Dienstag, 21. November 2017

Brief 341 vom 21./22.11.1942


Meine liebe, liebe Annie !                                                    21.11.42 
         
Jetzt sind schon wieder 14 Tage vergangen, seit ich von Euch daheim wegfahren mußte. Wenn man sich so zurückerinnert, dann merkt man erst, wie die Zeit vergeht. Beispielsweise waren vor wenigen Tagen 2 ½ Jahre vergangen, seit in einberufen wurde.  Ist das nicht eine lange Zeit? mit einer derartigen Länge des Krieges hatte man seinerzeit nicht gerechnet. DAs nützt aber alles nicht, denn man muß durchhalten, wie sich die Dinge auch entwickeln werden. Deine lieben Briefe habe ich wiederholt durchgelesen. Jedesmal habe ich mich über die Art Deines Schreibens gefreut. Es ist, als sprichst Du selbst daraus. Anscheinend hast Du Dir viel Sorge gemacht, ob ich auch richtig hier ankomme.  Wahrscheinlich mehr als ich selbst, der ich doch der Leidtragende war. Mir macht es auch große Freude, wenn Du an dem Blumenstock Deinen Spaß hast. Ist er doch ein kleines Zeichen meiner Dankbarkeit Dir gegenüber für alle schönen Stunden, die ich bei Euch verleben konnte. Es stimmt schon, daß diese Trennung anders war, wie eine der früheren, wenn ich nach Frankreich fuhr. Um alles besser überwinden zu können, hast Du Dich aber gleich fest in die GArtenarbeit gestürzt. Ich muß schon sagen, daß es bei Dir schneller ging mit dem großen Garten fertig zu werden, wie bei mir. Den großen GArten hattest Du erst einmal restlos fertig gemacht. DAs war auch ganz richtig. Denn dann sieht man, was eigentlich noch zu tun ist. Den GArten hinter dem Haus wirst Du wohl nun inzwischen auch ganz fertig haben, bis Du meinen Breif erhältst. An den Brombeeren hast Du Dich also auch noch verwundet. Ich bedauere, daß ich sie nicht ganz fertig gemacht hatte. Aber das Verschneiden hast Du wenigstens nicht noch gehabt, das ist doch auch ein schöner Teil arbeit gewesen, den ich Dir abgenommen habe. Ein klein wenig haben Dich die Kinder beim Abräumen mit unterstützt. Das können sie auch ohne weiteres machen. Ich glaube, daß sie Dir diese Arbeit wiederspruchslos abgenommen haben. Richtig hast Du gehandelt, wenn Du unserem Stromer einmal eine gewischt hast, wenn er nicht pariert.  Unseren beiden Strolchen habe ich gestern zum Nikolaustag geschrieben. Es hat mir manchen Tropfen Schweiß gekostet, bis ich das beieinander hatte. Hoffentlich haben sie ihre Freude daran.  Die mitgesandten 7,RM sollen sie sich teilen, die hatte ich noch bei mir. Das kleine Foto hatte ich aus einem Heft herausgenommen.  Ich finde es ganz schön und hebe es deshalb für sie mit auf. An Siegfried habe ich gestern abend auch noch geschrieben. Wenn ich so weitermache, komme ich bald mit der Beantwortung der zu erledigenden Briefe durch. Durchschlag lege ich Dir wieder mit bei, damit Du weißt, was ich geschrieben habwe. Auch Siegfries Brief ist mit beigefügt. Ein kleines Päckchen habe ich für Dich auch wieder zusammen. Ich habe hier bei meiner jetzigen Einheit noch Marketenderwaren bekommen, die ich Dir mit auf den Weihnachtstisch stellen möchte, wenn es es rechtzeitig ankommt. Es sind nur Kleinigkeiten, aber wir bekommen hier nichts weiter zu kaufen, so daß ich froh bin, wenn ich das machen kann.  Gestern abend war ich im Kino und habe mir den Film „Der große König“ angesehen, der mir in geschichtlicher Hinsicht sehr interessant war und auch gut gefallen hat. Seit mir bekannt wurde, daß ich wahrscheinlich bald von hier wegkommen werde, sehe ich zu, daß ich mir noch verschiedenes ansehe. Wie es dann werden wird, ist ja sehr unsicher. Ich nutze die Gelegenheit noch solange aus, wie das möglich ist.  Am Nachmittag hatte ich den Brief angefangen; jetzt nach dem Abendessen war ich noch eine Stunde an der frischen Luft. Man kommt hier sonst nicht aus dem Bau heraus, weil unsere Wohnungen sich im gleichen Haus befinden. Es ist aber wirklich notwendig, daß man frische Luft schnappt. Es wird nun Zeit, daß ich mich wieder ins Bett lege. Eine Woche ist wieder geschafft, wieviele werden noch folgen ? Ich sage Dir, mein liebes Mädel, eine recht gute Nacht  und bin im Geiste immer bei Euch daheim, Ihr Lieben.  Sei Du recht, recht vielmals gegrüßt und nimm Du und die Kinder viele liebe Küsse entgegen von Deinem immer an Dich denkenden Ernst.


Mein liebes Mädel !                                                             22.11.42   
      
Gestern ist allgemein keine Post eingegangen. Vielleicht bekommen wir heute welche. Heute zum Sonntag würde man sich besonders darüber freuen. Das Warten sind wir aber gewöhnt und das ist an sich nichts Neues mehr.  Ich war gestern wegen meiner Sache mit der Stadtverwaltung bei meinem Chef und habe dies nochmals mit ihm durchgesprochen. Ich habe mich vor allem erkundigt, ob er es für ratsam hält, wenn ich mich beim Minister des Inneren in Karlsruhe beschwere. Habe ihm gleichzeitig aber noch von dem Ergebnis meiner Verhandlungen mit der STadt selbst unterrichtet.  Er hat mir nun geraten, was an sich auch meine Absicht war, erst noch den Eingang des Heftes abzuwarten, das ich bestellt habe.  Dann soll ich meine Eingabe entwerfen. Er will sie dann bei seiner Heimatbehörde dem Personalsachbearbeiter vorlegen, der die Bestimmungen vollkommen beherrschen würde. Er will ihn dann bitten, ein Gutachten abzugeben, ob nach seiner Ansicht etwas zu machen sei oder nicht. Ich habe mich selbstverständlich bedankt, denn soviel Entgegenkommen hatte ich erst nicht erwartet. Er will mir auch sonst jede Unterstützung zuteil werden lassen, die sich bietet. Ich werde dann ja sehen, ob und wo ich in dieser Geschichte nachhaken kann. Mir ist es jetzt in erster Linie darum zu tun, diesem Quertreiber, diesem Lang, nach Möglichkeit Schwierigkeiten zu bereiten und ihm, wenn möglich, doch zu zeigen, daß es anders geht. DAs wäre mir ja die größte Freude. Ich will aber nicht zu früh jubeln. Wegen meiner Beurteilung ist von hier aus an die Stadt geschrieben worden, daß es nach den Bestimmungen nicht möglich ist. Als Nachsatz hat mein Chef hinzugefügt; „Es wird von hier  aus dankbar begrüßt, daß für Rosches Fortkommen solches Interesse gezeigt wird. „ Vorhin waren wir Kaffeetrinken.  Ich kann Dir nur erzählen, daß ich sowas im WEsten nicht bei meiner Verpflegung gehabt habe. Zwei Stückchen Torte mit Buttercreme und dann Kaffee, alos Bohnenkaffee, soviel man haben will, das kostet keinen Pfennig. Da bist Du doch auch ganz erstaunt.  Wir bekamen ja in Mirgorod sonntags auch Kuchen. Der war bestimmt nicht schlecht. Auch Bohnenkaffee, das ist aber nicht mit hier zu vergleichen. In der letzten Einheit, bei der wir verpflegt wurden, mußten wir ja dafür zahlen. Das ist gewissermaßen der ideale Zustand in der Vollendung. Man erzählt sich, dass das gerade im Sommer noch besser gewesen sei. Da hatte es Früchte gegeben. Man kann sich das nicht vorstellen, daß man im Krieg ist, wenn man diese VErpflegung sieht. Allgemein kann man sagen, daß sie, von solchen Spezialitäten abgesehen, wie ich sie eben geschildert habe, gut ist und mit den Verhältnissen aus dem ersten Weltkrieg nict zu vergleichen wäre. Mittagessen gibt es tatsächlich mehr wie reichlich. Das Essen wird in Schüsseln aufgetragen und jeder kann sich nehmen , was er will. Das Fleisch wird einem zwar zugeteilt. Mir reicht es reichlich und die anderen höre ich auch nicht klagen. Wenn es wieder einmal eine Besonderheit gibt, dann werde ich Dir einmal davon schreiben. Vielleicht ist für Euch daheim alles Besonderheit, wenn Ihr das sehen würdet. Aber wie ich früher schon einmal sagte, das ist ja noch das, was uns hier bei Stimmung behält.  Nachher will ich in eines der theater gehen. Es wird „Zigeunerliebe“ von Lehar gespielt. Ich verspreche mir nicht sehr viel davon, denn es findet nicht in dem Theater statt, wo ich sonst hingehe.  Recht viele herzliche Grüße und Küsse sendet Dir und den Kindern in viel Liebe Dein Ernst.

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