Montag, 11. Juli 2016

Brief 148 vom 8./9.7.1941


Mein liebes Mädel !                                                                                     8.7.41   

Überschrift, sehr heiß und  augenblicklich viel Arbeit. Wie ich Dir schon mitteilte, haben sich bei uns die Ereignisse überstürzt. Mitten während unseres Umzugs kam die Mitteilung, daß unser Assessor wieder von uns wegkommt und ein Neuer für ihn den Dienst übernimmt. Es handelt sich um einen Kriegsverwaltungsrat, der erst vor zwei Monaten nach Deutschland zurückging, um dort eine andere Tätigkeit zu übernehmen. Vorher war er der Chef von Dr. Thomas, den ich auch seinerzeit bei meinem Besuch dort kennen lernte. Man sieht aber, daß es sehr günstig ist, wenn man jemand schon etwas kennt, man weiß dann eher, wie man sich zu ihm anstellen muß. Wie ich Dir auch in einem meiner letzten Briefe mitteilte, sollten meine Befugnisse hier ziemlich erweitert werden. Durch diese Umstellung hat der Neue nun gleich gesagt, daß ich hier so den Bürochef zu machen habe. Ich habe ihm auch erklärt, daß mir das nichts ausmacht, es würde nur am Auftrag dazu liegen. Was mich selbst anbetrifft, so werde ich tun, was in meinen Kräften liegt, ich glaube aber, daß ich es schon bewältigen werde. Die Unterzeichnung aller  Kraftwagenangelegenheiten ist mir nun inzwischen übertragen worden. Daß ich gegenwärtig viel Arbeit mit diesen Sachen habe, kannst Du Dir wohl denken, vor allem wenn man berücksichtigt, daß ich mein altes Arbeitsgebiet noch behalten habe. Den Publikumsverkehr habe ich zum großen Teil abgegeben, werde aber doch immer noch verhältnismäßig damit in Anspruch genommen. Ich werde weiter sehen, wie sich hier alles entwickelt. Durch die Änderung und Verlegung des Hauptgewichts des Kriegs nach dem Osten machen sich die Engländer mausig, was uns aber in keiner Weise beeindruckt. Gegenwärtig werfen sie Flugblätter ab, um die französische Bevölkerung gegen uns aufzuhetzen, teilweise fangen sie an zu bombardieren. So wurde die Stadt meines früheren Aufenthalts in den letzten 14 Tagen wiederholt mit Bomben bedacht. Vor allem aber am Samstag und Sonntag, wo er am hellen Tage erscheint und mehr oder weniger Unglück unter der Zivilbevölkerung anrichtet. Sobald im Osten eine Entspannung eintreten kann, wird es denen schon vergehen, am hellen Tage uns aufzusuchen. Du brauchst deshalb aber keine Bange zu haben, denn die Verhältnisse werden sich ja bald wieder ändern.
Ich habe mich in der letzten Zeit etwas verausgabt, da ich mir ein kleines Lager an Wein zugelegt habe. Jetzt weiß ich nicht, ob es Dir möglich ist, mit Rücksicht auf Deine bevorstehende Reise, mir noch einige Mark zu übersenden. Ich will aber gleich von vorneherein betonen, daß ich Wert darauf lege, daß Eure Reise gesichert ist, und daß Du nicht auf dem letzten Pfennig sitzt, wenn Du nach Leipzig kommst. Du kannst mir das ganz ruhig schreiben, wenn es Dir nicht möglich ist, etwas abzuzweigen, dann werde ich mich hier entsprechend einrichten.  Recht herzliche Grüße und Küsse sendet Dir und unseren beiden Kindern Dein Ernst

Meine liebe Frau !                                                              9.7.41

Gestern erhielt ich von Dir drei Briefe. Es sind diese die vom 2., 3. und 4.7. Ich habe davon Kenntnis genommen, daß alle Päckchen wieder pünktlich eingetroffen sind. Besonders hat es mich gefreut, daß Du nun wieder ein Paar Schuhe hast, die jetzt wenigstens passen. Wahrscheinlich hättest Du gern eine andere Farbe gehabt, aber man muß hier auch nehmen, was man bekommt. Ich denke aber, daß sie sich gut und angenehm tragen lassen und daß sie leicht sind. Wenn sie etwas eng sein sollten, so kannst Du sie Dir ja noch etwas weiten lassen. Die Schokolade und die Pralinen hast Du auch erhalten. Deinen Vorschlag wegen des Tabaks halte ich für richtig. Die Fischkonserven müßtest Du wahrscheinlich bald verbrauchen. Über das Zeugnis von Helga habe ich mich sehr gefreut, und ich werde ihr in diesen Tagen ein Paar Strümpfe als Belohnung kaufen. Jörg wird zwar auf Kosten von Helga mit profitieren, denn den kann ich doch nicht ohne sitzen lassen. Vor allem denke ich, daß Du diese noch gebrauchen kannst, wenn Ihr fortfahren wollt. Im Übrigen kannst Du ihm sagen, daß ich ihm diese gekauft habe in der Hoffnung, daß er sich auch so anstrengt wie Helga und kein Faulpelz ist. Wie ich Dir schon mitteilte, habe ich durch die verschiedenen Umorganisationen ziemlich Arbeit gehabt und bin nicht zur Beantwortung von Helgas Brief gekommen.  Ich habe es aber nicht vergessen. Außerdem ist es jetzt abends so, daß man froh ist, wenn man aus dem Bau herauskommt. Wir haben in letzter Zeit eine Hitze, die einem sehr zu schaffen macht.  Gestern waren beispielsweise 38/4o Grad im Schatten. Wie einem das anhängt, kannst Du Dir sicher vorstellen. Früh wäscht man sich ganz und bis man sich angezogen hat, ist einem schon wieder heiß.
Am Mittag, wenn man heimkommt, wäscht man sich zur Erfrischung wieder und ehe man in den Dienst geht vollzieht man die gleiche Prozedur. Dann freut man sich, daß der Abend herankommt und man sich der Kleider zum großen Teil entledigen kann. Heute früh hatte ich im Zimmer noch 30 Grad. Nachts wird man durch die „Stuka“-Angriffe (gemeint sind Schnaken) gestört. Halb zerstochen wacht man am Morgen auf. Das geht aber alles wieder vorüber. Für das treue Gedenken an meinem Geburtstag danke ich Euch. Es war also so, wie ich es mir schon gedacht hatte und wie ich es Dir in meinem Brief von gleichen Tage andeutete.  Mit der Schlepperei bei Euerer Fahrt nach Leipzig braucht es ja nicht so schlecht zu werden, denn Du kannst ja mit dem Omnibus bis zur Bahn fahren und in Leipzig läßt Du Dich auch abholen. Allerdings unnützen Kram braucht man nicht mitnehmen. Ich denke, daß Ihr soweit auch alle etwas zum Anziehen habt. Ich will dieser Tage nochmals zusehen, ob ich für Euch bzw. für Dich hier ein weiteres Paar Schuhe erstehen kann und vielleicht für die Kinder Sandalen. Ich selbst brauche auch wieder ein Paar Schuhe. Es gibt immer wieder Wünsche und man hat immer noch Gelegenheit, sein Geld loszuwerden. Ich grüße Dich recht herzlich und hoffe weiterhin, daß Du wieder ganz gesund wirst. Dir und den Kindern sendet viele Küsse Dein Ernst

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