalten. Ein großer Schwung Päckchen trifft jetzt immer noch ein, die auch für Weihnachten bestimmt waren. Aus diesem Grund will ich ganz ungern schweigen. Wenn ich diese Sachen von Dir nicht erhalten hätte; auch die Briefe nicht, so wäre es ja ganz trostlos gewesen.
Nun gehen die Feiertage auch wieder ihrem Ende entgegen. Wie ich schon schrieb, hat man bei der Bevölkerung nicht viel von den Feiertagen bemerkt. Verschiedentlich sah ich Leute, die hatten einen Tannenbaum. Sie sind ja hier sehr selten. Andere hatten einen kleinen Lebensbaum. Doch auch anderes Grün von Sträuchern oder sogar Palmzweige wurde auch verkauft. Einige Geschäfte und bei den Händlern auf dem Markt hatten billiges Spielzeug, das bei uns in Deutschland in Friedenszeiten wohl kaum einen Abnehmer finden würde,. Die Läden hatten auch die Feiertage über offen, und es standen auch ziemlich viele Leute vor den Läden, um sich die Sachen zu besehen. Andere wieder kauften auch. Das ist hier anders, wie bei uns daheim. Es wird anscheinend auch in keinem Land das Weihnachtsfest so ausgeprägt als Familienfest begangen wie bei uns daheim. Ich habe zwar keinen Einblick, wie es in den Familien hier ist, doch kann man wohl annehmen, daß man nicht sehr viel macht. Was wird doch für Geld bei uns in ruhigen Zeiten zu diesem Fest ausgegeben. Hier sieht man von alldem fast nichts.  Der Betrieb auf den Straßen und besonders vor den Kinos ist gleich rege wie an anderen Sonntagen, auch in den Tavernen und Cafes ist der Betrieb unverändert wie an Sonntagen. Das Wetter macht auch keinen weihnachtlichen Eindruck, es kommt daher auch nicht so das Gefühl auf, mit dem man bei uns in Deutschland das Fest der Familie begeht. Man ißt einmal etwas mehr, weil man gerade wieder etwas Besonders da hat. Mit dem Wein ist man einmal weniger sparsam, weil man sich sagt, daß dieses Fest nur einmal im Jahre begangen wird, aber das übrige Esse ist trotz wochenlanger Einsparung bei der Einheit gleich gut oder schlecht. Fein ist ja, daß man sich den Magen nicht verrenkt und man braucht auch nach den Feiertagen nicht umstellen. Es ist nicht so, daß wir etwa Hunger leiden müßten, nein, aber das, was geboten wir, das sind bestimmt keine Raritäten. Das Maulen über das Essen gehört nun einmal zum guten Ton. Aber es ist so, daß es manchmal schon angebracht ist. Wenn es am Tag zweimal Eintopf gibt, dann würde man sich schon einmal auf ein ordentliches Abendessen freuen. Ich habe mir ja immer noch helfen können, indem ich im Offiziersheim gegessen habe, was mir schon recht viel geholfen hat. Wenn man allein auf die Verpflegung angewiesen wäre  dann ginge es schon manches Mal hart her.
Ich habe schon verschiedene Einheiten kennen gelernt, aber diese hier gehört mit zu den Seltenheiten in jeder Beziehung. Bei meiner letzten Stelle stand ich fast mit allen Kameraden recht gut. Hier sind die meisten Kameraden von der Luftwaffe, und mir ist diese Rivalität noch nie so zu Bewusstsein gekommen wie hier. Die Kameraden von der Luftwaffe haben wirklich die Meinung von sich selbst, daß sie mehr wie andere Soldaten gelten würden. Das sind so kleine Plänkeleien, die mich rein äußerlich nicht interessieren, weil ich in einem ziemlichen Abstand gerade von diesen Unteroffizieren lebe, um keinen Anlass zu irgendwelchen Reibereien zu geben. Das ganze Leben ist hier überhaupt so unpersönlich. Ich gehe früh von meinem Hotel weg zum Dienst. Dort hat man recht wenig Gelegenheit, sich einmal über persönliche Dinge mit Jemandem zu unterhalten, weil sich keiner dieser Herren dafür interessiert. Das liegt aber nach meiner Ansicht daran, daß der ganze Apparat, wie ich schon einmal schrieb, kolossal überaltert ist.  Die meisten Beamten haben das 35. Lebensjahr schon einige Zeit überschritten. Zum großen Teil sind es eben auch richtige Beamte, die kein großes Interesse für andere Dinge haben, als gerade die, die ihnen täglich im Dienst begegnen. Alles was außerhalb dieses Gesichtsfeldes liegt, dafür besteht kein Interesse, oder sie unterhalten sich eben nicht „mit jedem“. Abends geht man dann, wie auch über Mittag, auseinander. Das einzige, was bindet, das ist, daß man miteinander arbeitet. Das ist aber auch alles.  Aber auch damit habe ich mich abgefunden. Ich gehe ab und zu einmal mit einem der Kollegen ins Kino, aber dieses Erlebnis ist hohl, weil kein großer Gesprächsstoff mit diesen Männern aufkommen kann. Wie dem auch sei. Ich habe mich damit abgefunden und mich auch schon an diese Lebensgewohnheit gewöhnt.
Meinen Klagegesang von heute will ich trotz allem mit recht herzlichen und lieben Grüßen beschließen, die Dir mein liebes Mädel und den Kindern gelten. Bleibt gesund und nehmt einen herzlichen Kuss entgegen von Deinem Ernst.

Bester liebster Schatz!                                                                             27.12.43 
 
Wenn das so weitergeht, dann ist das nicht gerade sehr erfreulich. Heute hat es widerum keine Post gegeben. Ich kann mir nicht mehr erklären, an was das liegt. Gestern kam eine Zeitung von Deinem Vater. Heute kam erst eine Karte von ihm die am 4.12. nach dem Angriff geschrieben war. vo Dir erhielt ich auch eine Zeitung, aber ich warte ja auf einen Brief. Doch ich kann machen wie es will, auch auf diese Weise werde ich die Post nicht herzwingen.
Vorweg will ich gleich wieder berichten, daß ich zwei Päckchen heute an Dich abgesandt habe. eins enthält Zwiebeln und das andere nochmals Rosinen. Die Nummern sind 27./28. Ist das nicht eine Leistungssteigerung in diesem Jahre? Im vergangenen Jahr konnte ich Dir 100 Päckchen schicken.  In diesem Jahr habe ich es bis jetzt auf 128 gebracht. Das ist doch eine ganz stattliche Anzahl. Für die meisten Sachen hast Du sicherlich gute Verwendung gehabt. Ich bin nur immer darauf bedacht, daß ich etwas zu Futtern bekomme, denn das ist nach meiner Meinung recht wichtig. Wenn Du dich etwas rühren kannst und nicht ganz so eingeengt bist, dann ist es Dir ja auch leichter und wohler. Ich mache das auch recht gern, weil ich Dir gern helfen möchte. Zwei weitere Päckchen habe ich heute fertiggemacht, die morgen abgesandt werden. Es sind die Nummern 29 und 30. Das eine enthält Zitronen und in dem anderen ist wieder Maismehl und Zigaretten habe ich auch noch mit beigepackt. Ich wünsche nur, daß alles richtig in Deine Hände kommt. Es wäre ja ärgerlich, wenn es geklaut würde, wenngleich man sich deshalb auch nicht die Haare ausraufen braucht. Es ist nur so, die Sachen kauft man für teures Geld und daheim kann man das Gekaufte gut verwenden. Die Kartons mit dem Maismehl habe ich geöffnet, um zu sehen, was drin ist. Man muß hier sehr vorsichtig sein, weil man hier mit diesen Dingen gern mit unehrlichen Mitteln arbeitet. Wie es mir aber schien, ist das Mehl richtig.
Jetzt scheinen wir doch noch in die Regenzeit hineinzukommen. Gestern regnete es und heute regnet es mit kleinen Unterbrechungen fast den ganzen Tag. Alles läuft mit Regenschirmen herum, große Pfützen stehen auf den Straßen. Ein Bild, was man die ganze Zeit vorher nicht weiter beobachten konnte. Es kann ja sein, daß es sich bald wieder aufklärt, doch da wollen wir erst einmal den kommenden Tag abwarten.
Ich habe mir hier, wie ich Dir schon einmal mitteilte, einige deutsche Marken gekauft. Sie waren sehr günstig zu kaufen, weil wir durch die Kursänderung doch nur die Sachen zum Teil bezahlen. Da ergibt sich jetzt folgendes interessante Bild. Wir bekommen unsere Wehrsold zum Kurs 1,-RM = 7200 Drachmen. Die Händler rechnen aber zur Zeit immer noch die Mark zu 2000 Drachmen. Andere nehmen den französischen Franc als Grundlage, dabei fährt man dann nicht so günstig. Aber immerhin ist anzunehmen, daß die Händler in wenigen Tagen die Umrechnung ändern, aber bis dahin muß man das abgegrast haben, was einem notwenig dünkt. Mit anderen Waren ist es ja das gleiche. Man muß springen, das Geld an den Mann zu bringen, weil man damit rechnen muß, daß man in einigen Tagen dann nur noch ein Teil von dem erhält, was man jetzt noch bekommt. Hebe die Marken in meinem Album bitte mit auf. Ich werde sie dann einmal einordnen, wenn ich wieder einmal in Urlaub komme. In den nächsten Tagen schicke ich noch andere.
Heute weiß ich aber tatsächlich nichts mehr zui schreiben,. Ich bitte Dich daher, schließen zu dürfen. Bleibt alle gesund, munter und frisch. Lasst Euch recht herzlich grüßen. Viele Küsse füge ich hinzu. Dein Ernst. 

Brief 502 vom 23./25.12.1943


Mein liebster Schatz!                                                                        23.12.43  
     
Heute jährt sich wieder der Geburtstag meiner Mutter, sie wäre nun auch schon 62 Jahre alt geworden. Das Schicksal hat sie uns früher genommen, so daß wir Kinder sie schon recht bald entbehren mussten. Auch hieran merkt man, wie die Jahre enteilen. Ich kann mich noch gut entsinnen, wie ich an jenem Vormittag meinem Vater Bescheid geben sollte, und ich wusste nicht, wie ich es anfangen sollte.  Alles stürzte so plötzlich damals auf mich ein, daß ich keiner Handlung fähig war. 24 Jahre sind darüber schon vergangen, wenn der Jahresschluss herantritt.
Gestern habe ich meinen Brief für Neujahr abgesandt. Ich hoffe, daß er noch rechtzeitig eintrifft, aber das ist ja alles so unsicher bei den unregelmäßigen Postverbindungen. Ab heute kann ich wieder meinen normalen Briefwechsel beginnen. Denn erst vor kurzem mußte ich ja den Weihnachtsbrief abfassen, der ja etwas mehr Konzentration erforderte, wie die anderen Briefe, bei denen ich meist auf etwas antworten kann, wie zum Beispiel heute auf Dein Schreiben vom 17./18., das ich gestern bekam. Es fehlen zwar noch einige Briefe zwischendrin, aber ich freue mich ja auch so, wenn ich wieder ein Lebenszeichen von Euch erhalte. Als nächstes muß ich Dir gleich mitteilen, daß meine Uhr hier glücklich eingetroffen ist. Der Unteroffizier ist heute aus dem Urlaub zurückgekommen und hat sie mir übergeben. Ich habe ihm einige Zigaretten dafür gegeben, nun geht alles wieder glatt. Dir sage ich nun nochmals herzlichen Dank für die Besorgung. So hat es doch wenigstens geklappt. Das Päckchen Nr. 13 ist also auch wohlbehalten bei Dir angekommen und wie ich lese, hast Du schon eine nützliche Verwendung für die Zitronen gehabt.  Ich habe hier wieder einige mit der Verpflegung bekommen. Damit das Gewicht voll wird, werde ich noch einige dazu kaufen, dann gibt das wieder ein Päckchen für Euch. Heute habe ich an Euch wieder zwei Päckchen abgesandt. Das eine enthält Mandarinen und das andere wieder einmal Feigen. Die Nummern lauten 24/25, dies nur wieder zu Deiner Unterrichtung. Ja Deine Schilderung über unsren Lauser mit meinem Schlafanzug, die ist nett. Da muß ich immer an die Geschichte denken, als ein junger Mann vor Gericht geladen wird. Die Kleidung hängt ihm nur so am Körper herunter, weil ihm alles zu groß ist. Als er vor den Richtern erscheint, fangen die Leute an zu lachen über diese witzige Figur. Die Richter sind über diesen Aufzug empört und fragen ihn, wieso er dazu kommt, in diesem Aufzug zu erscheinen. Er antwortet darauf, daß er doch nur so gehandelt hätte, wie es von ihm verlangt wurde, denn diese Kleidung sei ihm nicht nur hinderlich sondern sogar sehr peinlich. Als er daraufhin gefragt wird, weshalb er dann so erscheine, antwortet er, sie schrieben doch selbst, daß ich in Sachen meines verstorbenen Vaters zu erscheinen habe. Es muß schon putzig ausgesehen haben , wenn ihm die Sachen so am Körper herumhing und er meinte, daß er schon soweit passt.
Bei unseren Beiden wird ja nun die Spannung bald auf ihren Höhepunkt gekommen sein. Ja, man sollte es miterleben können. Aber alles Seufzen hilft hier nichts, und es muß gehen, wie es die Jahre vorher auch gegangen ist. Es ist nur ein kleiner auserwählter Teil, der dieses Glück hat, daheim zu sein.  Meist sind es immer die gleichen, die unter irgendwelchem Vorwand nach hause fahren. Aber es hat auch keinen Zweck, daß man sich darüber ärgert, weil man die ganze Geschichte damit auch nicht ändert.
Heute erlebte ich ein seltenes Zeichen der Gastfreundschaft. Ich hatte mir vorgestern einige Marken gekauft und besuche nochmals den Laden, um mir verschiedene Stücke anzusehen.  die ich vielleicht noch gebrauchen könnte. Als ich mir die Sachen ansehe, kommt ein Junge und sagt, daß die Marken, die ich ansehe, ihm gehören würden. Wir unterhalten uns ein Weilchen und im Laufe des Gesprächs sagt er, daß er daheim noch mehr Marken habe, die ich vielleicht gebrauchen könnte. Wenn ich Lust hätte, dann soll ich doch mit zu ihm nach hause kommen. Ich ging also mit. Als ich dort hinkam, sitzt die Familie beim Essen. Ich entschuldige mich, denn ich war ja überrascht und hätte nicht erwartet, daß die Leute noch essen. Aber ohne viel Umstände baten mich die Leute, ohne mich weiter zu kennen, doch Platz zu nehmen und mitzuessen.  Ich lehnte das erst höflich ab, aber schließlich nötigte man mir doch einige Fische auf und der Junge war eifrig bemüht, mir immer noch mehr aufzureden. Ich konnte mich auch so ziemlich herauswinden und nahm dann nur noch eine süße Speise, eine Art Pudding, an. Ich wurde dann gleich zum Abend eingeladen, und über die Weihnachtstage müsse ich doch auch kommen, aber das kann ich nicht machen, denn man fühlt sich dann in irgendeiner Weise verpflichtet, sich zu revanchieren, was mir nicht möglich ist. So freigiebig man mich auch erst bewirtet hat, so genau war man dann nachher bei der Behandlung der Geschäfte. Das, was man mir angeboten hatte, hat bei weitem mehr gekostet, als was ich bezahlen musste für die Marken, die ich mitnahm. Doch das spielt anscheinend eine unwesentliche Rolle. Ich fand diese Beobachtung recht interessant. Die Leute selbst machten einen anständigen Eindruck und es sah alles wirklich ordentlich aus. Wir Deutschen sind ja in unseren Gewohnheiten ganz anders.
Doch für heute lasse mich bitte schließen mit recht lieben Grüßen an Dich und die Kinder und mit dem herzlichen Wunsch, daß Ihr alle gesund und wohlauf seid. Dein Ernst. 

Meine liebste Annie!                                                                                 25.12.43  
       
 Gestern haben wir nun Weihnachten gefeiert. Zum Schreiben bin ich nicht gekommen, den für mich war gestern bis zur Weihnachtsfeier voller Dienst und heute bin ich den ganzen Tag angespannt. Wir haben hier etwas Besonderes zu erledigen, was gerade über die Weihnachtstage gemacht werden soll. Aber ich habe ja so und so nicht von den Feiertagen. Viel macht es mir nicht aus. Aber man kommt nicht so richtig zur Besinnung. Morgen wird es wohl ziemlich gleich sein mit dem Dienst. Aber wahrscheinlich drücke ich mich, denn etwas will ich auch einmal an mich denken.  Doch ich will erst einmal schön der Reihe nach erzählen.  Unsere Weihnachtsfeier fing um 6 Uhr an. Um mich trotz allem noch ein bisschen auf unser Zuhause zu konzentrieren, habe ich mich über die Mittagszeit, das war bis 4 Uhr, an die lieben Sachen gemacht, die Du mir geschickt hast. Erst habe ich einmal Eure Briefe gelesen, die mich sehr gefreut haben. Auch die Kindern haben sehr lieb geschrieben. Als ich dann die Päckchen auspackte, m habe ich mir ein Gläschen Wein dazugestellt und habe dann probiert, was Deine Backkunst machte. Ich kann Dir nur mein uneingeschränktes Lob aussprechen.  Das sind wirklich prima Sachen, die Du wieder gebacken hast. Das ist ja ganz anderes Gebäck, wie Du es sonst machst. Mit reiner Butter hast Du auch gebacken, das schmeckt man gleich heraus. Ich hätte mich bald hingesetzt und hätte mich damit vollgenudelt, aber ich habe ja dann denken müssen, daß wir noch unser Abendbrot bekommen würden, das mit Rücksicht auf das Fest doch ganz ordentlich ausfallen mußte.  Es gab dann Kartoffelsalat, doch dazu haben sie Bratlinge gemacht, die nun nichts Festliches an sich hatten. Ich habe mir dann den Bauch Kartoffeln geschlagen und sagte mir, es sei besser wie nichts. Die Feier selbst war von Kameraden gestaltet worden, die sich ziemliche Mühe gaben. Aber es ist doch alles recht bescheiden. Ich weiß nicht, stelle ich zu große Anforderungen, oder was ist es. Mir war es aber auch so, als hätten die anderen Kameraden das gleiche Gefühl. Die meisten Kameraden brachen dann auch bald auf. Nur dem Umstand, daß ich sitzen blieb, habe ich es zu verdanken, daß ich noch etwas Wein zu trinken bekam. Dadurch war es dann auch etwas später geworden, bis ich in mein Hotel kam. Die ganze Feier war ohne jedes Gefühl aufgezogen worden. Erst bringt man schöne Musik. Schubert und Beethoven. Aber kein Weihnachtslied. Als dann der gesellige Teil anfängt, hat man eine Tanzkapelle aufmarschieren lassen, die ein Schlager nach dem anderen herunterhaut. Das sind dann fröhliche Weihnachten. Bei solchen Entgleisungen muß man dann beide Augen zudrücken. Vielfach habe ich gedacht, was Ihr wohl machen werdet. Mit meinen Gedanken war ich die meiste Zeit unterwegs.  Nur recht wenig bei der Feier selbst. Als in einigen Gedichten, die vorgetragen wurden, von unseren Gefallenen die Rede war, da wanderten meine Gedanken zu unsrem Kurt. Im Gedenken an Euch und an ihn kehrte eine wehmütige Stimmung in meinem Herzen ein, denn hier in diesem Kreise merkte ich wieder, wie einsam ich bin und wie man keinen Menschen hat, mit dem man sich besprechen kann. Aber weich werden darf man nicht, weil man sich nicht  unterkriegen lassen darf. _ Ja, dann sollte ich wohl noch berichten, was wir zum Fest bekommen haben. Ich hatte Dir ja schon einmal mitgeteilt, was es geben soll. Das hat sich auch so ziemlich bewahrheitet. Die Nüsse wurden nicht gegeben, weil kein Vorrat da war. Immerhin war es eine ganz ordentliche Tüte voll. Dazu bekam jeder von uns noch einen Karton Korinthen und eine Stolle. Ich bin ja zufrieden mit all dem, aber das wollte ich ganz gerne hergeben, wenn ich hätte bei Euch sein können. Heute ist nun der erste Feiertag. Das Wetter ist wieder ziemlich warm geworden. Von Winter ist keine Spur mehr zu merken. Gestern regnete es zur Feier des Tages, aber das hat sich auch schon wieder gegeben. Die Straßen sind wieder trocken, wie wenn nichts gewesen wäre. Ob daheim nun Schnee liegt, das weiß ich ja nicht, und das kann man sich unter diesen Verhältnissen nicht so richtig mehr vorstellen, aber ich male mir doch einmal in Gedanken ein richtiges winterliches Bild aus, vielleicht wird mir bei diesem Gedanken dann etwas wohler. Ich habe mir einen Kranz besorgt, der künstlerisch gemacht ist. Dazu habe ich die vier Kerzen genommen, die Du mir geschickt hast. Nun ist doch etwas weihnachtlicher Glanz in meinem Zimmer. Etwas Gebäck habe ich mir auch hergeholt, und ein Schluck Wein habe ich mir eingegossen. So sitze ich allein auf meinem Zimmer, aber etwas will ich doch noch mit dir besprechen. Du sollst nun nicht etwa denken, daß ich nun miesepetrig bin, weil es nicht nach meinem Wunsch geht. Nein, durchaus nicht, ich will nur meiner Stimmung etwas Luft machen, dann überwinde ich das noch besser. Bis Du in den Besitz dieses Briefes kommst, ist das ja alles schon überstanden. Post habe ich auch schon seit einigen Tagen nicht mehr. Die kommt so unregelmäßig, so daß man ganz und gar aus der Reihe kommt. Ich hoffe nun, in den nächsten Tagen einmal auf einen größeren Schwung.
Ich vergaß Dir in meinem letzten Brief mitzuteilen, daß ich wieder einige Sachen beschafft habe, die ich Dir mit zuschicken werde. Von den Feigen und Rosinen hatte ich wohl schon geschrieben. Aber einige Backpulver habe ich hier bekommen. Ich lasse sie Dir in den nächsten Tagen bald zugehen. Eine Packung davon soll für 3 Pfund Mehl reichen. Ich schreibe dies nur, damit Du weißt, wie Du es verwenden kannst.  Dann habe ich etwas gekauft, auf das Du vielleicht nicht so leicht kommen wirst. Ich will dich aber auch nicht lange raten lassen. Es sind 10 Gelatineblätter, die kannst du doch sicherlich verwenden, wenn Du eine Art Sülze oder ähnliches machen willst.  Ich habe es mit gekauft, weil Du schon Verwendung dafür haben wirst. Auch von dem Maismehl habe ich einige Packungen erstanden, damit Du Deinen kleinen Vorrat nicht gleich verbrauchen mußt. Ich denke, daß Dir das alles eine Hilfe mit sein wird. Für Vater habe ich jetzt einen Karton voll Zwiebeln beieinander. Da kann ich in den nächsten Tagen wieder einige Päckchen abrollen lassen. Aber auch Kopfwaschpulver habe ich besorgt. Ich denke, daß das besser ist, wie wenn Du Seife nehmen mußt. Auch das geht in den kommenden Tagen an Euch mit ab. Da fällt mir noch etwas anderes bei dieser Gelegenheit ein. Du hast doch ab und zu über wunde Zehen geklagt.  Ich hatte das bis vor einigen Tage auch. Immer und immer habe ich versucht, das loszuwerden. Jetzt hatte ich mir „Gehwohl“ besorgt. Ich habe die wunden Zehen damit täglich eingekremt und gepudert. Ich muß sagen, daß das sehr gut geholfen hat, denn jetzt ist alles wieder in Ordnung. Fußpuder kannst Du von mir auch haben, denn davon habe ich noch einen reichlichen Vorrat. Wenn du noch unter diesen Sachen zu leiden hast, dann kannst Du es ja auch einmal versuchen, ob Du es wegbekommst, wenn Du regelmäßig das einreiben würdest.
Da muß ich heute nochmals auf eine Sache zurückkommen, die wir vor einigen Tagen schon besprochen hatten. Du schriebst mir doch, daß Du glaubst, daß die Korinthen nach Deiner Ansicht haltbarer wären, weil sie ja viel fester sind. Ich habe hier ganz zufällig einen Fachmann sprechen können, der früher in Deutschland den Import von Südfrüchten usw. hatte. Der sagt mir nun, daß man Rosinen etwa 3 Jahreaufheben kann, dann sind sie immer noch verwendbar, wenn sie nicht gerade die Maden verderben. Dagegen hätten Korinthen schon nach einem Jahr ihre Haltbarkeit so gut wie eingebüßt. Ich schreibe Dir dies nur mit, weil ich glaube, daß Dich das selbst interessiert, denn ich glaube nicht, daß unsere Rosinen solange liegen bleiben und auch die Korinthen nicht.
Diesen Brief schließe ich wieder ab mit recht herzlichen und lieben Grüßen an Dich und die Kinder. Bleibt schön gesund und grüße auch Vater von mir. Dir, mein bestes Mädel, gebe ich recht liebe Küsse. Dein Ernst. 

Brief 501 vom 22.12.1943


Mein liebstes Mädel, liebe Annie!                                                          22.12.43 
          
Wenn Du es nicht schon selbst geraten hast, was mein neues Sigel auf diesem Brief bedeuten soll, dann muß ich es Dir doch noch mitteilen, denn es gehört schon etwas Phantasie für einen Außenstehenden dazu. Auf unseren Weihnachtsbriefen hatten wir bisher immer WB signiert. Sollte ich nun auf diesen Brief NB setzen? Nein, ich dachte, daß wir da etwas kräftiger antworten müssen und habe die Anfangsbuchstaben von Prosit Neujahr hingesetzt. Jawohl, ein frohes Prosit Neujahr, das wünsche ich Dir und den Kindern. Ich wünsche es aber nicht nur Euch, sondern auch Vater und uns allen. Hoffen wir, daß sich das Jahr, nachdem es seine Tore uns aufgetan hat, uns alle nur Gutes bringen möge. Alles liegt noch im Dunkeln vor uns, doch was sich dann im Laufe der kommenden Tage vor uns ausbreitet, das wird hoffentlich uns recht oft Anlass zu frohen Stunden sein. Gerade am Jahresanfang, da eilen die Gedanken aus und sie suchen zu ergründen, was sich wohl alles ereignen mag. Das ging schon Jahr für Jahr so. War es nun in Friedensjahren oder in Kriegszeiten, man versuchte schon immer, über die Gegenwart hinauszublicken und weiter zu denken. Neues Planen beginnt schon immer mit dem Jahreswechsel, aber die augenblicklichen Zeiten zwingen uns, den Gedankenzügel anzulegen, damit sie nicht zu schnell vorwärts schießen. So kann daher nur ein Wunsch  wie immer vorherrschend sein, und das ist der, daß wir alle miteinander gesund bleiben. Ich betone dies immer wieder in allen meinen Schreiben aus irgend solchen Anlässen, denn ich schätze die Gesundheit über alles, weil ich genau weiß, was man als gesunder Mensch alles aushalten kann und daß das viel mehr ist, wie das, was einem kranken oder einem angekränkelten Menschen. Mit dem Neuen Jahr beginnen wir nicht nur einen neuen Zeitabschnitt, sondern wir beenden damit auch eine Reihe von Feiertagen. Ich will damit sagen, daß nun die Tage der Besinnung und des Ausruhens wieder vorüber sind, und mit dem Neuen Jahr kann dann auch die Arbeit wieder ihr altes Anrecht auf uns erheben. Vieles wird es uns wieder bringen; es wird nicht immer eitel Freude sein, denn manches Unangenehme, Herbe und Bittere werden wir auch in dem vor uns liegenden Jahr durchzumachen haben, aber wie gesagt, wenn wir gesund sind, dann werden wir das auch überstehen. Darum wollen wir trotz allem mit stolzem Herzen dieses Neue Jahr beginnen, denn wir hoffen zuversichtlich, daß es uns manchen entscheidende Tat bringen wird. Man sieht am Jahresanfang nicht nur voraus und versucht zu ergründen, was das Neues Jahr wohl bringt, sondern es ist genau so wichtig, wenn man einmal auf das vergangene Jahr zurücksieht. Man zieht gewissermaßen, wie ein Kaufmann am Jahreschluss, Bilanz. Was hat es nun uns gebracht. Zuerst müssen wir eine ganz schmerzliche Nachricht vermerken.  Unser lieber Kurt, er kommt nicht mehr wieder. Der Auftakt des Jahres begann damit für uns sehr traurig. Auch heute will es mir immer noch nicht glaublich erscheinen, daß ihn Rußlands Erde nicht mehr hergeben will. Frisch stand er vor mir, als ich ihn das letzte Mal sah und als Ihr ihm zum Abschied die Hand gabt, da war er wieder neu gestärkt, um seine Pflicht als Soldat mit neuen Kräften erfüllen zu können.  Doch kurz darauf hat das Schicksal schon hart zugepackt. Wir können ihn in bester Erinnerung behalten, diesen guten Jungen, das ist alles, was uns verbleibt. Ich denke dann an unser Rückzugstage, die wir im Osten mitmachen mußten, ich denke aber dann auch daran, wie froh ich im Herzen wurde, als es hieß, wir rücken wieder vor. Vielleicht gehen wir neuen Siegen und entscheidenden Schlägen entgegen. Leider mußten wir manche Gebiete aufgeben, die mit deutschem Blut und Leben erworben wurden. Unser Glaube an den Sieg hat aber trotz allem keine Erschütterung erfahren, weil wir wissen, daß unsere militärische Kraft trotz aller Anstrengungen unserer Gegner kaum zu schlagen sein wird. Das Vertrauen auf unsere Führung und an den Führer läßt uns nicht weich werden, denn eines Tages werden auch wir aus unserer Reserve herausgehen. Was werden sich unser Feinde wundern, was noch alles in uns steckt. Weiter denke ich an die mit meinen Kameraden in Kiew verbrachten Tag und auch mancher schönen Stunden. Die Verlegung nach Deutschland ließ dann neue Hoffnungen in uns aufkommen, denn wir dachten zuerst, unsere Familie wiederzusehen und hofften auf einen anderen Einsatz. Beides hat sich dann für mich nicht erfüllt. Schöne Urlaubswochen haben wir zusammen verbracht.  Was gab es alles zu erzählen und wie froh waren wir, daß ein jeder noch gesund und munter war. Die schöne Fahrt nach dem Hohentwiel mit Euch und Vater werde ich nie vergessen können, wie auch die herrlichen Badetage bei uns daheim. Der Freude des Wiedersehens folgt aber leider auch die Stunde des Abschiednehmens. Ich schätze mich aber heute noch glücklich, wenn ich daran denke, wie ich Dir die Nachricht geben konnte, daß Du mich zwar nur für kurze Zeit in München aufsuchen solltest. Der erste Trennungsschmerz wurde Dir auf diese Weise erleichtert und nach Deiner Rückkunft nahmen Dich die häuslichen Aufgaben so in Anspruch, daß Du nicht so zur Besinnung kamst, ganz abgesehen davon, klang ja die gemeinsam verbrachten Tage auch noch in Dir nach. Mich trieb es nun seit dieser Zeit auf dem Balkan herum, Serbien und Griechenland habe ich kennen gelernt. Wenn ich das so überblicke,  es ist doch allerhand für ein Jahr. Ziehe ich nun den Strich, um festzustellen, was hat mir das vergangene Jahr gebracht, so muß ich feststellen: viel, sehr viel. Es ist ja nicht das, was man sieht und was man fassen kann, es gibt ja schließlich auch andere Kräfte, die in uns wirken und auf die kommt es wohl mit in der Hauptsache an.
Nach den Vorausschauen ud dem Rückblich muß ich aber auch noch einmal persönlich an uns denken. Nachdem abgeschlossenen Jahr sind wir ja auch wieder ein Stückchen älter geworden, aber bis jetzt macht uns da ja nichts, denn wir erleben das alles noch so wie früher, wenn wir unseren Jahresschluss gemeinsam begingen. Wir saßen zusammen in unserem kleinen gemütlichen Zimmer. Der Ofen hatte es angenehm erwärmt. Der Tannenbaum gab noch den weihnachtlichen duft, auch alles andere hatte noch den Geschmack von Feiertagen an sich. Der Baum erstrahlte noch einmal im Lichterglanz. Als dann die Kinder zu Bett gingen, dann machten wir uns eine Kleinigkeit zu trinken fertig. Aber nicht vergessen darf ich den traditionellen Heringssalat. Ja, weiß Du, das kommt einem alle in den Sinn, denkt man an die gemeinsam verbrachten Jahre zurück. Das Radio verkürzte uns die Stunden bis zur Mitternacht. Vater war bei uns und las, wie meist, die Zeitung, oder wir unterhielten und über die frühere Zeit. Das Anwünschen von Glück zum Neuen Jahr begann dann und für uns war dann ein herzhafter Kuss fällig. Ja, ich glaube, nichts vergessen zu haben. Oder doch? Am Neujahrsmorgen war dann noch ein Stückchen Stolle fällig. Es war doch schön, wenn man sich das alles so überlegt. Aber auch diese Zeiten werden für uns wiederkommen. Die Jahre, die uns dann noch bevorstehen, die wollen wir so verleben, daß wir sagen können, daß wir wissen, warum wir gelebt haben.
Doch nun zum Schluss möchte ich noch einmal das sagen, was ich Euch  im Anfang des Briefes zugerufen habe. Prosit Neujahr! Es wird glückhaft für uns heraufsteigen, denn wir glauben an unser Zukunft,. Ich wünsche Dir, mein liebster Schatz, nur recht viel Gutes zum kommenden Jahr. Ich hoffe, daß unsere beiden Lauser gesund bleiben und daß sie in der Schule ihre Pflicht tun. Wenn sie das machen, dann reicht es ihnen zu dem, was sie brauchen. Auch Vater wünsche ich auf diesem Wege im kommenden Jahre eine gute Gesundheit und daß es ihm möglich ist, noch einige Jahre des Friedens mit uns zu verbringen.
Bleibt recht gesund und rutscht richtig hinüber, das wünscht Euch mit vielen Grüßen und Küssen verbunden und umbunden Dein Ernst.


Brief 500 vom 20./21.12.1943


Mein liebstes Mädel!                                                                      20.12.43   
        
Über die Mittagszeit habe ich für Euch wieder ein Päckchen fertiggemacht mit einigen Apfelsinen und Mandarinen. Es hat die Nummer 23. Die Apfelsinen erhielt ich mit der Verpflegung und die Mandarinen habe ich gekauft, damit sich das Päckchen auch lohnt. Ich hoffe, daß es gut ankommt und daß Euch die Früchte schmecken. Die nächsten Apfelsinen  esse ich wieder selbst, damit Du nicht schimpfst. Du mußt mir einmal mitteilen, wie diese Sachen angekommen sind, damit ich sehe, ob es sich verlohnt. Die Abschrift des Geburtsscheins habe ich erhalten. Es ist also gut möglich, daß die Louise Mirsch an einem anderen Tag geboren ist, als es Dein Vater aufgeschrieben hatte. In dieser Beziehung ist er etwas oberflächlich, denn er ist da der Ansicht, da kommt es doch nicht mehr darauf an. Ich werde ja sehen, was ich wieder für Antwort erhalte. Das Pfarramt von Dittersbach hat bis jetzt noch nichts hören lassen. Wenn noch einige Zeit hingegangen ist, dann mahne ich an. Die können mir ja immerhin Bescheid geben, ob sie es machen oder nicht. Ich kann ja noch warten.
Gestern bin ich noch mit einem Soldaten zusammengekommen, mit dem ich jetzt öfter Briefmarken tauschen will. Ich habe schon wieder einige bekommen, so daß diese Spezialsammlung schon ganz schön anläuft. Die Marken von der Ukraine haben kein großes Interesse bei den Händlern hier gefunden, dagegen war der Soldat wieder froh darum. Was meinst Du, ob ich einmal Kuster schreibe, ob ich ihm hier Marken besorgen oder gegen deutsche doppelte von ihm tauschen soll? Ganz umsonst sollte ich es auch nicht machen, denn dafür müssten wieder einige für mich abfallen. Du kannst mir ja schreiben, was Du davon hältst. An diesen Mann hier kann ich noch allerhand deutsche Marken loswerden, die ich reichlich doppelt habe. Ich denke doch, daß Du mir einmal mehrere zuschickst, damit ich hier weiter operieren kann. Siehst Du, nun fange ich schon an zu drängen und bin nicht einmal dankbar für Deine treue Mithilfe. Ich schreibe Dir auch einmal eine Widmung in mein Album, weil Du mich so schön jetzt unterstützt hast. Ist das nicht fein? Da freust Du Dich doch sicherlich darauf. Na, höre einmal, das ist doch auch etwas.
Der Weihnachtsbrief der Kinder gin auch schon ein.  Ich hebe ihn ebenfalls auf. Ich werde mich dann schön still in meine Bude setzen und alle Sachen von daheim mit zu Gemüte ziehen. Dazu werde ich mir Eure Bilder hinstellen, damit Ihr mit mir hier auch zusammen seid.
Mit Arbeit bin ich ja reichlich eingedeckt. Was ich vorher wenig zu tun hatte, das liegt jetzt zuviel da. Ich kann ja nur eins nach dem anderen machen. Ich denke auch nicht daran, nur allein für andere hier den Dackel zu machen, weil sie zu faul sind, selbst etwas mitzuarbeiten. Unser Oberinspektor ist doch jetzt im Urlaub, nun habe ich meine Arbeit und seine auch noch mit zu erledigen. Wie ich Dir schon einmal kurz andeutete, hat diese Mann große Pläne im Kopf und denkt, die anderen sollen sie nur ausführen. Diese Brüder sind ja ängstlich und auch zu unselbständig, um etwas selbst zu machen. Aus diesem Grund wälzen sie dann die ihnen unangenehmen Sachen auf uns ab, weil wir ja wissen müssen, wie es gemacht wird. Ich frage mich manchmal, wie kommen solche Menschen in solche hohe Regierungsstellen. Wenn es vertrocknete Beamte gibt, dann sind es aber diese Herren. Nach meiner Ansicht müsste da nach dem Krieg ein frischer Zug durch diese Amtsstuben wehen, damit sich diese faulen Gesellen verziehen. Von Kameradschaft oder persönlicher Anteilnahme ist aber auch keine Spur vorhanden. Mag der Oberst Claßen in Charkow gewesen sein wie er will, aber in dieser Richtung hat er sich auch einmal um andere Dinge angenommen, die er hätte nicht machen müssen. Das ist aber alles nicht so tragisch, es kommt ja doch mit der Zeit alles einmal anders.
Jetzt hat man erkannt, daß die Teuerung im Lande soweit gestiegen ist, daß man unseren Index wieder einmal erhöhen muß. Bisher waren es 3600, mit der morgigen Auszahlung erhalten wir den Wert einer Mark mit 7200 Drachmen rückwirkend ab 1.12. Das wird aber alles nicht viel nützen, denn sobald die hiesigen Kreise merken, daß wir den Index erhöht haben, werden die Preise erneut steigen. Wir sind eben gezwungen, diese Stufenleiter mitzuklettern, wir haben ja die feste Zuversicht, daß alles zu einem guten Ende führt und das ist die Hauptsache.
Lasse Dich, mein liebstes Mädel, vielmals herzlich grüßen.  Grüße die Kinder ud Vater ebenfalls herzlich von mir. Dir gebe ich wieder einen Kuss und bin wie immer Dein Ernst.

Meine liebe, gute Annie!                                                                                 21.12.43  
 
Ich schrieb Dir doch gestern, daß wir wieder eine Erhöhung unsere Index erfahren haben. Heute bin ich nun gleich über die Mittagszeitlosgeschoben und habe mein Geld an den Mann gebracht, damit ich nicht allzu große Verlust erleide. Sobald die Griechen merken, daß wir wieder etwas mehr Spielraum haben, dann fangen die Preise wieder an rapid zu steigen. Ich habe wieder einmal Rosinen gekauft und ausnahmsweise ein Paket Feigen. Die schicke ich Dir wieder mit zu. Außerdem habe ich noch einmal Maismehl gekauft, das ich jetzt bei diesem Index mir wieder leisten konnte. Aber nun ist das meiste Geld schon wieder flott. Einige kleine Briefmarken habe ich mir auch erstanden, die mir zur Ergänzung meiner deutschen Briefmarken dienen.  Schreibe mir doch bitte einmal. was ich von den deutschen Kolonien an Marken habe. Da teilst Du mir den Wert und das Land mit. Bei einigen , da unterscheidet man zwischen Cents und Pfennigen. Ja siehst Du, Mädel, jeden Tag habe ich in dieser Beziehung neue Wünsche. Ich hoffe aber, daß sie Dich nicht allzu sehr in Anspruch nehmen.
Für diesen Satz werde ich ja wieder eins auf den Deckel kriegen. Aber gesprochen ist gesprochen und geschrieben ist geschrieben, da läßt sich nichts mehr daran ändern. Ich werde aber diesen Schlag mit Würde hinnehmen und ihn zu tragen wissen.
Post ist auch heute wieder noch nicht eingetroffen. Vielleicht kommt am Nachmittag welche, aber man wagt ja schon nicht mehr zu hoffen, weil man sich doch nur noch überraschen lassen kann. Es wird aber schon wieder werden. Mit dem Wetter war das heute komisch.  Als ich früh aufstand, da hatte ich das Empfinden, daß es noch erheblich kälter geworden sein mußte. Als ich dann auf meinen Balkon heraustrat, da schien es mir wärmer.  Ich dachte erst, ich hätte mich getäuscht. Es war aber dann doch wärmer geworden. Das merkte ich dann, als ich auf die Straße kam. Über Mittag war es geradezu angenehm warm, daß man hätte fast den Pullover ausziehen können. Am Abend vorher hatte ich mir erst vorgenommen, nun den Mantel hervorzuholen. Da kannst Du sehen, wie schnell das Wetter wechselt. Man würde das alles besser verdauen, wenn man überall geheizte Räume vorfinden würde. Ich bin aber schon froh, daß die Büroräume, in denen ich mich ja die längste Zeit aufhalte, daß die durchheizt sind. _ Gestern war ich in dem Film „Anuschka“, der mir ganz gut gefallen hat. Vielleicht hast Du auch schon davon gelesen. Man kann ihn wirklich empfehlen. Auch der film „Großstadtmelodie“, den ich mir vor einigen Tagen ansah, war sehr ordentlich. In beiden Filmen spielt die Hilde Krahl die Hauptrolle. Wie es mir vorkommt, fange ich an, mir auch einige Schauspieler zu merken. Das ist ja sonst nicht meine Stärke bisher gewesen.
Bis gestern stand noch nicht fest, wo ich Weihnachten feiern werde. Hier wird es nicht geschlossen von der ganzen Einheit, sondern getrennt begangen. Da feiern die Soldat en und die Offiziere getrennt. Dann noch eine andere große Abteilung, die feiert ebenfalls für sich. Nachdem ich aber zu allen drei Gruppen nicht gehöre, wirft sich für mich die Frage auf, wo bekomme ich meine Sachen her, die mir schließlich, wie jedem anderen Soldaten, zustehen. Das ist immer so eine heikle Frage für die maßgebenden Herren. Mir ist es ja an sich gleichgültig, denn ich habe nicht die Absicht, mit in irgendeinen Kreis hineinzudrängen. Nachdem ich im vergangenen Jahr in Charkow so schlechte Erfahrungen gemacht hatte, habe ich mich hier nun gleich erkundigt, damit man mir dann nicht sagen kann, es sei keinem etwas bekannt gewesen. Also der langen Rede kurzer Sinn. Ich feiere nun mit unseren Männern von der Stabskompanie. Die Feier selbst findet, soviel  bis jetzt bekannt ist, am Heiligabend selbst statt. Ich denke aber, daß ich vorher noch Gelegenheit habe, mir eure Päckchen aufzumachen und Eure Briefe zu lesen. Viel werde ich mit meinen Gedanken nicht bei dieser Feier sein, den ich werde wohl immer wieder an Euch denken, wie Ihr wohl daheim beieinander sitzen werdet.
Ich schicke Dir heute einige Briefmarken mit, die Du mir mit in mein Album legen kannst. Ob ich die eine blaue mit dem Kopf schon habe, weiß ich nicht. Sieh doch bitte einmal nach, wenn ja, dann hebst Du mit die bessere auf und die weniger gute schicke wieder mit hierher. Die anderen habe ich ja noch nicht, soviel mir in Erinnerung ist.
Ich grüße Dich, mein liebster Schatz, recht herzlich.  Komm, lasse Dich wieder im Geiste küssen und gemeinsam verbrachter schöner Stunden gedenken. Nimm  mit den Kindern recht viele schöne Grüße entgegen von Deinem Ernst.

Brief 499 vom 18./19.12.1943


Mein liebster Spatz!                                                                          18.12.43 
             
Recht herzlichen Dank für Deine beiden Briefe vom 11./12. und 13./14.. Beide erhielt ich heute. Es gibt nun wieder einige Sachen zu beantworten, was ich gleich erledigen möchte.  Daß mir dieser Aretz nach so langer Zeit wieder einmal schreibt, nimmt mich wunder. Aus der Feldpostnummer zu schließen, ist er ja bei der Heeresgruppe Süd im Osten. Er kam seinerzeit zu uns auf die Feldkommandantur nach Mirgorod und  von Kaschan aus habe ich den letzten Bescheid con im erhalten. Das ist schon über ein Jahr her. Ich werde abwarten, was er will. Wenn der Brief eintrifft, gebe ich Dir sofort wieder Bescheid, damit Du beruhigt bist.
Mein Brief an die Bausparkasse hast Du ja weitergeleitet, wie ich lese. Inzwischen ist ja von dort eine Erinnerung gekommen.   Du bist ein Dummerle. Ich habe niemals die Absicht, Vater aus diesen Vertrag herauszudrängen. Ich weiß auch, daß Du das von mir nicht angenommen hast, aber es dreht sich ja hier in erster Linie um die Versicherung, die unter Umständen weiterlaufen soll. Nach meinem Dafürhalten ist es zwecklos, wenn wir die Versicherung weiterführen und dieser Schutz tritt dann nur teilweise in Kraft, obwohl wir die volle Prämie entrichten. Mir liegt in erster Linie daran, daß wir durch die Kasse auf diese Weise nicht ausgenutzt werden. Wenn Vater noch dafür in  Frage käme, könnte er von mir aus den ganzen Vertrag haben. Aber ich sehe nicht ein, daß diese Versicherungsgesellschaft nur dadurch einen Gewinn einstecken soll, weil wir uns vielleicht nicht einig würden. Wir werden jetzt abwarten, was für einen Bescheid wir von dort bekommen und dann werden wir weiter sehen.
Die Sache mit den Zigaretten geht dann also klar. Ich hoffe, daß die Leute etwas von sich hören lassen. Je nachdem was sie schicken, kannst Du ja auch etwas hinsenden. Wenn du nicht von dort bekommst, dann ist ja alles hinfällig. Der Kamerad ist inzwischen in Urlaub gefahren. Wenn er wieder zurückkommt, Mitte Januar, dann werde ich ja auch von ihm hören. Wegen des Kinderwagens mußt Du Dir noch keine Gedanken machen. Auch da will ich erst abwarten, was der Kamerad meint, wenn er wieder hier ist. Wie ich sehe, hast Du keine große Lust, ihn herzugeben. Ich muß aber auch feststellen, daß Du, wie es scheint, allerhand vorhast. Wenn das Dein fester Wunsch ist, dann hätten wir uns aber schon dranhalten können. Bis jetzt haben wir aber doch immer davon abgesehen, weil ich nicht haben wollte, daß Du allein bist und weil es vielleicht besser wäre, wenn wir eine größere Wohnung hätten. Für mich wäre es ja zweifellos bequemer, wenn ich die erste Zeit nicht daheim bin, denn dann hätte ich ja meine Ruhe, wenn ich einmal wieder daheim bin und es wäre schon größer. Das sind schon so Altherrenmanieren, die nach Bequemlichkeit aussehen,. Du weißt ja, daß ich noch nicht so wacklig bin und daß ich mir da nicht viel daraus mache. Aber das hat wohl keinen Zweck, daß wir diese ganze Angelegenheit nur auf schriftlichem Wege erledigen. Ich denke, daß ich auch noch dazugehöre.
Daß Du wieder einige Päckchen erhalten hast, freut mich wieder sehr. Es ist schon gut, daß Du die Rosinen alle einmal durchgesehen hast. Wenn sie sich halten, dann ist ja alles in Ordnung. Es wäre ja schade, wenn sie irgendwie schlecht würden. Das Päckchen Nummer 9 ist wohl noch nicht eingetroffen? Es ist ja nur Brot drin und derjenige, der es geklaut haben könnte, würde wohl keine große Freude daran haben. Die Schwämme sind anscheinend ausreichend. Ich habe mir auch erst gedacht, daß sie vielleicht zu klein sein könnten. Vielleicht kaufe ich bei Gelegenheit noch einmal einen größeren, den ich dann verwenden könnte, wenn Ihr zum Bad geht. Wenn sie aber ihren Zweck erfüllen, dann bin ich schon zufrieden.
Was nun das Gewehr von Kurt angelangt, so muß ich schon dazu lachen. Hat doch Paula Sorgen. Sie soll sich nur keine Gedanken um den Waffenschein machen. Wenn Kurt einen Waffenschein erhalten hatte, dann werde ich wohl auch einen bekommen. Ich glaube nicht einmal, daß dazu einer gehört. Ganz abgesehen davon wäre ich unter Umständen bereit gewesen, diese Gewehr herzugeben, wenn sie einmal in anständiger Form gefragt hätte, ob wir das Gewehr ihr als Andenken an unsere Kurt überlassen würden. Ich ärgere mich nur über diese Art, wie sie diese Sache anbringen. Sie hätte sich bestimmt nichts vergeben, wenn sie einmal darum gefragt hätte. Sie kann aber doch nicht erwarten, daß ich von mir aus sage, willst du dieses Gewehr haben. Diese Art und Weise, wie sie es bisher getrieben hat, sagt mir nicht zu und so gebe ich es auch nicht her. Ich habe mich immer korrekt aufgeführt. Ich verlange das aber auch von ihr; zumal weil sie ja schließlich etwas haben will. Ich denken, daß wir in dieser Beziehung alle gleicher Meinung sind. Frage Vater, ob er meine Haltung verständlich findet.

Meine liebste, gute Annie!                                                                    19.12.43  
 
Bemerken will ich gleich, daß ich heute keine Post erhalten habe, nachdem ich gestern die beiden Doppelbriefe von Dir erhielt. Die sind ja auch noch nicht ganz beantwortet, so daß ich schon noch Stoff habe. Du lobst mich schon wieder, daß ich das Öl für Euch besorgt habe. Ich kann Dir sagen, daß es nicht viel ist. Es handelt sich höchstens um einen Liter, aber doch freut es mich, daß ich es habe. Es wäre mir zwar noch lieber, wenn es schon bei Dir wäre. Aber das werde ich auch noch schaffen.
Ja, Du wunderst Dich, dass hier solche Dinge möglich sind und daß sich die Kommunisten so in den Heimen festsetzen konnten. Das ist hier keine Sache, die verwunderlich erscheint. Hier werden aus den Ortschaften am hellen Tag Männer und Frauen von den Kommunisten herausgeholt und werden mit in die Berge verschleppt. Sie müssen dort Dienst leisten und werden nicht erst lange gefragt, ob sie wollen oder nicht. Wer auf der Liste steht, der hat sich zu verantworten, ohne daß wir es hindern können. Da wir uns hier nicht groß in die inneren Verhältnisse einmischen, so haben die hiesigen Organe sich selbst damit zu befassen. Solange wir nicht selbst in Mitleidenschaft gezogen werden, kann es uns nicht weiter stören. _ Heute haben wir nun den letzten Adventssonntag und nächsten Sonntag ist schon Weihnachten. Was werdet Ihr wohl heute am Sonntag treiben? Vielleicht sitzt Ihr zusammen und spielt oder erzählt Euch was. Hier ist es nun wirklich kalt geworden. Seit einigen Tagen haben wir etwas überheizt. Viel ist es nicht, aber man muß nicht direkt frieren. Die Tage vorher war es schon empfindlich kalt, wenn man den ganzen Tag ohne Heizung im Büro sitzen muß. Um eines bin ich immer noch recht froh und das ist der Schlafsack. Wenn man so sagen soll, dann ist das meine Erholung aber auch mein Wärmespeicher. Denn  vom Hotel habe ich eine Decke erhalten und meine beiden Decken habe ich schließlich auch noch. Aber die Betten sind so kalt, daß ich mir unter anderen Umständen daher, wenn ich keinen Schlafsack hätte, mir einen Strohsack wünschen würde, denn der gibt von unten her ordentlich warm. Aber wie gesagt, frieren brauche ich nicht, denn ich kann mich richtig einmummeln. Auf den nahen Bergen lag auf den Höhen Schnee, der aber im Laufe des Tages wieder verschwand. Das kommt einem sonderbar vor, wenn man an den heißen Sommer oder an die heißen Tage  bis noch vor kurzer Zeit denkt. Der Unterschied ist doch auch recht merklich.
Von Deinem Vater bekam ich heute eine Brief, in dem er mir den Eingang meiner Rauchwarensendung bestätigt. Nach seinem Schreiben zu schließen, muß ich ihm ja einen mächtigen Gefallen damit getan haben. Vor Dankbarkeit kann er sich nicht genug fassen. Nun kam diese Sendung gerade nach diesem furchtbaren Erlebnis, dann wog dies doppelt auf. Mit hat es Spaß gemacht, daß ich ihm diesen Gefallen erweisen konnte. Den Brief lege ich Dir mit bei, denn es war sein Wunsch, daß ich ihn Dir gleich zusende. Dieser Angriff muß ihm anscheinend allerhand Nerven gekostet haben, denn aus allen seinen Briefen liest man noch den Schrecken heraus, den sie durchgestanden haben. Ich weiß genau, es ist keine Kleinigkeit und wie er ja selbst schreibt, nutzt uns alles Weichwerden nicht, denn es muß durchgestanden werden. Froh ist man um jeden Tag, an dem man noch gute Nachrichten von daheim erhält, denn die tägliche Sorge ist groß, wenn auch Konstanz gewissermaßen abseits der großen Straße liegt. Aber die vielen Durchflüge sind keine Kleinigkeit und wie es der Fall Liggeringen gezeigt hat, achten diese Lumpen ja nicht weiter darauf, wo sie die Sachen hinwerfen. Aber wir wollen immer das beste hoffen. 
Die Weihnachtssonderzuteilung ist doch ganz ordentlich. Wenn Du für 3 Personen das erhältst, dann kannst Du doch schon eine Kleinigkeit damit anfangen. Weite Sprünge kann man damit nicht machen, aber man freut sich ja darüber. Wie bist Du eigentlich darauf gekommen, Bonbons zu „gießen“, wie Du schreibst? Ist das noch ein Rezept von Deinem Großvater, oder wo hast Du die Anregung dazu her? Ja, die Zuckerbäcker. Die Kinder werden sicherlich das Ergebnis Deiner Künste nicht verschmäht haben. Wenn wieder einmal Frieden ist, werde ich ja in dieser Hinsicht noch allerhand probieren müssen.  Wenn es zu verdauen ist, dann will ich nicht weiter sagen, aber wenn ich mit Vorsicht herangehe, dann musst Du das mir nicht übel anrechnen, das hängt mit meiner Schüchternheit zusammen, und ich bin ja auch sonst vorsichtig. Ich gehe doch mit Dir auch immer sehr vorsichtig und rücksichtsvoll um Ich fuchse Dich doch kaum, und ich versuche es auf alle nur mögliche Art zu vermeiden. Leider läßt es sich nicht immer ganz umgehen, aber dann bin ich immer vorsichtig genug, denn ich müßte ja sonst damit rechnen, daß ich einmal eine fange.
Aber jetzt will ich es genug sein lassen. Bleibt alle schön gesund, meine lieben Drei, laßt Euch auch recht herzlich küssen von Deinem Ernst.
Ich finde dann noch eine Besprechung über den Film, von dem ich Dir neulich schrieb. Vielleicht interessiert sie dich. Die Briefe sind ja alle wieder zum Aufheben.


Brief 498 vom 16./17.12.1943


Mein liebstes Mädel!                                                                           16.12.43 

Deinen Brief vom 7./8.12. hat mich heute erreicht. Vielen herzlichen Dank dafür. Außerdem bekam ich von Deinem Vater heute 3 Briefe, in denen er über den Luftterror unserer Feinde berichtet. Ich habe den Krieg auch gesehen und ich kann mir ungefähr vorstellen, wie das in Leipzig aussieht. Es ist ja grauenhaft, wie dort in der kurzen Zeit gewüstet und gemordet worden ist. Auffallend ist ja, daß fast ausschließlich Wohnstätten und öffentliche Einrichtungen getroffen wurden. Ich kann die Einstellung der Bevölkerung voll und ganz verstehen. Wenn Dein  Vater schreibt, daß er jeden umbringen könnte, dessen er habhaft würde, wenn er sich aus einem abgeschossenen Flugzeug retten wollte, das kann ich ohne weiteres mitfühlen. Das muß ja zwangsläufig ein ungeheures Hassgefühl auslösen. Leider ist es aber so, daß man die Brüder, die dafür verantwortlich zeichnen, nicht erwischt. Wenn man so list, was alles kaputtgeschlagen ist, so ist das ein Jammer. Da kann man nur einen Gedanken haben und zwar den der Vergeltung.  Das kann doch nicht ungesühnt bleiben, daß muß doch diesen Schurken heimgezahlt werden. Man fragt sich nur, wie lange das das deutsche Volk noch hinnehmen muß. Es muß ein Schlag gegen diese Halunken werden, wie ihn die Welt noch nicht erlebt hat und zur Besinnung müssen sie nicht mehr kommen können. Was ist bei uns an Menschenleben in dieser Hinsicht schon gefordert worden und was für Werte wurden von diesen Verbrechern vernichtet. Auf die Vergeltung, da bin ich ja gespannt, die kann ja nur unsere heißen Rachegefühle kühlen, ersetzen kann man von dem zerstörten Leben und Gut  nichts wieder.  Wie ich aus den beigefügten Durchschlägen Deines Briefes ersehe, hast Du auch Deine Weihnachtspost schon erledigt. Das Bild habe ich von mir nun auch erhalten. Vielen Dank dafür.
Ja, die Vorbereitungen auf Weihnachten, die bringen schon Stimmung in die Wohnung. Die Kinder sind ja sicher wieder eifrig bei der Sache. Das Backen ist ja auch sehr wichtig. Schon das Auslecken allein ist doch ein Fest für sich. Das kann ich mir denken, daß dann unsere Beiden keinen großen Hunger mehr hatte, als Du Deinen Backtag hinter Dir hattest. Man muß schon tüchtig haushalten, wenn man auch über die Feiertage etwas haben will.
An Deinen Vater schickst Du nun doch noch ein Päckchen und auch an Erna. Wenn Du es ermöglichen kannst, dann will ich nichts dagegen haben. Ich denke nur immer wieder, daß es Euch ja selbst kaum reicht. Daß Du keine großen Sendungen machen kannst, das ist ja wohl jedermann jetzt verständlich. Aber immerhin, sie sehen, daß Du den guten Willen hast und das gilt doch auch etwas.
Du schreibst, daß Du für unseren Lauser eine neue Gürtelschnalle für seien Mantel hast kaufen müssen. An meinem alten Trenchcoat war doch auch eine dran. Ich weiß zwar nicht, was damit geschehen ist, aber die läßt sich doch besser verwenden wie die aus Pappe, die Du jetzt  hast kaufen müssen. Das ist eben ein Lausekerl, der überall herumkrauchen muß. Aber solange er selbst noch gesund ist, dann ist das immer noch zu verschmerzen. _ Heute habe ich mir einige Marken gekauft, die ich schon lange erstehen wollte. Sie gehören zu meiner Sammlung deutscher Marken. Der Händler, der gebrochen deutsch spricht, fragte mich, ob ich Frau und Kinder hätte. Das ist meinst eine der ersten Fragen, der man so oft im Ausland begegnet. Mit Hilfe von einigen deutschen Brocken und einigen französischen  denn das spricht er auch nur sehr gebrochen  habe ich ihm seine Frage bejahen können. Als ich dann etwas gekauft hatte, langte er ein kleines Heft heraus mit einigen Marken, wie sie hier als Andenken verkauft werden und sagt: “Für Frau in Deutsch“. Ich würde sie Dir ja gerne schicken, aber mir fehlen einige davon in meiner Sammlung, so daß ich Dir das Heft erst zugehen lassen kann, wenn ich mir die Marken herausgelöst habe, wofür ich mir Dein Einverständnis hierzu vorausnehme. Oder hast Du doch etwas dagegen einzuwenden? _ Ich bitte Dich, schicke mir auch alle übrigen Schweizer Marken mit her. Vielleicht packst Du einmal in 2 oder 3 Briefumschläge nur Briefmarken, denn mit dieser Ware kann ich nur etwas anfangen, wenn ich eine genügende Menge davon habe.
Bleibt mir, meine Lieben, alle recht gesund und seid recht herzlich gegrüßt und viel, vielmals geküsst von Deinem Ernst.

Mein liebstes Mädel!                                                                             17.12.43  
      
Heute hatte ich wieder einmal einen strengen Tag. Aber das ist immer schön, denn die Zeit vergeht dann doch schneller. Der Oberinspektor, mit dem ich zusammenarbeite, geht morgen in Urlaub, so daß ich jetzt hier auf unserer Abteilung allein bin. Gegenwärtig rollen allerhand neune Beamte an. Was dann von mir zu erledigen ist: Die Versetzungen und alles, was damit zusammenhängt, müssen dann von mir verarbeitet werden. Mir macht das ja nichts aus. Der Oberrat, der unserer Abteilung vorsteht, hatte erst Bedenken, weil er sich nicht sicher ist. Ja, in der Militärverwaltung ist nicht mehr der Schwung drin, wie ich ihn von früher her gewohnt war. Es macht sich schon sehr bemerkbar, daß jetzt zum größten Teil nur noch ältere Beamte in der Verwaltung sich befinden, die auch veraltete Ansichten haben und denen der Kalk durch die Adern rieselt. Für mich ist da ja kein Anlass mehr, mich darüber aufzuregen, denn von mir aus sollen die Brüder anregen und anordnen, was sie wollen. Unser Oberrat Klaasen in Charkow, der war schon von Fall zu Fall ängstlich, aber gegen diese Kerle kann er fast als leichtsinnig bezeichnet werden. Doch wie gesagt, mir persönlich kann es gleichgültig sein.
 Vorhin traf auch schon Dein Weihnachtsbrief ein. Ich werde ihn ebenfalls, wie die Päckchen, aufheben und dann am Heiligen Abend lesen.  Vielen Dank dafür. Weitere Post ist sonst nicht eingetroffen. Von Deinem Vater kam noch eine Zeitungssendung an. Das war alles. Aber ich will schon so zufrieden sein. Vielleicht kommt morgen wieder etwas. Man muß sich immer wieder trösten, dann kommt man am besten darüber hinweg.
Über die Mittagszeit habe ich mich einmal meiner Marken angenommen. Ich habe schon gestern Abend mit ein provisorisches Album aus einem Schnellhefter gemacht. Dann habe ich die Marken, die ich schon hatte, alle fein der Reihe nach angeklebt. Das hat dann bis gegen ein Uhr gedauert. Dann bin ich schlafen gegangen. Heute habe ich dann mit den doppelten, die Du mir gesandt hast, einen Händler aufgesucht, der sie mir gegen hiesige Marken  zum gleichen Katalogpreis umgetauscht hat. Die Marken, die Du mir gesandt hattest, haben einen Wert von 40,-RM gehabt. Mit diesen Marken habe ich nun schon die verschiedenen Lücken ganz schön auffüllen können. Wenn ich dann wieder etwas habe, dann kann ich mir dort noch mehr besorgen. Vielleicht kann ich auf diese Weise dieses Land ziemlich komplettieren. In einer Schachtel muß ich auch noch doppelte Marken vom Saargebiet haben. Auch für diese habe ich Verwendung. Auf diese Weise kann ich einmal meinen Bestand an doppelten Marken ausmisten, denn die liegen mir doch nur herum. So gibt es doch wieder einmal etwas Platz. Ich bin nicht mehr genau im Bilde, was in dieser einen Blechschachtel noch alles herumliegt. Wahrscheinlich aber noch einige Marken von Europa, die Du mir ebenfalls mit zugehen lassen kannst. In erster Linie schicke mir aber die deutschen, die in den Briefumschlägen sind. Da sind ja noch ziemliche Mengen da. Du wirst denken, daß ich wieder einmal den Briefmarkenfimmel bekommen habe. Es ist aber auch fast so. Wenn ich gerade jetzt die Gelegenheit habe, so günstig meine Marken tauschen zu könne, dann will ich diese Gelegenheit auch ausnützen. Ich wollte Dich erst noch bitten, mir meine griechischen Marken aus dem Album herauszunehmen und mit herzu schicken, damit  ich weiß, was mir fehlt. Das lasse ich wohl am besten sein.  Sieh doch einmal nach, wie viele ich von Griechenland habe. Du brauchst mir nur die Anzahl zu nennen. Für Deine liebe Mithilfe danke ich Dir wieder bestens.
Auf einer der letzten Zeitungen hattest Du geschrieben, daß Jörg das eine Bild haben wollte. Ich habe es ihm ausgeschnitten. Ich finde aber, daß es schon etwas ramponiert war, darum habe ich es nochmals in meiner Zeitung gesucht und ihm ausgeschnitten. Ich hoffe, daß er mit seinem Vater zufrieden ist. Dabei fielen mir noch einige andere Bilder in die Hände, von denen ich dachte, daß er daran Spaß hätte. Ich lege sie auch noch mit bei.
Mit einem knallenden Schmatz für Dich und die Kinder schließe ich wieder und bin mit vielen herzlichen Grüßen Dein Ernst.

Donnerstag, 13. Dezember 2018

Brief 497 vom 12./15.12.1943


Mein liebstes Mädel!                                                                            12.12.43

Schon wieder ist die Post ausgeblieben. Vorläufig werden hauptsächlich die Weihnachtspäckchen herangebracht. Dann ist es aber auch so, daß die Wetterverhältnisse für die Flugverbindung nicht besonders günstig ist. Ich habe mir heute nun einmal verschiedene Sachen vorgenommen, die schon länger einmal gemacht werden sollten. Und im Laufe der Woche legt man so manches hin mit der Absicht, es bald in Ordnung zu bringen. Meist kommt man aus diesen oder jenen Gründen nicht dazu, oder man hat keine Lust dazu, weil diese Dinge doch nicht eilen. Aber einmal hat man diese Bummelei satt und dann macht man sich doch darüber her. Jetzt habe ich für eine Weile wieder Ordnung in meinen Sachen. Das kommt ja auch im wesentlichen mit daher, weil man sich früher um solche Dinge nicht hat kümmern brauchen. Du als Hausfrau hast geordnet, was zu ordnen war, aber hier fehlt diese ordnende Hand. Manchmal komme ich mir vor, wie ein verlotterter Junggeselle. Ich mache ja auch verzweifelte Anstrengungen, diesem bedauerlichen Zustand abzuhelfen, aber Du siehst ja, wie ich Dir oben schon ausführte, wie kläglich das meist ausfällt. Bis man sich dann aufrafft, darüber vergeht dann schon einige Zeit. Wenn ich dann einmal für immer nach hause komme, dann ist auch dieser Kummer für mich vorbei.
Am Samstag und Sonntag, da sind für mich immer die Tage, an denen ich mich immer wieder durchfuttere. Im Soldatenheim, da kann ich meist nichts mehr erhalten, weil unsere Dienststunden dazu zu ungünstig liegen. Zudem ist der Andrang außerordentlich stark, wenn es etwas Ordentliches zu futtern gibt. Ich gehe dann meist hier ins Offiziersheim, dort bekomme ich meist noch etwas. Gestern gab es Makkaroni mit Soße und Wein kann man auch trinken, so daß man zufrieden sein konnte. Manchmal gibt es einen guten Wermutwein, von dem ich gerne einmal einige Flaschen für Dich hätte. Ich denke, daß er Dir schmecken würde, denn er ist süß. Aber auch der Samoswein, den man aber nur mit Hilfe guter Freunde erhält, ist sehr trinkbar. Das sind aber so die einzigen Sachen, die uns hin und wieder zugänglich sind.
In der vergangenen Woche war ich auch wieder im Kino. Da wurde ein Film gebracht, der immerhin ein ganz interessanten Versuch ist,. Es wird das Problem der französischen Jungend behandelt, die auf Abwege geraten, weil sie nicht richtig verstanden, eingespannt und behandelt werden. Der Film wurde in Frankreich gedreht und heißt „Das unheimliche Haus“.  Immerhin ist er sehenswert. Ich muß, weil ich gerade vom film spreche, nochmals auf den Film, „Das Bad in der Tenne“ zurückkommen. Du schriebst, daß er ziemlich frei sei und später teiltest Du mir mit, daß er wegen seiner Unmoral in der Schweiz verboten worden wäre. Wenn ich ihn gelobt habe, so haben mir vor allem die schönen bunten Bilder der damaligen Trachten gefallen, die doch wirklich sehr schön wirken. Daß manche Szenen sehr frei sind, das stimmt wohl, doch da kann man nach meinem Dafürhalten ohne weiteres darüber hinwegsehen.
Nach den kühlen Tagen, die wir vor kurzem hatten, ist es jetzt etwas merklich wärmer geworden, doch der Steinboden in unsren Räumen läßt keine Wärme aufkommen. Aber kalt ist es im eigentlichen Sinne nicht. Ich habe mir beispielsweise mit kaltem Wasser die Haare gewaschen. Das läßt sich ohne weiteres machen. Daheim kann man das bei Euch nicht riskieren, dann hat man seine Erkältung weg. Wenn ich wieder richtig auf Deck bin, dann will ich einmal ein Bad im Meer versuchen, das soll jetzt noch gut möglich sein.
Was werdet Ihr heute zum 3. Adventsonntag gemacht haben? Bei Euch wird es schon immerhin winterlicher sein. Wenn auch kein Schnee liegt, so hat doch alles einen anderen Charakter. Bald werden die Weihnachtsbäume aufmarschieren, vielleicht hast du auch schon einen erstanden. Hier wird dies nicht so leicht sein.
Recht herzlich grüßt Dich und die Kinder, ein fester Kuss gehört selbstverständlich auch dazu von Deinem Ernst.

Liebster Schatz!                                                                                 15.12.43      
      
Gestern habe ich meinen Weihnachtsbrief an Euch fertiggestellt, so daß ich nicht dazu kam, den täglichen Brief zu schreiben. Post erhielt ich auch nicht, so daß ich eigentlich auch nichts zu beantworten habe. Heute erhielt ich nun nach langem Warten wieder einen Brief von Dir, über den ich mich recht freute. Wenn man eine zeitlang regelmäßig seine Post erhielt, dann ist man eben verwöhnt und man glaubt, daß das immer so weitergehen muß. Man weiß aber nach einigem Warten die Post noch viel mehr zu schätzen, wie man das sonst täglich so automatisch abläuft. In Deinem Brief vom 5./6. teilst Du mir nun mit, wie es beim Theaterspiel und am Nikolaustag zugegangen ist. Alles ist ja nach Deiner Schilderung zufrieden gewesen, und geklappt hat auch alles. Ich bedauere nur, daß mein Brief an die Kinder nicht rechtzeitig angekommen ist oder sollte er auch wie im vergangenen Jahr verloren gegangen sein?
Wenn Du so Mangel an Backpulver hast, dann will ich zusehen, daß ich hier vielleicht noch einmal welches erhalte, doch versprechen kann ich es Dir leider nicht. Sage einmal, kannst Du denn nicht mit Hefe backen, oder läßt sich das nicht machen. Davon verstehe ich ja fast nichts, weil ich mich nie darum gekümmert habe. Aber wie gesagt, wenn es sich machen läßt, dann werde ich mein Heil versuchen.
Du fragst diesmal auch wieder wegen den Briefmarken an. Wo ich die „Pro Juventute“ Marken habe, kann ich auch nicht mehr genau sagen. Es kann sein, daß sie in einer Blechschachtel mit liegen, aber bestimmt weiß ich es jetzt auch nicht. Für die laufende Übersendung der anderen Marken danke ich Dir. Bis jetzt habe ich noch nicht viel damit anfangen können, weil ich erst noch eine Übersicht gewinnen will. Wenn ich dann mehr hier habe, will ich einmal auf den Tausch gehen. Von den Marken mit Überdruck „Ukraine“ „Elsaß und Lothringen“ schicke mir einmal, was da ist. Aber evtl.  musst Du Obacht geben, daß sie auch im Album vorhanden sind. Ich verlange jetzt recht viel von Dir, denn Du mußt dich da mit Dingen befassen, die Dir eigentlich nicht liegen bzw. für die Du kein besonderes Interesse bisher gehabt hast. Aber ich weiß ja, daß Du dies gern für mich machst, deshalb trete ich auch ungehindert mit dieser Bitte an Dich heran.
Bei uns ist es aber jetzt doch merklich kühl geworden, so daß man gern den Pullover anzieht. Ich habe ihn mir heute vorgeholt, was nun recht mollig ist. Spaßig ist das hier, wie man erst von den kurzen Hosen überwechselt zu langen. Wie man dann erst eine dünne Feldbluse anzeiht, und dann auch diese mit der dicken vertauscht. Dann holt man sich die Unterhosen heraus. Handschuhe und Mantel fehlen noch, aber dann sind auch wir hier jetzt winterlich angezogen.
Vorhin am Nachmittag kamen alle Deine Päckchen schon an. Ich denke, daß es alle sind. 4 Stück habe ich erhalten. Das war ein Hallo bei den anderen Kameraden, als dieser Schwung ankam. Ich trage sie nun in mein Hotel und hebe sie auf, bis die Feiertage bzw. der Heilige Abend kommt. Dann wrde ich sie aufmachen so wie ich es die Jahre vorher auch getan habe, Denn das war ja immer so, daß wir uns die Überraschung bis zur Bescherung vorbehalten haben. Doch heute schon will ich Dir dafür recht herzlich danken. Ich bin froh, daß alles schon rechtzeitig angekommen ist, denn Du machst Dir doch sicherlich auch Gedanken, ob ich Deine Sachen alle erhalten habe.
Gestern habe ich noch an Siegfried, Deinen Vater und an Alfred geschrieben, die Durchschläge von diesen Schreiben habe ich wieder beigefügt. Damit habe ich fast alle meine Weihnachtspost erledigt. An Nannie habe ich nicht geschrieben, denn sie hat ja erst Post von mir bekommen und sie hat ja mir schon solange nicht geantwortet. Ich wüsste nicht, an wen ich noch schreiben sollte. Meine Kameraden haben von mir alle Bescheid, bis auf zwei, die hier aber in nächster Nähe liegen. Das läßt sich noch gut nachholen. Fritz Bautz hat auch noch nichts von sich hören lassen. Dem kann ich aber zu seinem Geburtstag und zum Jahrewechsel schreiben. Durch die verschiedenen Kameraden, die ich im Laufe der Jahre kennen gelernt habe, hat sich mein Kreis ziemlich erweitert. Doch bis jetzt habe ich es noch glatt geschafft. Wenn ich zwar alles mit der Hand schreiben müßte, dann wäre das schon etwas schwerer.
Ich schließe diesen Brief wieder, indem ich Dir eine Gute Nacht wünsche. Einen recht lieben, herzhaften Kuß füge ich noch bei und grüße Dich, mein Schatz, in Liebe. Dein Ernst.