Montag, 27. November 2017

Brief 343 vom 25.11.1942


Mein liebstes Mädel !                                                               25.11.42   
      
Für mich kam gestern keine Post an. Ich will Dir heute aber gleich mit Luftpost schreiben, damit Du Dir über die eine Geschichte, die ich Dir kürzlich mitteilte, nicht allzulange Gedanken machst. Wie ich Dir also schon schrieb, bestand hier die Absicht, mich wieder auf das Land zu versetzen. Das hat sich nach meinen ERkundigungen wieder zerschlagen. Ein großer Personalaustausch war vorgesehen. Auf dem Konzept, das ich gesehen hatte, war ich auch mit vermerkt. Wie ich nun erfahren habe, war es nicht ganz klar, ob der Inspektor oder ob ich wegkommen sollte.  Die Entscheidung ist nun gefallen und der Inspektor muß wandern.  So sicher ist auch die Lage für mich nicht, aber Du weißt ja, daß ich die Dinge so nehme, wie sie sind, dann komme ich noch am besten damit durch. Man muß nur versuchen, jeder Lage die guten Seiten abzugewinnen, dann kann man sie am besten meistern. Ich bedauere nur, daß dr Inspektor wegkommt, denn mit dem bin ich noch am besten ausgekommen. Wie der Nachfolger ist, das weiß man meinst nicht. Ich werde ihn aber erst mit Vorsicht genießen. Wenn ich zum Frühjahr von hier wegkomme, dann soll es mir noch eher gleich sein. Bis dahin kennt man vielleicht auch noch jemand, zu dem man dann sich versetzen lassen könnte. Sollte sich aber trotzdem eine Änderung schon vorher ergeben, dann ist das auch nicht so tragisch. Ich habe Dir schon im vorhergehenden Schreiben geschildert.  Soeben erhalten ich Deinen Luftpostbrief vom 21.11., in dem Du mir den Eingang meines ersten Briefes bestätigst. Es freut mich, daß Du so schnell unterrichtet worden bist.  Ich wußte, daß Du mit Schmerzen auf eine Nachricht über meine Ankunft gewartet hast. Die andere Post bekommst Du nun auch wieder laufend. Wenn Du auch zwischen den ersten beiden Briefen und den folgenden warten mußtest. Es ist aber schon gut, wenn man eine Nachricht, die einem dringlicher erscheint, schneller nach hause befördern kann, wie auf dem normalen Weg.  Über die Brandsache habe ich Dir später ausführlicher berichtet. Weitere Erklärungen sind dazu wohl nicht mehr notwendig. Bis jetzt sind wir noch behelfsmäßig untergebracht. Es kann sein, daß wir noch länger so wohnen bleiben, wenn sich die maßgebenden Herren darüber nicht einig werden. Mir soll das aber gleichgültig sein, denn das Zimmer ist hell und sauber. Geheizt ist es auch, sodaß ich keinen Grund zur berechtigten Klage hätte. In den Betrieb habe ich mich wieder richtig eingewöhnt. Mit Wehmut denkt man an die Urlaubstage zurück. Wenn Du Dir etwa Gedanken deshalb Gedanken gemacht hast, daß Du mir soviel erzählt hast, so kann ich nur erwidern, daß mir das ebenso gegangen ist. Ich hätte noch viel mehr Möglichkeit gehabt, zu erzählen von all den Dingen, die ich während meiner Abwesenhet erlebt habe. Wichtig ist, daß wir beide die Überzeugung haben, daß wir uns beide Stärkung geholt haben für die kommende Zeit der Trennung. Ich weiß, man kommt nach hause mit übervollem Herzen und will wieter nicht wie erzählen und berichten. Das geht auch eine ganze Weile, aber dann kommt der Zeitpunkt, wo man in den Ablauf des Tages hineingewachsen ist und lebt zuhause wieder mit, wie wenn nichts dazwischen gewesen wäre. Ab und zu erinnert man sich wieder eines Ereignisses und erzählt so beiläufig davon. Aber diese Dinge gehen schon wieder unter in den täglichen Allerlei. Heißt es dann aber wieder abreisen, und man ist dann im Zuge, dann fallen einem tausenderlei Dinge ein, die man hat noch erledigen wollen. Man hat eben keine Zeit, um alles zu verarbeiten und zu verdauen, weil sich einem die Eindrücke von zuhause aufdrängen.  Hier schneit es Tag für Tag. Einmal ist es kälter und einmal wird es wärmer. Der Schnee bleibt aber liegen. Der Himmerl ist grau und es wird nicht mehr ganz hell am Tage. Bald nach dem Mittagessen wird es schon Nacht.  Früh dagegen ist es nach 6 Uhr hell, aber das kann man nicht ausnutzen, weil ja der Arbeitstag sich an die Tageszeiten hält wie sie daheim sind.  Gewundert hat es mich, daß Du der Frau Deines Vaters zum Weihnachtsfest etwas schenken willst. Ich weiß nicht, was uns mit dieser Frau verbindet. Wie das aussieht, das kann uns doch gleichgültig sein. Wenn Du anderer Ansicht sein solltest, dann kannst Du ihr es meinetwegen mitschicken, aber ich selbst halte es nicht für notwendig. Wenn Du das mit Erna machst, dann hat das eher eine Berechtigung. Ich bin der Meinung, daß sich die Frau an uns halten muß und nicht wir an sie. DAs ist nun einmal ein eigenartiges Verhältnis, das stimmt durchaus, aber wir können es ja nicht ändern. Mache Dir aber keine Gedanken, wenn Du das Päckchen schon abgesandt haben solltest. Wegen Siegfried brauchst Du nicht erst die Zigaretten  an Erna absenden, denn Zulassungsmarken braucht man nur für die Soldaten, die eine Feldpostnummer haben. Es ist ja nun auch nicht schlimm, wenn ihm diese Zigaretten von Erna aus zugehen.  Um die Weihnachtsgeschenke für die Kinder hast Du Dich rechtzeitig gekümmert. Da warst Du früher schon immer hinterher. Da habe ich mich nicht weiter viel darum kümmern müssen. Diese Einkäufe hast Du schon immer gerne gemacht. Jetzt ist es nicht anders möglich, denn da kann ich Dir nicht behilflich sein. Daß es bei den wenigen Anlieferungen schwer ist, einzkaufen, kann ich mir gut vorstellen. Ich habe es selbst erlebt, als ich zuhause war. Man muß bedenken, daß es durch die Länge des Krieges nicht leichter sondern immer schwerer wird. Aber ich glaube, daß sie zufrieden sein können.  Sie kommen bestimmt nicht zu kurz. Ich würde mich freuen, wieder einmal am Weihnachtsfest daheim sein zu können, doch da wird wohl längere Zeit nichts daraus werden. Besser wäre es, man könnte für immer daran denken und man müßte nicht nur mit einem Urlaub rechnen.  An den Nikolaustag hatte ich schon gedacht, wie Du an den Schreiben für die Kinder gesehen hast. Ihr seid also beim Theaterspielen. Da haben die Kinder auch ihre Freude. Ihren Eifer kann ich mir gut ausmalen, den sie wegen des Kartenkaufes an den Tag gelegt haben. Ich werde an Euch denken, wenn Ihr dort zusammen seid.  Froh bin ich, daß Helga jetzt ihre Schuhe noch bekommt. Es ist nicht schön, wenn man mit nassen Füßen laufen muß.  Es ist schon schlimm, wenn man kein Geld dafür hat, aber wenn man sie kaufen könnte und man bekommt keine, das ist doch noch ärgerlicher. Es geht eben nit mehr so wie im vergangenen Jahr, als ich noch welche beschaffen konnte. Da hattest Du keine Schwierigkeiten. Ich kann es aber nicht ändern.  Von Alfred bekam ich heute auch eine Postkarte, die ich Dir nächstens mit zugehen lasse. Er ist wieder auf der Insel Borkum. Er schreibt nicht Persönliches weiter, als daß er im Urlaub war.  Für heute habe ich wieder allerhand geschrieben. Ich sende Dir, mein lieber Schatz, recht viele, viele Grüße und Küsse Dich ganz fest. Dein Ernst.


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