Meine liebe, liebe Annie ! 21.11.42
Jetzt sind schon wieder 14 Tage vergangen, seit ich von
Euch daheim wegfahren mußte. Wenn man sich so zurückerinnert, dann merkt man
erst, wie die Zeit vergeht. Beispielsweise waren vor wenigen Tagen 2 ½ Jahre
vergangen, seit in einberufen wurde.
Ist das nicht eine lange Zeit? mit einer derartigen Länge des Krieges
hatte man seinerzeit nicht gerechnet. DAs nützt aber alles nicht, denn man muß
durchhalten, wie sich die Dinge auch entwickeln werden. Deine lieben Briefe
habe ich wiederholt durchgelesen. Jedesmal habe ich mich über die Art Deines
Schreibens gefreut. Es ist, als sprichst Du selbst daraus. Anscheinend hast Du
Dir viel Sorge gemacht, ob ich auch richtig hier ankomme. Wahrscheinlich mehr als ich selbst, der ich
doch der Leidtragende war. Mir macht es auch große Freude, wenn Du an dem
Blumenstock Deinen Spaß hast. Ist er doch ein kleines Zeichen meiner
Dankbarkeit Dir gegenüber für alle schönen Stunden, die ich bei Euch verleben
konnte. Es stimmt schon, daß diese Trennung anders war, wie eine der früheren,
wenn ich nach Frankreich fuhr. Um alles besser überwinden zu können, hast Du
Dich aber gleich fest in die GArtenarbeit gestürzt. Ich muß schon sagen, daß es
bei Dir schneller ging mit dem großen Garten fertig zu werden, wie bei mir. Den
großen GArten hattest Du erst einmal restlos fertig gemacht. DAs war auch ganz
richtig. Denn dann sieht man, was eigentlich noch zu tun ist. Den GArten hinter
dem Haus wirst Du wohl nun inzwischen auch ganz fertig haben, bis Du meinen
Breif erhältst. An den Brombeeren hast Du Dich also auch noch verwundet. Ich
bedauere, daß ich sie nicht ganz fertig gemacht hatte. Aber das Verschneiden
hast Du wenigstens nicht noch gehabt, das ist doch auch ein schöner Teil arbeit
gewesen, den ich Dir abgenommen habe. Ein klein wenig haben Dich die Kinder
beim Abräumen mit unterstützt. Das können sie auch ohne weiteres machen. Ich
glaube, daß sie Dir diese Arbeit wiederspruchslos abgenommen haben. Richtig
hast Du gehandelt, wenn Du unserem Stromer einmal eine gewischt hast, wenn er
nicht pariert. Unseren beiden Strolchen
habe ich gestern zum Nikolaustag geschrieben. Es hat mir manchen Tropfen
Schweiß gekostet, bis ich das beieinander hatte. Hoffentlich haben sie ihre
Freude daran. Die mitgesandten 7,RM
sollen sie sich teilen, die hatte ich noch bei mir. Das kleine Foto hatte ich
aus einem Heft herausgenommen. Ich
finde es ganz schön und hebe es deshalb für sie mit auf. An Siegfried habe ich
gestern abend auch noch geschrieben. Wenn ich so weitermache, komme ich bald
mit der Beantwortung der zu erledigenden Briefe durch. Durchschlag lege ich Dir
wieder mit bei, damit Du weißt, was ich geschrieben habwe. Auch Siegfries Brief
ist mit beigefügt. Ein kleines Päckchen habe ich für Dich auch wieder zusammen.
Ich habe hier bei meiner jetzigen Einheit noch Marketenderwaren bekommen, die
ich Dir mit auf den Weihnachtstisch stellen möchte, wenn es es rechtzeitig
ankommt. Es sind nur Kleinigkeiten, aber wir bekommen hier nichts weiter zu kaufen,
so daß ich froh bin, wenn ich das machen kann.
Gestern abend war ich im Kino und habe mir den Film „Der große König“
angesehen, der mir in geschichtlicher Hinsicht sehr interessant war und auch
gut gefallen hat. Seit mir bekannt wurde, daß ich wahrscheinlich bald von hier
wegkommen werde, sehe ich zu, daß ich mir noch verschiedenes ansehe. Wie es
dann werden wird, ist ja sehr unsicher. Ich nutze die Gelegenheit noch solange
aus, wie das möglich ist. Am Nachmittag
hatte ich den Brief angefangen; jetzt nach dem Abendessen war ich noch eine
Stunde an der frischen Luft. Man kommt hier sonst nicht aus dem Bau heraus,
weil unsere Wohnungen sich im gleichen Haus befinden. Es ist aber wirklich
notwendig, daß man frische Luft schnappt. Es wird nun Zeit, daß ich mich wieder
ins Bett lege. Eine Woche ist wieder geschafft, wieviele werden noch folgen ?
Ich sage Dir, mein liebes Mädel, eine recht gute Nacht und bin im Geiste immer bei Euch daheim, Ihr
Lieben. Sei Du recht, recht vielmals
gegrüßt und nimm Du und die Kinder viele liebe Küsse entgegen von Deinem immer
an Dich denkenden Ernst.
Mein liebes Mädel ! 22.11.42
Gestern ist allgemein keine Post eingegangen. Vielleicht
bekommen wir heute welche. Heute zum Sonntag würde man sich besonders darüber
freuen. Das Warten sind wir aber gewöhnt und das ist an sich nichts Neues
mehr. Ich war gestern wegen meiner
Sache mit der Stadtverwaltung bei meinem Chef und habe dies nochmals mit ihm
durchgesprochen. Ich habe mich vor allem erkundigt, ob er es für ratsam hält,
wenn ich mich beim Minister des Inneren in Karlsruhe beschwere. Habe ihm
gleichzeitig aber noch von dem Ergebnis meiner Verhandlungen mit der STadt
selbst unterrichtet. Er hat mir nun
geraten, was an sich auch meine Absicht war, erst noch den Eingang des Heftes
abzuwarten, das ich bestellt habe. Dann
soll ich meine Eingabe entwerfen. Er will sie dann bei seiner Heimatbehörde dem
Personalsachbearbeiter vorlegen, der die Bestimmungen vollkommen beherrschen
würde. Er will ihn dann bitten, ein Gutachten abzugeben, ob nach seiner Ansicht
etwas zu machen sei oder nicht. Ich habe mich selbstverständlich bedankt, denn
soviel Entgegenkommen hatte ich erst nicht erwartet. Er will mir auch sonst
jede Unterstützung zuteil werden lassen, die sich bietet. Ich werde dann ja
sehen, ob und wo ich in dieser Geschichte nachhaken kann. Mir ist es jetzt in
erster Linie darum zu tun, diesem Quertreiber, diesem Lang, nach Möglichkeit
Schwierigkeiten zu bereiten und ihm, wenn möglich, doch zu zeigen, daß es anders
geht. DAs wäre mir ja die größte Freude. Ich will aber nicht zu früh jubeln.
Wegen meiner Beurteilung ist von hier aus an die Stadt geschrieben worden, daß
es nach den Bestimmungen nicht möglich ist. Als Nachsatz hat mein Chef
hinzugefügt; „Es wird von hier aus
dankbar begrüßt, daß für Rosches Fortkommen solches Interesse gezeigt wird. „
Vorhin waren wir Kaffeetrinken. Ich
kann Dir nur erzählen, daß ich sowas im WEsten nicht bei meiner Verpflegung
gehabt habe. Zwei Stückchen Torte mit Buttercreme und dann Kaffee, alos
Bohnenkaffee, soviel man haben will, das kostet keinen Pfennig. Da bist Du doch
auch ganz erstaunt. Wir bekamen ja in
Mirgorod sonntags auch Kuchen. Der war bestimmt nicht schlecht. Auch Bohnenkaffee,
das ist aber nicht mit hier zu vergleichen. In der letzten Einheit, bei der wir
verpflegt wurden, mußten wir ja dafür zahlen. Das ist gewissermaßen der ideale
Zustand in der Vollendung. Man erzählt sich, dass das gerade im Sommer noch
besser gewesen sei. Da hatte es Früchte gegeben. Man kann sich das nicht
vorstellen, daß man im Krieg ist, wenn man diese VErpflegung sieht. Allgemein
kann man sagen, daß sie, von solchen Spezialitäten abgesehen, wie ich sie eben
geschildert habe, gut ist und mit den Verhältnissen aus dem ersten Weltkrieg nict
zu vergleichen wäre. Mittagessen gibt es tatsächlich mehr wie reichlich. Das
Essen wird in Schüsseln aufgetragen und jeder kann sich nehmen , was er will.
Das Fleisch wird einem zwar zugeteilt. Mir reicht es reichlich und die anderen
höre ich auch nicht klagen. Wenn es wieder einmal eine Besonderheit gibt, dann
werde ich Dir einmal davon schreiben. Vielleicht ist für Euch daheim alles
Besonderheit, wenn Ihr das sehen würdet. Aber wie ich früher schon einmal
sagte, das ist ja noch das, was uns hier bei Stimmung behält. Nachher will ich in eines der theater gehen.
Es wird „Zigeunerliebe“ von Lehar gespielt. Ich verspreche mir nicht sehr viel
davon, denn es findet nicht in dem Theater statt, wo ich sonst hingehe. Recht viele herzliche Grüße und Küsse sendet
Dir und den Kindern in viel Liebe Dein Ernst.
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