Mein liebes Mädel ! 27.11.42
Herzlichen Dank für Deinen Brief vom 16. Ausserdem erhielt
ich noch die rundschau. Es steht zwar nicht viel drin, man weiß aber, was
daheim passiert. Man verliert nicht so ganz und gar die VERbindung. Was sich
sonst draußen in der Welt ereignet, erfahren wir ja teilweise aus unserer
Zeitung. Wenn du aber der Ansicht bist, ich hätte mich über das geärgert, weil
Du mir die Zeitung nicht gesandt hast, dann stimmt das aber bestimmt nicht zu. Ich bin auch restlos davon überzeugt, daß Du
mir mit Absicht keinen Ärger bereiten würdest. Das mußt Du nicht so auslegen,
denn Du weißt, daß ich keinen Grund zur Klage über Dich habe. Wenn das
tatsächlich einmal der Fall sein sollte, dann würde ich es Dir schon schreiben.
Ich glaube aber, daß Du mir nicht gleich Gelegenheit dazu geben wirst. Für die mitgesandten Rasierklingen danke ich
Dir vielmals. Im Augenblick bin ich nicht so knapp dran. Ich nehme den
Abziehapparat Deines Vaters. Mit diesem ziehe ich die Klingen nochmals ab. Es
hat den Anschein, als ob sie etwas besser schneiden würden, ob sie aber auch
ohne Abziehen gehen würden, das habe ich noch nicht ausprobiert. Ich bilde mir jedenfalls ein, daß es nutzt. Inzwischen habe ich schon durch Luftpost
Nachricht von Dir erhalten, daß Du meinen ersten Brief schon erhalten hast. Ich
kann mir vorstellen, daß Du nun beruhigter bist, wenn Du weißt, daß ich an Ort
und Stelle bin und meinen alten Trott weitermache. Gefreut habe ich mich, daß
Kurt zum Obergefreiten befördert worden ist. Wenn es ihm auch nicht zum
Unteroffizier gelangt hat, so ist es doch immerhin so, daß er jetzt wenigstens
Wehrmachtsbesoldung bekommen kann und das ganz schön. Die „ Standard“ kann seine Steuerkarte nicht
haben, denn Kurt ist doch jetzt dort nicht erwerbstätig. Du hast Dich ja nun
selbst durchgefragt und nun kommt die Sache auch ohne meine Mithilfe zum
Klappen. Von den Rasiwerklingen habe
ich vergessen zu schreiben, daß ich hier 20 Stück habe. Wahrscheinlich werde
ich auch bei Gelegenheit welche erhalten. Du brauchst Dir deshalb nich die Füße
wegzulaufen. Wenn Du durch Zufall welche bekommst, dann kannst Du sie
mitnehmen, aber es ist nicht nötig, daß Du extra hinterherrrennst. Unsere Kinder sehe ich über die
Zeitungssendung Deines Vaters sitzen. Vor allem suchen sie sich den Blödsinn
heraus, denn das interessiert sie ja am meisten. Für die Übersendung der
„Koralle“ und der JZ bin ich Dir dankbar. Die anderen bekomme ich hier so schon
zu sehen und zu lesen. Es freut mich,
wenn ich lese, daß Du Dich mit dem Einkellern von Möhren und Roten Beten für
den Winter gesichert hast. Es ist schon gut, wenn man während des Winters von
seinen Vorräten ab und zu etwas holen kann. Für die Grüße der Kinder danke ich
vielmals. Ic h habe ihnen schon vorher persönlich zweimal geschrieben. Ich
denke, daß sie mir bei Gelegenheit antworten werden. Der eine Brief hat mir ja
viel Schweiß gekostet. Aber ich habe doch die bisherige Gewohnheit nicht
unterbrechen wollen. Hoffentlich
findwet er die Aufnahme, die ich ihm wünsche.
Meinen angekündigten Theaterbesuch habe ich heute wieder gemacht. Ich habe nur ein Urteil, es war sehr schön
und ich würde mich freuen, wenn ich Dich dort hinführen könnte. Ich weiß, daß
Du auch Deine Freude daran haben würdest. Wie ich schon schrieb, braucht man
dabei von der Sprache nichts zu versehen. Das macht schon sehr viel aus. Aber
alles in allem war es wirklich ausgezeichnet. Man kann wohl sagen, daß die
Russen vom Ballett etwas verstehen. Da haben sie schon in der Zarenzeit großen
Wert darauf gelegt. Wie es bei den Roten war, das weiß ich zwar nicht. Aber man
bemüht sich, wieder etwas daraus zu machen. Bei uns nebenan spielt jetzt das
Radie und es wird gerade unserem Jungen sein Lieblingslied „Heimat, Deine
Sterne“ gespielt. Zum Schluß recht
herzliche Grüße und recht viele Küsse sendet Dir und den Kindern Dein Ernst.
Mein lieber, lieber Schatz ! 28.11.42
Das war aber gestern eine schöne Überraschung. 4 Briefe
erhielt ich von Dir. Es sind die Briefe vom 13., 14, 15., und 17. Die haben
sich unterwegs gesammelt. Eine Frage habwe ich in dieser Beziehung noch an
Dich, hast Du mir gleich am 7. einen Brief geschrieben oder nicht ? Ich habe es
zum Teil aus Deinen anderen Schreiben entnommen. Nur interessiert es mich, ob dieser
Brief evtl. verloren gegangen ist.
Deine Schilderung über den letzten Abend, den wir noch zusammen
verbracht haben und auch die Erinnerung an den letzten Nachmittag ist mir schon
wiederholt durch den Kopf gegangen. Es war nicht leicht. Aber was hilft es, man
muß sich eben losreißen. Ich weiß, daß Du sehr müde warst. Wir waren doch die
vorhergehenden Abende nicht richtig zur Ruhe gekommen. Ich denke nur an den Donnerstag. Am
Nachmittag waren wir baden und dann anschließend ins Kino. Von dort gingen wir
doch noch in die Gastwirtschaft undf später in das Caf‘e. Da war es doch
ziemlich spät geworden. Ich war am Nachmittag schon etwas gereizt, denn Du
weißt ja, wie ich noch nach dem Cognac verlangte und gegen meine sonstige
Gewohnheit mehrere getrunken hatte. Es war aber auch so, daß man sich ganz wohl
daheim befunden hatte und nun hört mit einem Schlag alles auf. Es kostet schon
Überwindung und Nerven, bis man sich darüber hinwegsetzt. Es kann auch sein,
daß unser Junge aus dieser Spannung heraus am letzten Abend etwas mitbekommen
hat. Wie Du mir aber schon mitgeteilt hast, ist er darüber hinweg und mir trägt
er es nicht nach. Ich habe es nicht gern, daß ihm das in der Erinnerung bleibt, daß der Vater nur
nach hause kommt, um die Kinder zu vermöbeln. Was Dich selbst anbelangt, so
brauchst Du Dir keine Vorwürfe machen, denn wir sind während der ganzen
Urlaubstage gut miteinander ausgekommen.
Ich kann an mir selbst und aus Deinen Briefe immer wieder feststellen,
daß wir alle mit den Tagen des Urlaubs zufrieden waren.
Wegen den Zeitungen hast Du auch nocht Ärger gehabt. Ich kann
mir das Weib vorstellen, wie die wieder wild getan hat. Vielleicht gewöhnt die
sich auch noch an die veränderten Verhältnisse. In Friedenszeiten ist die
Gesellschaft froh, wenn man ihnen eine Zeitung abkauft. Für die Grüße von Resi
danke ich. Du kannst sie ihr bei Gelegenheit erwidern. Wenn Fritz auch noch
einmal hierherkäme, dann könnte ihm das auch nichts schaden. Er hat doch auch
trotz allem bis jetzt noch Glück gehabt. Unsere Helga hat nun begründeten
Stolz, daß sie mit wenigen Auserlesenen auf der Bühne singen darf. Wie war sie
glücklich, als wir während meines Urlaubs mit ins Theater gingen, um sie mit zu
bewundern. DAs ins aber kleine Freuden. Sie ist ja auch nicht anspruchsvoll und
sehr leicht zufrieden zu stellen. Wenn sie meint, nun ein „Sonderling“ zu sein,
so wollen wir ihr gerne das VERgnügen lassen. Sie hat ein stark ausgeprägtes
Geltungs bedürfnis. Wenn man das in die richtige Bahn lenkt, ist das bestimmt
nicht von Schaden. Vorher bekam ich
noch Deinen Brief vom 18. und das Päckchen mit dem Löffel und der Bürste, die
ich vergessen hatte. Ich danke Dir für beide Sendungen. Über den Brief werde
ich in diesen Tagen, wenn ich die anderen alle beantwortet habe, Bescheid
geben. Das ist doch lieb von unseren
Lausern, wenn sie Dir einen Adventskalender gemacht haben. Ich denke, daß Du
ihn fleißig benutzen wirst. Morgen hat
uns der Chef zu sich eingeladen, um zum 1. Advent zusammen mit ihm zu sein. Ich
finde das ganz nett von ihm. Wenn auch der Kreis nicht gerade nach meinem
Geschmack ist, aber solchen Anforderungen kann man sich nicht verschließen.
Unsere Nachmittagstorte werden wir also bei unserem Chef diesmal einnehmen. Ich
hatte gar nicht daran gedacht, daß schon erster Advent ist, wenn er nicht von
sich aus daran gedacht hätte. Du sitzst
jetzt wahrscheinlich auch daheim und schreibst einen Brief. Ich höre wohl auch
Radio, aber nicht im eigenen Zimmer, denn meine Nachbarn drehen so laut auf,
daß ich mir einen Apparat sparen kann. Es gibt schon noch Menschenfreunde. Mein
liebes Mädel sei recht herzlich gegrüßt und nimm viele Küsse entgegen von
Deinem Ernst.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen