Montag, 27. November 2017

Brief 344 vom 27./28.11.1942


Mein liebes Mädel !                                                                 27.11.42      
  
Herzlichen Dank für Deinen Brief vom 16. Ausserdem erhielt ich noch die rundschau. Es steht zwar nicht viel drin, man weiß aber, was daheim passiert. Man verliert nicht so ganz und gar die VERbindung. Was sich sonst draußen in der Welt ereignet, erfahren wir ja teilweise aus unserer Zeitung. Wenn du aber der Ansicht bist, ich hätte mich über das geärgert, weil Du mir die Zeitung nicht gesandt hast, dann stimmt das aber bestimmt nicht zu.  Ich bin auch restlos davon überzeugt, daß Du mir mit Absicht keinen Ärger bereiten würdest. Das mußt Du nicht so auslegen, denn Du weißt, daß ich keinen Grund zur Klage über Dich habe. Wenn das tatsächlich einmal der Fall sein sollte, dann würde ich es Dir schon schreiben. Ich glaube aber, daß Du mir nicht gleich Gelegenheit dazu geben wirst.  Für die mitgesandten Rasierklingen danke ich Dir vielmals. Im Augenblick bin ich nicht so knapp dran. Ich nehme den Abziehapparat Deines Vaters. Mit diesem ziehe ich die Klingen nochmals ab. Es hat den Anschein, als ob sie etwas besser schneiden würden, ob sie aber auch ohne Abziehen gehen würden, das habe ich noch nicht ausprobiert.  Ich bilde mir jedenfalls ein, daß es nutzt.  Inzwischen habe ich schon durch Luftpost Nachricht von Dir erhalten, daß Du meinen ersten Brief schon erhalten hast. Ich kann mir vorstellen, daß Du nun beruhigter bist, wenn Du weißt, daß ich an Ort und Stelle bin und meinen alten Trott weitermache. Gefreut habe ich mich, daß Kurt zum Obergefreiten befördert worden ist. Wenn es ihm auch nicht zum Unteroffizier gelangt hat, so ist es doch immerhin so, daß er jetzt wenigstens Wehrmachtsbesoldung bekommen kann und das ganz schön. Die „  Standard“ kann seine Steuerkarte nicht haben, denn Kurt ist doch jetzt dort nicht erwerbstätig. Du hast Dich ja nun selbst durchgefragt und nun kommt die Sache auch ohne meine Mithilfe zum Klappen.  Von den Rasiwerklingen habe ich vergessen zu schreiben, daß ich hier 20 Stück habe. Wahrscheinlich werde ich auch bei Gelegenheit welche erhalten. Du brauchst Dir deshalb nich die Füße wegzulaufen. Wenn Du durch Zufall welche bekommst, dann kannst Du sie mitnehmen, aber es ist nicht nötig, daß Du extra hinterherrrennst.  Unsere Kinder sehe ich über die Zeitungssendung Deines Vaters sitzen. Vor allem suchen sie sich den Blödsinn heraus, denn das interessiert sie ja am meisten. Für die Übersendung der „Koralle“ und der JZ bin ich Dir dankbar. Die anderen bekomme ich hier so schon zu sehen und zu lesen.  Es freut mich, wenn ich lese, daß Du Dich mit dem Einkellern von Möhren und Roten Beten für den Winter gesichert hast. Es ist schon gut, wenn man während des Winters von seinen Vorräten ab und zu etwas holen kann. Für die Grüße der Kinder danke ich vielmals. Ic h habe ihnen schon vorher persönlich zweimal geschrieben. Ich denke, daß sie mir bei Gelegenheit antworten werden. Der eine Brief hat mir ja viel Schweiß gekostet. Aber ich habe doch die bisherige Gewohnheit nicht unterbrechen wollen.  Hoffentlich findwet er die Aufnahme, die ich ihm wünsche.  Meinen angekündigten Theaterbesuch habe ich heute wieder gemacht.  Ich habe nur ein Urteil, es war sehr schön und ich würde mich freuen, wenn ich Dich dort hinführen könnte. Ich weiß, daß Du auch Deine Freude daran haben würdest. Wie ich schon schrieb, braucht man dabei von der Sprache nichts zu versehen. Das macht schon sehr viel aus. Aber alles in allem war es wirklich ausgezeichnet. Man kann wohl sagen, daß die Russen vom Ballett etwas verstehen. Da haben sie schon in der Zarenzeit großen Wert darauf gelegt. Wie es bei den Roten war, das weiß ich zwar nicht. Aber man bemüht sich, wieder etwas daraus zu machen. Bei uns nebenan spielt jetzt das Radie und es wird gerade unserem Jungen sein Lieblingslied „Heimat, Deine Sterne“ gespielt.  Zum Schluß recht herzliche Grüße und recht viele Küsse sendet Dir und den Kindern Dein Ernst.


Mein lieber, lieber Schatz !                                                            28.11.42 
        
Das war aber gestern eine schöne Überraschung. 4 Briefe erhielt ich von Dir. Es sind die Briefe vom 13., 14, 15., und 17. Die haben sich unterwegs gesammelt. Eine Frage habwe ich in dieser Beziehung noch an Dich, hast Du mir gleich am 7. einen Brief geschrieben oder nicht ? Ich habe es zum Teil aus Deinen anderen Schreiben entnommen. Nur interessiert es mich, ob dieser Brief evtl. verloren gegangen ist.  Deine Schilderung über den letzten Abend, den wir noch zusammen verbracht haben und auch die Erinnerung an den letzten Nachmittag ist mir schon wiederholt durch den Kopf gegangen. Es war nicht leicht. Aber was hilft es, man muß sich eben losreißen. Ich weiß, daß Du sehr müde warst. Wir waren doch die vorhergehenden Abende nicht richtig zur Ruhe gekommen.  Ich denke nur an den Donnerstag. Am Nachmittag waren wir baden und dann anschließend ins Kino. Von dort gingen wir doch noch in die Gastwirtschaft undf später in das Caf‘e. Da war es doch ziemlich spät geworden. Ich war am Nachmittag schon etwas gereizt, denn Du weißt ja, wie ich noch nach dem Cognac verlangte und gegen meine sonstige Gewohnheit mehrere getrunken hatte. Es war aber auch so, daß man sich ganz wohl daheim befunden hatte und nun hört mit einem Schlag alles auf. Es kostet schon Überwindung und Nerven, bis man sich darüber hinwegsetzt. Es kann auch sein, daß unser Junge aus dieser Spannung heraus am letzten Abend etwas mitbekommen hat. Wie Du mir aber schon mitgeteilt hast, ist er darüber hinweg und mir trägt er es nicht nach. Ich habe es nicht gern, daß ihm das in  der Erinnerung bleibt, daß der Vater nur nach hause kommt, um die Kinder zu vermöbeln. Was Dich selbst anbelangt, so brauchst Du Dir keine Vorwürfe machen, denn wir sind während der ganzen Urlaubstage gut miteinander ausgekommen.  Ich kann an mir selbst und aus Deinen Briefe immer wieder feststellen, daß wir alle mit den Tagen des Urlaubs zufrieden waren.
Wegen den Zeitungen hast Du auch nocht Ärger gehabt. Ich kann mir das Weib vorstellen, wie die wieder wild getan hat. Vielleicht gewöhnt die sich auch noch an die veränderten Verhältnisse. In Friedenszeiten ist die Gesellschaft froh, wenn man ihnen eine Zeitung abkauft. Für die Grüße von Resi danke ich. Du kannst sie ihr bei Gelegenheit erwidern. Wenn Fritz auch noch einmal hierherkäme, dann könnte ihm das auch nichts schaden. Er hat doch auch trotz allem bis jetzt noch Glück gehabt. Unsere Helga hat nun begründeten Stolz, daß sie mit wenigen Auserlesenen auf der Bühne singen darf. Wie war sie glücklich, als wir während meines Urlaubs mit ins Theater gingen, um sie mit zu bewundern. DAs ins aber kleine Freuden. Sie ist ja auch nicht anspruchsvoll und sehr leicht zufrieden zu stellen. Wenn sie meint, nun ein „Sonderling“ zu sein, so wollen wir ihr gerne das VERgnügen lassen. Sie hat ein stark ausgeprägtes Geltungs bedürfnis. Wenn man das in die richtige Bahn lenkt, ist das bestimmt nicht von Schaden.  Vorher bekam ich noch Deinen Brief vom 18. und das Päckchen mit dem Löffel und der Bürste, die ich vergessen hatte. Ich danke Dir für beide Sendungen. Über den Brief werde ich in diesen Tagen, wenn ich die anderen alle beantwortet habe, Bescheid geben.  Das ist doch lieb von unseren Lausern, wenn sie Dir einen Adventskalender gemacht haben. Ich denke, daß Du ihn fleißig benutzen wirst.  Morgen hat uns der Chef zu sich eingeladen, um zum 1. Advent zusammen mit ihm zu sein. Ich finde das ganz nett von ihm. Wenn auch der Kreis nicht gerade nach meinem Geschmack ist, aber solchen Anforderungen kann man sich nicht verschließen. Unsere Nachmittagstorte werden wir also bei unserem Chef diesmal einnehmen. Ich hatte gar nicht daran gedacht, daß schon erster Advent ist, wenn er nicht von sich aus daran gedacht hätte.  Du sitzst jetzt wahrscheinlich auch daheim und schreibst einen Brief. Ich höre wohl auch Radio, aber nicht im eigenen Zimmer, denn meine Nachbarn drehen so laut auf, daß ich mir einen Apparat sparen kann. Es gibt schon noch Menschenfreunde. Mein liebes Mädel sei recht herzlich gegrüßt und nimm viele Küsse entgegen von Deinem Ernst.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen