Mein lieber, lieber Schatz ! 23.11.42
Soeben komme ich aus dem Kasino vom Abendessen zurück. Es
ist 9 Uhr. Jetzt möchte ich mich noch ans Briefeschreiben setzen, denn den TAg
über bin ich wegen der vielen aufgelaufenen ARbeit nicht dazugekommen. Zuerst
habe ich Deine beiden Briefe vom 11. und 12.
zu beantworten, die ich gestern und heute erhielt. Über beide habe ich
mich wieder sehr gefreut und ich danke Dir recht schön dafür. In diesen Briefen
lebst Du jetzt in Erinnerungen und Vermutungen für meine Fahrt. Es ist schon
eine weite STrecke, und man merkt das erst wieder richtig, wenn man
hinausfährt. Es ist doch sonst allgemeine so, daß einem ein Weg, den man zum
zweiten Mal geht, oder fährt, viel kurzweiliger erscheint. Ich kann nur
erwähnen, daß in diesem Fall das nicht zutraf. Durch die Fahrtunterbrechung in
Kiew kam einem das noch länger vor. Wenn wir aber in Kiew pünktlich angekommen
wären, dann hätte ich einen ganzen Tag gewonnen. Wie es nun auch sein mag, ich
habe es wieder geschafft und bin auch noch gesund. Aus Deinen Briefe kann ich
lesen, daß Du im GArten fest rangegangen bist. Ich, mit meinen gärtnerischen
Kenntnissen, habe mich nur immer wieder gewundert, mit welcher Planmäßigkeit Du
alles besorgst und fertiggemacht hast. An alles, was ich Dir aufgetragen hatte,
hast Du gedacht. Ich kann daraus
entnehmen, daß ich durch Deine Geschicklichkeit bald ganz entbehrlich sein
werde. Ich glaube zwar, dass das nicht Dein Bestreben ist. Froh bin ich nur,
dass Du diese Dinge noch vor Eintritt der richtigen Kälte hast erledigen
können. Dem Baum hast Du auch all das zukommen lassen, was man ihm geben kann.
Ich freue mich jedesmal, wenn ich einen Apfel aus dem Koffer nehme. daß sie aus aus der eigenen Kultur stammen.
DAnk unserer Arbeit ist es uns gelungen, doch noch etwas aus ihm zu ziehen. Ich
muß dann immer daran denken, daß sie oft auf Dich herabgeschaut haben, wenn Du
den vergangenen Sommer über im GArten tätig warst. Ihr wiederum habt Euch im Frühjahr an den Blüten des Baumes erfreut.
Ich weiß, wie wir früher immer gespannt waren, wenn sich die ersten kleinen
Äpfelchen zeigten. Später hat man dann das Wachstum verfolgt. GAb es dann
einmal Hagel oder Sturm, dann hat man schon mit Bangen danach gesehen, ob nicht
zuviel heruntergefallen ist. DAs Fallobst haben wir dann immer fleißig
aufgesammelt. Ich konnte im Urlaub ja auch den Vorrat an getrockneten Äpfeln
bewundern, den Du Dir gesammelt hast. Die größte Freude gab es aber immer dann,
wenn es ans Ernten. So nimmt der Baum einen Raum des Interesses im Ablauf des
Jahres ein, der je nach der Jahreszeit verschieden, aber unverkennbar ist. Kurts Brief und meine Atwort habe ich Dir ja
schon zugesandt. Ein Schreiben an Dich deckt sich so ziemlich mit dem, welche
mir zuging. Ist schon unser Tagesablauf ziemlich eintönig und nicht übermäßig
abwexhslungsreich, so ist das bei ihm noch viel weniger der Fall. Bei Euch hat es fast zu der gleichen Zeit
mit dem Kälteeinbruch angefangen. Hier hat es heute wieder den ganzen Tag
geschneit. Der Schnee ist aber ziemlich
naß, er bleibt aber liegen. Die wenigen Bäume, die sich vor unserem Hause
befinden, sind ganz und gar überzuckert. Fürs erste sieht das ganz lustig aus.
Bald wird man es aber satt haben, wenn es lange genug gegangen ist. Froh wollen
wir nur sein, daß er erst jetzt eintritt, der Winter, dadurch haben wir schon
über einen Monat gewonnen. Mag nun kommen, was da will, wir werden unseren
Dienst erfüllen und im Frühjahr werden wir ein Stück weiter sein. Von Thomas bekam ich gestern auch einen Brief.
ER schreibt, daß er wieder in Urlaub fährt. Gesundheitlich und dienstlich geht
es ihm gut und er freut sich jedesmal, wenn er von mir etwas hört. Er fragt
gleichzeitig, ob ich meine Dienststelle gewechselt habe, wegen meiner neuen
Feldpostnummer. Ob er zwar durch die veränderten Verhältnisse in Frankreich hat
fahren können, möchte ich fast noch bezweifeln. Eines steht aber fest, daß dei im Westen teilweise dreimal im
Urlaub waren in diesem Jahre. Wittenburg ja auch. Dich mein liebes Mädel grüße
ich und gebe Dir fest viele viele Küsse und bin wie immer Dein Ernst.
Meine liebe Frau ! 24.11.42
Ich habe sonst nicht so sehr darunter zu leiden, aber
heute habe ich tüchtige Kopfschmerzen.
Ich hatte erst keine Lust, zu schreiben, Du sollst,
nachdem ich am Vormittag allerhand geschrieben habe, nicht leer ausgehen. Ich
habe erst an Nannie geschrieben. Durchschlag habe ich davon beigefügt, auch
ihren Originalbrief. An die verschiedenen Pfarrämter habe ich auch wieder
einmal geschrieben, damit die Ahnensache nicht ganz und gar einschläft. Die
Erfolge sind jetzt nicht mehr gewaltig. Ich versuche aber trotzdem noch, die
eine oder andere Auskunft zu erhalten. 7 Urkunden von Brose kann ich bekommen.
Ich glaube aber, daß es nicht die sind, die ich benötige. Ich habe deshalb nochmals Anfrage gehalten.
Nach Müglingen (?) habe ich ebenfalls geschrieben. Ob ich aber dort eine
Antwort erhalte, muß ich abwarten. Ich habe das Gefühl, daß diese Herren keine
große Lust verspüren, solche Anfragen zu beantworten. Von meinem Besuch im Theater vom vergangenen Sonntag habe ich Dir
noch nicht geschrieben. Wie ich Dir wohl schon andeutete, habe ich im
Stadttheater keinen Platz mehr bekommen. Wir haben uns dann für ein anderes
Theater Karten besorgt. Ich kann aber sagen, daß wir für lange Zeit geheilt
sind. Sowas hast Du auch noch nicht erlebt. Das Publikum setzt sich vorwiegend
aus einheimischer Bevölkerung zusammen. Unbekümmert, ob da Pause oder
Vorstellung ist, unterhalten sich diese Leute. Das ist schon nicht mehr schön.
Die machen sich aber auch nichts daraus, wenn gezischt wird oder wenn jemand
zur Ruhe ruft. Abgesehen davon war aber aicj das Programm derart schwach, daß
man sich bald über das ausgegebene Geld hat ärgern können. Es ist nur gut, daß
die Geschmäcker verschieden sind, denn sonst hätte einer der Kameraden nicht
sagen können, das sei schön gewesen. Um mich etwas zu zerstreuen und mit der
Absicht, meine Kopfschmerzen wieder los zu werden, bin ich heute in das
Stadttheater gegangen. Dort gab es wieder Ballett. DAs Programm lage ich Dir
wieder mit bei. Da konnte man aber den Unterschied sehen. Man kann bald sagen,
wie Tag und Nacht. Ich bin gewi0ß kein Kunstkritiker, aber das sieht bestimmt
jeder Laie. Ich dachte ein paarmal dabei, daß Dir dies auch gefallen würde. Bei
Ballett veranstaltungen ist es gut, daß man nichts von der Sprache verstehen
braucht wie bei den Opern, denn es wird kein Wort dabei gesprochen. Das hat mir
jedenfalls ausgezeichnet gefallen und ich hoffe, daß ich mir im Laufe dieser Woche
die letzte Ballettveranstalung ansehen kann.
Ich will heute mein Schreiben schließen, denn es geht doch nicht so, wie
ich es will. Ich hoffe, daß sich bis morgen die Kopfschmerzen gelegt haben. Dich und die Kinder grüße ich recht herzlich
und Dir, mein liebes Mädel, sendet recht viele Küsse Dein Ernst.
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