Mein
liebes Mädel ! 22.9.42
Den
Brief vom 31.8. hat sich nach längerer Reise nun auch eingefunden. In diesem
hast Du mir den Empfang des Butterpäckchens 33 bestätigt. Es hatte also in dem
Heu, das ich aus meiner Schlafunterlage genommen hatte, nicht gelitten. Man
müßte sich direkt einmal erkundigen, was man wegen der anderen Päckchen
unternehmen kann. Vielleicht fragst Du beim dortigen Postamt nach, was zu tun
ist. Soviel ich unterrichtet bin, müssen Nachforschungszettel ausgefüllt werden,
die kannst Du mir vielleicht besorgen. Ich will dann zusehen, wie weit ich sie
ausfüllen kann. Man muß sich jetzt wieder einmal darum kümmern, nachdem man
sieht, daß auch diese Päckchenräuber in der Heimat sitzen. DAß Dein kleiner
Vorrat etwas erweitert worden ist, freut mich sehr. Du mußt aber in meinen
Briefen nachsehen, was ich in den verlorengegangenen Päckchen drin hatte. Ich
notiere mir erst neuerdings, was ich abgeschickt habe, vorher ist ja nichts
verloren gegangen. Deine Mitteilung über die Äußerung des Arztes wegen des
Fortschrittes mit Helga hat mir auch wieder eine gewisse Beruhigung
gebracht. Hoffentlich nützt diese
zusätzliche Kalknahrung für ihren Körperaufbau. Gut ist ja, daß Jörg auch seine
Schulaufgaben macht, wenn Du ihn einmal daheim allein läßt. Es ist schon etwas
wert, wenn man sich auf sie verlassen kann. Daß er sich einmal einen Streich
leistet, das hängt mit der Entwicklung zusammen und das kann man ihm nicht so
stark anrechnen. Ich habe aber heute noch außerdem Deinen Brief vom 13. , die 3
Päckchen Zeitungen und die 2 Päckchen mit den Ketten erhalten. Für diese Dinge
danke ich Dir wieder vielmals. Ich will einmal sehen, was unsere Männer für die
Ketten für Preise erzielen. Die Ketten sehen aber für die Preise ganz annehmbar
aus. Die Kinder nutzen die Bade Gelegenheit aber fest aus. Sie haben vollkommen
recht. Der Baldisch, der ja Baldischweiler heißt, und dessen Sohn Du bei uns im
Marinesturm kennen gelernt hattest, ist bei der Konstanzer Jugend schon eine
sagenhafte Figur. Er gehört zum Bad in Konstanz wie das Münster auf den
Münsterplatz gehört. Gestern bekam ich
von Siegfried einen Brief. Ihn zu beantworten, hat jetzt keinen Zweck, denn ich
muß ja die neue Nummer von ihm abwarten. An Helga habe ich gestern noch einen
Brief geschrieben. Den Durchschlag habe ich Dir schon mit zugehen lassen. Weil
ihr das beim letzten Mal gefallen hat, als ich von den Störchen berichtete,
habe ich mich wieder erinnert, und habe das, was ich bei meiner Durchfahrt
gesehen habe, als Ergänzung nachgetragen. Ich hoffe, daß es ihr Freude
macht. Du klagst in Deinem Brief über
die vielen Fliegen. Ich kann hier nicht mitreden. Wir haben hier nicht viel
Schnaken und die Flieg3en sind auch nicht in allzu großer Zahl vorhanden. Wir
haben ja auch fast nichts Eßbares herumliegen, das macht schon viel aus. Auch
mit dem anderen Ungeziefer geht es jetzt. Ich habe von Wanzen bis jetzt nicht
weiter gemerkt. Aus einem anderen Brief
hast Du bereits gelesen, daß bei unserer Einheit Radio ist. Wir haben diese unseren Schreibern zur
Verfügung gestellt, weil wir tagsüber doch keine Gelegenheit zum Hören haben.
Erstens geht da der Strom nicht und abends sind wir doch meist im Kasino. Wenn
wir also hören wollen, dann müssen wir zu unseren Mannschaften gehen. Den
anderen Apparat hat unser Chef; den kann man wieder schlecht fragen, wenn er
uns nicht von selbst einlädt. Was wichtig ist, erfahren wir sowieso und wie ich
schon schilderte, haben wir am Tag keine Gelegenheit, uns hinzusetzen, um Radio
zu hören, auch am Sonntag nicht. Wenn man sich nicht einmal freifragt, ist man
hier dauernd gebunden. Bei uns wird es
merklich kühler. Letzte Nacht hatten
wir wieder ziemlich unter Null. Das schöne Wetter hält immer noch an. In der
Sonne ist es auch ganz angenehm. Man hat nur zu wenig Gelegenheit, spazieren zu
gehen, um sich die Sonne auf den Buckel scheinen zu lassen. Lasse es heute wieder genug sein. Nimm recht
viele herzliche Grüße und Küsse entgegen von Deinem Dich liebhabenden Ernst.
Mein
liebster Schatz ! 23.9. 42
Bald
ist wieder Abend. Der Tag ist wieder arbeitsreich. Ich komme erst jetzt zum
Schreiben. Gegen ½ 6 Uhr kommt man ohne Licht nicht mehr aus. Ich muß mich dazu
halten, um noch den größten Teil des Briefes fertig zu bekommen. Licht haben wir
nicht immer. Sehr oft bekommen wir es
erst gegen 8 Uhr, manchmal auch später oder es wird bald wieder abgeschaltet.
Damit hängt auch unsere Wasserzufuhr zusammen. Vielleicht bessert sich das im
Laufe der Zeit noch etwas. Nach dem gegenwärtigen Stand muß man aber immer eher
mit dem Nichteintreffen rechnen. Ich
habe heute an die Stadtverwaltung geschrieben, daß ich nicht an dem Lehrgang
teilnehmen kann. Durchschlag meines Schreibens habe ich Dir zur Kenntnis beigefügt. Ich habe bei dieser Gelegenheit nochmals auf
mein Gesuch hingewiesen. Bis jetzt habe ich ja noch keinen Bescheid erhalten.
Es kann ja sein, daß sie erst auf mein Einrücken zum Lehrgang warten, um dann
bei meinem Nichterscheinen abzulehnen. Ich habe Dir ja schon geschrieben, daß
ich mich damit nicht zufrieden gebe und mich wehren werde gegen eine weitere
Zurückstellung. Ich werde ja sehen, was man mir zu berichten weiß. Post ist heute keine von Dir eingegangen. Es
kann ja sein, daß noch etwas kommt. Auf die Abendpost habe ich im allgemeinen aber
wenig Hoffnung. Über unseren Dienst kann ich Dir nichts weiter berichten, denn
es geht immer seinem gewohnten Gleichmaß weiter. Neue Beamte kommen bei uns an, werden an ihre Einheit
weitergeleitet. Andere werden wieder versetzt oder Erkrankte kommen in die
Heimat zurück. Fragen des Beamteneinsatzes werden erledigt und ausgeglichen.
Die Aufsicht über die Arbeit der uns untergeordneten Stellen wird ausgeübt und
Anordnungen zur Verbesserung der Verwaltung und zur Ergänzung der Bestimmungen
werden herausgegeben. Einzelheiten kann man nicht erzählen, das ist Dir ja
verständlich. Mit dem Ablauf der Tage schwinden die Wochen und ehe man´s
versieht, ist wieder ein Monat vergangen. Gut ist, daß man immer eingespannt
ist, wenn einem das manchmal auch zum Halse heraushängt. Doch alles Murren ist
zwecklos, weil man weiß, daß es gemacht werden muß. Im großen und ganzen habe
ich mich hier eingelebt. Der Inspektor wollte mir das alles hier überlassen, um
vor meiner Abkommandierung zum Lehrgang noch einmal in Urlaub fahren zu können.
Dies ist ja nun durch den gegenteiligen Bescheid ins Wasser gefallen; für ihn,
wie für mich. Es ist sehr vielseitig, was zu machen ist und ziemlich
aufgespalten, aber mit der Zeit läßt sich das auch übersehen. Das ist nur ein
ganz kleiner Abriß von dem, was hier zu machen ist. Die Tätigkeit unterscheidet
sich von der Arbeit bei der Feldkommandantur dadurch, daß wir uns mit den
kleineren Angelegenheiten nicht so abgeben
und von Einzelheiten ganz abgesehen.
Ich hatte erst schon einmal geschrieben, daß Du mir verschiedene Sachen
als Dienstpaket zugehen lassen sollst. Ich hatte davon abgesehen, weil ich
dachte, daß es mir vielleicht über den Winter doch zu dem Lehrgang reichen
würde. Dann wäre das ein Unfug gewesen, wenn man die Sachen erst hierher
geschickt hätte und dann wieder hätte mit nach hause nehmen müssen. Aus diesem
Grunde habe ich nichts weiter von mir hören lassen in dieser Angelegenheit.
Jetzt mit dem Eintritt der kälteren Witterung muß ich mich doch daran halten.
Ich schreibe Dir in diesen Tagen, was ich von hier erfahren kann, was Du zu
machen hast. Auch das, was Du mir schicken sollst, schreibe ich Dir dann
mit. Ich grüße Dich, mein liebes gutes
Mädel recht herzlich. Ich denke sehr viel an Dich, das kannst du mir glauben.
Dein großes Bild steht in meinem Zimmer auf dem Tisch. Abends, wenn ich Schluß
mache, ist es das Letzte mir, was ich sehe und morgens mit dem Blick zur Uhr,
das erste, was mir ins Auge fällt. Hier, auf meinem Schreibtisch, kann ich es
nicht behalten, weil ich dazu zu wenig Platz habe. Küsse auch die Kinder
vielmals von mir und nimm Du selbst recht herzliche Küsse entgegen von Deinem
Ernst.
Ein
kleines Päckchen mit hundert Briefumschlägen habe ich wieder an Dich heute mit
abgesandt. Damit ist Dein Bedarf für die nächste Zukunft wieder gedeckt, oder
nicht ?