Donnerstag, 21. Juli 2016

Brief 154 vom 21./22.7.1941


Meine liebe Frau !                                                                                     21.7.41       

Gestern erhielt ich Deinen lieben Brief vom 16.7., der mich sehr überraschte und zwar insofern, daß in der Kette der Kranken nun Vater an der Reihe ist. Das hat nun noch gefehlt, daß das vor Deiner Abreise passieren muß. Hoffentlich ist dies nicht dadurch in Frage gestellt. Ich muß schon sagen, daß diese mit ziemlichen Hindernissen vor sich geht. Ich hoffe, daß es nicht sehr ernstlich mit Vater ist und daß es ihm bald wieder einigermaßen gut geht. Das kann ich Dir doch nicht übel nehmen, wenn Du Helga zu mir ins Bett packst, denn das sind ja besondere Umstände und da gelten doch immer außerordentliche Maßnahmen. Man kann doch nicht starr nach einer geraden Linie gehen. Wichtig ist, daß man die Linie nicht aus dem Auge läßt.  Ich sende, wie ich Dir schon im letzten Brief schrieb, ab heute die Post nach Leipzig, ich hoffe, daß es Dich dann dort erreicht. Am Samstag war ich zu Besuch in Lille. Ganz zufällig habe ich auch den Tommi getroffen. Er war sehr erfreut. Ich ja auch. Er teilte mir noch mit, daß er kürzlich mit meinem neuen Chef telefoniert habe. Er soll ihm gesagt haben, daß ich ein freundlicher Kerl sei und daß er mit mir sehr zufrieden sei. Thomas hat ihm dann darauf geantwortet, das habe ich ihnen ja schon immer gesagt. Wir haben uns sonst wieder gut unterhalten Außerdem habe ich Graser noch besucht, der mir jetzt nach langen Kämpfen einen Bezugschein für ein Paar Stiefel beschafft. Gestern bin ich wieder zurückgefahren. Ich habe wieder für meinen Dienst allerhand Neuigkeiten mitgebracht, erfahren und gelernt. So ein Besuch ist, wie ich feststellen muß, von Zeit zu Zeit von Nutzen.  Hoffentlich geht es unserem Jungen wieder einigermaßen, daß sich sein Zustand bessert und daß mit dem Aufbrechen, der Vorbereitung alles erledigt ist.  Ich grüße und küsse Euch alle meine Lieben recht herzlich, Dich mein liebes Mädel besonders. Hoffentlich seid Ihr gesund dann in Leipzig angekommen. Ich hoffe, daß Du mir dann wieder Bescheid zukommen läßt. Richte auch an die Eltern viele Grüße aus Dein Ernst 

Meine liebe Frau !                                                                                              22.7.41

Wenn es Vater besser gehen sollte, dann ist es möglich, daß Ihr Euch jetzt ernsthaft auf die Reise nach Leipzig vorbereitet. Ich hoffe, daß sich sein Zustand nicht als so schlecht erweist wie es mir nach Deinem Schreiben anfänglich schien. Ich hoffe, heute wieder Post von Dir zu bekommen und zu erfahren, wie es ihm geht. Für Dich ist das ja auch wieder eine Belastung, ich weiß zwar, daß Du das Pflegeamt gern übernimmst und daß Du ihn nicht gern in das Krankenhaus schickst. Ich halte es von ihm, wie ich das früher schon gesagt habe, für ungeschickt, wenn er sich sein bißchen Essen immer selbst gekocht hat. Ich sagte früher schon immer zu ihm, daß er mit bei uns essen soll, denn dann hat er seine geregelte Mahlzeit und braucht dann nicht immer erst anfangen, wenn er heimkommt. Ich denke jedenfalls, daß das Kochen für eine weitere Person Dir nicht viel mehr Schwierigkeiten gemacht hätte, aber er dachte ja immer, daß er besser so günstiger einkaufen  und leben kann. Die Schwierigkeiten stellen sich aber dann ein, wenn der Körper genug geschwächt ist. Ich hoffe, daß es ihm wieder leidlich besser geht und daß es ihn nicht so sehr gepackt hat. Dir und den Kindern wünsche ich sehr gern die Reise und einmal etwas Abwechslung aus dem täglichen Trott.
Der Oberbürgermeister von Konstanz hat mir wieder geschrieben, ich soll ihm die Bescheinigung zusenden, daß ich nicht aus dem Dienst der Stadt Konstanz austrete, bevor 5 Jahre beendet sind und bevor ich den Oberbürgermeister befragt habe. Ich hatte mit Absicht diese Bescheinigung zurückbehalten und mir gedacht, wenn er sie haben will, dann wird er schon schreiben. Das hat er nun getan. Ich habe ihm gestern gleich die Bescheinigung unterschrieben zurückgesandt. 
Das Wetter hat sich wieder ganz schön gemacht, nachdem es sich so ziemlich ausgeregnet hatte. Auffallend ist nur, daß es gegen morgen verhältnismäßig kühl ist. 
Vom Kamerad Graser habe ich am Samstag in Lille eine Bescheinigung erhalten, daß ich berechtigt bin, ein Paar Stiefel zu kaufen. Die muß ich in den nächsten Tagen bestellen, denn sonst treten wieder neue Bestimmungen in Kraft. Dort erhalte ich diese für 25,-RM, bei uns in Deutschland muß ich fast das Doppelte bezahlen. Fraglich ist dann, ob ich überhaupt welche bekomme. Stoff für eine Hose soll ich auch bekommen, so daß ich dann hier wieder etwas rechtes anzuziehen habe. Das Zeug, was ich jetzt trage, sieht teilweise sehr abgeschunden aus. Ich muß auch da wieder sehen, daß ich etwas gestellt bekomme. Auf diesem Wege dauert es aber meist etwas länger. Man darf aber nur nicht die Geduld verlieren. Du siehst, man hat auch auf diese Weise immer seine Sorgen.
Dir sende ich viele herzliche Grüße und viele Küsse. Ich wünsche Dir recht gute Erholung und den Kindern gute Unterhaltung. Daß Du Dich auf einige Tage entspannst wünscht Dir
Dein Ernst

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