Herzliebster
Schatz! 30.12.43
Mit meinem heutigen Schreiben an Nannie wirst Du wohl nicht ganz einverstanden sein, aber es hat einmal sein müssen. Eine Stelle in ihrem Brief gab den Anlass dazu, und ich dachte, daß ich diese Gelegenheit beim Schopfe packe, um einmal Klarheit zu schaffen. Ich weiß nicht, wie sie darauf reagiert und was sie sich dabei denkt. Das betrachte ich aber alles für nebensächlich, denn mich interessiert nun einmal, ob sie sich positiv oder ablehnend dazu einstellt. Ich muß Dir ehrlich sagen, daß mich das schon die vergangenen Jahre immer gestört hat, daß ich in diesem Fall nicht mußte, woran ich bin. Siehst Du, bei Paula, da wissen wir, wie wir uns zu verhalten haben, denn man muß auch einmal den Mut haben, eine Sache radikal anzupacken, um Gewissheit zu bekommen. In einer Form wird sie sich äußern müssen. Wenn sie Dir schreibt, dann kannst du es auch wieder tun, denn von den Kindern gibt es immer wieder etwas zu erzählen und auf andere persönliche dinge brauchst Du ja nicht weiter eingehen. Schreibt sie Dir nicht, dann ist dies der letzte Versuch von mir gewesen, zu einem Einvernehmen in dieser Beziehung zu kommen. Ich hoffe nicht, daß Du Dich gekränkt fühlst, wie ich das nun erledigt habe. Je nachdem wie sie sich verhält, kannst Du ihr dann die in Aussicht gekommenen Korinthen schicken und auch ein Bild könntest Du ihr dann ebenfalls senden. Doch wir wollen hier erst abwarten, wie ich es oben schon angedeutet habe.
Ich habe die Angelegenheit, die mir etwas schwer auf der Seele lag, gleich vorweg genommen. Nun ist es mir wieder leichter und ich kann auf die anderen Dinge zu sprechen kommen, die noch zu erledigen sind. Die Bilder, die mit unser Jörg gemalt hat, hat es also ganz aus dem Gedächtnis gemacht. Ich muß schon sagen, daß sie nicht schlecht sind. Auch die kleine Zeichnung unserer Helga über die BdM-Mädchen ist ganz ordentlich. Man sieht doch sofort, was sie sagen will. Auch ihr muß ich meine Anerkennung aussprechen. Das freut mich, wenn sie sich immer wieder einmal so etwas vornimmt. Deine Stellungnahme wegen des einen Lehrers ist in Ordnung. Warte also erst einmal ab, wie es mit den Zeugnissen steht und vielleicht kann man noch etwas warten, es ist ja möglich, daß auch dort eine Änderung eintritt. Wie ich aus Deiner Mitteilung über das Gespräch mit dem anderen Mädchen merke, ist das ja allgemein bekannt, daß das solch ein Raudi ist. Die Schule wird ihn jetzt brauchen, weil keine Mensch daheim ist, darum wird er sich auch so stark fühlen. Na, das beruhigt mich, daß Du nun die Bezeichnung „großmächtiger Schwindler“ mit allen Zeichen des Bedauerns zurückgenommen hast. Schon die vergangene Zeit habe ich keine ruhige Minute gehabt, weil ich mir immer vorstellen mußte, wie Du mich einschätzt. Jetzt ist ja alles geklärt und ich kann getrost und ungehindert meinem Tagewerk nachgehen. Aber nicht nochmals etwas sagen Du!
Die Sache mit dem Katalog lasse jetzt nur einmal auf sich beruhen. Lasse ihn ganz, ich werde mich so behelfen. Bei Gelegenheit könntest Du mir einmal aufschreiben, was für Marken ich von den deutschen Kolonien habe. Achte dabei auf die Werte. Denn es gibt Pfennig und Cents.
Es war sicherlich so ein Geschäft für unsere beiden Lauser, beim Backen und beim Ausstechen zu helfen. Da gibt es ja immer wieder einmal etwas Teig zum Probieren; und beim Backen muß doch auch einmal probiert werden, wie alles geworden ist. Jetzt haben sie ja wieder Ferien, das wird ihnen sicherlich gefallen. Nun, wo Du einen Weihnachtsbaum erhalten hattest, war es doch sicherlich immerhin etwas festlich. Ohne Baum ist es doch trostlos und Weihnachten ist auch nicht richtig. Das hast Du richtig gemacht, daß Du auch für Euch Stollen gebacken hast. Ich weiß ja, daß das Problem immer darin liegt, wo Du das Mehl und den Zucker hernehmen sollst. Doch Kleingebäck habt Ihr ja auch gehabt, so daß Ihr über die Feiertage wohl auch auf Eure Rechnung gekommen seid.
Nett ist es von Frau Dietz, wie sie immer an unseren Jungen denkt. Er könne sich selbst aber auch einmal bei ihr bedanken. Sie würde sich sicher darüber freuen.
Mir fiel vor einigen Tagen ein, daß doch jetzt die kalte Jahreszeit bei uns in Deutschland ist. Ich denke, daß auch die Eisbahnen in Konstanz wieder aufgemacht worden sind. Wie wäre es, wenn sie unsere Beiden einmal daran machen würden, das Schlittschuhlaufen zu erlernen. Von Kurt sind meines Wissens Schlittschuhe, wenn ich mir nicht irre, sogar zwei Paar da,. Was meinst Du dazu. Die besseren müssen sie aber in Ehren halten. Die anderen müßte man evtl. etwas abschleifen mit Sandpapier, wenn sie etwas verrostet sind. Dann haben wir doch noch eine Flasche mit Öl da, an die wir nicht herangegangen sind. Wenn Du damit die Dinger einmal einölen willst, dann wäre sie auch wieder in Ordnung. Doch darüber kannst Du mir ja einmal Deine Meinung schreiben.
Ich schließe mit den besten Grüßen und mit vielen lieben Küssen. Dein Ernst.
Du mein liebster, bester Schatz! 31.12.43
Der Dienst ist beendet. die Arbeit für diese Jahr damit auch. Ich sitze nun im alten Jahresabend hier und will Deiner, der Kinder und Vater gedenken. Was werdet Ihr wohl heute Abend tun? Wahrscheinlich zündet Ihr, wie das immer so üblich war, die Kerzen am Baum an und feiert nochmals still für Euch den Jahresschluss. Vater wird später zu Dir hinaufkommen. Das Radio wird spielen und noch etwas festliche Stimmung verbreiten. Die Rede von Goebbels werdet Ihr auch mit anhören. Dich ich bin davon überzeugt, daß Eure Gedanken oft bei mir weilen werden. Ihr werdet von mir sprechen und ich werde an Euch denken. die Gedanken gehen somit hin und her, so daß sie sich im weiten Raum treffen. Das Gedenken geht aber auch gerade in diesen Stunden zurück in das abgelaufene Jahr. Nochmals durchlebt man die verschiedenen Dinge, die es uns gebracht hatte an Leid aber auch an Freude. Doch alles das habe ich ja schon einmal behandelt in meinem Neujahrsbrief. Ich könnte mich höchstens wiederholen, und das ist ja schließlich nicht notwendig. Eines wollen wir aber noch tun, wir wollen dankbar sein für all das, was uns an Schönem gegeben wurde und das Leid, was es uns gebracht hat, wollen wir stolz im Gedanken an ihn tragen, der sich geopfert hat. Ob Ihr nun lange zusammensitzen werdet? Ich weiß es nicht. Doch es ist ja möglich, Die Kinder wirst Du aber, wie wir das auch früher gemacht haben, um Mitternacht wecken und ihnen ein gesundes neues Jahr wünschen. Du siehst, immer und immer kreisen meine Gedanken um Euch und um unser Heim. Immer fällt mir das eine oder andere ein, was sich als Brauch bei uns im Laufe der Jahre her ausgebildet hat.
Hier war wieder, wie alles recht „großzügig“. Ich schreibe ja im allgemeinen nicht darüber. Aber es ist Jahresschluss und da kann man damit viel leicht auch eine solche Sache begraben in der Annahme, daß es im kommenden Jahr besser wird. Im Kasino unserer Offiziere ist heute Abend wieder ein Abendessen. Für uns hat es anscheinend nicht mehr gereicht, wir bekommen unsere kalte kost in die Hand gedrückt und können uns auf unsere Bude verziehen. Ich habe keinen Groll deshalb, denn dies wird wohl nie anders sein und werden, daß man einen Unterschied macht. Aber immerhin hatte ich erwartet, daß man eine Kleinigkeit macht. Aber solche Gedanken darf man sich beim Barras nicht erlauben, denn das geht meistens schief. Ich gehe aber in das allgemeine Offizierskasino und will dort versuchen, noch etwas zu bekommen. Ich bin im allgemeinen nicht so veranlagt, aber man muß die Ellenbogen benutzen und nur an sich denken, sonst kommt man hier unter die Räder. Wenn ich Dir das schreibe, mußt Du Dir um mich keine Gedanken machen, denn ich helfe mir immer schon so gut es geht. Meist finde ich einen Ausweg und das ist ja wichtig. Um 8 Uhr findet dann eine gemeinsame Feier statt und um 11 Uhr ist schon allgemeiner Zapfenstreich. Man will damit verhüten, daß irgendwelche Besäufnisse oder sonstige Ausschreitungen stattfinden. Das wird somit ein ganz nüchternes Silvester. Es kann ja nichts schaden. Ich werde mich dann auf meine Bude setzen, mir die Kerzen auf meinem Adventskranz anzünden und mit meinen Gedanken in der Heimat weilen. Die Mitternacht werde ich noch abwarten und dann gehe ich auch schlafen. Morgen will ich am Nachmittag mit dem einen Kollegen in des Offiziersheim, von dem ich Dir früher schon einmal schrieb, das uns so ordentlich bewirtet hat. Wenn es dann noch langt, willen wir das, was wir am heutigen Abend zum Feiern versäumt haben, etwas nachholen, aber es wird schon nicht zu toll werden. Damit sind dann die Feiertage wieder alle abgeschlossen und wir können mit neuer Kraft und mit neuen Hoffnungen in das Jahr gehen, das nun vor uns liegt. Ich wiederhole am alten Jahresabend nochmals meinen Wunsch, den ich im Neujahrsbrief ausgesprochen habe, hoffen wir, daß wir diese Jahr und das Ende des Krieges alle gesund erleben werden. Alles andere wird sich finden und wir werden da, was an uns herankommt, meistern, wie wir das bisher auch getan haben. Nicht wahr, mein Schatz? Wenn uns wieder einige schöne Urlaubstage beschieden werden, dann wollen wir uns wieder unbeschwert dieser Stunden, die uns da gegeben werden freuen. Das sind so meine Gedanken, die mich heute bewegen und ich denke und fühle, daß Du das in gleicher Weise empfinden wirst. Darum Glück auf zum Neuen Jahr mit vielen guten Wünschen für uns alle Dein Ernst.