Samstag, 23. September 2017

Brief 324 vom 22./23.9.1942


Mein liebes Mädel !                                                                  22.9.42    
      
Den Brief vom 31.8. hat sich nach längerer Reise nun auch eingefunden. In diesem hast Du mir den Empfang des Butterpäckchens 33 bestätigt. Es hatte also in dem Heu, das ich aus meiner Schlafunterlage genommen hatte, nicht gelitten. Man müßte sich direkt einmal erkundigen, was man wegen der anderen Päckchen unternehmen kann. Vielleicht fragst Du beim dortigen Postamt nach, was zu tun ist. Soviel ich unterrichtet bin, müssen Nachforschungszettel ausgefüllt werden, die kannst Du mir vielleicht besorgen. Ich will dann zusehen, wie weit ich sie ausfüllen kann. Man muß sich jetzt wieder einmal darum kümmern, nachdem man sieht, daß auch diese Päckchenräuber in der Heimat sitzen. DAß Dein kleiner Vorrat etwas erweitert worden ist, freut mich sehr. Du mußt aber in meinen Briefen nachsehen, was ich in den verlorengegangenen Päckchen drin hatte. Ich notiere mir erst neuerdings, was ich abgeschickt habe, vorher ist ja nichts verloren gegangen. Deine Mitteilung über die Äußerung des Arztes wegen des Fortschrittes mit Helga hat mir auch wieder eine gewisse Beruhigung gebracht.  Hoffentlich nützt diese zusätzliche Kalknahrung für ihren Körperaufbau. Gut ist ja, daß Jörg auch seine Schulaufgaben macht, wenn Du ihn einmal daheim allein läßt. Es ist schon etwas wert, wenn man sich auf sie verlassen kann. Daß er sich einmal einen Streich leistet, das hängt mit der Entwicklung zusammen und das kann man ihm nicht so stark anrechnen. Ich habe aber heute noch außerdem Deinen Brief vom 13. , die 3 Päckchen Zeitungen und die 2 Päckchen mit den Ketten erhalten. Für diese Dinge danke ich Dir wieder vielmals. Ich will einmal sehen, was unsere Männer für die Ketten für Preise erzielen. Die Ketten sehen aber für die Preise ganz annehmbar aus. Die Kinder nutzen die Bade Gelegenheit aber fest aus. Sie haben vollkommen recht. Der Baldisch, der ja Baldischweiler heißt, und dessen Sohn Du bei uns im Marinesturm kennen gelernt hattest, ist bei der Konstanzer Jugend schon eine sagenhafte Figur. Er gehört zum Bad in Konstanz wie das Münster auf den Münsterplatz gehört.  Gestern bekam ich von Siegfried einen Brief. Ihn zu beantworten, hat jetzt keinen Zweck, denn ich muß ja die neue Nummer von ihm abwarten. An Helga habe ich gestern noch einen Brief geschrieben. Den Durchschlag habe ich Dir schon mit zugehen lassen. Weil ihr das beim letzten Mal gefallen hat, als ich von den Störchen berichtete, habe ich mich wieder erinnert, und habe das, was ich bei meiner Durchfahrt gesehen habe, als Ergänzung nachgetragen. Ich hoffe, daß es ihr Freude macht.  Du klagst in Deinem Brief über die vielen Fliegen. Ich kann hier nicht mitreden. Wir haben hier nicht viel Schnaken und die Flieg3en sind auch nicht in allzu großer Zahl vorhanden. Wir haben ja auch fast nichts Eßbares herumliegen, das macht schon viel aus. Auch mit dem anderen Ungeziefer geht es jetzt. Ich habe von Wanzen bis jetzt nicht weiter gemerkt.  Aus einem anderen Brief hast Du bereits gelesen, daß bei unserer Einheit Radio ist.  Wir haben diese unseren Schreibern zur Verfügung gestellt, weil wir tagsüber doch keine Gelegenheit zum Hören haben. Erstens geht da der Strom nicht und abends sind wir doch meist im Kasino. Wenn wir also hören wollen, dann müssen wir zu unseren Mannschaften gehen. Den anderen Apparat hat unser Chef; den kann man wieder schlecht fragen, wenn er uns nicht von selbst einlädt. Was wichtig ist, erfahren wir sowieso und wie ich schon schilderte, haben wir am Tag keine Gelegenheit, uns hinzusetzen, um Radio zu hören, auch am Sonntag nicht. Wenn man sich nicht einmal freifragt, ist man hier dauernd gebunden.  Bei uns wird es merklich kühler.  Letzte Nacht hatten wir wieder ziemlich unter Null. Das schöne Wetter hält immer noch an. In der Sonne ist es auch ganz angenehm. Man hat nur zu wenig Gelegenheit, spazieren zu gehen, um sich die Sonne auf den Buckel scheinen zu lassen.  Lasse es heute wieder genug sein. Nimm recht viele herzliche Grüße und Küsse entgegen von Deinem Dich liebhabenden Ernst.


Mein liebster Schatz !                                                                  23.9. 42       
   
Bald ist wieder Abend. Der Tag ist wieder arbeitsreich. Ich komme erst jetzt zum Schreiben. Gegen ½ 6 Uhr kommt man ohne Licht nicht mehr aus. Ich muß mich dazu halten, um noch den größten Teil des Briefes fertig zu bekommen. Licht haben wir nicht immer.  Sehr oft bekommen wir es erst gegen 8 Uhr, manchmal auch später oder es wird bald wieder abgeschaltet. Damit hängt auch unsere Wasserzufuhr zusammen. Vielleicht bessert sich das im Laufe der Zeit noch etwas. Nach dem gegenwärtigen Stand muß man aber immer eher mit dem Nichteintreffen rechnen.  Ich habe heute an die Stadtverwaltung geschrieben, daß ich nicht an dem Lehrgang teilnehmen kann. Durchschlag meines Schreibens habe ich Dir zur Kenntnis beigefügt.  Ich habe bei dieser Gelegenheit nochmals auf mein Gesuch hingewiesen. Bis jetzt habe ich ja noch keinen Bescheid erhalten. Es kann ja sein, daß sie erst auf mein Einrücken zum Lehrgang warten, um dann bei meinem Nichterscheinen abzulehnen. Ich habe Dir ja schon geschrieben, daß ich mich damit nicht zufrieden gebe und mich wehren werde gegen eine weitere Zurückstellung. Ich werde ja sehen, was man mir zu berichten weiß.  Post ist heute keine von Dir eingegangen. Es kann ja sein, daß noch etwas kommt. Auf die Abendpost habe ich im allgemeinen aber wenig Hoffnung. Über unseren Dienst kann ich Dir nichts weiter berichten, denn es geht immer seinem gewohnten Gleichmaß weiter.  Neue Beamte kommen bei uns an, werden an ihre Einheit weitergeleitet. Andere werden wieder versetzt oder Erkrankte kommen in die Heimat zurück. Fragen des Beamteneinsatzes werden erledigt und ausgeglichen. Die Aufsicht über die Arbeit der uns untergeordneten Stellen wird ausgeübt und Anordnungen zur Verbesserung der Verwaltung und zur Ergänzung der Bestimmungen werden herausgegeben. Einzelheiten kann man nicht erzählen, das ist Dir ja verständlich. Mit dem Ablauf der Tage schwinden die Wochen und ehe man´s versieht, ist wieder ein Monat vergangen. Gut ist, daß man immer eingespannt ist, wenn einem das manchmal auch zum Halse heraushängt. Doch alles Murren ist zwecklos, weil man weiß, daß es gemacht werden muß. Im großen und ganzen habe ich mich hier eingelebt. Der Inspektor wollte mir das alles hier überlassen, um vor meiner Abkommandierung zum Lehrgang noch einmal in Urlaub fahren zu können. Dies ist ja nun durch den gegenteiligen Bescheid ins Wasser gefallen; für ihn, wie für mich. Es ist sehr vielseitig, was zu machen ist und ziemlich aufgespalten, aber mit der Zeit läßt sich das auch übersehen. Das ist nur ein ganz kleiner Abriß von dem, was hier zu machen ist. Die Tätigkeit unterscheidet sich von der Arbeit bei der Feldkommandantur dadurch, daß wir uns mit den kleineren Angelegenheiten nicht so abgeben  und von Einzelheiten ganz abgesehen.  Ich hatte erst schon einmal geschrieben, daß Du mir verschiedene Sachen als Dienstpaket zugehen lassen sollst. Ich hatte davon abgesehen, weil ich dachte, daß es mir vielleicht über den Winter doch zu dem Lehrgang reichen würde. Dann wäre das ein Unfug gewesen, wenn man die Sachen erst hierher geschickt hätte und dann wieder hätte mit nach hause nehmen müssen. Aus diesem Grunde habe ich nichts weiter von mir hören lassen in dieser Angelegenheit. Jetzt mit dem Eintritt der kälteren Witterung muß ich mich doch daran halten. Ich schreibe Dir in diesen Tagen, was ich von hier erfahren kann, was Du zu machen hast. Auch das, was Du mir schicken sollst, schreibe ich Dir dann mit.  Ich grüße Dich, mein liebes gutes Mädel recht herzlich. Ich denke sehr viel an Dich, das kannst du mir glauben. Dein großes Bild steht in meinem Zimmer auf dem Tisch. Abends, wenn ich Schluß mache, ist es das Letzte mir, was ich sehe und morgens mit dem Blick zur Uhr, das erste, was mir ins Auge fällt. Hier, auf meinem Schreibtisch, kann ich es nicht behalten, weil ich dazu zu wenig Platz habe. Küsse auch die Kinder vielmals von mir und nimm Du selbst recht herzliche Küsse entgegen von Deinem Ernst.
Ein kleines Päckchen mit hundert Briefumschlägen habe ich wieder an Dich heute mit abgesandt. Damit ist Dein Bedarf für die nächste Zukunft wieder gedeckt, oder nicht ?


Brief 323 vom 20./21.9.1942


Mein liebes, gutes Mädel !                                                       20.9.42  
        
Post ist gestern für mich keine angekommen. Zum Sonntag will ich Dir aber doch schreiben, denn von ganz wenig Ausnahmen abgesehen, schreibe ich Dir schon seit längerer Zeit jeden Tag. Früher setzte ich ab und zu einmal aus. Das hat sich aber jetzt ganz gegeben, weil man außer dem Briefeschreiben keine große Entspannung am Tage hat. Daß man für das tägliche Schreiben auch gern täglich welche empfangen möchte, erscheint eine selbstverständliche Angelegenheit zu sein. Vorgestern erhielt ich Deinen Brief, den ich Dir im großen und ganzen schon bestätigt habe, dem Du am Ende aber noch einen Wunsch hinzugefügt hast, den ich Dir beantworten soll, wenn ich es mit meinem Gewissen verantworten kann.  Am Tag des Eintreffens Deines Briefes war ich nicht in der Stimmung, Dir Deinen Wunsch zu beantworten und gestern hatte ich auch den Bauch voller Zorn, weil mir meine Fortbildung in Deutschland daneben geraten war. Da ich dann nicht so richtig in der Lage war, zu Deiner Frage Stellung zu nehmen, das wirst Du wohl verstehen. Ob ich heute die passenden Worte finde, kann ich auch nicht sagen. Ich will es aber versuchen, denn Du sollst nicht noch länger warten.  Daß ich in viele Beziehung ein rauer Kerl bin, das weißt Du schon seit unserer Zeit vor unserer Verheiratung. Manches hat sich in den Jahren unserer Ehe abgeschliffen, aber manches ist auch zurückgeblieben. Ich habe Dir früher schon öfter gesagt, daß ich nicht immer merke, wenn Du einmal Worte der Stärkung und zur Stützung Deines Gemüts nötig hast. Ich habe zwar immer versucht zu ergründen, was Dir angenehm und recht sein könnte. In manchen Fällen habe ich es vielleicht gerade rechtzeitig getroffen, hinwieder bin ich auch zu spät gekommen. Meist haben wir uns dann bald wieder gefunden. Daß es einer Aufmunterung bedurfte von Deiner Seite, das muß Du mir schon entschuldigen, das hängt mit dem zusammen, was ich Dir oben erklärt habe.  Ich weiß, daß unser Hochzeitstag, oder Dein Geburtstag ein schöner Anlaß gewesen sind, mit Dir davon zu sprechen, was uns beide verbindet. Aber heute merke ich erst richtig, was ich Dir schon gleich nach dem Schreiben des Geburtstagsbriefes berichtet habe, was mir nicht an diesem Schreiben gefallen hat. Du siehst also, daß ich unbewußt etwas gefühlt habe und konnte doch nicht sagen was. Du hast mich auf den Trichter gebracht und wirst wohl selbst dazu lachen wie ich, da ß es so lang gedauert hat, bis bei mir der Groschen gefallen ist. als ich eingezogen wurde, hatten wir uns versprochen, uns in dieser Hinsicht schriftlich keine großen Worte zu machen, weil jeder von anderen doch weiß, wie die Dinge um uns stehen. Damals hat man aber nicht mir der langen Dauer des Krieges gerechnet. Wenn man aber so lange nicht nach hause kommt, dann ist es auch für eine kleine Frau keine Kleinigkeit, immer daheim zu sitzen und zu warten, ohne einmal ein liebes Wort zu hören, geschweige denn zu lesen. Ich kann das vollauf verstehen und fühle mich ganz in der schuld. Sei mir bitte darum nicht böse. Es geschah nicht aus einer schlechten Absicht heraus. Wir haben hier unseren täglichen Dienst und befinden uns immer im gleichen Trott. Man ist eingespannt in einer Tretmühle, die einem von Zeit zu Zeit immer wieder spüren läßt, wie unangenehm der Zwang ist, der manchmal nicht in Erscheinung tritt aber doch vorhanden ist. Manches wird man nicht gewahr und es ist doch vorhanden. Trotz allem denkt man doch immer wieder so viel und sooft an zuhause. Daß Du, mein liebes Mädel, bei diesem Gedanken dabei bist, das ist auch Dir erklärlich. Du und die Kinder, Ihr seid die, für die ich hier im engeren Sinne meinen Dienst tue.  Das mag selbstsüchtig klingen, aber ich betrachte es nun einmal so. Ihr seid das, was ich in erster Linie zu vertreten und zu verteidigen habe. Du erfüllst daheim im gleichen Sinne Deine Aufgaben. Wir haben ja alle den gleichen Wunsch, nach Beendigung des Ringens wieder beisammen zu sein und in Liebe miteinander zu leben. Daß Du mir dann immer noch mein liebes Mädel bist, versteht sich am Rande. Ich will diesen Wunsch nur nicht zu stark in den Vordergrund treten lassen, denn auch für mich hat dieses Verlangen seine harten Seiten. Nachdem Du jetzt mit so großem Einsatz dazu übergehst, Dich für mich schön zu machen, kann ich ja gar nicht mehr umhin, Dir zu bestätigen, daß ich Dich auch noch in ferner Zukunft lieben werde. Daß dies der Fall ist, habe ich dir schon, vielleicht nicht in dieser stark betonten Weise, zum Ausdruck gebracht. Du kannst aber gewiss daran glauben, daß ich Dich noch genau so lieb habe, wie an dem Tag, an dem ich von Euch fort mußte. Wir hoffen wieder bis zu dem Tag, an dem ich einmal zu Euch in Urlaub kommen darf. Dann kann ich Dir alles wieder einmal persönlich bestätigen, was ich Dir leider nur schriftlich mitteilen kann. Ich werde es aber bestimmt nachholen.  Bis dahin grüßt Dich ganz herzlich und recht vielmals Dein soviel an Dich denkender Ernst.

Liebster Schatz !                                                                             21.9.42   
       
Gestern kam Dein Brief vom 10. und heute der vom 12. Für beide recht schönen Dank. Aus Deinen Schreiben konnte ich wieder feststellen, daß Du für den Winter vorgesorgt hast. Ich habe in meinen Briefen schon immer betont, wie es mich freut, wenn Ihr für den Winter einen kleinen Vorrat habt Wie ich lese, machst Du nun auch Gurkensalat und Tomatenpüree ein. Das sind doch so willkommene Abwechslungen bei der an sich schon nicht zu ausgedehnten Ernährungsbasis. Hoffentlich hält es sich bis zum Verbrauch. Ich habe von mir auch versucht, Dich in Deinem Bemühen zu unterstützen. Ich habe wieder ein Päckchen mit Eiern abgesandt.  Es trägt die Nummer 44. Drei dazwischenliegende Nummern sind Päckchen mit Tabakwaren. Du kannst sie dann mit verteilen, wie Du es für richtig hältst. Mein Gesuch, das nu an die Stadt abgegangen ist, hat hat Dich, wie ich feststellen muß, anscheinend verblüfft. Ich falle an sich nicht gern gleich mit der Tür ins Haus, Das hast du auch aus meinem Entwurf gelesen, der im Prinzip mit der endgültigen Fassung übereinstimmt. Ich schrieb Dir zwar, Du sollst mir einmal Deine Meinung bekannt geben. Offenbar hast Du das übersehen. Daß Dich das Begleitschreiben gefreut hat, ist auch mir eine Freude. Denn man hat doch so wenig Gelegenheit, sich daheim Freude zu bereiten. Die wenigen Päckchen, die man senden kann, befriedigen mich nicht immer, aber Du siehst, daß ich auch in dieser Hinsicht immer an Euch denke. Wenn ich von Kameraden höre, was für Gelder daheim für Butter und Eier bezahlt werden, die nicht auf Marken erworben werden, dann muß ich nur immer wieder staunen. Man merkt, daß das Geld in der Heimat auch nicht mehr den Wert hat, wie in normalen Zeiten.  Auch Euch ist die Veränderung in der Schrift von Kurt aufgefallen. Daß ihm etwas Urlaub nicht geschadet hatte, ist bei dieser Verfassung ganz klar. Ich habe heute in den amtlichen Heeresnachrichten eine Bestimmung gelesen, wonach diejenigen, die nach Lazarettbehandlung, und die durch Verwundung oder durch längere Erkrankung in der Heimat waren und anschließend nur 14 Tage Urlaub erhalten haben, dieser Urlaub auf den ordentlichen Urlaub nicht angerechnet werden dürfen. Einen Auszug habe ich ihm gleich machen lassen, den ich ihm mit zusenden werde, damit er sich bei seiner Einheit entsprechend rühren kann. Er würde es sonst nicht so ohne weiteres erfahren, wenn ich es nicht gelesen hätte. Ihr könnt ihm das auch nochmals mitteilen, daß er sich darum kümmern soll.  Gestern war ich wieder im Theater mit meinem Arbeitskameraden, wie Du aus dem beigefügten Programm siehst. Es hat mir diesmal wieder ausgezeichnet gefallen. Die Darsteller sind doch alles Einheimische. Das Orchester auch. Der Dirigent ist aber ein Gefreiter des Heeres. Das sieht am Anfang etwas komisch aus, aber man merkt, daß er seine Sache sehr gut macht. Die Bevölkerung hat einen kleinen Teil des Theaters auch eingeteilt bekommen. Wie ich höre, waren auch früher verschiedene Theater und Kinos für die Öffentlichkeit da. Man hat vorwiegend russische Stücke aufgeführt. Die Ausländer waren allerdings in den Hintergrund gedrängt.  Man merkt auch, daß die Stimmen geschult sind, und daß das nicht von heute auf morgengemacht werden kann. Ich habe das Empfinden, daß das Publikum ziemlich theaterfreudig ist, dabei muß man berücksichtigen, daß die Leute unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu leiden haben. Aber die Plätze für die Zivilisten sind meist ausverkauft. Aber auch für die italienische und deutsche Musik hat man Interesse. Jetzt im Krieg geht es nicht so wie in Friedenszeiten, doch dafür muß man Verständnis haben.  Daß unser Jörg sich zu einem „Finder“ herausbildet und daß ihm das Stolz einflößt, kann ich mir vorstellen. Das ist doch so ein Geschäft für ihn, sich damit wichtig zu machen.  Aber wenn er sich mit den Büsinggepflogenheiten bekannt macht, dann ist es recht, wenn Du ihm ordentlich den Standpunkt klar machst. Das geht ja auf keinen Fall. Daß er das nicht mit Überlegung macht, ist zwar meine Ansicht. Er hat sich dazu verleiten lassen, ohne sich zu überlegen, was es bedeutet. Nimm ihn nur in solchen Fällen richtig vor, denn sowas darf nicht einreißen. Daß er jetzt Euer Raupenfänger ist, wird ihm aber als einzigen männlichen Vertreter der Familie von seiner Wichtigkeit überzeugen.  Daß er sich aber nicht zum Rattenfänger ausbildet wie im Märchen, das ist dann schon schlimmer. Recht viele Grüße sende ich Euch allen meine Lieben daheim und Dir recht viele Küsse. Dein Ernst.

Brief 322 vom 18./19.9.1942


Mein lieber Schatz, liebes Mädel !                                                       18.9.42      

Recht vielen Dank für Deine Schreiben vom 8. und 9.9. Ich erhielt sie heute. Außerdem kam noch ein Brief von der Stadt am wegen des Lehrgangs. Diese Geschichte will ich gleich vorwegnehmen, damit ich das erst einmal hinter mir habe. An sich ist es nicht richtig von mir gewesen, daß ich Dir kürzlich schrieb, daß ich eine Einladung zu diesem Lehrgang bekam. Du hast Dir damit nun unnütze Hoffnungen gemacht, die ich Dir heute wieder zerstören muß. Ich habe mich mit meiner Zulassungsbescheinigung gleich dahinter geklemmt, um Klarheit zu gewinnen. Mein Chef hat sich auch sehr bemüht, um mir dies zu ermöglichen, aber wie ich Dir schon in meinem letzten Schreiben in dieser Beziehung mitteilte, stehen verschiedene Hinderungsgründe entgegen, die sich nun geltend gemacht haben. Die Voraussetzung, daß man drei Jahre aktiven Wehrdienst geleistet hat, habe ich nicht erfüllt. Es hat auch nichts geholfen, als ich sagte, daß ich im letzten Jahr zurückgestellt worden bin. Wie ich aus den Bestimmungen vom letzten Jahr gesehen habe, mußte auch damals schon diese dreijährige Dienstzeit erfüllt sein. Du mußt Dich mit mir trösten, glaube mir, daß für mich das auch wieder einmal ein harter Schlag ist. Ich hätte zu gern einmal meine Ausbildung beendet. Jetzt hänge ist wieder ein Jahr herum. Im letzten Jahr hat man sich die Bestimmungen nicht angesehen. Wenn dieser Miller damals nicht diese Blödelei gemacht hätte, könnte ich schon längst diesen Lehrgang hinter mir haben. Denn das hätte man sowieso übersehen.  Ändern kann ich nun einmal nichts daran, und da nützt alles Ärgern nichts. Es geht eben nicht, das muß man sich dabei vor Augen halten. Sei mir bitte nicht böse über meine Eiligkeit. Es ist eine weitere Enttäuschung zu den vielen, die wir schon hingenommen haben.  Daß Du dich zu einem längeren Brief entschlossen hast, hat mich besonders gefreut. Ich weiß, daß Du Dich nicht die ganze Zeit hinsetzen kannst, um Briefe an mich zu schreiben, denn auch Du bist heute unter den Zeitumständen stärker in Anspruch genommen als früher. Man freut sich aber, wenn man wieder etwas ausführlichere Schreiben bekommt. Ich nehme an, daß Dir das genau so geht. Das Warten auf Post hat nun soweit aufgehört, als ich nicht gerade täglich Deine Briefe erhalte, aber sie treffen, wie es Dir auch geht, nicht täglich ein. Das ist aber nicht so schlimm und das kann man auch nicht immer verlangen. Im Verhältnis geht die Post ja ziemlich schnell.   Wie Jörg sich immer weiter in den Schulbetrieb hineinwächst und daß ihm das Freude macht, wenn er wieder einen neuen Abschnitt eingeleitet hat, kann ich mir so vorstellen. Er macht eben mit und das ist schön. Über Helgas Brief habe ich mich sehr gefreut. Er macht im Gesamten einen sauberen Eindruck und sie schreibt wieder ungekünstelt und frisch. Das macht mir Spaß. Ich werde ihr bald dafür danken. Sie hat schon etwas in sich und sie muß nur mitmachen und sich selbst nicht unterschätzen. DAß man ihr andererseits nicht mehr aufbürden soll als sie leisten kann, ist mir verständlich. Den alten Radioapparat kannst Du wegen mir verkaufen, denn es hat keinen Zweck wenn man ihn herumstehen hat. Wir haben schon genug Sachen herumstehen. Für uns hat er nach Deiner Ansicht keinen praktischen Wert. Ehe er noch ganz im Keller kaputt geht, dann lassen wir ihn noch ausschlachten. Du kannst ihn erst fragen, was er zahlt, damit man ihn nicht gerade hinterher wirft. Deine Vorsichtsmaßnahmen wegen des Luftschutzgepäcks sind zwar sehr weitgehend, aber an sich ist es kein Schade, wenn man sich vorsieht, denn wenn so ein Fall doch einmal eintreten sollte, ist es dann zu spät.  Das Baden macht Helga anscheinend Spaß. Daß sie schon etwas schwimmen kann, ist schon etwas wert. Das kommt dann noch von selbst. Daß sich Jörg aber nicht anstrengt, das ist doch nichts für einen Jungen. Wenn er auch jünger ist wie Helga, so kann ihm das auch nichts schaden. Da muß ihn Helga bald auslachen, oder meint er, man kann immer Ringe im Wasser finden. Wie hat er denn das eigentlich gemacht. Ist er etwa unter die Taucher gegangen. Da hat sich Helga wohl gefreut, als er ihr diesen Ring geschenkt hat. Wenn Du aber öfter mit zum Baden gehst, dann wird das sich auch zu seinen Gunsten bessern. Ich habe schon einmal meine Ansicht darüber geschrieben und ich entnehme aus Deinem Schreiben, daß Du auch meine Meinung teilst. Für die mitgesandten Rasierklingen danke ich Dir. Sie strecken wohl meine an sich sehr knappen Vorräte, aber allzu lange reichen sie auch nicht mehr. Ich muß zusehen, daß ich hier wieder etwas bekomme. Für die Besorgung der Ketten danke ich Dir. Ich will zusehen, wie ich sie hier verkaufen kann. An sich ist das nicht meine Art, auf diese Weise Geschäfte zu machen. Von der Änderung bei der Näherei habe ich Kenntnis genommen. Hoffentlich wirkt sich das nicht gar zu sehr aus, wenn diese Weiber allzu viel zu tratschen haben. Verwunderlich scheint es mir aber heute noch, daß wir es solange mit dem Zahn (Name) ausgehalten haben, denn so eigentlich im Bösen sind wir mit ihm nicht auseinandergegangen. Wir brauchen ihn ja nicht und uns kann er gestohlen bleiben. Komische und weltfremde Ansichten hat er ja immer gehabt. DAß das Mädel verbiestert, das ist in dieser Umgebung nicht anders denkbar.  Ich möchte heute mein Schreiben abschließen und Dir recht herzliche Grüße und viele Küsse übermitteln. Dein Ernst.

Meine liebste Annie !                                                                     19.9.42      
   
Die Enttäuschung von gestern wegen des Lehrgangs liegt mir heute sehr in den Gliedern. Ich habe eine Stimmung, in der ich alles zusammenschlagen könnte. Es ist hier niemand daran schuld. Man ist manchmal gewissen Gemütsstimmungen unterworfen. Die hat seine Ursache meistens darin, daß man so eingeengt ist, und man kann sich nicht so regen wie man möchte. Dann ist es schon bald 2 Jahre her, seit man diesen Kram mitmachen muß und man sieht noch kein Ende. Wenn sich dann noch solche Querschläge einstellen, dann reicht es einem für die nächste Zeit. Was hat man in diesem elenden Krieg nicht schon alles auf sich genommen und immer wieder kommt etwas Neues. Ich habe das früher schon öfter geschrieben, daß es mir noch nicht am schlechtesten geht, aber dieser Zustand weicht ja von einem Normalzustand wesentlich ab.  Ich will Dir nicht weiter den Kopf schwer machen, denn Du hast sicherlich damit auch wieder selbst durch meine Voreiligkeit zu tun. Du mußt mir aber zugute rechnen, daß ich mich freute, daß ich auf diese Weise einmal zu Euch hätte kommen können. Dies fällt nun auch ins Wasser. Abschrift der Absage habe ich Dir beigelegt. Ich werde dies der Stadt oder morgen mitteilen. Evtl.  werde ich noch versuchen, mein anderes Gesuch, das ich im letzten Monat gesandt habe, noch einmal in Erinnerung zu bringen und darauf hinzuweisen, daß ich wiederum gehemmt bin. Ob die zwar etwas machen, kann man noch nicht sagen.  Helga hat nun auch ihr Geld auf der Sparkasse. Jetzt wird sie froh sein, daß sie hinter Jörg nicht zurücksteht. Du hast auf das Buch von uns auch noch etwas drauf getan. Es wächst also alles weiter an. Früher war uns das nicht möglich, daß wir Ersparnisse machen konnten. Das ist nun auch schon etwas wert. Man hat nur die eine Hoffnung, nachdem im letzten Krieg die Entwertung und vor allem nach Beendigung des ersten Krieges eintrat, sich nicht das gleiche wiederholt. Dieses Sparen ist aber schon mit dadurch bedingt, daß man nichts kaufen kann und die Einkünfte sind immer noch die gleichen, wenn nicht teilweise noch höher. Aus diesem Grund läßt sich auch erklären, daß manche Leute im Schwarzhandel unverhältnismäßig hohe Preise für Sachen stellen.  Daß Erna wieder so nett an Dich gedacht hat, finde ich schön von ihr. Für sie wird es auch immer eine Erleichterung gewesen sein, wenn Siegfried ab und zu etwas schicken konnte. Ob sich das bei seiner neuen Einheit möglich sein wird, ist fast zu bezweifeln. Ich würde es ihm gönnen, daß er zu einem Verein kommt, der ihm diesen Wechsel nicht gar zu schwer empfinden läßt.  Ich kann mir denken, daß Jörg und Helga Interesse für die Streichholzschachtelsammlung von Vater hatten.  Bei ihm liegen ja allerhand so Raritäten herum. Ich kenne den Zustand, wie er bei ihm auf dem Schrank herrscht. Wie es in den andren Zimmern aussieht, habe ich noch gut in Erinnerung. Was haben wir früher für Schwierigkeiten gehabt, wenn Du einmal aufräumen wolltest. Manchmal gelang es für einige Tage, auf dem Schrank Ordnung zu halten, aber bald war es wieder soweit, daß er dieses und jenes noch brauchte und aufheben wollte. Ich glaube zwar, daß ich auch mehr aufheben würde, wenn Du nicht immer von Zeit zu Zeit wieder Ordnung schaffen würdest. Ich weiß, daß das nicht geht, daß man alles aufhebt, denn man belastet sich zu sehr mit zum Teil unnützen Dingen, die man vielleicht doch nicht braucht, und wenn man sie braucht, dann findet man sie nicht mehr. Wir werden das bei Vater nicht mehr ändern, das haben wir schon oft versucht, und das ist nun einmal eine seiner Eigenarten; im übrigen ist er auch zu alt dazu. Man kann sonst mit ihm auskommen und das ist wesentlich.  Eines freut mich, daß Du mit Deinen Dauerwellen überall solchen Erfolg hast. Daß Vater nicht einmal etwas dagegen einzuwenden hat, das will doch viel heißen.  Ich sehe ihn erst so von der Seite gucken. Anscheinend ist das diesmal nicht der Fall gewesen. Daß auch die anderen Leute diese Feststellung trafen, ist nur noch die Bestätigung zu dem Urteil der Fotos. Schade ist, daß ich es Dir nicht selbst sagen kann.  Wenn es aber so aussieht, wie auf den letzten Bildern von Dir, dann muß ich sagen, daß Du nur gewonnen hast. Das habe ich Dir zwar in meinem Brief geschrieben, als ich Dir wegen der Bilder schrieb. Ich gratuliere Dir jedenfalls zu Deinem Erfolg, den Du auf der ganzen Linie errungen hast. Recht herzliche Grüße und viele Küsse sendet Dir und den Kindern Dein Ernst.

Brief 321 vom 16./17.9.1942


Mein liebstes Mädel !                                                         16.9.42 
         
Wenn alles geklappt hat, dann ist Dein Vater gestern bei euch eingetroffen. Ich bin trotz allem gespannt, wie Ihr auseinander kommt. Ich werde bald von Dir darüber erfahren. Ich hoffe, daß Du nicht allzu viel Ärger hast und daß Du es mit der Arbeit schaffst.  Ihr werdet sicherlich einmal wegfahren, denn ich nehme an, daß Dein Vater sich zu einer Fahrt entschließt.  Das Wetter ist bei uns ernstlich herbstlich. Unser Arbeitsraum liegt nach Norden, so daß man nicht mehr so richtig warm wird. Die Sonne scheint wohl noch sehr schön warm. Aber nur in der Sonne selbst ist es warm.  Man kann bald den Pullover unter der Uniform vertragen. Allzu sehr darf man sich aber doch nicht einpacken, damit man noch gewisse Reserven hat, wenn es kälter wird. Mit einer gewissen Freude habe ich gelesen, daß bei Euch die Brot und Fleischrationen wieder erhöht werden. Für Dich wird dies im Hinblick auf den Winter auch eine Entlastung bedeuten. Mit ist es jedenfalls eine Beruhigung, wenn ich weiß, daß es für Euch wieder etwa das gibt, was Ihr im Frühjahr noch erhieltet, vom Fleisch zwar abgesehen.  Bist Du nicht verwundert gewesen, daß ich den ungefähren Standpunkt von Kurt herausbekommen habe. Nach den Bestimmungen über die Stiftung des Winterordens bekommt ja Kurt auch diese. Er hat sich wohl keine 6 Wochen hier aufgehalten im Osten, aber er hat an den Abwehrkämpfen mit teilgenommen. Mancher würde wohl darauf verzichten, wenn er seine gesunden Gliedmaßen wieder hätte, aber für ihn ist es doch immer nach außen hin einer Erinnerung.  Mein Fotoheft ist durch die Überbelegung schon etwas stark mitgenommen. Ich muß mich daher entschließen, einige Fotos, die vielleicht nicht ganz so wichtig sind auch nicht so gut geworden waren, wieder zurückzusenden. Heute lege ich die ersten bei. Die anderen werden folgen. Für Vater habe ich einige Stumpen und auch etwas Tabak da. Den mache ich einmal mit fertig, damit er mir nicht im Wege herumliegt. Eier habe ich schon wieder zurückgelegt. Wenn ich das Quantum voll habe, gehen sie wieder weg. Das Wetter ist zum Absenden von Lebensmitteln wieder günstiger. Hoffentlich erhalte ich bald noch einmal Butter. Die braucht man jetzt nicht mehr einzuschmelzen, Man kann sie jetzt so absenden.  Post habe ich heute nicht von Dir erhalten. Man gewöhnt sich sehr schnell an regelmäßigen Postempfang. Viel schneller wie wenn es umgekehrt der Fall ist. Ich glaube aber, daß bald wieder welche eintreffen wird.  Wichtiges habe ich heute nicht mehr zu schreiben. Ich sende deshalb Dir und den Kinder recht herzliche Grüße und Küsse.  Dein Ernst.


Mein liebes Mädel !                                                            17.9.42    
      
Dein Brief, in dem Du mir von Deinem Geburtstag berichtest, habe ich heute erhalten. Vielen herzlichen Dank dafür. Du meinst, Du hättest an diesem Tag nur gefaulenzt. Ich glaube, daß dies nicht der Fall gewesen sein muß. Wie ich lese, hast Du Dir Dauerwellen machen lassen. Zu dieser Prozedur mußtest Du über 3 Stunden bei Frseur bleiben. Sag mal, ist das keine Arbeit und vor allem keine Leistung, wenn man sich für so lange Zeit hinsetzen muß? Nein, ich will Dir Deine Freude bestimmt nicht verderben. Ich freue mich mit Dir, daß Du nun einmal Gelegenheit hast, Dir in dieser Hinsicht auch etwas zu gönnen. Du weißt, daß uns das früher nicht möglich war und Du hast auch auf sowas verzichtet. Du weißt aber genauso, daß Du mir auch ohne besondere Betonung Deiner Frisur gefallen hast. Ich begrüße aber gerade deshalb diesen Schritt, nachdem es uns möglich ist, auch dafür einmal Geld auszugeben.  Ich kann mir vorstellen, daß es Dir ganz gut steht. Ich habe das ja bereits auf den letzten Bildern gesehen, daß Du durch diese Veränderung gewonnen hast. Also nochmals meinen herzlichen Glückwunsch zu diesem Erfolg. Ganz besonders freut mich, daß das von mir gesandte Geld mit Veranlassung für die Ausführung dieses Vorhabens gewesen ist. Helga und Jörg haben auch ihren Verhältnissen entsprechend angestrengt, um Dir zu Deinem Geburtstag eine Freude zu machen. Mit Blumen seid Ihr nun reichlich versorgt. Daß die Kakteen dann dieser Blumenfülle weichen müssen, ist mir durchaus verständlich. Daß Helga Dir eine Handarbeit gemacht hat, wird auch Dir besonders gefallen haben. Vater hat sich auch angestrengt, das kann man wohl sagen. Ich sehe aus allem, daß man sich bemüht hat, Dir zu Deinem Geburtstag etwas zu schenken, um Dich zu erfreuen.  Immer mehr macht sich das Herannahen des Winters bemerkbar. Die Quartiere werden hergerichtet. Die Heizung ist ausprobiert worden. Es wird soweit alles nachgesehen. In unserer jetzigen Unterkunft kann uns das nicht mehr so stark interessieren, denn wir werden im Laufe des kommenden Monats unser Quartier innerhalb des Stadtgebietes wechseln. Wie es scheint, sind die aber dann auch in Ordnung. Jetzt werden sie erst noch gut hergerichtet. Mit der schönen Wetterperiode scheint es vorbei zu sein. Mit dem warmen Wetter dazu auch. In der vergangenen Nacht ist das Thermometer schon auf Null gesunken. Ich habe 2 Decken zum Zudecken, da geht es ja noch. Wenn man den ganzen Tag im Bau sitzt und keine Bewegung hat, dann merkt man die kühlen Tage schon ziemlich. Wir hoffen, daß es nicht so plötzlich mit dem Wetter weitergeht. Man kann es noch länger aushalten, wenn es wärmer bleibt. Aber unsere Einflußmöglichkeit ist ja sehr gering.  Man muß zusehen, daß man sich entsprechend anzieht, wenn es kalt wird.  Von der Stadt habe ich heute wieder einen Gefolgschaftsbrief erhalten. Darin wird auch gerade die Fleischversorgung der Schweiz erwähnt. Daß die Leute dort drüben 250 g pro Woche erhalten haben, wenn es vorrätig war, und daß ab August bis einschließlich Oktober überhaupt kein Fleisch mehr zugeteilt wird. Das ist schon ein ziemlicher Unterschied zu der Versorgung bei uns. Den Schlawinern kann es nichts schaden, wenn sie auch einmal etwas vom Krieg merken.  Dir und den Kindern wieder recht viele Grüße und herzliche Küsse von Deinem Ernst.

Freitag, 15. September 2017

Brief 320 vom 14./15.9.1942


Mein liebes Mädel !                                                            14.9.42 
       
Drei Zeitungssendungen bekam ich gestern von Dir und heute Vormittag erhielt ich schon Deinen Brief vom 15.7. Ich glaube, da hat jemand darauf geschlafen, oder er hat ihn unter dem Strohsack liegen gehabt, denn er sah sehr zerknittert aus. Man sieht aber wieder, daß nichts von dieser Erde verloren geht. Die Dinge, die Du in Deinem Schreiben erwähnst, sind durch die Briefe, die inzwischen geschrieben worden sind, überholt. Ich kann also nicht groß dazu Stellung nehmen.  Gestern habe ich noch an Nannie geschrieben, und Deinem Vater habe ich auch gleich geantwortet.  Den Brief habe ich Dir beigefügt, damit Du ihn Deinem Vater aushändigen kannst, weil ich annehme, daß Dich dieser Brief noch so rechtzeitig erreicht, daß dies möglich ist. Sollte er aber mit der gleichen Verspätung eintreffen wie der oben erwähnte, dann kannst Du den beigelegten Umschlag benutzen. Wenn Du ihn nicht brauchst, kannst Du ihn für einen späteren Brief an Deinen Vater verwenden. Die meiste Post habe ich also wieder beantwortet. Ich habe nicht gern Briefschulden. Vor allem lasse ich es nicht so lang anstehen, wenn es sich irgendwie vermeiden läßt. Ich habe fast an jeden zwei Briefe unterwegs, dadurch kommt es, daß ich auf diese Weise die langwierige Postverbindung etwas verkürze. An Dich sind es ja entschieden mehr Briefe. Aber auf die andere Weise müßte man meist 4  6 Wochen warten, bis man überhaupt wieder etwas hört.  Der Sonntag liegt nun auch hinter uns, die Woche hat ihren üblichen Anfang genommen und wird auch in der gewohnten Weise verlaufen. Man hat schon so einen Tritt, in den man hineingezwängt wird. Gestern Nachmittag gegen 5 Uhr hat mein Chef gesagt, daß ich doch noch ein Stück in die Luft gehen soll.  Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich Dienst. Ich habe mir dann einige von unseren Männern geschnappt und bin mit ihnen ein Stück in die Stadt gegangen. Gegen 7 Uhr waren wir wieder daheim, weil ich ¾ 8 im Kasino beim Essen sein muß. Wir waren hier im Tierpark gewesen. Für uns kostet das 10 Pfennig Eintritt. Dort war Konzert von einem Orchester der Luftwaffe. Wir haben zwar nicht mehr viel davon mitbekommen. Es war aber immerhin ganz nett. Wir haben uns dann die noch verbliebenen Tiere angesehen. Die Unterbringung läßt zu wünschen übrig, aber ich sage mir immer wieder, für jede Abwechslung ist man dankbar. Es ist verwunderlich, daß man sich das hier noch leisten kann. Es sind da 3 Eisbären. Wirklich schöne Exemplare. Die Unterbringung ist etwa so wie sie bei uns vor 30 / 30 Jahren war. Neuzeitliche Gesichtspunkte hat man dabei nicht berücksichtigt. Wesentlich ist für die hier nur gewesen, daß man diese Tiere eingesperrt hat, damit sich die staunende Menge sie ansehen kann. Andere Bären, Adler, Affen, Geier, Kamele, Stachelschweine und anderes kleine Getier ist vorhanden. In Friedenszeiten mag das besser gewesen sein. Das ist ja allgemein so, daß diese Einrichtungen im Kriege sehr leiden.  Von unserer Dienstzeit habe ich Dir wohl schon öfter geschrieben. Wie sie aber im einzelnen festgelegt ist, weißt Du sicher nicht. Früh gegen 7 Uhr stehe ich auf. Den Kaffee mit Brot und Butter , die wir bekommen, lasse ich mir holen. Um 8 Uhr gehe ich  dann auf mein Büro und bin dann bis ½ 1 Uhr dort. ¾ 1 Uhr beginnt im Kasino das Essen, das dann meist ½ 2 Uhr zuende ist. Dann kann man sagen, daß man frei hat bis 3 Uhr. Um diese Zeit gehe ich dann wieder auf das Dienstzimmer, wenn ich nicht schon vorher geholt werde wegen irgendeiner Sache. Dann mache ich Dienst bis ½ 8 Uhr, um dann im Kasino mit den anderen Herren ¾ 8 Uhr zum Abendessen zu gehen. Da läßt man sich etwas mehr Zeit. Meist wird es 9 Uhr, und dann kann man sich nach hause begeben. So geht es tagaus tagein, ganz gleich, ob Wochen oder Sonntag.  Recht viele herzliche Grüße und Küsse sendet Dir und den Kindern Dein Ernst.


Mein lieber Schatz !                                                             15.9.42  

Soeben erhielt ich Dein Schreiben vom 6.9.Bei Euch war also inzwischen wieder einmal Messe. Es ist anzunehmen, daß es auch immer weniger wird. Denn je länger der Krieg dauert, umso mehr werden doch diese Dinge in den Hintergrund gedrängt. Für die kinder hat es nach Deinem Schreiben zu schließen, immerhin noch verschiedenes Zeug gegeben. Für die Kriegsverhältnisse sind sie ganz gut weggekommen. Bei dem Pflaumenkuchen wäre ich auch gerne zugegen gewesen. Denn ich schließe, daß Ihr den zu Deinem Geburtstag gegessen habt. Mit den Äpfeln hast Du sicherlich ziemlich Arbeit. Schön ist ja, wenn Du genügend Dörrobst habt. Man kann es so notwendig gebrauchen während der Länge der Wintermonate. Daß Ihr mit dem Radio wieder einmal Pech gehabt habt, ist schon bedauerlich. Hoffentlich ist das nicht ernsthafter Natur, denn das wäre wirklich schade. Daß ich aber zu diesem Zwischenfall die Ursache sein soll, das ist ja weniger schön von Dir, daß du mir das in die Schuhe schiebst. Solange die andere Geldangelegenheit noch nicht geklärt ist, kann ich nicht noch die erstandenen Röhren bestellen. Die Bezahlung eines weiteren Widerstands wäre an sich schon leichter. Meines Wissens habe ich Dir dies auch schon einmal mitgeteilt, wie die Dinge da liegen. Ich muß sehen, was sich machen läßt. Daß Ihr eine Sonderzuteilung von Käse bekommen habt, ist schön. Man kann das alles gebrauchen. Ich habe Euch  gestern wieder 10 Eier zugehen lassen. Das Päckchen hat die Nummer 40. Ich hoffe wiederum, daß das Päckchen gut ankommt. Die Mitteilung, die ich Dir jetzt mache, wird Dich sicher sehr wundern. Ich kann Dir sagen, wo sich Kurt ungefähr befindet. Mit verschiedenen Schlichen bin ich dahinter gekommen. Nach meinen Feststellungen muß er bei einer unserer Armee sein und zwar im nördlichen Donbogen. Ich weiß nicht, ob auf Deiner Karte der Ort Millowo verzeichnet ist.  Im weiten Umkreis von dort muß er sich aufhalten. Ich werde ihm das demnächst mitteilen. Es ist ja nicht ausgeschlossen, daß er hier einmal durchkommt. Dann könnte man sich einmal sprechen.  Wenn man es von ihm nicht erfährt, muß man etwas nachhelfen. Von mir selbst habe ich sonst nichts weiter zu berichten. Ich grüße Dich und  die Kinder. Richte auch an Vater viele Grüße aus. Euch sende ich noch viele Küsse Dein Ernst.

Brief 319 vom 12./13.9.1942


Mein liebstes Mädel !                                                       12.9.42   
       
Für Deinen Brief vom 2.9., den ich gestern erhielt, danke ich Dir vielmals. Gleichzeitig bekam ich noch Post von Nannie und von Deinem Vater. Das war wieder einmal ziemlich zu lesen. Man freut sich aber immer wieder, wenn man von seinen Angehörigen etwas erfährt. Unter den herrschenden Verhältnissen ist es meist nicht gerade immer Erfreuliches, was sie berichten können, man hält aber doch so die Verbindung aufrecht. Den Durchschlag des Briefes Deines Vaters an mich hast Du ja erhalten. Ich habe das Gefühl, daß er sich doch äußerst einsam fühlt trotz seiner Frau. DAß er alt wird, merkt man immer wieder aus seinen Schreiben. Ich hatte durch die verschiedenen Verlegungen unterlassen, ihm zu bestätigen, daß ich die Briefumschläge erhalten habe. Ich werde es nachholen, aber an diesen Dingen, da bleibt er immer hängen und meint womöglich, daß man undankbar sei. Sorgen macht er sich schon um Siegfried, wie es mir scheint. Bis jetzt hat er ihn noch ziemlich sicher untergebracht gewußt. Durch diese Änderung können die Dinge etwas anders liegen. Es muß aber nicht so sein, daß er ausgerechnet zu seiner Feldeinheit kommt. Wir haben hier auch Unteroffiziere bei unseren Einheiten sitzen. Man muß nicht immer gleich zu dunkel sehen. Nach dem Schreiben von Nannie würde Kurt sehr zuversichtlich sein. Er ist con uns allen noch in der schwierigeren Lage, wenn man davon reden soll. Das Essen sei bei ihm ordentlich und reichlich. Sie macht sich Gedanken, daß sie uns gern einmal ein Päckchen schicken will. Ich werde ihr das ausreden, denn es geht doch allen daheim gleich, daß jeder nicht zuviel hat. Wenn ich ihr den Brief beantwortet habe, lasse ich ihn Dir mir zugehen.  Wie es mit der Unterhaltung steht, habe ich Dir schon im Laufe der vorhergehenden Briefe wissen lassen.  Nächste Woche haben wir wieder eine Filmvorführung. Wenn es auch nicht genau jeden Woche ist, so sieht man doch ab und zu, was inzwischen passiert ist.  Mit dem Essen ist es so, daß es gegenwärtig etwas nachläßt. Rein mengenmäßig schon. Mit diesen Schwankungen muß man bei Kommis immer rechnen. Abgesehen davon macht einem die ukrainische Krankheit immer wieder zu schaffen.  Gut ist nur, daß es ziemlich allen gleich geht. Wenn es ein paar Tage aussetzt, dann ist es aber bestimmt bald wieder soweit, daß man laufen muß. Wenn man es einmal nicht hat, dann fehlt einem schon was. Es ist erstaunlich, wie man sich auch an sowas gewöhnt. Ich kann mir nur erklären, daß es hier am Wasser liegt. In Mirgorod und auch in Kschen habe ich es wohl auch ab und zu einmal gehabt, aber hier ist es schon ein Dauerzustand. Auch das ist eine Waffe, die die Russen gegen uns einsetzen. Sie wissen es vielleicht nicht, aber diese Anpassung an die Lebensverhältnisse macht den meisten der Kameraden zu schaffen. Wenn ich so bedenke, was wir hier schon für Portionen gegessen haben. Ich meine damit nich in Charkow, sondern auch früher. Aber wenn man öfter durch das Auftreten dieser Erscheinung ins Rennen kommt, dann setzt man kaum Fett an, im Gegenteil, man braucht ein besseres Essen, um immer durchhalten zu können. . Heute habe ich Dir wieder eine Ration mit Eiern zugehen lassen. Das Päckchen trägt die Nummer 39. Hoffentlich erreichen sie Dich ordentlich. Ich denke, daß Du sie etwas bald verwenden mußt, aber dafür kannst Du Dir ja Eure Zuteilung aufheben, wenn Du das willst. Ich werde wieder weiter sammeln. Die Kisten kannst Du ja vielleicht aufheben und mir zusenden. Voraussetzung dafür ist, daß Dich diese Sendungen ordentlich erreichen und es sich dann lohnt.  Daß Du Dich noch zum Baden gehen aufgerafft hast, finde ich recht. Die Kinder werden sich sicher gefreut haben, als Du dort aufgetaucht bist.  Recht herzliche Grüße und ebensolche Küsse sendet Dir und den Kinder Dein Ernst.
Deinem Vater richte bitte herzliche Grüße aus. Seinen Brief werde ich bald beantworten.

Mein liebes, gutes Mädel !                                                         13.9.42   
  
2 Briefe bekam ich gestern von Dir. Der eine stammt vom 2.9. und der andere vom 24.8. Den letzten Brief erhielt ich von meiner vorhergehenden Dienststelle. Es war Dein letztes Schreiben an dies Feldpostnummer. In diesem Brief hast Du Dinge allgemeiner Art geschrieben, die Du in Deinem langen Brief alle auch erwähnt hast und den ich Dir inzwischen schon beantwortet habe. Zu Deinem anderen Schreiben, für das ich Dir ebenfalls danke wie für den übrigen Brief, möchte ich nun antworten. Wie das mit den Zeugnissen der Kinder steht, hat mich im allgemeinen beruhigt. Ich hatte dies auch nur im Hinblick darauf geschrieben, weil Helga im letzten Zeugnis nur Zweier hatte. Dies soll auch keine Kritik weiter sein. Man kann nicht verlangen, daß ein Mensch immer gleichbleibend ist. Man ist doch manchen Schwankungen unterworfen. Bei ihr kann das doch auch darauf zurückzuführen sein, daß sie so mächtig wächst. Wenn ihr jetzt das Kalkpräparat verabreicht wird, hoffe ich, daß ihr das hilft und daß ihr dann das Lernen wieder durch die Kräftigung des Körpers leichter wird.
Daß Du an dem Nähen im Ziegelhof teilnimmst, soll mir unter den von Dir geschilderten Verhältnissen kein Kummer mehr sein. Wenn du diese Näherei am Vormittag versiehst, dann scheint es mit Rücksicht auf das Zusammendrängen am günstigsten zu sein. Daß Deine Haushaltsarbeiten erst vorgehen, ist ja selbstverständlich.  Daß die Apfelernte Dir noch einige Sorge macht, kann ich mir vorstellen. Ich würde Dir zu gerne dabei behilflich sein. Du weißt ja, daß mir das immer ein Vergnügen war, wenn ich oben auf dem Baum klettern konnte. Aber auch dieses an sich billige Vergnügen kann man jetzt nicht haben.  Von Deinem Vater habe ich ja auch Bescheid erhalten, daß Siegfried im Urlaub war und daß er heute wieder abrücken muß. Ich kann mir denken, daß es für alle nicht leicht gewesen ist, als er losfahren mußte. Aber was nutzt es, daß man sich das Leben damit schwer macht, das Muß steht doch hinter allem.  Daß die Flieger öfter zu Euch kommen, hast Du mir noch gar nicht so geschrieben. Ich lese neulich, daß sie Karlsruhe bombardiert haben und einmal Nürnberg. Waren sie sonst näher bei Euch in der Gegend? Wenn Du Dich sicherst, soweit es unter den gegebenen Umständen möglich ist, dann ist das ganz vernünftig von Dir. Dieser viele Alarm hängt einem mit der Zeit selbstverständlich an.  Außer Deinen Briefen bekam ich noch Post von Dr. Thomas und von Wittenburg. Wittenburg schreibt, daß er das Geld an Henkes ausbezahlt hat. Ich habe ihm heute gleich geantwortet und mich bedankt. Gleichzeitig habe ich gebeten, mit mitzuteilen, was ich noch schulde und er soll sich doch mit dem Mann unterhalten, wie ich es ihm ausgleichen kann. Die eine Sorge, daß das Geld etwa verloren gegangen sei, wären wir nun los. Mir liegt jedenfalls sehr daran, diese Angelegenheit glatt zu bekommen. Der Tommi schreibt unter anderem vom Landungsversuch bei Dieppe. Sie sind nicht einmal alarmiert worden, sie hatten nur erhöhte Aufmerksamkeit. Er selbst hat normal weitergearbeitet. Man kann daraus ersehen, welchen Eindruck das in nicht zu weiter Entfernung von der Küste gemacht hat. Als Vorsichtsmaßnahmen werden die Männer wieder etwas mehr zum Exerzieren herangezogen. Das ist aber alles.  Als Letztes habe ich noch über eine Angelegenheit zu schreiben, bei der ich aber vorausschicken will, daß Du Dir davon keine allzu große Hoffnung machen sollst, denn ich habe damit schon einmal Schiffbruch erlitten. Die Stadt hat bei mri angefragt, ob ich gewillt bin, an einem am 16.11. beginnenden gehobenen Lehrgang in Karlsruhe teilzunehmen. Ich habe diese sofort zusagend beantwortet. Ich habe schon vor einigen Wochen in Anordnungen gelesen, daß in diesem Winter wieder diese Lehrgänge stattfinden. Grundbedingung dazu ist aber, daß man 3 Jahre beim Kommis sein muß. Ich will nun versuchen, wenn ich die Zulassung zum Lehrgang habe, es so durchzupauken. Ich will mich darauf stützen, daß ich im letzten Jahre ohne mein Verschulden zurückgestellt wurde. Die weitere Frage ist noch, daß hier für mich auch wieder Ersatz gestellt werden muß. Es sind also noch viele Klippen zu umfahren, ehe man es geschafft hat. Ich werde jedenfalls nichts unversucht lassen. Ich wollte Dich aber davon unterrichten, mache Dich aber gleichzeitig darauf aufmerksam, daß die Aussichten sehr gering sind.  Weitere Neuigkeiten habe ich nun nicht mehr zu berichten. Ich grüße Dich und die Kinder recht herzlich und sende Dir sowie den Kindern viele Küsse. Dein Ernst.

Brief 318 vom 10./11.9.1942


Meine liebe Frau !                                                                     10.9.42         
  
Herzlichen Dank für Deinen Brief vom 30.8., den ich gestern erhielt und über den ich mich sehr gefreut hatte. Die Bilder, die Du mir mitgeschickt hattest, haben mir wieder besondere Freude gemacht. Sie sind alle gut geworden. Ich glaube, daß ich nach dem Kriege bald zu Dir in die Schule gehen muß, wenn ich wieder fotografieren will. Ich kann nur sagen, daß Du Deine Sache ausgezeichnet gemacht hast. Ich denke, daß sie auch für Erna eine schöne Erinnerung sein werden.  Du hast ja nun auch erfahren, wo ich mich befinde und wie ich untergebracht bin. Das ist für Dich wohl immer eine Beruhigung, wenn Du weißt, wo ich mich aufhalte.  Bis jetzt sind die Kameraden immer noch nett. Es hat wohl jeder seine Eigenheiten, aber diese muß man in Kauf nehmen, und man muß sich nach ihnen richten, dann geht es am besten.  Gestern kam ich nicht zum Schreiben. Mir war es am Vormittag nicht gut. Da habe ich mich erst etwas umgelegt. Für den Nachmittag hatte ich eine Theaterkarte. Das Programm habe ich beigefügt. Es war einmal interessant, zu sehen, wie die Russen ihre eigenen Stücke spielen. Es kann ja sein, daß durch die Hinzuziehung von Aushilfskräften die ganze Aufführung nicht das abgerundete Bild ergab, was man erwartet hatte. Ich will damit nicht sagen. daß es mir schlecht gefallen hätte, aber die Aufführung wurde etwas beeinträchtigt. Während der Pause erlebt ich dann eine Überraschung. Auf meiner Versetzungsfahrt hatte ich in Mirgorod doch noch die Kameraden und die Schwestern vom Soldatenheim besucht.  Diese traf ich alle während der Pause. Zur Entgegennahme neuer Befehle halten die sich hier auf und fahren in den nächsten Tagen in die verschiedensten Himmelrichtungen. Man trifft doch immer wieder jemand, wenn man sich so von einer Einheit zur anderen begibt und dadurch die Leute kennen lernt.  Du wunderst Dich, daß sich die Leute geniert haben, mich mit meiner alten Kluft ins Kasino zu lassen. Du mußt dabei bedenken, daß man hier schon in der Etappe lebt. Die Herren haben meist mehrere Uniformen, so daß die ihre Sachen immer sauber halten können. Wenn man dann in diesen Haufen so hineingeschneit kommt, fällt man ohne weiteres auf. Da fragt ja keiner danach, warum und weshalb. Man sieht nur, daß er schäbig aussieht, und nach diesem Eindruck wird man dann gleich beurteilt. Ich habe ja eine bekommen und man fühlt sich ja wohler, wenn man wieder etwas Sauberes auf dem Leib hat.
Vorgestern habe ich noch an Nannie zum Geburtstag geschrieben.
Den Durchschlag habe ich mit beigefügt. Einige schlechte Fotos, die in Frankreich noch von mir gemacht wurden, habe ich beigefügt. Du kannst sie mit aufheben, wenn Du willst, kannst sie aber auch vernichten.  Wenn Ihr die Äpfel jetzt richtig verwendet, dann habt Ihr doch für den Winter etwas. Das Apfelmus und die Ringe sind dann eine willkommene Abwechslung. Bis es wieder neues Obst gibt, vergeht eine lange Zeit, dann ist man immer froh, wenn man einen gewissen Vorrat hat. H elga hat anscheinend eine ordentliche Lehrerin bekommen. Wenn sie gesunde Ansichten hat, dann profitieren die Kinder ja auch dabei. Es wird gut sein, wenn man da immer etwas Obacht gibt. Je nachdem hat man ja auch ein Vertrauen zur Schule. Denn die Eltern haben doch ein Interesse daran, daß ihre Kinder etwas lernen. Uns geht es jedenfalls so.  Wenn eine gewisse Zeit vorbei ist, kannst Du mit ihr wohl einmal reden.  Wegen des Bildes, auf dem Du lachst, kann ich nur sagen, daß es mir mir genau so gefällt wie die anderen auch Wenn Ihr Grund gehabt habt, Euch zu freuen, dann ist es recht so gewesen.  Die Zeit ist an sich schon erstn genug, darum soll man jeden Anlaß zur Freude ausnutzen. Da hast Du ganz recht gehabt.  Bleibt mir alle gesund und seid recht herzlich gegrüßt und vielmals geküßt von dem viel an Dich denkenden Ernst.


Mein liebster Schatz !                                                  11.9.42         

Deinen Luftpostbrief vom 5. erhielt ich gestern. Gelesen habe ich, daß Du mit Post jetzt laufend versorgt wirst. Über Helgas Geburtstag hast Du mir auch berichtet, so daß ich diesmal darüber ziemlich schnell unterrichtet bin.  Wie ich sehe, habt Ihr ihr einen schönen Tag bereitet, an dem sie sicher ihre Freude gehabt haben wird. Sie hat ja auch allerhand schöne Sachen bekommen, die ihr teilweise noch längere Zeit Beschäftigung geben werden. Die Leseratte ist doch zufrieden, wenn sie Bücher bekommt. Unser Blumenfreund hat selbstverständlich an Blumen gedacht. Daß Du ihr gewissermaßen als einen Gruß von mir aus dem Garten noch einen Dahlienstrauß geholt hast, war sehr lieb von Dir. Auch der Gang in ein Cafe wurde nicht unterlassen. Da hat sie nun auch all das gehabt, was Jörg in dieser Hinsicht auch erhalten hat. So anspruchsvoll ist sie im allgemeinen nicht, daß man es nicht erschwingen könnte. Mit Kleidung wurde sie auch bedacht, ich denke, daß sie im allgemeinen, wenn man die Kriegsverhältnisse berücksichtigt, nicht zu kurz weggekommen ist.  Nachdem es erst so unsicher war, ob Dein Vater doch noch zu Besuch kommt, hat mich die Begründung seiner Reise doch etwas überrascht. Wie es scheint, legt er doch mehr Wert auf die Aufrechterhaltung der Beziehung wie er in vielen seiner Briefe glauben machen wollte. So ging es ja auch nicht, wie er es viele Male versucht hat. Er kann uns doch nicht so einfach vor den Kopf stoßen und sagen, mit meinen Entschlüssen müßt ihr euch zufrieden geben. Ich bin der Ältere und habe ein Anrecht auf das, was ich mir vorgenommen habe. Wir haben doch die vielen Male erklärt, daß wir gegen eine Heirat nichts einwenden, wenn er meint, es es muß für seine Existenz so sein, doch es war nicht notwendig, daß er sich nun Hals über Kopf in dieses Abenteuer einläßt. Er muß es selbst ausbaden, dabei hilft ihm niemand, doch er hatte etwas damit warten können. Gar so eilig, wie er es immer hinzustellen versucht, war es bestimmt nicht. Wir haben dieses Thema schon oft von allen Seiten beleuchtet, daß es eigentlich nicht mehr notwendig ist, viel darüber zu schreiben. Ich hoffe, daß Ihr in Ruhe auseinander kommt. Ich lege großen Wert darauf, daß Du Dich nicht aufregst und daß das, was während des Urlaubs von Erna gutgemacht worden ist, wieder verdorben wird. Da die Briefe nicht ganz so schnell gehen, wie ich erst annahm, sende ich diesen auch mit Luftpost. Zwei Marken für Dich liegen ebenfalls wieder bei und eine Zulassungsmarke für Päckchen. Ich hätte heute einen Wunsch wegen der Päckchenmarken.  Könntest Du mir ein Glas Marmelade schicken, Wir bekommen jeden Morgen Eier. Ich kann sie schon nicht mehr sehen und lasse mir jetzt rohe Eier bringen, die ich für Euch aufhebe und an Euch wegschicken werde. Mir schmecken sie schon nicht mehr und für Euch sind sie sicher eine willkommene Hilfe. Wenn Du es machen kannst, dann hätte ich hier etwas Abwechslung. Vielleicht läßt es sich machen, daß Du ein Gefäß sendest, in das man evtl. Butter hineintun könnte. Sobald ich dann wieder welche bekomme, sende ich es Dir dann zurück. Die anderen Päckchen müssen wir wahrscheinlich abschreiben. Es ist schade darum, aber diese Gauner müßte man einmal erwischen. Wenn man nicht erst den Wechsel mitgemacht hätte, hätte man einmal der Sache nachgehen müssen.  Wenn ich Dir geschrieben habe, daß die letzten Rasierklingen nicht viel getaugt haben, so gilt diese Kritik nicht Dir, sondern das sollte für Dich nur ein Hinweis sein, wie schlecht das Zeug jetzt geworden ist. Wenn Du keinen Schneid hast, die Beerensträucher zu verschneiden, dann lasse es nur einmal sein. Vielleicht geht es auch einmal so. Ich habe es bis jetzt immer noch in jedem Jahr machen können. Wenn es nun einmal unterbleibt, wird es nicht so schlecht sein.  Ich nehme an, daß mein Brief etwa mit der Ankunft Deines Vaters zusammentrifft. Richte ihm bitte meine Grüße aus. Im übrigen hatte Dich an das, was ich Dir heute geschrieben habe. Dir und den Kindern recht herzliche Grüße und viele Küsse von Deinem Ernst.

Donnerstag, 7. September 2017

Brief 317 vom 7./8.9.1942


Mein liebstes Mädel !                                                             7.9.42     
    
Wochenanfang mit Geburtstagsfeier ist heute. Gerne wäre ich dabei und würde Dir meine Wünsche persönlich übermitteln. Ich habe Dir das in meinem Brief schon geschrieben. Im letzten Jahr stand ich in der Erwartung des Urlaubs, der mir immer weiter hinausgeschoben wurde. In diesem Jahr hat man nicht einmal diese Aussicht. Es trifft uns ja alle in gleicher Weise. Aber wir wollen trotzdem den Kopf hoch halten und den Mut nicht verlieren. Vielleicht glückt es doch einmal.  Deine beiden Briefe konnte ich Dir schon gestern kurz bestätigen und heute will ich sie beantworten. DAß die Geschichte mit Helgas Brust immer noch nicht erledigt ist, hat mich erst gewundert. Ich sehe aber, daß Du Dich darum gekümmert hast und daß der Arzt nichts mehr dabei findet. Man macht sich da Sorgen, daß den Kindern nichts bleibt und man möchte sich doch keine Fahrlässigkeit vorwerfen müssen, wenn eines Tages die Sache einen unangenehmen Ausgang nimmt. Ich weiß ganz genau, daß Du Helga unter ständiger Beobachtung hast, und daß Du Dir alle erdenkliche Mühe gibst, daß ihr nichts davon zurückbleibt. Es war also gut, daß Dr. Bundschuh sie wieder einmal gesehen hat, der sie schon lange kennt. Das schnelle Wachsen macht sie schon matt, denn so ein junger Körper leidet doch darunter, wenn ihm die Aufbaustoffe fehlen. Hoffentlich hilft ihr das Kalkpräparat. Wenn es alle ist, mußt Du Dir gleich wieder ein Rezept verschaffen, damit sie wieder etwas bekommt. Wenn der Körper müde ist, geht das in der Schule auch nicht in dem Maße vorwärts. Jörg hat auf diese Weise auch etwas mit abbekommen. Dem Schlawiner wird es nicht schaden.  Wenn die beiden Lauser so selbständig werden, merkt man doch, wie sie sich so nach und nach herausmachen und sich schließlich eines Tages der elterlichen Gewalt entziehen.  Das ist nun einmal das Schicksal der Eltern, die sich damit abfinden müssen. Ich denke, daß sie schon soweit sind, daß man sie allein ins Bad schicken kann. Sie müssen natürlich aufpassen, aber sie sollen sich Mühe geben, daß sie langsam das Schwimmern lernen. Ich habe es zwar auch erst im Unterricht nicht gelernt, doch später hat es mir keine Ruhe gelassen und ich habe es dann allein geschafft. Es ist ja alles nicht so schwer, daß man es nicht erlernen könnte. Nur wenn sie richtig aufpassen, kann man sie wirklich allein fortlassen. Doch ich denke, daß man ihnen das ungehindert zubilligen kann. Aber gerade dieser Fall, wie Du ihn mir geschildert hast, beweist, daß auch schon bei der Kletterei schnell etwas passieren kann. Wenn unser Junge nun einmal Streiche anstellt, dann liegt das an seinem Alter und in der Natur eines Jungen. Daß er eine Katze hat schwimmen lassen, ist nicht so schlecht, das hat nach meiner Meinung auch mit Rohheit nichts zu tun. Da brauchst Du keine Angst vor diesem netten Nachbarn zu haben. Man sagt das dem Jungen, daß das nicht geht, dann ist die Sache erledigt. Wenn es ein junger Hund gewesen wäre, dann hätte er im Wasser herumgepaddelt, die Katze wäre wahrscheinlich ersoffen. Es gibt ja schon genug Katzen in der Gegend, und die Leute sollen sich nicht so Viecher halten, wenn sie selbst schon nicht für ihre Kinder nicht genug zu essen haben. Das Annähen der Knöpfe hat Dir immerhin keine Beschwerden gemacht. Ich lege im allgemeinen Wert darauf, daß Du nicht länger dabei mitmachst als notwendig. Ich bin der Ansicht, daß auch die Leute das nähen gelernt haben, die ich in dem Brief beschrieben habe, als von dieser Sache die Rede war. Ich kann es nicht verstehen, daß man diese Dinge so einseitig erteilt. Wenn Not am Mann ist, dann gehören alle dazu aufgefordert, dann macht man sowas mit Freuden.  Ich will Dir das damit nicht vermiesepetern, aber meine Ansicht darüber muß ich Dir mitteilen. VAters Geburtstag habt Ihr ruhig verbracht, ganz wie ich es mir gedacht hatte. Daß ihm die Zigarren Freude gemacht haben, kann ich mir denken. DAß Du ihm den Durchschlag meines Briefes ausgehändigt hast, war zwar nicht notwendig, denn ich habe ihm doch diesen Brief persönlich zugesandt. Das macht zwar nichts und ist auch nicht weiter schlimm.  Es ist wohl auch mein Fehler , daß ich Dir das nicht besonders geschrieben habe. Wenn ich so lese, dann habe ich manchmal das Empfinden, daß Du Vater zu nehmen weißt, denn Dir gehorcht er mehr wie mir in früherer Zeit. Ich weiß zwar nicht, ob das auch mit dem zunehmenden Alter zusammenhängt. Ich freue mich jedenfalls sehr, daß Ihr Euch in soweit versteht. Wenn Du mit ihm auch nicht große Dinge besprechen kannst, denn er ist nun einmal ein Eigenbrötler im Laufe der langen Jahre geworden, so ist er doch immerhin erträglich. Etwas festtäglich war es dann schon noch, als ihr am Abend etwas Cognac und Kirschwasser getrunken habt.  Dazu hast du ihm noch eine besondere Zigarre gegeben. Es ist zwar nicht viel, aber es ist doch Krieg, da kann man nicht so große Sprünge machen. Eines muß ich aber feststellen, von seiner Gewohnheit hat er noch nicht abgelassen, abends lang herumzusitzen.  Solange es Dir nichts ausmacht, soll mir das auch gleich sein.  Von Kurt hatte ich auch einen Brief erhalten, den Du inzwischen auch mit erhalten hast. Auch hat er nicht viel anderes berichtet wie mir, so daß sich beide Schreiben bald decken.  Die Schrankangelegenheit hat sich durch die Hilfe der Hausbewohner ganz gut erledigen lassen. Du bist wieder zufrieden, daß Du so viele Sachen hast unterbringen können. Denn das war wieder Deine Sorge geworden. Die Kinder haben auch davon profitiert. Daß Du auch noch an mich gedacht hast, zeugt von zu großer Fürsorge. Jetzt hast Du wenigstens mein Briefmarkenalbum untergebracht, das war ja schon oft im Wege. Ich hatte erst nicht gewußt, daß Du auch Wäsche mitbekommen hast, als Dir der Schrank übersandt wurde. Ich denke, daß Du ziemlich mit Wäsche versorgt bist, denn ich glaube, daß Du einen ordentlichen Vorrat haben mußt. Ich habe mich im allgemeinen nicht so sehr darum gekümmert und bin jetzt noch weniger im Bilde wie früher. Der Garten ist Euch doch schon eine große Hilfe gewesen. Dadurch, daß Du in der kartoffelarmen Zeit Dir aus dem eigenen Garten welche holen kannst, ist schon ziemlich geholfen. Wenn Ihr es mit dem Zucker schafft, dann habt Ihr mit dem Apfelmus auch immer etwas Erfrischendes. Da Du einen Teil sterilisierst, kannst Du im Winter einen Teil verwenden und brauchst den Zucker jetzt nicht dazu. Der Apfelkuchen wird auch sicher geschmeckt haben. Da fehlt nur noch Schlagsahne dazu, dann ist es wie im Frieden. Gewiß, die Verarbeitung der Produkte aus dem Garten erfordert ziemlich Zeit, aber wenn man immer an den Winter denken muß, dann ist es gerade so, wie wenn man weiß, daß es draußen in Strömen regnet und man weiß, man hat ein dauerhaftes DAch über dem Kopf. Gefreut hat es mich, als ich die Ankunft von einigen Päckchen lesen konnte. Ich hoffe aber, daß die dazwischen Fehlenden sich auch noch eingefunden haben. Die Butter, die ich jetzt habe, könnte ich versiegeln. Wenn diese Päckchen so nicht abhanden kommen, dann werden sie so nicht auslaufen; vorausgesetzt daß die Flasche nicht zerschlagen wird. Die Fahrkarten waren für die Kinder bestimmt. Mir ist es schon selbstverständlich, daß ich Dir schreiben muß, wenn es sich irgendwie einrichten läßt. Wenn ich einmal nicht schreibe, so ist mir das gerade so, wie wenn ich mich nicht gewaschen hätte. Es ist eine Aufgabe geworden, die in das Tagesprogramm hineingehört Siegfried ist, wie ich aus der Mitteilung auf der übersandten Zeit gelesen habe, nochmals zwei Wochen in Urlaub gewesen. In dieser Beziehung hat er bis jetzt wirklich Glück gehabt. Nach seiner Versetzung wird es ja anders werden. Aber man muß sich zur gegebenen Zeit mit den eingetretenen Verhältnissen abfinden, anders hat es keinen Zweck.
Für diesen Tag ist es nun Schluß. Morgen will ich noch den Rest beantworten. Ich grüße Dich und die Kinder recht herzlich und bitte Dich, gib ihnen wieder einen herzhaften Kuß von mir. Du selbst nimm aber heute recht herzliche Geburtstagsgrüße und Küsse entgegen von Deinem oft an Dich denkenden Ernst.


Meine liebe Annie !                                                              8.9.42          

Deine Briefe, soweit es das Baden betrifft, hatte ich gestern schon beantwortet. Nachtragen möchte ich heute nur noch, daß Du von selbst ins Hallenbad gegangen bist. Damit ist mein Vorschlag öfter mit dorthin zu gehen, obwohl er dort noch nicht angekommen war, bereits von Dir verstanden worden. Das kling zwar etwas schwierig, Du verstehst es aber sicher. Dir hat es offenbar auch gefallen. Wenn Du es ermöglichen kannst mit der Zeit, könntest Du das Praktische mit dem Nützlichen verbinden. Es wäre vielleicht so eher möglich, diesen beiden Lausern das Schwimmen beizubringen. Wenn sie es könnten, würde sich auch die Gefahr des Wassers für unsere Beiden von selbst verringern. Sie brauchten dann nur noch das Gefühl der Sicherheit erlernen, dann kann man von sonstigen Zufällen sie unbekümmert gehen lassen. Welche große Freude Du mir mit den Bildern gemacht hattest, schrieb ich Dir bereits. Die Vergrößerungen dazu sins ja ausgezeichnet geworden.  Das sind mit die besten Bilder, die wir nach meiner Meinung von Dir haben. Zu Deinem jugendlichen Alter siehst Du noch weiter verjüngt aus. Ich will Dir durchaus nicht schmeicheln, aber es stimmt. Wenn Du Dir so einen Hut kaufen wolltest, habe ich bestimmt nichts dagegen. Du weißt ja, daß ich mir sowieso nicht zu widersprechen wagen würde. Ich habe Dein Bild, das ich mir aufgestellt hatte, gegen eines der vergrößerten ausgetauscht. Es macht sich sehr schön. Die Kinder habe ich mit dran geklammert. Jetzt bist Du doch Deiner Bedeutung entsprechend im Rahmen. Zeitungen habe ich gestern wieder bekommen, für die ich Dir danke. Ich glaube, daß Du den Kauf der „Berliner illustrierten Zeitung“ einstellen kannst, denn die haben wir hier in unserem Kreise dreimal, das ist zuviel. Man muß sich das ja austauschen. An Papiermangel für bestimmte Zwecke leiden wir hier noch nicht, so daß es keine beängstigenden Nachwirkungen nach sich ziehen wird.  Der Leim wundert mich nicht im geringsten, weil ich mir schon lange abgewöhnen will, mich zu wundern. Was wir hier für russischen gehabt haben, kann ich Dir leider nicht sagen, denn in den Marken und Klassen des russischen Leims kenne ich mich noch nicht aus. Ich weiß nur, daß er ganz abscheulich gestunken hat. Limburger Käse ist ein Dreck dagegen. Mir wurde es schon immer Angst wenn ich einen Brief zukleben mußte, weil ich nicht wußte, ob ich solange die Luft anhalten kann, bis ich mit dem Zukleben fertig bin und der Leim sich ausgestunken hat. Das ist also alles, was ich Dir darüber zu berichten weiß. Ich hoffe, daß es Dir mit Deinem Wasserglas (ein Leim) nicht ähnlich geht. Daß Jörg eine Lehrerin, die gleich zuschlägt, weniger sympathisch ist wie eine, die es sein läßt, ist mir schon verständlich. Er soll ja auch nicht wegen einer sympathischen Lehrerin in die Schule gehen, sondern er soll sich nur feste auf die Hosen setzen. Sein Vater war zwar in der Schule auch nicht derjenige Held, der sich besonders hervorgetan hat. Ich denke aber, daß er mehr Veranlagung dazu hat Nach längerer Zeit hattet Ihr wieder Fliegeralarm. Nach dem, was man in der Zeitung gelesen hat, ist in der Zwischenzeit wieder einmal bei Euch sicher Alarm gewesen.  Mit der Zusendung des Dienstpakets warte nur erst noch meine Anweisungen ab. Ich gebe Dir bald Bescheid, was und wie Du das machen mußt. Wir ziehen innerhalb des Stadtgebietes in den nächsten Tagen wieder einmal um. Es darf einem doch nicht zu langweilig werden. Das zugesandte Geld habe ich schon entbehren können. Darüber mache Dir bitte keine Sorgen. Wenn es Dir eine kleine Freude gewesen ist, dann hat es auch mir Freude gemacht. Ich weiß, daß das  unter früheren Verhältnissen bei uns etwas ganz Außergewöhnliches gewesen wäre, wenn man diese Summe hätte hinlegen können. Gerade an diesen Dingen sieht man, wie sich unsere Lebenszustände gebessert haben. Das ist auch das, was ich neulich mit meinen Worten zum Ausdruck bringen wollte, als von den Sparbüchern die Rede war.  Das Päckchen Nr. 38 ist heute an Dich abgegangen. Es ist wieder Butter, die Du sicherlich verwenden kannst, wenn sie richtig ankommt. Zum Schluß noch recht herzliche Grüße und viele Küsse sendet Dir  und den Kindern Dein Ernst.


Brief 316 vom 5./6.9.1942


Mein liebstes Mädel !                                                            5.9.42     
   
Der vorletzte Geburtstag des Jahres wird in der Familie heute gefeiert. Helga hat insofern Pech, als sie heute in die Schule gehen muß, während Jörg schulfrei hatte. Ich glaube aber, daß Helga in Bezug auf das was ihr geschenkt wird, nicht hinter ihm zurücksteht. Sie wird heute ebenso ihre Freude haben, wie sie Jörg auch gehabt hat. Wir haben ja immer darauf gesehen, daß jedes in gleicher Weise bedacht wurde, damit sich keines zurückgesetzt fühlte. Ich nehme an, daß dieses Empfinden bei Beiden ernstlich auch noch nicht aufgekommen ist. In diesen Tagen muß ich auch noch an den Geburtstag von Nannie denken. Ich werde ihr einen Brief senden, damit sie merkt, daß man sie noch nicht vergessen hat. Aus unserem Verwandtenkreis ist dann in diesem Jahr niemand mehr, an den in dieser Beziehung gedacht werden muß.
Von Jörg bekam ich gestern einen Brief, den ich ihm heute früh gleich beantwortet habe. Ich denke, daß ich nun nicht mehr lange warten muß auf die direkte normale Post von Dir. Wenn die direkte Verbindung aufgenommen ist, hat man erst wieder eher etwas Ruhe.  Du bist in dieser Beziehung bis jetzt noch nicht so in Mitleidenschaft gezogen worden. Ich habe schon viel auf Post warten müssen. Bei der letzten Änderung bin ich ja noch gut weggekommen. Es ist aber doch ein anderes Gefühl, wenn man weiß, es klappt wieder.  Vom Wetter kann ich berichten, daß es immer noch sehr schön ist. Vor wenigen Tagen war ein kräftiges Gewitter, mit dem gewissermaßen die Periode des Sommers abgeschlossen ist. Denn seit diesem Tag herrscht wohl wieder schönes Wetter, aber die Wärme macht sich nicht mehr fühlbar. Heftige Winde lassen die Wärme nicht mehr aufkommen, so daß man vom Anfang des Herbstes reden kann. Ein Sommer ist nun wieder dahingegangen, von dem man nichts gehabt hat. Ich kann höchstens sagen, daß ich in diesem Jahre einige Male im Freien baden war. Das hatte ich die vorhergehenden Sommer nicht gehabt. Mit allem findet man sich ja ab, weil einem nichts anderes übrig bleibt.  Gestern haben wir unseren Obersten verabschiedet. Wir haben ihn auf den Flugplatz gebracht. Er ist einer der wenigen Menschen, den ich als Offizier habe schätzen gelernt, obwohl ich nicht viel, oder besser gesagt, dienstlich näher zusammengekommen bin. Bei dieser Verabschiedung bin ich auch das erste Mal auf so nahe Entfernung an Flugzeuge von der Größe herangekommen. Es war also auch in dieser Hinsicht interessant. Abgesehen von den hohen Tieren, die dort versammelt waren. In deren Schatten verblaßt man ja ganz und gar. Vor allem wenn so  Generale und Ritterkreuzträgerherumstehen.  Die Preise, die ich dir einmal mitsenden wollte, hatte ich letzthin vergessen. Ich habe sie heute einmal beigefügt. Ein Rezept, wie man Kuchen backen kann, sozusagen aus dem Nichts, habe ich Dir beigefügt. So weit ist es schon, daß ich mich um Rezepte kümmere.  Einer unserer Herren hat es probiert. Du kannst ja damit machen, was Du willst. Vielleicht kannst Du es auch schon. .  Für heute sende ich Dir und den Kindern recht herzliche Grüße und viele Küsse. Dein Ernst.

Mein liebster Schatz !                                                             6.9.42    
      
Die Post ist noch nicht ganz durchgedrungen. Zeitungen, die am 28. abgesandt waren, erhielt ich gestern. Briefe sind von Dir noch keine angekommen. Lange kann es also nicht mehr gehen. Für die Zeitungen danken ich Dir vielmals. Einen großen Teil habe ich davon ausgelesen, denn da stürze ich mich immer gleich darüber her. Die Zeitung „Das Reich“ bietet immer allerhand und man ist immer auf dem Laufenden. Es kommt wohl immer etwas später als die Ereignisse, doch man ist immer wieder im Bilde, was gewesen ist.  Im allgemeinen bin ich hier wieder eher unterrichtet, denn ich habe täglich eine Zeitung. Sie reicht zwar nicht an die Brüsseler Zeitung heran, denn sie hat nur eine und an manchen Tagen zwei Seiten. Die Hauptsache bekommt man aber schon zu lesen. Radio ist auch im Haus. Es fehlt also nichts weiter. Übrigens, die Kameraden, von denen ich weggegangen bin, haben jetzt auch wieder ihr Radio in Schuß, was ihnen auch eine Erleichterung ihrer langweiligen Lage bedeuten wird. Wenn ich gerade vom Radio schreibe, so kann ich Dir mitteilen, daß gerade abends vielfach bei uns der Belgrader Sender gehört wird, den ich schon in Frankreich so oft hörte.  Mitten beim Briefeschreiben mußte ich unterbrechen, denn ich bekam gerade Deine Briefe vom 27. und 28. ausgehändigt.  Wiederum 3 Zeitungspäckchen. Eins davon von Leipzig mit einem Gruß von Siegfried, der offenbar noch einmal Urlaub bekommen hat.  Ich danke Dir für alles. Vor allem aber für die beiden Vergrößerungen, die ich mir in den Rahmen stelle. Damit hast Du mir eine große Freude gemacht. Das sind mit die besten Aufnahmen, die wir von Dir haben. Ich hatte ja schon bemerkt, daß das Ernas Hut war.  Ich finde aber, daß er Dir nicht schlecht steht. Wenn Du Lust hast, kannst Du Dir einen zulegen. Ich habe nichts dagegen. Ich beantworte sie Dir morgen mit. Für heute soll dann dieser Gruß genügen. Ich sende Dir und den anderen noch viele Küsse. Dein Ernst.


Brief 315 vom 3./4.9.1942


Mein liebes Mädel !                                                                  3.9.42    
       
Ein großer Brief wird es heute nicht, denn es ist mir nicht danach zumute. Ich habe wieder einmal die ukrainische Krankheit.  Unter diesem Ausdruck läuft jetzt der Durchmarsch. Mir ist es nicht ganz wohl dabei. Ich denke aber, daß sich das bis morgen wieder geben wird. Tröstlich ist dabei, daß es die anderen Kameraden auch so geht. Wahrscheinlich sind die Wasserverhältnisse schuld daran. Von gestern muß ich noch nachtragen, daß von Siegfried ein Brief ankam, in dem er mir seine Versetzung mitteilt und daß ich mit einer Antwort warten soll, bis er wieder schreibt.  Gestern habe ich zwei große Umschläge mit Briefumschlägen an Dich abgesandt. Ich habe hier einige auftreiben können. Ich denke, daß Du schon Verwertung dafür hast. Andernfalls muß Du sie auf Eis legen. Butter habe ich gestern auch nochmals bekommen. Ich werde sie wieder auslassen und in eine Flasche tun.  Ich hoffe, daß Du mir nicht böse bist. Auch wenn die Ernährungslage nicht so schlecht steht, wie es mir manchmal scheinen will, so bin ich immer wieder der Ansicht, daß man mit einer Rücklage an Fett doch auch im Winter etwas anfangen kann.  Vorgestern Abend war ich wieder in unserer Kinovorstellung. Die Nacht in Venedig wurde gespielt. Dazu gab es noch eine Wochenschau. Zur Ablenkung geht es. Überragend war der Film nicht.  Übermorgen hat Helga Geburtstag und am Montag bist Du dran. Ich werde an diesen Tagen wieder an Euch denken.  Recht herzlich grüßt Dich und die Kinder verbunden mit vielen Küssen Dein Ernst.


Mein liebes, gutes Mädel !                                                          4.9.42         

Durch die Absendung Deiner Briefe an meine alte Dienststelle und durch den Luftpostbrief bin ich fast laufend mit Briefen von Dir versorgt worden. Eine große Stockung war durch die Versetzung in dieser Beziehung nicht eingetreten. Gestern erhielt ich den letzten an meine alte Felspostnummer gesandten Brief vom 16.8.  Gefreut hat es mich, daß Ihr noch die wenigen Tage zum baden ausgenutzt hat. Wie bald ist der Sommer wieder vorbei. Ich wäre gern einmal mit dabei gewesen. Das ist nun der dritte Sommer, an dem ich nicht die Möglichkeit hatte, mich so nach Herzenslust auszuschwimmen. Wie war das früher immer schön, wenn man hinausgeschwommen ist. Wie oft sind wir zusammen geschwommen und haben uns gesteigert. Was war das für uns immer für ein Vergnügen, wenn man so unbeschwert durchziehen konnte. Neben dieser Freude war das immer so wohltuend. Ihr seid immer vorausgegangen, und ich kam dann von Dienst gleich nach. Mit dem Absteigen der Jahreszeit wurden zwar die Badezeiten auch kürzer, aber wir waren meist solange dabei, als es irgend möglich war. Ich las kürzlich, daß man den Erinnerungen nicht so sehr nachhängen soll, weil es die Kraft nehmen würde für das gegenwärtige Schaffen. In einem Teil meiner letzten Briefe habe ich ja viel von Erinnerungen geschrieben, die wir gemeinsam hatten. Ich kann nur sagen, daß das Gegenteil der Fall sein muß. In diesem Falle führe ich mir immer wieder vor Augen, was ich daheim hinterlassen habe, und ich weiß dann, warum ich hier draußen die Entbehrungen und die Trennung auf mich nehme. Gerade diese Erinnerung gibt einem erst doch den Inhalt für das, was man jetzt tun muß. Wenn ich mir sagen müßte, ich finde keinen Unterschied zwischen dem, was war und was jetzt ist, dann könnte einem ja alles trostlos erscheinen. Es kann schon sein, daß der Stärke des Geistes der Schwung genommen wird durch das hängen an der Erinnerung, für die Erhaltung der seelischen Kraft bedeutet ab die Erinnerung zweifellos eine Stärkung, wobei ich für das erste auch noch Zweifel hege. Wie Du die Einrichtung des Schrankes vorgenommen hast, habe ich nun aus Deinem letzten Brief gelesen. Die Maschine wird wohl während des Winters in der Küche nicht leiden. Ich sehe aber, wie ich Dir schon in einem meiner letzten Briefe schrieb, daß die Wohnung für uns zu klein wird. Du hast es bis jetzt immer noch fertiggebracht, alles unterzubringen. Ich glaube, daß jetzt aber nichts mehr hinzukommen darf, dann ist es auch mit Deiner Kunst aus.  Ich kann mir denken, daß Du Siegfried gern noch einmal gesehen hättest, wo er in Singen war, denn Du weißt doch auch nicht, wann du ihn wiedersiehst, wenn er jetzt wegkommt. Das ist aber fast so, wie es mir mit Kurt im vergangenen Jahrgegangen ist. Wir waren auch so nahe beieinander und haben uns dann verfehlt. Was hilft aber das Nachtrauern, In diesen Sachen kann man nun einmal nichts ändern.  Gestern habe ich das Päckchen Nummer 37 an Dich abgeschickt. Das Porto mußt Du selbst bezahlen, denn ich habe keine Marken zur Verfügung. Hier werden die Päckchen wieder so angenommen. Das spielt ja keine Rolle, ob Du mir Marken sendest oder ob Du dort die 20 Pfennig bezahlst. Es ist eine Flasche mit Butter, von der ich hoffe, daß sie gut dort ankommt.  Ich habe wieder eine voll, die ich bald wieder abschicken will.  Wenn ich Dir auf diese Weise eine kleine Fettreserve schaffen kann, so ist mir das mir für den kommenden Winter eine Beruhigung. Sobald ich wieder Eier bekomme, will ich Dir diese auch wieder zugehen lassen. Ich will hoffen, daß sie ordentlich ankommen.  Mein Durchmarsch ist noch nicht vorbei, ich nehme an, daß sich das bald wieder geben wird. Es ist wohl reichlich unangenehm, aber man muß warten, bis es wieder auskuriert ist. Für heute sende ich Dir wieder recht herzliche Grüße und viele Küsse, dir und den Kindern. Dein Ernst.